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My Dear Brother

The Vampires
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hiermit beginnt das Vorgeplänkel! Viel Spaß beim Lesen und hier nochmal kurz angemerkt:
Die FF ist von 2008... Bitte erwartet keinen hohen Standard an Syntax etc.

Ich würde mich natürlich sehr über einen Kommentar freuen! ♥ Komplett anzeigen

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Ich liebte mein Leben und alles was damit verbunden war. Doch wo verdammt noch mal blieb meine Rettung?
 

Ich saß im riesigen Wohnzimmer meiner Mutter auf ihrer knatschroten Couch. Vor mir wurzelte sich der kleine, hässliche Glastisch, auf dem meine Cola stand. In ihr schwammen die Eiswürfel ihre Runden, während meine Mutter ihren siebzigsten Vortrag hielt. Neben mir saß mein Handy. Es war schwarz und glänzte mich an. Es schrie danach, benutzt zu werden, nur um meiner Mutter zu entgehen.

Sie redete irgendetwas von »Ich verstehe dich einfach nicht, Hiro« oder »Kannst du nicht mal jemanden nettes vorbei¬bringen?«. Solche Dinge sagte sie ständig. Wie gesagt, es war nun schon das siebzigste Mal, dass sie solch einen Vortrag vor meiner Cola hielt. Natürlich hörte die ihr noch weniger zu als ich es vielleicht hätte tun sollen.

Ich legte meinen rechten Arm lässig über die Couchlehne und versuchte entspannt zu sein. Doch meine gesamten Muskeln spannten sich wieder an, als meine Mutter ihre Stimme ein paar Oktaven höher legte. Das tat sie immer, wenn sie sehr genervt, nervös und wütend war. Verzweif-lung kam meistens auch dazu.
 

Ich heiße Hiroshi Kabashi und bin achtzehn Jahre alt. Ich bin schlank und wohl auch recht sportlich. Meine Haare sind etwas länger und fast weiß, so hellblond bin ich. Ich sehe eigentlich nicht schlecht aus, habe aber trotzdem immer Pech, wenn es um Beziehungen geht. Meine Längste war drei Monate. Die Frauenwelt ist mir einfach zu kompliziert.

Ich habe mich noch nie als ein sehr schwieriges Kind einge¬stuft. Meine Mutter schon. Ich lebe meine Pubertät in vollen Zügen aus und bin demnach für jeden Erwachsenen schwierig. Ich liebe es meine Mutter auf die Palme zu bringen, liebe es sie reinzulegen oder zu erschrecken, wenn sie in einer ihrer Frauenzeitschriften vertieft ist.

Mein Kosename ist Hiro. Die Kinder aus der Grundschu-le, gemein wie sie halt sind, machten sich gerne den Spaß und nannten mich »Hero«. Jedenfalls wussten die damals nicht, dass das »Held« heißt, sonst wäre es ja keine Beleidigung gewesen. Aber leider wusste ich das auch nicht und habe sie immer verprügelt. Nach wenigen Monaten haben sie es dann nicht mehr gesagt. Wenn mich heute jemand so nennt, dann lache ich drüber und höre sogar auf den Namen. Meine Mutter findet ihn schrecklich. Meine Freunde finden ihn »cool« und benutzen ihn demnach auch. Aber nur, wenn meine Mutter nicht dabei ist. Sie ist in solchen Sachen schwierig.

Ich wohne mit ihr alleine in einer kleinen Wohnung. Ja, richtig. »Riesiges Wohnzimmer« und »kleine Wohnung« widersprechen sich. Aber meine Mutter bestand damals darauf, dass es ein großes Wohnzimmer sein musste. Der Rest war ihr egal. Denn nach ihrer Meinung ist das Wohnzimmer der Hauptpunkt der Wohnung. Ja, zum Glotze gucken und rumgammeln ist es klasse, aber da würde mir auch ein 10 Quadratmeter Zimmer reichen. Meiner Mutter zum Beispiel nicht. An unserem kleinen Glastisch stellt sie immer ihr Ikebana hin, welches sie an unserem großen Esstisch fabriziert. Tausende Frauenzeit-schriften liegen auf dem riesigen Schlafsofa, welches sich mitten vor dem Balkon erstreckt, sodass man noch nicht mal die hässliche Aussicht auf die dreckige Innenstadt mit der Hauptstraße unter einem genießen kann. Ihre knatsch¬rote Couch, auf der ich sitze, erstreckt sich vor einem Plasma¬fernsehr, der an einer goldfarbigen Wand hängt, an der auch Van Gogh und Hundertwasser platziert ist. Meine Füße trampeln auf einem beigefarbenen Teppich von irgendeiner unbekannten Marke. Sowieso ist das ganze Wohnzimmer billig eingerichtet, ausgenommen der Plasmafernsehr. Aber selbst den hat sie ersteigert und ist demnach Secondhand.
 

Meine Mutter heißt Ai Kabashi. Ich weiß nicht wie alt genau sie ist, aber um die vierzig ist sie bestimmt. Ihr Mädchenname ist Ai Hamase. Aber weil sie meinen Vater vor achtzehn Jahren heiratete, nahm sie seinen Namen an. Sie hat lange blond gefärbte Haare, in Wirklichkeit sind sie dunkel blond. Sie ist schlank, hat aber eine Menge Falten im Gesicht. Sie macht mich immer dafür verantwortlich, was ich nicht ganz verstehen kann. Sie zieht sich immer sehr Modebewusst an, obwohl mir die Kleidung, die sie trägt, nicht gefällt. Wie meine Mutter so drauf ist, erwähnte ich bereits. Ikebana, Kochen, Möbel, Accessoires, Life-Style, Frauenzeitschriften, starker Kaffee für ihre Nerven, Kunstbanause, Cola-Hasserin, Starbucks-Liebhaberin, Versace und Dolche und Gabbana (Wobei sie sich das nicht leisten kann) und noch vieles, vieles mehr. Sie arbeitet als Sozifuzi. Sie hat Sozialpädagogik studiert, wobei sie mehr Freizeit als Studium hatte, so wie sie es mir erzählt, und arbeitet nun in einer Beratungsstelle für Drogenabhän-gige und Leute, die Probleme mit der Liebe haben. Also Liebeskummer. Die Kombination ist mir etwas schleierhaft, aber wer’s mag?

Sie verdient nicht sehr viel, weswegen wir nur eine kleine Wohnung haben. Mein Zimmer ähnelt einer Abstellkam-mer und ihr Zimmer einer noch kleineren Abstellkammer. Das Bad ist fast kleiner als in so Mitternacht-Hotels und die Küche ähnelt einem Schlachtfeld, weil wir kaum Platz für Geschirr oder Lebensmittel haben. Nur unser Wohnzim-mer: Das ist ein Palast; ein Zimmer, was in so einer Wohnung nichts zu suchen hat. Als meine Mutter damals mit ihrer wunderbar bescheuerten Idee ankam, eine Wohnung zu suchen, die ein so großes Wohnzimmer hat, wie alle restlichen Zimmer zusammen, dachte ich, so was muss erst gebaut werden. Aber anscheinend gibt es Architekten, die denken wie meine Mutter. Also Schraube locker.
 

Das ist nun schon sieben Jahre her. Seit dem wohne ich hier mit meiner verrückten Mutter. Für sie bin ich der grauen¬hafteste Sohn, den man sich vorstellen kann: Ich bin schlecht in der Schule und pfeif auf sie. Ich habe »böse« Freunde, die skaten und den ganzen Tag vorm Computer hängen. Ich ziehe mich unmöglich an, weil ich weite Jeans und weiter T-Shirts trage mit Aufdrucken wie »Never Die« oder »I live hard, because I hear Hard Rock«. Ich bin zu verwöhnt, weil ich nichts im Haushalt mache. Ich spüle und staubsauge nicht. Ich züchte Staubflocken auf meinen Möbeln und lasse die Milben in meiner Bettwäsche Tango tanzen. Ich räume mein Zimmer nicht auf und wenn ich es tue, dann packe ich alles in das Zimmer meiner Mutter oder unter mein schon vollgepacktes Bett. Mit der Ordnung und Sauberkeit habe ich es eh noch nie so eng gesehen. Meine Mutter schon. Deswegen bin ich ein schlechter Sohn, der nur an sich denkt und an sonst niemanden. Muss ich ihr Recht geben.
 

Ihr Vortrag heute hatte seinen Ursprung an einem Mittwoch¬nachmittag. Ich hatte meinen Kumpel ohne Vorwarnung mitgebracht. Und was ist schlimmer für eine Mutter, als einen Sohn zu haben, der aussieht, als wäre er schon einmal tot gewesen? Natürlich: Einen Sohn zu haben, der Freunde hat, die ge¬nauso aussehen wie der Sohn: bereits tot.

Sie war stinksauer, dass ich ihr nicht Bescheid gesagt habe. Als ich das Argument am Esstisch brachte, dass ich mein Handy aber nicht dabei hatte, hob sie die Hand und schüttelte den Kopf. Das typische »Ich-will-da-jetzt-nicht-drüber-Reden«-Handsignal. Und der »Darüber-reden-wir-später-noch«-Blick folgte kurz danach.

»Später« war nun jetzt. Aber das »Wir-reden-darüber«-Prinzip ist zu einem »Ich-rede«-Prinzip mutiert, denn meine Mutter führte einen Monolog für sich. Die Eiswürfel in meiner Cola waren schon zu Wasser geworden und schwammen nun gesellig dahin. Ihr Schweine, habt euch einfach verdrückt und lasst mich hier mit meiner Mutter alleine. Dafür werdet ihr büßen.
 

Sofort war die Cola in meinem Bauch verschwunden und ich stellte das Glas mit einem kräftigen Schlag auf der Glasplatte ab.
 

»Bitte, Hiro, hör auf die Gläser immer so auf die Glas-platte zu hauen. Das ist nicht gut für die Beschichtung«, flehte meine Mutter und riss mir das Glas weg, um kurz danach mit ihren Fingern über die Glasbeschichtung zu fahren. Ihre künstlichen, bunt angemalten Nägel kratzen dabei fürchterlich auf der Beschichtung. Jetzt sollte sie mal überlegen was schlimmer war: Glas oder Nägel. Vom Geräusch her die Nägel, meiner Meinung nach.

Kaum wurde das Glas entfernt, ging das Geräusch in meinen Ohren weiter. Wie ein Wasserfall redete sie auf mich ein. Ihr Hauptproblem war regelrecht, dass ich einen meiner »bösen« Freunde mitgenommen hatte, ohne sie vorgewarnt zu haben. Das wiederum führte zu dem Problem, dass er das unaufge¬räumte Wohnzimmer gesehen hatte. Dabei ist es doch der Raum, der gezeigt wird, wenn Gäste da sind. Auch wenn es ihr immer schwerfällt, einen meiner Freunde als »Gast« zu bezeichnen.

Natürlich war ihm egal, ob die Frauenzeitschriften nun zerstreut auf dem Sofa lagen oder gestapelt neben dem Sofa. Oder ob ihr Ikebana schon fertig auf dem Glastisch oder noch unfertig auf dem Esstisch stand. Meine Mutter machte allein der Gedanke an die anderen Mütter, die dann über ihre Unordnung im Wohnzimmer herziehen würden, angst. Erstens: Bei denen sieht es wahrscheinlich noch schlimmer aus, als bei uns. Zweitens: Mein Kumpel würde nie auf die Idee kommen, seiner Mutter von den Frauen-zeitschriften oder dem Ikebana zu er¬zählen. Der kann Ikebana noch nicht mal buchstabieren.
 

Jedenfalls, zurück zum Vortrag meiner Mutter. Sie hatte schon kaum mehr Puste für mehr Bandwurmsätze. Sie denkt nämlich immer, dass lange Sätze akademischer klingen. Sie sind einfach nur unverständlich. Aber Profes-soren an Unis sind auch oft unverständlich, vielleicht liegt es daran. Plötzlich ließ sie mich aufhorchen:
 

»Hiro, ich hab gestern mit deinem Vater gesprochen«, erzählte sie mir in einem strengen Ton, der aber mehr verzweifelt als furchteinflößend klang.

»Wirklich? Das ist aber mal was Neues …«, spottete ich. Immerhin habe ich meinen Vater seit meiner Geburt nicht mehr gesehen. Und als ob ich mich da noch an ihn erinnern könnte. Der hat nämlich damals die Fliege gemacht. So erzählt es mir meine Mutter tagtäglich. Er ist ein böser Mann, der nichts versteht und nur an sich selber denkt. Also so wie ich. Schon war er mir sympathisch.
 

»Hiro, bitte.«

»Danke.«

Sie seufzte kurz und ließ sich auf einen Esstischstuhl fallen. Dann sah sie mich böse an und versuchte wieder streng zu sein. Manchmal bewunderte ich sie schon: Immerhin hat sie es ganze achtzehn Jahre mit mir ausgehal-ten. Wobei ich mir die ersten fünf Jahre nicht schlimm vorstellen kann. War ich ja noch klein und brav. Meine Mutter erzählt mir immer das Gegenteil.
 

»Er möchte dich sehen«, ließ sie in den Raum fallen, was dazu führte, dass ich meine Kinnlade der Schwerkraft überließ. »Jetzt am Wochenende, wenn die Ferien anfangen, fliegst du zu ihm.«

»Das erzählst du mir jetzt? Drei Tage davor?« Meine Stimme wurde etwas höher.

»Ich habe das auch erst gestern mit ihm ausgemacht«, schrie mich meine Mutter mit ihrer drei Oktaven höheren Stimme an.

»Das wäre immerhin ein Tag mehr gewesen!«

»Hiro, bitte!«

»Ich habe ihn seit achtzehn Jahren nicht mehr gesehen. Also eigentlich noch nie. Und jetzt soll ich ihn in drei Tagen besuchen gehen? Was, wenn der Kerl ein Kinder-schänder ist?«

»Hiro, es ist dein Vater!«

Klar. Deswegen ja.

»Mama, das kannst du mir nicht antun«, quengelte ich und setzte mich im Schneidersitz auf die Bonbon-Couch.

»Deine Ausreden funktionieren jetzt nicht. Du fährst hin. Und zwar für eine Woche.«

Was?

»Was?«, rief ich ungläubig.

Spinnt die?

»Es wird bestimmt lustig für dich.«

»Glaub ich weniger …«

»Wenn du schon mit so einem Gesicht zu ihm gehst, schickt er dich früher weg«, ermahnte sie mich.

»Gut.«

Sofort zog ich eines meiner schlimmsten Gesichtsausdrü-cke und verschränkte die Arme vor meiner Brust.

»Hiro, bitte, benimm dich.«

»Und was, wenn nicht?«

»Das entscheidet dann dein Vater.«

Ich seufzte und ließ meine Arme in meinen Schoß fallen. Wunderbar. Der Tag konnte nur besser werden.

»Dein Vater wohnt im Norden.«

Okay, es ging wohl doch noch schlechter.

»Ich pack schon mal nur Regensachen sein …«, murmelte ich. Der Norden war doch dafür bekannt, dass es dort nur regnete, oder? Ich habe in Erdkunde nie wirklich aufge-passt.

»Hiro, noch mal: Benimm dich.«

»Ja-ha …« Wir beide waren genervt. Meine Mutter, weil ich sie nicht vorgewarnt hatte, ich, weil sie mir einen Stunden-Vortrag hielt, dann wieder sie, weil ich den mit einem Desinte¬resse feinster Art verfolgte, ich wiederum, weil sie mir mit einer plötzlichen »Vater-Besuchs«-Aktion ankam und sie schließlich wieder, weil ich so genervt von der »Vater-Besuchs«-Aktion war. Typischer Ablauf eines Tages.
 

Schließlich stand sie auf und schob den Stuhl wieder an den Tisch. Sie ging in die Küche und kramte Töpfe und Pfannen raus.

»Ich koche jetzt.«

Mit einem Schwung erhob ich mich von der Couch und wollte schon in mein Zimmer gehen, da hielt mich meine Mutter natürlich auf:

»Und du hilfst mir.«

Seufzend machte ich kehrt und schlenderte in die viel zu kleine Küche.

»Mama, die Küche ist zu klein für uns beide. Entweder du kochst oder ich, aber wir beide, das geht nicht.«

Kann mich jemand schlagen? Habe ich gerade »ich koche« in Bezug auf mich verwendet?

»Dann kochst du heute«, befahl sie und hielt mir den Koch¬löffel entgegen.

»Wenn du sterben willst, okay.«

»Hiro«, mahnte sie mich wieder.

»Ja, Mama«, spottete ich in einem viel zu höflichen Ton und verbeugte mich vor ihr. Sie gab nur irgendeinen Laut von sich und zwängte sich dann an mir vorbei. Kaum war sie aus dem Raum, griff ich zum Telefon.

Kurz danach verließ auch ich ihn.

Meine Mutter saß auf ihrem Schlafsofa vor der Terrasse und las in einer ihrer Zeitschriften. Verwundert über mein Vor¬haben, mich in mein Zimmer zu begeben, sah sie mir hinterher.

»Und wo ist das Essen, junger Mann?«

»Noch in der Pizzeria. Aber es musste in circa achtzehn Minuten hier sein. Die wirst du ja wohl noch warten können, oder?«
 

Natürlich rastete sie aus und schrie wieder in ihrer hohen Oktave. Ich schaltete ab und wartete sehnsüchtig auf meine Pizza. Auch wenn es meiner Mutter nicht ganz passte, bezahlte sie trotzdem das Essen, was wir kurz darauf schweigend aßen. Ich entnahm ihrem Blick, dass sie mit der Gesamtsituation unzufrieden war. Wie immer.

Nach dem Essen wurde ich dazu verdonnert, die Pizza¬schachteln nach unten in den Müll zu bringen und danach in mein Zimmer zu gehen. Und dort auch bis zur nächsten Mahlzeit zu bleiben. Die würde offiziell erst wieder morgen früh sein. Natürlich fragt sich meine Mutter trotz allem, warum ihre Joghurts am nächsten Morgen oft weg waren.

Als ich in meinem Zimmer saß und aus dem verdreckten Fenster sah, dachte ich über die »Vater-Besuchs«-Aktion nach. Wie er wohl aussehen wird? Vielleicht habe ich dann ein Déjà-vu Erlebnis und erinnere mich schlagartig an ihn, wie ich ihn damals mit meinen Kulleraugen nach meiner Geburt angesehen hatte. Mir huschte ein Grinsen über meinen Mund. Als ob.

Langsam, fast wie in Zeitlupe ließ ich mich auf mein Bett sinken und starrte die weiße Wand mit den riesigen Rissen an. Renovierungsfähig, dieser Raum. Obwohl ich mich endlich in ihm wohlfühlte. Früher, als ich und meine Mutter noch frisch hier eingezogen waren, machte sie sich noch die Mühe mein Zimmer aufzuräumen. Doch jetzt sagt sie, dass ich mittlerweile alt genug bin, um das selber zu machen. Ich bin in der Tat alt genug für Putzen und Aufräumen. Aber ob ich es auch tue ist etwas völlig anderes.

Ich drehte mich genüsslich auf die Seite und starrte auf meine Funkuhr. Sie war Digital, deswegen konnte ich nicht die Augen schließen, um den Sekunden zuzuhören. Die gab keine Geräusche von sich. Das war auch eine Vorausset-zung meiner Mutter, als ich mir eine Uhr wünschte. Sie musste Digital sein und Funk haben. Ansonsten wäre ich ja nie pünktlich. Das wäre ich vielleicht, wenn sie falsch ginge.

Ich drehte die Uhr zur Seite, sodass ich ihre Uhrzeit nicht sah und starrte nun auf ein Bild mit meinen Freunden drauf. Wir waren in einem Vergnügungspark, wobei wir uns für dieses Foto auf eine Wiese nebenan gestellt hatten. Keiner wollte diesen albernen Freizeitpark mit auf dem Foto haben. Es war selbstverständlich ein Schulausflug. Nie-mand würde freiwillig in so was reingehen. Jedenfalls nicht in unserem Alter.
 

Es ging einfach nicht, ich ließ meine Fantasie spielen. Wie mein Vater wohl ist? Ob er groß ist? Ich bin immerhin auch nicht klein. Ich kann von stolzen ein Meter achtzig sprechen. Dafür, dass meine Mutter nur ein Meter sechzig ist, ist das ausgesprochen viel. Es kann ja nur von meinem Vater kommen. Und ob er mehr Geld hat als meine Mutter? Bestimmt, sonst würde er mir nicht eben mal einen Flug buchen. Ob er nett ist? Auf jeden Fall, wenn er so ist wie ich. Ich finde mich nämlich sehr nett und höflich. Ich sage immer Bitte und Danke, frage immer nach und bin nicht zu direkt, aber auch nicht zu schüchtern. Ich weiß was ich will und setzte es meistens auch durch; ich bin strebsam, wenn es um Dinge geht, die ich erreichen will. Die Schule gehört nicht dazu. Das Bitte und Danke verwende ich immer nur außer Haus. Meine Mutter würde nie von so etwas hören. So nett wie sie nämlich ist, fragt sie sich immer in meiner Gegenwart, wie ich zu Freunden komme. Sie glaubt, ich besteche die Leute, damit sie zu mir nach Hause kommen, um ihr weiß zu machen, ich hätte welche.
 

So viel wie ich weiß, heißt mein Vater Fudo Kabashi. Er ist etwas älter als meine Mutter, aber wie alt er ist, weiß ich auch nicht. Ich habe einmal ein Bild von ihm gesehen. Er hatte kurze braune Haare und einen ordentlichen Anzug an. In der Hand hielt er eine Mappe und schien gerade auf der Arbeit zu sein, denn das Gebäude, in dem er stand, sah groß und geräumig aus. Alles war aus Marmor und hell eingerichtet, wobei man nur Pflanzen und ein Paar Gegenstände sah. Im Hintergrund sah man noch eine Marmorne Treppe. Sie war eine geschwungene, leicht gebogene Treppe mit einem Geländer, das golden schim-merte. Jetzt, wo ich mir das alles wieder in den Kopf zurückrief, musste er gut verdienen. Wer in so einem Palast arbeitete, der konnte nur viel Kohle haben. Selbst als Sekretär würde man da wahrscheinlich mehr verdienen als manch anderer.

Ob er allein wohnt? Wie seine Wohnung wohl auch aussehen mag? Vielleicht hat er ja sogar ein Haus? Im Norden zu wohnen ist bestimmt nicht so teuer, wie hier im Süden, wo es schön warm ist. Wer will schon da oben wohnen?
 

Ich langweilte mich zu Tode. Ich hatte weder einen Computer oder einen Fernseher in meinem Zimmer stehen. Das einzige was hier reinpasste, war ein Bett, ein Schrank und ein Schreib¬tisch. Wobei der dazugehörige Stuhl immer in der Ecke stand. Ich machte ja nie etwas an meinem Schreibtisch. Hausauf¬gaben? So was gibt es bei mir nicht. Hobbys? Sehe ich aus, als würde ich zeichnen? So was kann ich nicht.

Ich bin ja mal gespannt, was mein Vater so alles für mich auf Lager hält. Immerhin werde ich ihn das erste Mal in meinem Leben bewusst sehen. Und vor allen Dingen: warum er mich ausgerechnet jetzt so kurzfristig zu sich bestellt, ist mir ein Rätsel. Vielleicht heiratet er und möchte, dass ich sie kennen¬lerne? Aber was habe ich denn mit ihr zu tun? Einen feuchten Dreck eigentlich, denn soweit ich mich erinnere, war meine Mutter schon seine dritte Ehe. Aber ich bin wohl sein erstes Kind, denn aus den Ehen davor kam nie ein Kind heraus. Gut für mich, ein Einzel-kind hat’s oft leichter.
 

Früher wollte ich immer einen Bruder haben. Am besten einen größeren, denn der hätte mich immer vor meinen blöden Klassenkameraden beschützen können. Außerdem hätte ich seine Freunde kennengelernt, demnach auch seine Freundinnen. Wäre doch nicht schlecht gewesen.

Aber wenn ich mir vorstellte, dass der hier mit in der Woh¬nung wohnen würde, zog sich alles in mir zusammen. Nein, alleine mit meiner Mutter ist’s doch am besten.
 

Ob mein Vater auch eine nette Überraschung für mich hat? Ich mach mich mal auf das Schlimmste gefasst: Er ist arm und hat nur eine kleine Wohnung mit einer bescheuer-ten Frau, die er bald Standesamtlich heiraten wird.
 

Ich hoffte, es würde nicht schlimmer werden …



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Tomanto
2015-06-29T09:02:15+00:00 29.06.2015 11:02
Hiro ist also alt genug, sein Zimmer selbst aufzuräumen? Meine Mutter hat seit meiner Geburt dafür gesorgt, dass ich mein Zimmer selber aufräume! Stellt euch mal so ein zweijähriges Kind vor, das sein eigenes Zimmer aufräumt. Das bin ich, hocherfreut! xD
Ich hab' das immer gehasst, als Hiro, du bist nicht allein!
Antwort von:  Erdbeer_Sahne
15.12.2015 16:32
Ich hasse es immer noch, da sind wir schon zu dritt XDD
Von: abgemeldet
2015-06-23T17:51:58+00:00 23.06.2015 19:51
Hi^^

Interessanter Anfang. ^^
Gefällt mir. ^^
Werde mal weider lesen. ^^

Lg^^
Von: abgemeldet
2015-06-08T08:29:28+00:00 08.06.2015 10:29
"Ich finde mich nämlich sehr nett und höflich. Ich sage immer Bitte und Danke."
»Hiro, bitte.«
»Danke.«

SO HÖFLICH JA :D
Hahaha was für ein freches Biest!!
Antwort von:  ellenchain
08.06.2015 11:11
Einfach nur höflich, das ungezogene Biest :D


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