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Auf der Jagd

Schatten und Licht, Interlude 2
von

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Tosender Empfang

Wieder einmal fühlte sich Merle falsch.

Staunend blickte sie von der niedergelassenen Rampe ihres Luftschiffs auf die Allee aus Soldaten in schillernden Paradeuniformen und präsentierten Speeren. Hinter ihnen stand ein Meer aus jubelnden Menschen, die mit bunte Tüchern winkten. An der Spitze der Ehrenformation stand Sophia, Chuzarios Herrscherin höchstpersönlich, mit einem kleinen Stab aus hochrangigen Offizieren und reich gekleideter Beamter. Oder waren es gar ihre Minister?

Statt ihr Schiff zu einem Militärflughafen zu lotsen, hatte man es auf einem Marktplatz der einstweiligen Hauptstadt Chuzarios landen lassen. Natürlich hatte niemand ihr etwas gesagt. Bastarde! Kein Wunder, dass sie in eins ihrer üppigsten Kleider gezwungen worden war.

Nervös lächelnd hob sie ihre Hand zum Gruß. Nach schier unendlichen Augenblicken voller Unbehagen stupste sie Gesgan von hinten an und sie folgte seinem Weckruf. Bedächtig schritt sie das glatte Metall bis zum ersten Pflasterstein hinab. Hoffentlich bewegte sie nicht so tollpatschig, wie sie sich fühlte.

„Willkommen, eure königliche Hoheit!“, begrüßte Sophia sie unten freundlich. Eigentlich war die Monarchin jünger als das Katzenmädchen, doch in ihrem Dunkeltürkisen, züchtigen Kleid und dank des hochgesteckten Haars wirkte sie älter und eleganter...reifer. Einmal mehr wurde Merle vor Augen geführt, was ihr fehlte. Wie sollte sie je all der Erwartungen, die ihr entgegen schlugen, gerecht werden?

„Danke, es ist schön hier zu sein, euer Majestät.“, gab sie peinlich berührt zurück und erwies der Herrscherin die Ehre. Nach einem unbehagliche Momenten des Stillstands wandte sich die Katzenprinzessin um und stellte allen Anwesenden sowohl Serena vor, die in ihrem himmelblauen Kleid wortkarg knickste, als auch ihre beiden männlichen Begleiter. Sie verschwieg wohlweislich, dass der Jüngling ein verurteilter Dieb und Gesgan, der ältere, ein ehemaliger Spion der Zaibacher war. Dafür betonte sie seinen Status als ihr Mentor. Beim Dieb hatte sie noch nie erlebt, dass er Nerven zeigte. Als Sophia ihm die Hand zu Kuss reichte, war es endlich soweit.

Chuzarios Machthaberin stellte daraufhin ihr Gefolge vor. Merles Eindruck bestätigte sich. Es waren ihre Topgeneräle und Minister. Wozu der ganze Aufriss? Beim folgenden Plausch wurde keiner der Anwesenden müde ihr sein Mitgefühl auszudrücken. Das Mädchen stellte überrascht fest, dass dabei kaum leere Plattitüden gebraucht wurden. Van hatte zusammen mit Chuzarios Truppen in der letzten Schlacht gegen die Zaibacher gekämpft und das so geknüpfte Band hielt offenbar noch.

Schließlich unterbrach Sophia milde den Ansturm an Beileidsbezeigungen. Sie hakte sich bei dem Mädchen ein und führte sie an den Spalier stehenden Gardisten vorbei in eine überdachte Kutsche, vor der vier Schimmel gespannt waren. Auf der gepolsterten Bank im Innern saßen die beiden dann allein beisammen, vertieft in ein belangloses Gespräch über die Reise, bis das Gefährt sich in Bewegung setzte. Sofort nachdem die Hufe der Pferde begannen lautstark aufzuschlagen, umarmte Sophia ihre Freundin innig.

„Wie geht es dir?“, erkundigte sie sich besorgt.

„Es geht. Danke.“, beruhigte Merle sie lächelnd und schluckte den Klos in ihrem Hals runter. So recht wollte er aber nicht verschwinden. Sophia ließ ein Stück weit von ihr ab, behielt ihren Arm aber auf den schmalen Schultern des Mädchens.

„Wir hatten bei Vans Beerdigung leider keine Zeit zum Reden.“, bedauerte sie. „Du hattest ja nicht eine Minute für dich!“

„Hitomi hat mit ihrem Verhalten für viel Verunsicherung gesorgt. Die Leute wollten darüber reden. Und da ich Mitglied des Hofes war...“, berichtete Merle und wiederholte in Gedanken: Ich kann das nicht!

„Ja, die Kunde ihrer erneuten Verlobung kam mit Sicherheit nicht gut an.“, stimmte Sophia zu. „Wie hast du sie aufgenommen?“

„Wie wohl?“, erwiderte Merle trocken. „Ich war verletzt, fühlte mich verraten und bin an die Decke gegangen, als sie Aston ihre Hand angeboten hat.“

„Da warst dabei?“

„Ja!“, spie Merle und verzog ihren Mund zu einer Fratze voll von Galgenhumor. „Die Bombe hat mich voll erwischt. Ausgetickt bin ich und gerannt...wie ein kleines Mädchen...vor aller Augen, die in Farnellia Rang und Namen haben!“

„Du darfst nicht schlecht von Hitomi denken.“, erklärte Sophia behutsam. „Sie heiratet Aston aus Liebe zu Farnellia.“

„Nein, sie hegt gegenüber Farnellia keine Heimatgefühle.“, korrigierte Merle sie hart. „Sie liebt einzig und allein Van. Sein Volk war ihm wichtig, also opfert sie sich.“

„Dann weißt du, warum sie das tut?“, erkundigte sich Sophia erleichtert. „Ich war schon in Sorge!“

„Ich könnte sie hassen?“ Merle schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Nein, sie hat mir alles erklärt. Sie braucht Astorias Armee, um Farnellias Nachbarn in Schach zu halten.“ Das Mädchen hielt inne und presste ihre Nägel in die Handinnenflächen. Der Schmerz erleichterte ein wenig ihr Gewissen. „Ich versteh ihre Gründe, aber einverstanden bin ich nicht. Es muss einen besseren Weg geben!“

Sophia marterte ihr Hirn auf der Suche nach einem anderen Thema. Etwas, das ein Mädchen abzulenken vermochte...

„Wer ist der junge Mann wirklich, den du mitgebracht hast? Er wirkte nicht wie eine Wache.“

„Er ist eher ein Schatten als ein Schild. Er kämpft wie ich mit Dolchen und kann sich an eine Zielperson heften ohne bemerkt zu werden. Ganz gleich ob jemanden beschützt oder verfolgt...oder beides. Ich hatte gehofft, du könntest ihn und Gesgan anstellen. Beide können sehr diskret für deine Sicherheit sorgen.“

Falsches Thema!

„Nur zu gern. Mit deiner Empfehlung kann jeder bei mir anfangen.“

Angesichts der überschwänglichen Zusicherung sackte Merle zusammen.

„Was hast du?“, fragte Sophia, während sie sich leicht zu dem Mädchen runter beugte, um ihren Blick wieder einzufangen.

„Nichts.“, versicherte sie beschämt. „Ich bin nur müde.“

„Du hattest wirklich keine freie Minute mehr in letzter Zeit, nicht wahr? Ich wohne im Rathaus. Dort hast du ein paar Räume für dich ganz allein. Niemand wird dich stören, wenn du es wünscht. Dafür wird Antheia sorgen.“

„Antheia?“

„Deine Sekretärin.“, erklärte Sophia. „Sie arbeitet für dich und wird dir alle Wünsche von den Lippen ablesen, solange du bleibst. Sie hat viel Erfahrung darin Termine zu organisieren und Dinge zu besorgen.“

„Termine?!“, erwiderte Merle verwirrt.

„Aber ja! Glaubst du, Chuzario lässt seine Heldin nach so einem Empfang einfach ziehen? Morgen findet sogar ein Ball zu deinen Ehren statt.“, zweifelte Sophia heiter und fügte dann mit milder Strenge hinzu: „Auch wenn du dich hier erholen sollst, musst du wenigstens ab und zu in ein paar Kasernen, Krankenhäusern oder Schulen besuchen. Es gibt dort viele, die in Sarion durch die Gezeichneten alles verloren haben und deine Aufmunterung brauchen.“

„Heldin?!!!“, blaffte das Katzenmädchen entsetzt.

„Du weißt es noch gar nicht.“, realisierte Sophia erstaunt. „Der Bericht der Einheiten, die du während des Massakers in unserer Hauptstadt angeführt hast, ist irgendwie an die Öffentlichkeit gelangt. Praktisch jeder Haushalt in Chuzario hat ein Exemplar davon. Sie alle wissen aus erster Hand, wie viel du für uns riskiert hast.“ Ihre Lippen legten ein süffisantes Lächeln auf. „Man sagt, der Soldat, dem du auf die Stirn geküsst hast, hat sie sich bis heute nicht gewaschen.“ Merle schlug wimmernd die Hände vors Gesicht und die Herrscherin fragte verblüfft: „Ist dir das peinlich?“

„Ich kann das einfach nicht!“, rief das Katzenmädchen verzweifelt. „Ich bin keine Heldin, ich bin ja nicht mal eine Prinzessin! Eine Hochstaplerin, das bin ich!“

„Komm her.“, tröstete die Sophia und drückte sie an sich. „Du bist so viel mehr. Vergiss das nie!“ Ihre zierliche Hand kraulte das dichte Haupthaar dicht hinter den spitzen Ohren. „Tausende Bürger Chuzarios verdanken dir ihr Leben. Ohne deine Warnung und deinen Einsatz hätten die Sklaven der Gezeichneten die Stadt widerstandslos überrannt. Nur durch dich hatten wir Zeit zum Evakuieren.“

„Van hatte mich geschickt. Ohne Allen hätte ich nichts davon tun können!“

„Und? Du hattest Hilfe. Warst du es nicht, die mir den Rücken freigehalten hatte, als ich meinen Thron eroberte?“

„Aber jetzt hab ich niemanden mehr!“, brach es Merle heraus. „Van ist tot und meine Einheit existiert nicht mehr!“

„Hitomis Hochzeitplänen stehst du auch im Weg.“, führte Sophia ihren Gedanken weiter, während sie nach Alternativen kramte. „Was ist mit Allen?“

Merle biss sich auf die Lippen. Allein sein Name reichte aus, um ihre Gefühle ins Chaos zu stürzen.

„Er hat Farnellia angegriffen.“

„Um seine Schwester zu beschützen und im vollen Vertrauen darauf, dass Hitomi ihn aufhalten würde. Hat sie mir jedenfalls erzählt.“

„Das entschuldigt gar nichts!“, fauchte Merle. „Außerdem ist er gerade sonst wo!“

„Behältst du deshalb seine Schwester in deiner Nähe?“, hakte Sophia schmunzelnd nach. „Damit er zurückkommt und dich um Verzeihung bittet?“

„Kein Kommentar.“, verkündete Merle, verschränkte die Arme und schmollte. Ihre Freundin konnte sich ein kurzes Kichern nicht verkneifen. Danach stimmte sie in die Stille ein und kam schließlich zu einer Entscheidung.

„Verlass dich auf mich.“, schlug sie leise vor.

„Was?“ Merle traute ihren Ohren nicht.

„Verlass dich auf mich!“, wiederholte sie etwas lauter. „Wenn du ein Anliegen hast, dass Antheia nicht lösen kann, lass sie einen Termin für dich bei mir besorgen. Wenn du solange nicht warten kannst, komm sofort. Ich helfe dir so gut ich kann. Und als Herrscherin dieses Landes kann ich ziemlich viel.“

„Kannst du als Farnellias Schutzmacht einspringen?“, sprang Merle in die Bresche.

„Nein.“, lehnte Sophia seufzend ab und sah sich mit einer enttäuschten Katze konfrontiert. „Ich kann vieles, aber nicht alles.“ Da Merle wieder in Schweigen verfiel, fuhr sie fort: „Ich hasse diesen Gedanken, aber Hitomi hat für uns alle das Richtige getan. Farnellia bleibt offen für Handel und ist sicher. Diesen Spagat kann ich unmöglich leisten.“

„Hast du eine Ahnung, was sie dafür alles erleiden muss?!“, fuhr Merle sie entsetzt an. „Sie wird von Aston vergewaltigt werden! Jede Nacht!“

„Nein, hab ich nicht.“, gab Sophia niedergeschlagen zu. „Glücklicherweise liebe ich meinen Verlobten.“

„Dass du ihn dir aussuchen konntest, hast du mir zu verdanken.“

„Ich weiß.“

Das Katzenmädchen ließ ihren Kopf fallen.

„Arrangier ein Treffen mit Dryden Fasa für mich.“, verlangte Merle daraufhin kaum hörbar.

„Was? Warum?“

„Ich werde Hitomi in Astoria nicht allein lassen! Und Dryden wird mir dabei helfen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  CatariaNigra
2016-01-04T15:29:23+00:00 04.01.2016 16:29
Ui, es geht weiter :3 Ich finde es toll, wie sich die Freundinnen alle gegenseitig helfen, ohne dabei die politischen, gesellschaftlichen und militärischen Angelegenheiten aus den Augen zu verlieren <3

Leider war das neueste Kapitel wieder viel zu schnell gelesen.. ich freue mich schon wahnsinnig auf das nächste Kapitel!
Von:  funnymarie
2016-01-04T10:42:05+00:00 04.01.2016 11:42
juhu endlich geht es weiter
ich freu mich riesig auf mehr
lg funnymarie


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