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Non nobis, sed nomini tuo da gloriam

von
Koautor:  Bidayn

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(Naftali)

Die morgendliche Sonne schien warm auf die Dächer Jerusalems. Die ersten Händler bereiteten ihre Stände für den Tag vor, denn langsam regten sich die Stadt und ihre Bewohner.

Müde rieb sich Naftali die Augen. Blinzelnd sah er hoch. Durch das bunte Tuch, das als Sonnensegel diente, schienen blasse Sonnenstrahlen. Eine warme Brise strich sanft über seine Haut. Tief atmete er ein und genoss die letzten ruhigen Momente bevor der alltägliche Trubel um den nahegelegenen Viehmarkt begann.

Langsam richtete er sich auf, setzte sich aufrecht hin und ließ seinen Blick über die Stadt schweifen. Im Westen befand sich eine kleine Kirche, die „St. Maria der Deutschen“ genannt wurde. Ab und zu begleitete er seinen Vater zu den Gottesdiensten in diese Kirche. Weiter in der Ferne erkannte er im Osten den Palast des Königs, der durch die Sonne in goldenen Farben erstrahlte.
 

Glockenschläge rissen Naftali aus seinen Gedanken. „Naftali?“ Der junge Mann streckte sich, stand auf und begab sich ins Untergeschoss des Wohnhauses. „Naftali?“ Seine Mutter stand an der Kochstelle und bereitet gerade Sauerteig zu. Sie sah auf, als ihr Sohn gerade zu ihr kam. „Dein Vater braucht dich in der Schmiede der Templer. Du solltest dich langsam auf den Weg machen.“ Sie musterte ihn. „Ach ja, vergiss auch bitte nicht den Auftrag für den Großmeister mitzunehmen.“ Ihr Sohn nickte knapp.

Nachdem er die Auftragsarbeit aus der kleinen, an das Wohnhaus angrenzenden, Schmiede geholt hatte, begab er sich auf den Weg zum Ordenssitz der Templer. Als er auf die große Straße, die vom Jaffa-Tor kam, einbog, bemerkte er eine kleine Eskorte von Templern, die einen jungen, blonden Ritter Richtung Tempelbezirk begleiteten. „Wieder ein junger Fanatiker, der denkt er müsste hier sein Leben für Gott und das Christentum opfern.

Schon vor einigen Jahren hatte seine Mutter ihm erzählt wie es ihr und ihrer Familie während der Kreuzzüge und der Jahre danach erging. Obwohl der erste Kreuzzug schon seit über vierzig Jahren beendet war, kamen immer noch Kreuzfahrer nach Jerusalem, um die Stadt nach ihrem Glauben zu kontrollieren und zu formen. Vor allem die eigentliche Bevölkerung litt unter diesen Zuständen, viele Menschen ließen ihr Leben während des Krieges und verabscheuten deshalb die Kreuzritter und ihre Religion. Gerade weil Naftali in zwei Kulturen aufwuchs, verstand er den Zorn der nicht-christlichen Bevölkerung und verabscheute die Intoleranz gegenüber anderen Religionen, die es nicht nur im Christentum gab.

Er ließ die Gruppe hinter sich und passierte nach einigen Metern die „Schöne Pforte“. Der Königspalast kam in Sicht. Durch ein kleines verziertes Tor kam er in den Innenhof des Ordenssitzes. Dort verrichteten verschiedene Handwerkergruppen, wie Färber, Sattler oder verschiedene Schmiede, Arbeiten für den Orden.

Die Waffenschmiede seines Vaters befand sich in einer Nische, die weiter hinten im Innenhof lag. Sein Vater erwartete ihn schon. Er stand gerade an der Feuerstelle als sein Sohn zu ihm trat. „Hast du die Auftragsarbeit mitgebracht?“ Sein Sohn reichte ihm ein in Stoff eingepacktes Bündel, dass er in eine Truhe legte und verschloss. „Du kannst mir bei einigen Aufträgen helfen.“ Daraufhin legte sich Naftali eine lederne Schürze um und begann einige kleinere Aufträge zu bearbeiten.

Eine ganze Zeit lang arbeiteten sie nur schweigend nebeneinander.

„Hast du schon gehört“, begann sein Vater nach einiger Zeit, „dass der neue Großmarschall heute eintreffen wird?“ Naftali ließ kurz von seiner Arbeit ab und sah seinen Vater an. „Nein. Wer ist es denn?“ „Ein junger Ritter aus Deutschland. Er soll kaum älter sein als du.“ Sein Sohn wandte sich wieder seiner Arbeit zu. „Selbst daran schuld, wenn er sein Leben für eine unnütze Sache aufs Spiel setzen will.“ Sein Vater musterte ihn scharf. „Ich habe dir schon oft gesagt, dass du solche Äußerungen hier nicht aussprechen sollst!“ Naftali senkte beschämt seinen Kopf. „Aber,-“ „Kein aber. Du sollst auf das hören, was ich dir sagen. Hast du das verstanden?“ „Ja, Vater.“ Beide wandten sich wieder ihrer Arbeit zu, die kurze Zeit später durch das Auftauchen eines jungen Ritters in Begleitung seines Knappen unterbrochen wurde. Als sein Vater den jungen Mann sah, verbeugte er sich und sagte: „Ihr müsst der neue Großmarschall sein. Ich bin Lienhart und das ist mein Sohn Naftali.“ Naftali verbeugte sich ebenfalls. Während sein Vater und der junge Ritter sich weiter unterhielten musterte er diesen. „Irgendwoher kenne ich diesen Mann… Das ist der junge Ritter, den ich heute Mittag auf der Straße gesehen habe. Kaum vorzustellen, dass so einer Großmarschall wird. Er ist bestimmt auch nicht besser, als alle anderen Ordensritter.

„Naftali?“ Die Stimme seines Vaters riss ihn aus seinen Gedanken. Verwundert sah er sich um. Der Großmarschall war bereits gegangen. Naftali sah seinen Vater an. „Was hältst du von ihm?“, fragte ihn sein Sohn. Lienhart seufzte. „Nun, da der Orden ihn gewählt hat, wird er wohl der Richtige für dieses Amt sein. Es steht uns nicht zu darüber ein Urteil zu fällen, schließlich stehen wir unter seinem Befehl.“ Sein Sohn erwiderte mit einem kurzen Nicken und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
 

Als die Sonne langsam hinter dem Horizont zu verschwinden begann, beendeten die beiden ihre Arbeit und machten sich auf den Weg nach Hause. „Wir sollten uns etwas beeilen, nicht das deine Mutter sauer wird, weil sie so lange mit dem Essen auf uns warten muss.“ Sein Vater lachte.

Als sie ankamen, holte Naftalis Mutter gerade ein großes Fladenbrot aus dem Backofen und legte es auf den Tisch, der schon für das Abendessen gedeckt war. Die beiden Männer setzten sich zu ihr an den Tisch. Nachdem sowohl sein Vater ein christliches Gebet, als auch seine Mutter ein jüdisches Gebet, gesprochen hatten, begannen sie mit dem Essen. Naftalis Mutter hatte Hummus zubereitet was aus pürierten Kichererbsen, Knoblauch und etwas Zitronensaft bestand. Das Hummus wurde auf dem Fladenbrot verstrichen gegessen.

„Wie war euer Tag, Schatz?“ Seine Mutter sah beide fragend an. „Nichts Besonderes?“ Sein Vater überlegte kurz. „Der neue Großmarschall ist heute eingetroffen.“ „Also nichts Besonderes.“ Seine Frau sah ihn lächelnd an, woraufhin Lienhart seufzte. „Rahel…“ „Schon gut. Rede weiter.“ „Er ist noch recht jung. Schätzungsweise kaum älter als Naftali. Aber er macht einen sehr angenehmen Eindruck.“ Rahel wandte sich zu ihrem Sohn. „Und was meinst du?“ Verwirrt sah Naftali seine Mutter an und schluckte ein Stück Brot herunter. „Ähm…“ „Du bist seit heute Mittag irgendwie schon den ganzen Tag mit deinen Gedanken abwesend. Ist etwas passiert?“ Der junge Mann schüttelte den Kopf. „Nein!“ Ungläubig sah sein Vater ihn an. „Es ist alles in Ordnung“, entgegnete sein Sohn, „ich geh dann mal schlafen. Gute Nacht.“ Hastig stand er auf und lief in sein Zimmer.
 

Auf dem Bett liegend starrte er an die Decke. Warum auch immer ging ihm dieser Großmarschall nicht mehr aus dem Kopf. So einer wurde Großmarschall. Hatte denn der Orden der Templer niemand anderes für diesen Posten? Wütend seufzte er. Was kümmerte ihn der Kerl eigentlich? Es sollte ihn gar nicht interessieren wer und wie er war. „Templer bleibt Templer. Keiner dieser Fanatiker ist zu irgendetwas zu gebrauchen!“ Naftali legte sich auf die Seite und schloss die Augen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  japanfreak91
2015-11-29T15:49:05+00:00 29.11.2015 16:49
Uwww, ich finde es toll, wie du das mittelalterliche Jerusalem beschreibst :D Den Alltag und auch die Architektur, auch wenn die meiner Ansicht nach sogar noch ein wenig detaillierter sein dürfte (aber da spricht der Archäologe aus mir XD)
Auch den Zwiespalt in der Familie ist faszinierend:  eine jüdische Mutter, ein christlicher Vater und der Junge skeptisch gegenüber allen Religionen, da sie alle so intolerant sind... Und dann kommt da so ein neuer Großmarschall an, der es schon so weit gebracht hat, während er selbst Gelegenheitsarbeiten bei seinem Vater machen muss und den Mund verboten bekommt.
Aber ich rieche da Boyslove zwischen dem widerspenstigen Naftali und dem Großmarschall~ Mal sehen, wohin das noch führt, ich bin gespannt :D


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