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Alles rein geschäftlich!

Izayoi und der Höllenhund
von

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Der Ball

Onigumo wählte seine Garderobe sorgfältig, die er bei dem großen Ball anziehen wollte. Es musste altmodisch, japanisch sein, das stand schließlich schon in der Einladung, aber er wollte verhindern, dass ihm Fürst Jiro Ehrgeiz oder gar Prunksucht unterstellen konnte. Kein Schmuck, alles edel aber dezent....Er hatte sich als oberstes für einen dunkelblauen Kimono entschieden, mit einem schwarzen Gürtel, beides natürlich aus Seide, dunkel und dicht bestickt, das zu seinen schwarzen, langen Haaren und dunklen Augen passte.

Er hatte seine Cousine nie gesehen. Der liebe Onkel hielt sie ja praktisch wie eine Gefangene, vor lauter Sorge sie könnte sich in einen indiskutablen Mann verlieben, ja, hatte dies schon immer getan.

Hitoshi, ihr Bruder, war dagegen auf, wenngleich teuren, Schulen gewesen, hatte studieren dürfen, denn er sollte sich an ein Leben in der Öffentlichkeit gewöhnen, die „richtigen“ Männer kennenlernen und sich auch ein wenig die Hörner abstoßen, ehe er sich mit einer Frau verheiratet fand mit der er die Familie weiterbestehen lassen konnte.

Hitoshi war ein Narr gewesen, das gab Onigumo gern zu. Natürlich hatte er sich bemüht seinen Cousin möglichst unauffällig kennenzulernen, sicher, dass der Fürst das nicht dulden würde. Zum Glück war dies selbst Hitoshi klar gewesen und der hatte zu Hause auch nie erwähnt, dass sie beide sich einer Clique von reichen Söhnen angeschlossen hatten, die aus Langeweile und Übermut sich allerlei Proben des Mutes und der Kraft unterzogen.

Onigumo war noch immer überrascht, dass keiner der Anderen berücksichtigt hatte, dass er eben ein Hanyou war, stärker und schneller als diese. Natürlich hatte er die meisten Mutproben gewonnen, was Hitoshi zu immer größeren Verrücktheiten angestachelt hatte und einige andere auch. Irgendwann hatte er selbst begriffen, dass er gegen seinen Cousin gar nichts unternehmen musste – das erledigte der früher oder später auch allein. Alles, was er hatte tun müssen, war sich langsam aber sicher aus der Clique zurückzuziehen, und diese in einem scheinbaren Akt der Vernunft darauf hinzuweisen, dass sie ihre Wetten stets vorher schriftlich niederlegen sollten, schon, um die Polizei zu beruhigen, falls unerwartet doch einmal etwas passieren sollte. Das hatten sie tatsächlich getan. Als Hitoshi das Fliegen lernte waren seine Freunde mit diesem Schriftstück alle aus dem Schneider, er selbst hatte mit denen kaum mehr etwas zu tun, ja, die menschliche Polizei hatte ihn nicht einmal verhört.

Aber zu diesem Zeitpunkt war der Fürst Fukuwara ohne männlichen Erben, ja, erlitt einen Herzinfarkt und Onigumo hatte seinen Weg deutlich vor sich gesehen.

Bedauerlicherweise erholte sich Onkel Jiro ziemlich rasch – und er selbst hatte keine Gelegenheit die Cousine kennenzulernen oder gar für sich einzunehmen. Also hatte er zu Plan B gegriffen, den Onkel auf sich aufmerksam zu machen, dem zu zeigen, dass er doch ein Mensch war, ungeachtet des mütterlichen Anteils an Dämonenblut in sich. Und immerhin hatte er nun eine Einladung zu diesem Ball erhalten. Es war ein offenes Geheimnis, dass Fürst Fukuwara nach einem Nachfolger für sich und einen Ehemann für seine Tochter suchte. Nun, Izayoi mochte aussehen wie sie wollte, es gab vierzig Millionen guter Gründe ihr den Hof zu machen. Und immerhin, nach der abgeschlossenen Erziehung und der altmodischen Einstellung Onkel Jiros würde sie eine passable und gehorsame Ehefrau abgeben. Man musste sie ja nicht unbedingt oft zu Gesicht bekommen.

Er betrachtete noch einmal seine Garderobe. Doch, das sollte edel und vertrauenserweckend aussehen. Er musste sich bei seinem Verhalten heute Abend allein auf Onkel konzentrieren, den überzeugen und natürlich, wenn es ging, auch Izayoi. Leider wären auch Youkai anwesend, wenngleich wenige, aber die würden kaum mit ihm reden. Seine Chancen bei anderen Menschen standen da höher, da einige Geschäftspartner darunter wären, die in Anbetracht ihrer Verbindungen und des finanziellen Nutzens darüber hinwegsahen, dass er ein Bastard im wahrsten Sinne des Wortes war, nicht nur keiner Ehe entstammte sondern auch noch zwei Arten angehörte. Nun, er hatte rasch gelernt, dass man Ansehen durchaus kaufen konnte. Es gab nur wenige Halbmenschen, aber wer nicht reich war, führte ein recht ausgestoßenes Leben in der Gesellschaft, so, wie er sie verstand – der Ebene der Fukuwaras. Und der Fürstentitel stand ihm als Sohn des Ältesten auch zu – oder hätte ihm schon vor Jahren zugestanden, wenn seine Eltern verheiratet gewesen wären. Dummerweise musste er dafür beiden die Schuld geben. Vater, weil er töricht genug war ohne jede Vorsichtsmaßnahme mit einer Spinnendame ins Bett zu steigen, Mutter, weil sie ihre Fressgier nicht zügeln konnte ehe sie den Ehering trug. Nun gut, er konnte mit den jetzigen Folgen leben und hatte eben nur zu einem Umweg greifen müssen. Er besaß immer einen zweiten Plan.
 

Izayoi blickte zu ihrem Vater. Sie fuhren in das Hotel, in dem heute der große Ball stattfinden sollte. Sie trug als obersten Kimono einen stahlblauen, aufwendig mit Blumen und Phoenix-Vögeln bestickt. In ihrem dunklen Haar glitzerten dezent mühsam eingefügte kleine Perlen. Sie war mehr als aufgeregt, war es doch das erste Mal, dass sie einen Ball organisiert hatte und dann noch mit sich als Hauptperson. Und Eliza war nicht mehr da um sie zu beruhigen. Ihr Vater dagegen schien ihr fast ebenso angespannt wie sie. Zum gefühlt hundertsten Mal hatte er ihr den Ablauf erklärt, wo sie zunächst stehen sollte, dann, dass die Tänze strikt eingeteilt werden würden. Sie war ein wenig verwundert, dass es tatsächlich eine Liste geben sollte in der sich die Interessenten eintragen würden, hatte dann aber verstanden, dass so Ordnung herrschte und nicht zwei Männer gleichzeitig sie auffordern würden. „Gibt es jemanden, mit dem ich besser nicht tanzen sollte, verehrter Vater?“

„Nein. Die Männer, die ich eingeladen habe, sind alle...wichtig. Aber falls du die Youkai meinst, ich denke nicht, dass da jemand Walzer tanzt. Darum wählte ich das ja auch so. - Wenn wider Erwarten dich doch ein Youkai auffordert, wirst du eben zusehen, dass du diese Minuten lächelnd und mit gutem Benehmen hinter dich bringst.“

„Ja, verehrter Vater.“

„Den ersten Tanz tanzt du mit mir, den zweiten mit Onigumo, schon aus doch...gewissen familiären Rücksichten.“

„Ja.“

„Die Liste wird auf dem Tisch mit deinen Geschenken liegen, so dass jeder, der dort ein Geschenk niederlegt, sich eintragen kann. - Ich habe übrigens nur Männer eingeladen, die selbst oder deren Söhne unverheiratet sind oder die ich wirklich nicht umgehen konnte. Ratskollegen zum Beispiel.“

„Auch unverheiratete...Väter?“ Sie wusste nicht so ganz, was sie davon halten sollte.

„Es schadet durchaus nicht wenn der Ehemann ein wenig älter als die Ehefrau ist, mein Kind. Wenn jemand bereits verheiratet war, weiß er sogar eher, was eine junge Dame erfreut, als ein...unerfahrener junger Mann.“ Fürst Jiro beschloss, dass er aufpassen sollte, was er seiner unschuldigen Tochter sagte: „Keine Sorge. Ich werde dich an niemanden geben, der dir zuwider ist.“

„Danke.“ Was sollte sie schon anderes darauf antworten.
 

Zwei Stunden später staunte Izayoi über die Masse an Personen in dem ihr zuvor so groß scheinenden Saal. Vater und sie standen gegenüber des Einganges, durch den eine scheinbar endlose Prozession eingetreten war, wie erwünscht niemand im westlichen Stil. Hunderte Mal hatte sich ihr Vater genau abgemessen verbeugt, sie vorgestellt, sie sich dann ebenfalls entsprechend dem Rang des Besuchers verneigt, die Wünsche zu ihrem Geburtstag entgegengenommen. Hinter ihr befand sich eine weiß eingedeckter hoher Tisch, so dass die Gäste ihre Geschenke dort ablegen konnten ohne sich zu bücken, und, so gewünscht, ihren Name in die Tanzliste eintragen konnten, die sich schon gut gefüllt hatte. Sie würde kaum zum Sitzen kommen, dachte sie, aber das war nun einmal ihre Feier und sie musste Standhaftigkeit zeigen.

Jetzt schien niemand mehr zu kommen und Vater gab auch der Kapelle das Zeichen die Hintergrundmusik zu beginnen. Sie musste sich also wohl nicht mehr so konzentrieren den richtigen Namen mitzubekommen, der stets beim Eintritt des Gastes mit Titel und auch Stellung entsprechend der Visitenkarte ausgerufen wurde. Vater und Eliza hatten ihr erklärt, dies sei notwendig, damit jeder Gast wusste, wo der Andere auf der sozialen Leiter stand und daher im gesellschaftlichen Umgang, Sprache und auch Verneigung keinen Fehler beging – das würde auf den Gastgeber zurückfallen.

Sie suchte Onigumo in der sich unterhaltenden Menge. Er sah gar nicht wie ein Hanyou aus, dachte sie, eher wie ein menschlicher Mann Mitte Zwanzig. Ja, seine Haare waren länger als es unter Menschenmännern Mode war, aber doch deutlich kürzer als die der anwesenden Youkai. Auch im Gegensatz zu diesen hatte er weder spitze Ohren noch Fangzähne, die sie doch ein wenig schreckten. Eigentlich wirkte er ganz manierlich. Nun gut, er war immerhin ihr Cousin.

Zwölf Youkai hatte sie bislang gezählt, aber sie verschwanden in der Menge der Menschen. Hauptsächlich waren männliche Wesen hier, aber durchaus auch einige Frauen – in diesem Fall waren sie mit Ehemann und Sohn oder gar Söhnen gekommen. Wenige Mädchen ihres Alters...nun, Vater hatte wohl keine Konkurrenz aufkommen lassen wollen. Schade. Sie würde sich gern einmal darüber unterhalten wie andere so lebten. Aber Neugier ziemte sich natürlich für eine Prinzessin nicht.

Sie spürte förmlich trotz der mittlerweile leise spielenden Musik, dass ihr Vater sich anspannte und folgte seinem Blick zur Tür, wo ein Youkai erschienen war. Eindeutig ein Youkai, das zeigten die spitzen Ohren, die seltsamen Streifen auf den Wangenknochen, die Hände, deren Nägel viel zu lang für einen Menschen waren. Nein, das waren Klauen, wie auch die der Anderen seiner Art. Hätte er sein weißes Haar nicht zu einem Zopf hochgebunden, würde es ihm wohl bis in die Kniekehlen reichen. Aber das eindeutigste Zeichen für ein Höllenwesen waren die beiden weißen, felligen Teile, die aus seinen Schultern zu wachsen schienen und wie ein Umhang hinter ihm fast den Boden erreichten. Er trug keinen Kimono sondern Hakama und Haori, wenngleich aus weißer, edler Seide und das Oberteil blau bestickt, eine gelb-blau gefärbte Schärpe um die Hüften. In der Hand hielt er ein schmales, in rot und weiß gehaltenes Päckchen. Das musste eine sehr wichtige Person sein, beschloss Izayoi. Warum erfuhr sie sofort, denn der zuständige Hotelangestellte verkündete den Rang und Titel des Neuankömmlings: „Der Fürst der westlichen Länder, Mitglied im Rat der beiden Völker, der Inu no Taishou...“

Kein Name, dachte sie irritiert, sah aber rasch zu ihrem Vater, um sich Orientierung zu verschaffen wie sie nun vorgehen sollte.
 

Jiro Fukuwara war fassungslos. Seit sieben Jahren saß ihm dieser Mann im Rat gegenüber, jeden Monat für mehrere Stunden – und ja, er hatte gewusst, dass der den Titel des Herrn der Hunde trug, der offenbar Ranghöchste dieser Dämonen im Rat war, aber nie zuvor war der mit einem Fürstentitel angeredet worden. Und der menschliche Fürst gab gern zu, dass er sich manchmal über die Fellteile amüsiert hatte. Allerdings trug dieser Youkai bei Geschäften und im Rat stets einen dunkeln Anzug, da wirkten sie überaus...nun ja, eben unmenschlich. Jetzt, zu der weißen Seidenkleidung, als er langsam auf ihn zukam, eher wie eine Art Umhang, ein Hoheitssymbol. Und, verdammt, Fürst und Fürst war gleichgestellt, natürlich zumal als Ratsmitglieder. Er sollte aufpassen.
 

Izayoi warf eilig einen Blick in die Runde, da ihr Vater den fremden Fürsten offenbar überrascht anstarrte. Wie sollte sie sich verhalten, was dachten die Anderen von ihm? Menschen neigten höflich die Köpfe vor dem Regierungsmitglied – aber die Youkai im Raum verbeugten sich. Und das wirklich tief. Knieten sie gewöhnlich nieder? Sie erkannte aus den Augenwinkeln eine winzige Handbewegung des Fremden, ehe sich alle aufrichten trauten. Nein, wer auch immer das war: das war mit Sicherheit der mächtigste Youkai im Raum. Und, als sie ihn möglichst verstohlen erneut ansah, überlief sie ein Schauder. Kein Mensch, dachte sie in jäher Panik, ein vornehmes Raubtier kam da auf sie zu....

Ihr Vater neigte den Kopf und sie nahm sich zusammen. Es war nur ein Gast.
 

„Welch eine Ehre Sie begrüßen zu dürfen.“ Fürst Jiro hatte sich aus jahrzehntelang antrainierter Disziplin gefangen. „Ich heiße Sie herzlich willkommen, edler Fürst und Taishou. Darf ich Ihnen meine Tochter Izayoi vorstellen?“

Die Prinzessin verbeugte sich eilig tief, wie es einer so hochgestellten Persönlichkeit zukam. Ein Fürst der Youkai? Sie hatte nie davon gehört, aber das hieß ja auch nicht sonderlich viel.
 

Der Inu no Taishou hatte bereits auf dem dreißig Schritt langen Weg durch die Halle bemerkt, dass der gute Jiro Fukuwara bestürzt war. Nun ja, also hatte seine kleine Spitze den Fürstentitel mit nennen zu lassen voll ins Schwarze getroffen. Die anwesenden Youkai wussten es natürlich, wussten sogar mehr über ihn, aber für Menschen sollte das reichen.

Das demgemäß war die so angepriesene Prinzessin. Hübsch, nun ja, nicht abschreckend für Menschen, dachte er. Was ihm jedoch auffiel waren ihre langen, überaus dichten, schwarzen Haare. Entweder, sie verschwendete Unmengen an Geld und Zeit für deren Pflege – oder irgendwo in ihrem Stammbaum war ein un-menschliches Wesen, sei es Youkai oder Gott. Mit gewissem Amüsement dachte er daran wie der gute Jiro wohl darauf reagieren würde, der doch Menschen als die Krone der Schöpfung ansah.

Aber Youkai sollte geziemende Höflichkeit zeigen. Eine genau bemessene Verneigung gegenüber dem Menschenfürsten, eine weniger graduelle gegenüber der Prinzessin: „Ich danke für Ihre Einladung, werter Fürst Fukuwara, und gestatte mir Ihnen, Prinzessin Izayoi, zu ihrer Volljährigkeit zu gratulieren. - Ein kleines Geschenk aus diesem Anlass....“

„Vielen Dank, edler Fürst,“ erwiderte Izayoi wohlerzogen. Ehe sie den mahnenden Blick ihres Vaters bemerkte griff sie bereits hin und legte in diesem Fall das Päckchen eigenhändig auf die hinter ihr stehende Tafel. Das war eindeutig der Ranghöchste der Geladenen: „Falls Sie zu tanzen wünschen, edler Fürst....ich ...hier liegt die Liste....“ Sie erwartete wirklich nicht, dass er vor ihr erneut den Kopf neigte, ehe er hinüber trat und den Füllfederhalter aufnahm. Irritiert blickte sie zu ihrem Vater, aber dieser hatte ja schon seine Meinung gesagt: lächeln und durch. So ein Youkai, noch dazu ein Ratsmitglied und Fürst, würde doch kaum Walzer tanzen können oder eigentlich auch nur wollen. Nahm er etwa an, dass sei nur zu höflich, weil die Liste schon so voll war? Oder hatte sie ihn gerade indirekt dazu aufgefordert, ihn sozusagen dazu gezwungen? Oh du je, das wäre peinlich.
 

Der Inu no Taishou musterte die Liste, ehe er kurz entschlossen den dritten Namen durchstrich und sich eintrug. Gin musste eben weichen – und er stand als erster Youkai auf der Liste. Der Erbe der Katzenyoukai würde schon verstehen.

Was genau ihn dazu brachte, wusste er nicht so genau zu sagen. War es die Unsicherheit des jungen Mädchens, das doch heute eigentlich im Mittelpunkt eines strahlenden Festes stehen sollte? Ihr Geruch, der ihn an andere Zeiten und Orte erinnerte, friedliche Orte der Entspannung im Mondschein? Dass er nur Fürst Jiro ärgern wollte war auszuschließen. Das hatte er durch die Titelfolge bereits getan und er neigte nicht zu einem zweiten Schlag. Überdies würde dieser überrascht genug sein, dass ein Höllenwesen, wie der Youkai zu benennen liebte, Walzer tanzen konnte. Aber seit der Meijizeit hatte sich viel verändert und er hatte bereits als er seine Unternehmungen nach Amerika ausbreitete, später nach Europa, die dortigen Sitten kennengelernt - und auch die gesellschaftlichen Verpflichtungen dort. Eine ungarische Gräfin hatte ihm in Wien Walzer tanzen beigebracht, nun nicht nur das...

Er wandte sich um und ging durch die höflich zurückweichende Menge auf einen sichtlich alten Youkai zu, der sich eilig verneigte.

„Maseo, schön Sie unerwartet hier zu sehen.“

„Vielen Dank, oyakata-sama.“ Der alte Wolf wusste sich allerdings auch diesen Satz zu deuten und ergänzte: „Sesshoumaru-sama scheint heute ebenso in Ihrem Auftrag unterwegs zu sein wie mein Enkel Kouga....“ Nicht, dass der Herr noch annahm er würde seine Aufgabe vernachlässigen: „Und natürlich meine Wenigkeit.“

„In der Tat.“ Der Taishou warf einen raschen Blick herum, wartete jedoch bis die Musik einsetzte und der Gastgeber mit dem Geburtstagskind auf die Tanzfläche schritt um den Ball zu eröffnen, ehe er leise meinte: „Wer ist er?“

Der Sicherheitsexperte nickte leicht: „Vorderste Reihe, vor der Frau mit der Amaryllis im Haar, lange schwarze Haare, sieht aus wie ein Mensch, blauer, schwarz bestickter Kimono. Er sieht wie Mitte Zwanzig aus, ist aber bereits gut fünfzehn Jahre älter. Wohl das Youkaiblut.“

„Er wird gleich mit der Prinzessin tanzen.“

„Ja, das hat Jiro mutmaßlich arrangiert. Der Gute wird verzweifelt, wenn er einen Hanyou als Schwiegersohn und Erben in Betracht zieht.“

„Nicht ohne Grund.“

„Oyakata-sama?“

Doch der Inu no Taishou schwieg. Maseo sollte es ebenfalls gewittert haben – Krankheit lag um Jiro. Der Fürst Fukuwara hatte bereits zwei Herzinfarkte überstanden und der dritte schien sich zu nähern, was er wohl wusste. Darum also der Ball, das plötzliche Bemühen Werbung für Izayoi zu machen. Nun, sie würde sicher auch so einen Mann finden, sie sah recht hübsch aus, verfügte über Geld....Aber bei der Einstellung ihres Vaters hatte sie vermutlich vom Geschäftlichen nicht die mindeste Ahnung. Und das konnte nur schlecht für das Tourismusgeschäft der Fukuwaras sein, wenn nicht ein erfahrener oder zumindest ausgebildeter Mann die Sache übernahm. Anscheinend hatte Jiro geglaubt mehr Zeit zu haben – töricht für einen Menschen. Zumindest nach dem Unglückstod seines Sohnes hätte er Izayoi an ihr Erbe heranführen müssen.

Er wandte allerdings leicht den Kopf, als er Kyo, den Herrn der Kitsune, herantreten sah, der sich zwar höflich verneigte, aber doch etwas auf dem Herzen zu haben schien: „Kyo.“

„Oyakata-sama, ich vermute Sesshoumaru-sama hat Ihnen bereits von dem heutigen...Übungskampf mit Takeo berichtet?“

Ah, das erklärte, neben den offensichtlichen Gründen, warum der Sohn des Fuchsyoukai heute nicht anwesend war. Nach einem Duell mit seinem Sprössling benötigten die Meisten ein wenig Rekonvaleszenz, selbst belastbare Kontrahenten wie ein ranghoher Kitsune: „Nein. - Sesshoumaru ist auf dem Weg nach New York,“ erläuterte er jedoch: „Ich hoffe, Takeo wird sich bald erholen.“

„Danke, oyakata-sama.“ Entweder wusste der Fürst nichts von dem unhöflichen Verhalten Takeos, das dieser ihm wohl oder übel hatte gestehen müssen, oder dieser wollte nichts davon wissen. In jedem Fall war es dann besser darüber zu schweigen. „Es erinnerte mich nur an...alte Zeiten.“ Als sie beide sich mit dem Schwert in den Händen gegenüber gestanden hatten.

„Sie waren stets ein würdiger Widersacher, Kyo.“ Aha. Takeo schien wieder einmal ein wenig vorlaut gewesen zu sein und Sesshoumaru hatte die Sache in die eigenen Klauen genommen. Nun, sein Sohn war erwachsen und konnte das auch allein regeln. Als Vater musste man auch loslassen können, so schwer ihm das zugegeben auch manchmal fiel. Aber es war sein Erbe, und wenn ihm selbst etwas zustieß, würde Sesshoumaru Bescheid wissen, in der Politik und im Geschäft. Unerfahren, aber informiert.

„Danke, oyakata-sama.“ Kyo blickte zu Maseo: „Mir will scheinen alle unsere Erben sind heute anderweitig beschäftigt....“

„In der Tat. Nun, was sollte es auch.“ Der Wolfsyoukai blieb diplomatisch. Es gab Gründe für die Ratsmitglieder hier zu erscheinen – aber keine Notwendigkeit auch die mit eingeladenen Söhne oder Enkel mitzubringen, selbstverständlich mit einer guten Entschuldigung. Weder würde Jiro seine Tochter einem Youkai geben noch legten diese Wert darauf ihre alten Linien mit einem Hanyou zu beenden.

Der Inu no Taishou beobachtete wie Fürst Fukuwara seine Tochter zum Tanz quasi an Onigumo weiterreichte. „Oh, Kyo, wären Sie so freundlich und gehen zu Gin? Er wird den nächsten Tanz nicht mit der Prinzessin tanzen. Das übernehme ich.“

Der Wunsch eines Fürsten war ein verhüllter Befehl und so neigte der Kitsune nur rasch den Kopf ehe er den Sohn des Katzenyoukai-Ratsmitglieds in der Menge suchte, der heute anstelle seines Vaters erschienen war. Den anderen Youkai war klar warum. Gin war bereits verheiratet, sein Vater nicht mehr.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel tanzt Izayoi also mit ihrem Cousin und dem Hundefüsten: Tanz mit dem Teufel. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Kerstin-san
2020-03-15T16:28:19+00:00 15.03.2020 17:28
Hallo,
 
Onigumo ist ja wirklich ein ausgebuffter Fuchs, das muss man jetzt einfach mal neidlos anerkennen. Alleine sein Gedanke wegen den 40 Millionen guten Gründen, um Izayoi den Hof zu machen hat mich schon zum schmunzeln gebracht. Ich mag die Art, wie du ihn charakterisiert. Er ist sicherlich nicht Sympathieträger Nummer 1, aber er hat Tiefe und ist gerissen, was ihn zu einem interessanten Gegenspieler macht.
 
Nanana, einfach mal so Namen von Izayois Tanzliste zu streichen, aber wenn es sich einer erlauben kann, dann ja wohl der Taishou. Witzig übrigens, dass Izayoi befürchtet, ihn mit ihrer Bemerkung mehr oder weniger dazu gezwungen zu haben sich zum Tanzen einzutragen, sowas ähnliches ging mir bei ihrer Bemerkung nämlich auch durch den Kopf. xD
 
Diese Beiläufigkeit, mit der der Taishou Sesshoumarus Konkurrenten im Schwertkampf gute Besserung wünscht, fand ich sehr beeindruckend. Der hat ja gar keine Zweifel, dass sein Sohn den Fuchsdämonen locker-lässig besiegt hat, aber gleichzeitig wirkt es auch nicht arrogant, wie er diese Selbstverständlichkeit mal so eben herausstreicht. Sehr cool irgendwie.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Lizard
2016-10-19T10:24:05+00:00 19.10.2016 12:24
Wieder einmal ein sehr gelungenes Kapitel. Ich hatte zwar nicht erwartet, dass es ausgerechnet mit Onigumo beginnt und dann gleich so schnell und tief in die Abgründe seines mehr als hinterhältigen Charakters einsteigt (und, dass er schon ein heftiges Verbrechen begangen und Izayois Bruder auf dem Gewissen hat, hätte ich nicht erwartet, ich hätte gedacht, der fängt erst im Laufe der Geschichte mit wirlich krassen Verbrechen an. Stattdessen hat er schon eine Menge Erfahrung mit der "dunklen Seite" wie's scheint..). Aber das war eigentlich eine sehr positive Überraschung. Es steigert die Spannung auch enorm, weil man dann wirklich Angst um Izayoi kriegt. Deren Nervosität, ihr Verhältnis mit ihrem Vater (der sie schon extrem altmodisch, aber trotzdem achtungs- und liebevoll erzogen zu haben scheint), ihre Eindrücke vom Ball und den Anwesenden sowie ihre leichten Anflüge von Neugierde bezüglich ihr fremden Welten (sei es die Welt anderer gleichaltriger Mädchen, die anders/neumodisch erzogen wurden, sei es die fremde, erschreckende, aber auch faszinierende Welt der Youkai) sind allesamt sehr schön beschrieben. Ebenso schön lenkst du dann den Fokus auf den Inu no Taishou (das vornehme Raubtier^^), der mit seinem Auftritt einen wahrlich nachhaltigen und alles überstrahlenden Eindruck hinterlässt (auch beim Leser), ich bin beeindruckt (auch vom Wortschatz, den du dem Youkaifürsten verpasst hast... nehmen wir das Beispiel des Wortes Rekonvaleszenz etc... Passt alles hervorragend!). Es wäre schon fast zu viel Beeindruckung, wenn es nicht glücklicherweise auch so ein paar kleine andeutungsweise Gedanken und Handlungen der Hundeherrn gäbe, die darauf hinweisen, dass die menschliche Prinzessin sein Interesse geweckt hat. Natürlich betrachtet er bisher alles noch völlig nüchtern (oder glaubt das jedenfalls), aber das schimmert was unter der Oberfläche aller Nüchternheit, das schon weitaus mehr erahnen lässt. Ganz toll gemacht! Als Leser kann man nun kaum noch den Tanz der beiden erwarten. Und in mir erweckt es den dringenden Wunsch die beiden dabei bildnerisch dabei festzuhalten. Oh, was für ein wunderbares Paar... (*schwärm*)... die beiden sind für mich wie ein großer, prächtiger, perfekt geschliffener und funkelnder Diamant (er) und wie ein auf den ersten Blick schlichter, beim genaueren Hinsehen geheimnisvoll in allen Regenbogenfarben schimmernder, wunderschöner Opal (sie).

P.S. Hattest du für die ungarische Gräfin, die dem Hundefürsten das Walzer tanzen beigebracht hat ein historisches oder anderes Vorbild? Die in einem Antwortkommentar von dir erwähnte Gräfin Ilona sagt mir grad nichts... Und wieso muss ich jetzt an Operetten denken?!?


Von: abgemeldet
2015-12-14T10:21:43+00:00 14.12.2015 11:21
Ich dachte schon Jiro hat hier auf der Stelle seinen nächsten Herzanfall, um ehrlich zu sein o.O Da hat ihn der gute Hundefürst ja ziemlich erschrocken, wie es aussieht, aber ich finde ihn toll xD Streicht einfach mal einen anderen aus der Liste, haha
Was ich eigentlich schon beim letzten Kapitel erwähnen wollte, irgendwie aber verdrängt hatte: Ich mag es, wie du zwischen den Blickwinkeln der Charaktere wechselst, sodass mehrere zum Zuge kommen. Vor allem auch, weil sie sich auch stilistisch deutlich unterscheiden und man auch ohne genannte Namen sofort weiß, wer gerade "redet". Du bringst ihre Eigenheiten durch die unterschiedliche ERzählweise super rüber.
Mal schauen, wie sich Izayoi bei den Tänzen mit diesen beiden doch recht ... ungewöhnlichen Partnern schlägt.
Von: abgemeldet
2015-07-03T11:37:09+00:00 03.07.2015 13:37
Da streicht er einfach den Katzenyoukai Gin heraus ... ich bin erschüttert! Und amüsiert! Und denke mir, da kommt Izayoi hoffentlich nicht vom Regen in die Traufe, denn Taishou hat dank deiner Beschreibung doch ein adrettes Erscheinungsbild bekommen und dennoch genug Autorität versprüht, um ihn mehr als ernst zu nehmen.

Im Text gefiel mir am Besten das 'vornehme Raubtier' (denn genau SO kam er in der Szene auch ätherisch hereingeschwebt!) und das 'stahlblau' bei der Kimonowahl. Phönixe sind ja sehr ungewöhnlich, weil die Blüten und andere Stickerein beliebter sind, aber im Konzept erschien es mir malerisch und passend. Auch zum Fukuwara-Clan, immerhin hat der sich nach dem Tod des Erben halbwegs berappelt.

Übrigens, toll aus Onigumos Sicht Seitenhiebe gegen so ziemlich jeden zu lesen. Mutters Fressgier, Vaters fehlende Weitsicht, den mehr als lebensmüden Konkurrenten ... der Gute ist ein Schlitzohr und sehr manipulativ gstrickt. Eben einer der Hanyous, die man nicht einmal im Bekanntenkreis haben möchte.
Sein Design gefällt mir sehr durch die Spitzfindigkeit, aber er hknterlässt immer einen Nachgeschmack ...

Nun, mal schauen wie talentiert die ungarische Gräfin war und was Taishou bei ihr lernte. Momentan amüsiert er sich ja eher über Izayois Ahnentafel und ist über das 'hübsch' nicht herausgekommen.

Viele Grüße und bis nächsten Freitag!
Morgi
Antwort von:  Hotepneith
03.07.2015 14:32
Danke für den KOmmentar.

Ja, ich habe den Phönix neben die Blüten gesetzt, zum einen als Symbol auch für die Fukuwaras zum anderen weil er ungewöhnlich ist - und Izayois eigenen Geschmack zeigt. Sie hat ein Faible für Ungewöhnliches, auch, wenn sie das selbst (noch) nicht weiß.
Ds mit dem vornehmen Raubtier solltest du in Erinnerung behalten. Mehr kann ich nicht sagen...
Onigumo ist doch ein wahres Schätzchen - so nett, so höflich, so hintertrieben. Ein perfekter Heiratssschwindler - oder etwas anderes?

bye

hotep
Von:  SUCy
2015-07-03T10:37:58+00:00 03.07.2015 12:37
Ai ai ich wäre auch enrvös geworden XD
Bin gespannt wie der Tanz mit ihm wird :)
Freu mich aufs nächste Kapitel!

LG SUCy

Antwort von:  Hotepneith
03.07.2015 14:28
Danke. Ich hoffe doch, Gräfin Ilona hat ihm im 19. Jahrhundert richtig Walzer tanzen beigebracht...und sonst etwas nettes zum Thema Menschenfrauen:)

bye

hotep


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