Kapitel 5: Wenn die Trauzeugin dreimal klingelt …
Shikamaru schloss die Tür auf.
»Darf ich bitten?«, fragte er und öffnete die Arme.
»Vergiss es!«, gab Temari zurück. »So einen Schwachsinn fangen wir gar nicht erst an.«
Sie ignorierte seine Geste, ging rasch an ihm vorbei und betrat ihre gemeinsame Wohnung.
Er folgte ihr, machte die Tür hinter sich zu und bemerkte wenig ernst: »Jetzt bin ich enttäuscht.«
»Enttäuschungen stehen auf der Tagesordnung, wenn man mit mir verheiratet ist«, scherzte sie und lachte. »Aber das wusstest du sicher vorher schon.«
»Allerdings«, pflichtete er ihr bei.
Sie zwickte ihm liebevoll in den Nacken und eilte den Flur entlang.
Ein leichter Farbgeruch stieg ihr in die Nase. Erst gestern hatten sie die letzten Pinselstriche an den Wänden gemacht. Da ihm die Farbgebung egal gewesen war – von Neontönen und einem knalligen Pink abgesehen –, hatte sie sich ein freundliches Sonnengelb ausgesucht. Weil es sie an ihre Heimat erinnerte.
Sie betrat das Schlafzimmer und auch hier hatte sie, was die Einrichtung betraf, deutlich mehr Spuren hinterlassen als Shikamaru. Außer ein Sachbuch, das auf dem rechten Nachttisch lag, ließ nichts darauf schließen, dass er diesen Raum ebenfalls bewohnte. Okay, sie waren erst vorgestern in diese Wohnung gezogen und irgendwann ließ er bei seinem eher sporadisch ausgeprägten Sinn für Ordnung zwangsweise etwas liegen, aber ein wenig befremdlich war es schon. Sie wollte sich aber nicht darüber beschweren, dass er ihr freie Hand gelassen hatte, schließlich hatte es ihnen einige Streits erspart.
Temari blickte in den Schrankspiegel.
Ihre Haare, die Ino am Morgen eine Stunde lang mit einem Glätteisen bearbeitet hatte, standen dank der hohen Luftfeuchtigkeit wirr ab wie vorher und – sie wusste nicht, wohin es verschwunden war – ihr Make-up hatte sich in Luft aufgelöst, der Kajal um ihr rechtes Auge war verschmiert und ihre Stirn glänzte, als wäre ein Pfund Butter auf ihr geschmolzen.
Wenn sie auf den Hochzeitsfotos so unvorteilhaft ausgesehen hatte, zahlte sie dem Fotografen nicht einen Ryo, das stand fest.
Sie seufzte und da sie noch eine gute Stunde Zeit hatte, bevor Ino auf der Matte stand, um sie für die Feier am Abend aufzubrezeln, holte sie sich bequeme Freizeitkleidung aus dem Schrank und öffnete den Obi, der den schweren Kimono zusammenhielt, den sie zu diesem Anlass getragen hatte.
Sie musterte das Kleidungsstück. Mit den bestickten Ranken und Blüten an den Ärmeln und am Saum sah er schick aus, aber wenn sie ihr Spiegelbild ansah, hätte sie ein modernes Kleid dem Traditionellem besser vorgezogen.
Sie zog ihre Schranktür auf und lächelte. Sie kam zwar an einer Dusche nicht vorbei, aber den Fehler machte sie heute mit dem roten Abendkleid, das sie zusammen mit Ino ausgesucht hatte und zur Hochzeitsfeier tragen würde, nicht noch einmal.
Temari streifte den Kimono ab und hing ihn auf einen Bügel von außen an den Schrank. Sie griff nach dem T-Shirt, das sie sich herausgesucht hatte und wollte es anziehen, doch so weit kam sie nicht.
Sie spürte einen Druck am Oberarm, dann wurde sie zurück gerissen und fand sich zwei Sekunden später auf dem Bett wieder.
Irritiert setzte sie zum Sprechen an, aber Shikamaru unterbrach sie mit einem Kuss, bevor sie ein Wort sagen konnte. Sie ließ es einen Moment lang zu und machte sie sich von ihm los.
»Heißt es nicht Hochzeitsnacht?«, fragte sie.
»Und?«
»Es ist erst Nachmittag.«
Er ignorierte ihr Argument und küsste sie wieder, diesmal ihren Hals. Sie konnte ein leises Seufzen nicht unterdrücken, schob ihn allerdings von sich.
»Ich meine es ernst!«
»Ich auch«, erwiderte er nüchtern und sie fühlte, wie seine Hand an ihrer Hüfte entlang zu ihrem Oberschenkel fuhr.
Temari missachtete das angenehme Gefühl, als ihr Magen einen kleinen Hüpfer machte und sagte: »Hast du es so nötig, dass du nicht mal mehr ein paar Stunden warten kannst?«
»Nein«, gab er monoton zurück, »es ist schließlich nicht so, dass du fast fünf Wochen weg warst, schon seit vorgestern wieder hier bist und immer noch nichts gelaufen ist.«
Okay, unter dem Aspekt wunderte sie sich nicht über seine Anwandlungen. Es war ihr selbst schleierhaft, dass sie es vergessen hatte.
Da sie nicht gleich antwortete, machte er dort weiter, wo er aufgehört hatte.
»Ich bin gestresst und müde, seit ich wieder hier bin, ich weiß«, setzte sie an und griff nach seinem Handgelenk, »aber ich hab dafür jetzt keine Zeit.«
Shikamaru reagierte nicht auf ihr – zugegeben – schwaches Argument und so setzte sie nach: »Wirklich, Ino und Matsuri stehen in weniger als einer Stunde vor der Tür!«
»Das ist doch mehr als genug Zeit«, erwiderte er zwischen zwei Küssen ihres Schlüsselbeinbereichs.
Natürlich hatte er Recht, aber die flüchtige Abhandlung einer vorgezogenen Hochzeitsnacht versprühte keinen Reiz auf sie. Nein, sie wollte es sich auf der Couch bequem machen und gammeln, bis ihre übereifrige Trauzeugin und ihre Brautjungfer auftauchten, um sie aufzustylen und ihr mit stilistischen Ratschlägen auf die Nerven zu gehen.
Sie ließ sein Handgelenk los, platzierte ihre Hände auf seinen Schultern und drückte ihn von sich.
»Kannst du dich nicht noch ein paar Stunden zusammenreißen?«, fragte sie, leider nicht so energisch, wie geplant.
»Es sind fünf Wochen«, sagte er mit Nachdruck. »Und wozu soll es gut sein, bis heute Nacht damit zu warten?«
Temari hob eine Augenbraue. »Weil wir uns bis zu unserem Lebensende daran zurück erinnern werden«, entgegnete sie, »und ich nicht möchte, dass es eine schnelle Nummer zwischen Trauung und Feier war?«
»Es ist nicht annähernd Nacht.« Demonstrativ schaute Shikamaru aus dem Fenster. »Demnach ist es keine Hochzeitsnacht.«
»Wenn man es wörtlich nimmt, ja«, gab sie zu, »aber …«
Sein Blick ließ sie verstummen. Sie sah ihn selten so entschlossen. Vor allem nicht, wenn es um Sex ging, was für ihn nie eine allzu große Rolle gespielt hatte, sondern mehr ein nettes Beiwerk war. Vielleicht war es gerade deshalb seltsam, dass er es so vehement darauf anlegte. Obwohl …
Das letzte Mal war lange her und sie war seit 48 Stunden wieder im Dorf. Warum hatte sie seitdem noch nicht mit ihm geschlafen? Am Tag ihrer Ankunft, okay, doch gestern? Sie hatte zwar stundenlang mit Ino, die sich in ihrer Funktion als ihre Trauzeugin verpflichtet hatte, die ganze Hochzeitsfeier zu organisieren, den Ablauf und die letzten Kleinigkeiten besprochen, aber war das so anstrengend und stressig gewesen?
Sie lachte innerlich.
Ja, war es. Sie war gestern nach der ewig langen Diskussion mit ihr und dem anschließendem Abendessen mit ihren Brüdern um halb neun halbtot ins Bett gefallen. Da hatte ihr der Sinn nach Sex definitiv nicht gestanden. Und da sich bis jetzt keine gute Gelegenheit ergeben hatte …
»Und du bist noch nicht schwanger, oder?«, fuhr er fort.
Temari seufzte. »Nein«, erwiderte sie und schmunzelte unbewusst, »und so selten, wie wir uns in den letzten Monaten gesehen haben ist das zusammen mit dem Stress wahrscheinlich besser so.«
Dass es mit der Schwangerschaft bis jetzt noch nicht geklappt hatte, war das eine, doch rückblickend grenzte es an ein Wunder, dass die tausend Dinge, die sie organisiert und erledigt hatten, seit er ihr Mitte Dezember den Antrag gemacht hatte, ihre Beziehung nicht in Mitleidenschaft gezogen hatte. Ein anderer wäre in der Zeit vielleicht schwach geworden – nicht, dass sie das Shikamaru zutraute –, aber er hatte sich zusammengerissen. Wenn sie es recht bedachte, war es nicht zu viel verlangt, ihm diesen kleinen Gefallen zu tun. Ausruhen konnte sie sich die nächsten beiden Wochen noch, wenn sie Urlaub hatte und wie er gesagt hatte: Bis zur Nacht dauerte es noch, also war es keine Hochzeitsnacht. Das war nur logisch.
»Ach, vergiss es«, sagte sie mit einem Lächeln und winkte ihn zu sich heran. »Komm her und mach mir endlich ein Baby!«
Sie hatte es kaum ausgesprochen, da küsste er sie wieder und ohne ein Zögern entfernte er flink ihren BH und drückte sie zurück aufs Bett. Sie schmeckte seine Lippen und spürte seine Hände, die über ihren Körper fuhren. Im Gegenzug tastete sie sich seinen Oberkörper entlang, dann wanderten ihre Finger auf seinen Rücken, tiefer und –
Es klingelte an der Tür.
Einmal, zweimal, ein drittes Mal.
Ino.
Temari wusste nicht, ob sie sie ignorieren oder ob sie ihr aufmachen sollte. Klar, sie wollte mit dem Mann schlafen, dem sie vor noch nicht einmal zwei Stunden das Jawort gegeben hatte, aber war es das wert, sich mit seiner Teamkollegin anzulegen? Die Teamkollegin, die sich in ihre selbstauferlegte Pflicht als Hochzeitsplanerin dermaßen reingehängt hatte, dass sie ihr nur dankbar sein konnte?
Eine leichte Gänsehaut überkam sie, als Shikamarus Hände ihren Po erreichten und ihn massierten. Nach mehr als drei Jahren wusste er, worauf sie stand.
Verdammt, warum hatte sie die dämliche Klingel nicht ausgestellt? Dann hätte sie wenigstens eine halbwegs glaubhafte Ausrede, bis Ino auf die Idee kam, über die Terrasse ins Wohnzimmer einzusteigen, das so weit vom Eingang entfernt war, dass man ein Klopfen schlecht hören konnte.
Es läutete erneut dreimal und das Klingeln wirkte penetranter als bei dem Mal davor. Normalerweise konnte sie darauf hoffen, dass sie irgendwann aufgab, aber heute wusste Ino, dass sie zu Hause sein mussten.
Temari konnte tausend Ausflüchte im Kopf durchgehen, doch diesmal konnte sie sie unmöglich vor der verschlossenen Tür stehen lassen.
Sie versuchte sich von Shikamaru loszumachen und nach spürbarem Widerstreben gab er nach.
»Hast du nicht gesagt, dass sie erst in einer Stunde her kommt?«, fragte er sichtlich ernüchtert.
»Das sollte sie auch … Ich bin mir sicher, dass wir vorhin halb fünf abgemacht haben«, erklärte sie mit einem Blick auf den Wecker. Es war zwanzig vor vier.
Seufzend ließ er sich neben ihr aufs Bett fallen. »Warum musstest du ausgerechnet Ino zu deiner Trauzeugin machen?«
»Woher hätte ich wissen sollen, dass sie so ehrgeizig ist und die Aufgabe so ernst nimmt?«, fragte sie ohne jeglichen Vorwurf in der Stimme. Dann stand sie auf, streifte sich rasch das T-Shirt und die Hose über und lief zur Tür. Sie warf einen entschuldigenden Blick zurück, murmelte ein »Tut mir leid« und verschwand auf den Flur.
Shikamaru vergrub sich in seiner Decke.
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»Du siehst echt … wow!«, stammelte Matsuri perplex.
Ino betrachtete Temari ausgiebig und mit kritischer Miene und nickte. »Du siehst echt scharf aus!«
»Sollte ich als Braut denn scharf aussehen?«, fragte sie und zog die Stirn kraus.
»Warum nicht?«, erwiderte Ino und kicherte. »Ich freu mich jetzt schon auf Izumos und Kotetsus Gesichtsausdrücke, wenn sie dich sehen.«
»Weil?«
»Beide offensichtlich heiß auf dich sind und du ihnen so noch ein letztes Mal richtig schön unter die Nase reibst, was sie definitiv nicht mehr haben können.«
»Das ist nicht gerade nett«, bemerkte Temari belustigt. Sie schätzte die beiden als langjährige Kollegen, doch für diesen kleinen Spaß war sie sich nicht zu schade.
»Heute ist dein Hochzeitstag! Da darf man ein bisschen egoistisch sein«, argumentierte Ino überzeugt und grinste. »Außerdem muss ich Shikamaru ein bisschen unterstützen. Keiner seiner Freunde hat geglaubt, dass er eine gut aussehende und gut gebaute Frau wie dich abbekommt … Die Kerle werden alle gucken vor Neid!«
Temari nahm ihr Spiegelbild in Augenschein. Das Make-up war dezent mit Fokus auf ihre Augen, ihre Haare waren zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt und das Kleid …
Sie sah an sich herunter. Es war in einem intensiven Rot, ärmellos, tief ausgeschnitten und betonte exzellent ihre Oberweite. Die dünnen Träger und der Schnitt hielten es bombensicher an seinem Platz, dass sie sogar auf einen BH verzichten konnte. Bis zur Hüfte lag es eng an, der Rock wurde breiter und luftiger und endete ein Stück über den Knien.
Außer für Oberschenkelfetischisten, die bei diesem Abendkleid weniger auf ihre Kosten kamen, sah sie tatsächlich verdammt scharf aus. Und mit diesem Wort hätte sie sich früher niemals bezeichnet.
»Irgendwie finde ich es merkwürdig, wenn ich den ganzen Abend angestarrt werde«, meinte sie.
»Keine Sorge, das wirst du nicht«, sagte Ino mit einem Lächeln und deutete auf ihre linke Hand. »Du trägst da schließlich was.« Sie zwinkerte ihr zu und setzte nach: »Und ich kenne alle männlichen Wesen, die ihr eingeladen habt. Alle sind so anständig, dass sie von einer verheirateten Frau ihre Finger lassen. Erst recht von der Braut.«
Matsuri brach in Gelächter aus. »Und wenn nicht«, japste sie, »weiß sie sich auch ohne ihren Fächer zu verteidigen.«
Ino lachte ebenfalls los. »Stimmt, aber so lebensmüde kann keiner sein!«
Temari musterte die beiden amüsiert und stimmte in ihr Lachen ein.
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Shikamaru saß auf der Couch im Wohnzimmer und starrte auf das Shōgibrett, das vor ihm auf dem Tisch stand. Die Steine von der letzten Partie, die er am Abend zuvor nicht beendet hatte, standen noch und luden ihn zum Weiterspielen ein, doch er rührte sie nicht an. Er hatte weder die Zeit, noch die Lust, noch einen geeigneten Gegner, um das Spiel zu beenden.
Unauffällig schaute er aus den Augenwinkeln. Sai war vor einer halben Stunde aufgetaucht und saß seitdem neben ihm, hüllte sich in beharrliches Schweigen und kritzelte auf einem Skizzenblock herum.
Shikamaru hatte keine Ahnung, ob er es tat, um die eisige Stille zu überbrücken oder ob es als Vertreib der Langeweile diente, aber das musste er nicht wissen. Im Grunde schätzte er Sais Gesellschaft neben der von Chouji am meisten, denn beide wussten, wann sie den Mund zu halten hatten – nicht wie Naruto oder Kiba, die mit ihren Fragen, dem ewigen Gequatsche und der Suche nach uninteressantem Smalltalk ganz schön nerven konnten. Trotzdem schenkte er es sich, ihm Shōgi näherzubringen. Noch eine Person, die immer gegen ihn verlor und mit der er nicht verheiratet war, brauchte er nicht.
Er seufzte innerlich und lehnte sich zurück. Er hatte keine Lust auf seine eigene Hochzeitsfeier, weil er der durch Ino verpatzten Gelegenheit nachtrauern würde und Stunde für Stunde absaß, in der Hoffnung, dass der letzte Gast den Weg nach draußen fand, damit er endlich das zelebrieren konnte, worauf er seit dreiunddreißig Tagen verzichten musste. Um im Anschluss voller Enttäuschung festzustellen, dass Temari vom Feiern zu müde war und vor dem ersten Kuss eingeschlafen war. Was für großartige Aussichten … Warum konnte es nicht schon morgen sein?
Lautstark atmete er aus.
»Hast du das Eheleben schon satt?«, fragte Sai, ohne von seiner Zeichnung aufzusehen.
»Wirkt es auf dich so?«, entgegnete Shikamaru tonlos.
»Hmm« – sein Bleistift fuhr unablässig über das Papier – »ich seh nur, dass du trübselig herumsitzt und dich nicht darüber freuen kannst, dass deine Frau gerade ein bisschen Spaß hat.«
Temaris Lachen und das der anderen beiden hallte aus dem Badezimmer über den Flur. Im Gegensatz zu ihm schien sie Spaß zu haben und in Anbetracht der Umstände war das okay für ihn. Und er war ernüchtert, doch alles andere als niedergeschlagen. Sai hatte eine merkwürdige Auffassung vom Gefühlsleben anderer Menschen und er fragte sich, woher Ino die Geduld und den Enthusiasmus genommen hatte, mit einem emotionalen Krüppel wie ihm eine Beziehung einzugehen. Sie hatte ihn in den letzten eineinhalb Jahren zwar in eine bemerkenswerte Richtung gelenkt, aber unter dem Strich musste das alles kompliziert sein. Jedem das Seine, wie es so schön hieß. Ein weiser Spruch.
»Ich sitze hier völlig neutral herum«, legte Shikamaru fest, »und bin weder trübselig, noch nachdenklich, noch sonst irgendwas in dieser Weise.«
»Du bist nicht ein klein wenig frustriert?«
»Nein«, gab er beherrscht zurück. »Warum sollte ich das sein?«
Sai zuckte die Achseln und hakte nicht weiter nach.
Er betrachtete wieder die Shōgisteine und unterdrückte ein Seufzen.
Frustriert traf es gut. Das musste die Rache seiner Hormone sein, weil er ihnen sonst nicht viel Aufmerksamkeit schenkte.
Ein selbstironisches Schmunzeln huschte über seine Lippen.
Rache? Was für ein Unfug. Was er empfand, war völlig normal, wenn man seine Freundin wochenlang nicht gesehen hatte, sie seit zwei Tagen um sich hatte und bisher nichts passiert war. Diese Feier, die sich für ihn ins schier Endlose ziehen würde, verfluchte er jetzt schon. Und noch mehr verfluchte er diese Gedanken, von denen er sich beherrschen ließ. Nicht, dass er großartig versuchte, etwas gegen sie zu unternehmen …
Die Badtür ging auf, das Stimmengewirr wurde lauter und riss ihn aus seinem Gedankengang. Gott sei Dank.
Je eher sie zu dieser Feier aufbrachen, desto eher war sie zu Ende und – nein, fing das wieder an. Jetzt konnte er nur darauf hoffen, dass Ino Temari überschminkt hatte, denn auf eine Tonne Make-up im Gesicht stand er überhaupt nicht und das wiederum würde seinen Hormonen einen gehörigen Dämpfer verpassen. Ob dieser ausreichte, stand auf einem anderen Blatt geschrieben, doch …
Shikamaru richtete seinen Blick auf den Rahmen der offen stehenden Wohnzimmertür, vernahm ein paar Schritte, die sich über den Flur näherten – und erstarrte in einer Mischung aus Imponieren und Entsetzen.
Verdammte Scheiße, diese Frau wollte ihn ärgern. Seine erst kürzlich angetraute Ehefrau erlaubte sich einen Scherz mit ihm. Einen derben, nahezu sadistischen Aprilscherz. Genau, den holte sie jetzt nach, da sie am ersten des Monats keine Gelegenheit gehabt hatte, um ihn zu verarschen. Anders konnte er sich ihr Auftreten nicht erklären.
»Wenn du sie noch eine Sekunde länger anstarrst, kannst du dir dein Essen sechs Monate allein machen«, drohte Ino. »Und bestimmte andere Dinge auch.«
Shikamaru blinzelte automatisch, wandte sich ab und realisierte, dass seine Teamkollegin nicht ihn, sondern Sai gemeint hatte, der sie ansah, als wäre er sich keiner Schuld bewusst.
Er kam sich albern vor, weil er sich angesprochen gefühlt hatte. Temaris Stimme ähnelte der von Ino nicht im Geringsten und sie hätte nur gelacht, wenn er eine andere Frau so angesehen hätte, so wenig eifersüchtig, wie sie war. Nicht, dass er irgendwelche Frauen angeifern wollte, aber unter dem Aspekt hatte er absolut die Richtige geheiratet. Die Frau, die zu seinem Leidwesen mit ihrem dezent geschminkten Gesicht und in diesem engen Kleid viel zu gut aussah.
Gott, so weiblich hatte sie noch nie ausgesehen. Nicht einmal annähernd. Nicht einmal in seinen kühnsten Träumen. Verdammt.
»Können wir los?«
Da Temari ihn ansah und ihre Frage somit direkt an ihn richtete, blinzelte er erneut und versuchte, seinen Blick unauffällig auf ihr Gesicht zu lenken. Er nickte und sprang er von der Couch auf. Als er an ihr vorbei in den Flur lief, wehte ihm der Duft ihres Parfüms in die Nase. Es war eine unaufdringliche Fruchtnote. Sie roch wie eine frisch angeschnittene Orange.
Als ob es nicht reichte, dass sie sich so – ihr Anblick hatte sein Gehirn dermaßen vernebelt, dass ihm nicht ein Wort einfiel, das ihren Zustand angemessen beschrieb – zurecht gemacht hatte, duftete sie noch nach seinem Lieblingsobst.
Shikamaru verkniff sich ein Seufzen und bemühte sich, unbeteiligt wie immer auszusehen. Er wusste nicht, ob es funktionierte, geschweige denn, ob es den ganzen Tag funktionieren würde, aber was er wusste, war, dass es ein zäher Abend werden würde.
An der Wohnungstür schloss Temari zu ihm auf.
»Du scheinst es eilig zu haben, was?«, fragte sie mit einem Lächeln und er musste sich arg zusammenreißen, um sie nicht wieder anzustarren.
Er lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Türklinke, murmelte monoton ein »Klar, ich kann’s kaum erwarten«, öffnete die Tür und trat nach draußen.
Tief atmete er die lauwarme Frühlingsluft ein.
Er konnte es wirklich kaum erwarten, bis diese Hochzeitsfeier ein Ende fand.