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Rise of the Guardians

Fire and Ice
von

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Prolog

Die letzten Sonnenstrahlen verschwanden hinter dem Wald, und zurück blieben nur die rosaroten Wolken.

Ich blieb noch einen Augenblick im Gras liegen. Es war ein schöner Tag gewesen. Für Londoner Verhältnisse sehr warm und sonnig.

Hoffentlich bin ich diesmal ein wenig braun geworden, dachte ich und schaute auf meine Beine. Naja, ich sollte die Hoffnung vielleicht doch lieber aufgeben.

Seufzend stand ich auf. Es war der letzte Tag der Sommerferien.

Ich packte noch schnell meine Sachen zusammen und ging dann in Richtung des Waldes.

Ich wohnte am Stadtrand von London. Wenn ich mal die Stille suchte, ging ich hierher anstatt in einen der Parks. Hier hatte ich meine Ruhe. Es war ein kleines Wäldchen, mit einem See, der zwischen den Bäumen verborgen liegt. An diesem See musste ich vorbei, und dann immer weiter geradeaus. Vom Rand des Waldes kam man direkt in unseren Garten, den meine Mutter immer so liebevoll pflegte.

Ich hatte nun den Wald erreicht. Komisch, kaum war die Sonne weg, wurde es schon ganz kalt.

Tiefer im Wald wurde es immer kälter. Ich konnte schon sehen wie der See zwischen den Bäumen glitzerte.

Ich ging nun langsamer. Es wurde so kalt...

Und irgendwie zog es mich zum See. Ich versuchte, ohne zu wissen weshalb, leise zu gehen. Und dann sah ich es. Ich traute meinen Augen nicht. Mitten auf dem See stand jemand. Er hatte einen dunkelblauen Pullover an, dessen Kapuze tief ins Gesicht gezogen war. Er trug einen Stab aus Holz in der Hand, dessen Ende gekrümmt war.

Aber warte, was? Er stand auf dem Wasser!

Bei genauerem hinschauen sah ich, dass er auf einem Fleck stand, der zugefroren war.

Träumte ich? Das konnte doch nicht wirklich sein...

Um ganz sicher zu gehen kneifte ich mir in die Oberschenkel. Aber er verschwand nicht.

Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, obwohl es bloß ein paar Sekunden waren, ehe sich dieses.. Wesen.. bewegte.

Mein Verstand spielte mir bestimmt einen Streich!

Mit eleganten Bewegungen flog er förmlich über das Wasser. Überall wo seine nackten Füße das Wasser berührten, breitete sich eine Eisfläche aus. Es fing sogar an zu schneien.

Ich hatte viele Geschichten gelesen, in denen die Protagonistin etwas Zauberhaftes erlebt.

Aber zu sehen wie ein Wesen, das anscheinend ein Mensch ist, Eisblumen aus dem Nichts wachsen lässt, war etwas ganz anderes. Es war vor allem real, aber das konnte doch nicht möglich sein... Ich kniff die Augen zusammen und ging etwas näher heran.

Dummerweise trat ich auf eine vereiste Stelle und rutschte geräuschvoll aus. Mein Hinterkopf krachte gegen einen Baum, und mir wurde schwarz vor Augen.

Die Person drehte sich um. Ich sah nur noch eisblaue Augen, die mich überrascht ansahen. Dann versank alles in pechschwarzer Finsternis..

"Lena, wach sofort auf! Du kommst noch zu spät zur Schule!", rief meine Mutter von unten.

Müde schwang ich die Beine aus dem Bett. Etwas zu schwungvoll, denn als ich stand wurde mir kurz schwummrig und mein Kopf fing an zu pochen. Ich ging zum Spiegel. Meine schwarzen Locken sahen ein wenig durcheinander aus, also versuchte ich sie mit einer Bürste zu bändigen. Da dies nicht klappte und ich beinahe an meinen Haaren verzweifelte, steckte ich sie einfach hoch. Wie immer fiel mir dabei eine Strähne in die grünen Augen. Es war zum Verrückt werden.

Ich schlüpfte in meine Schuluniform. Sie bestand aus einer weißen Bluse mit grüner Krawatte, auf der das Wappen der Hamilton Academy gestickt war, und darauf einen dunkelblauen Faltenrock. Da der Himmel sich mit Wolken bedeckte, zog ich einen beigen Pullunder darüber.

Heute würde ich endlich alle wieder sehen. In den Ferien waren einige verreist, darunter auch mein bester Freund Matt.

Matt war seit dem Kindergarten immer an meiner Seite. Er war praktisch mein Bruder von anderen Eltern.

Ich konnte es kaum erwarten, ihn wieder zu sehen!

"Tschüss, Mum!", rief ich während ich schnell runter in die Küche lief, mir mein Essensgeld einpackte, ihr schnell einen Kuss auf die Wange drückte und raus stürmte. Dabei stolperte ich fast über meine eigenen Füße. Meine Mutter lachte mich wie immer aus.

"Brich dir nicht den Hals", rief sie noch bevor ich die Tür hinter mir schloss.

Haha.
 

Schnellen Schrittes ging ich zur Schule, und kam atemlos am großen Tor an.

Noch rechtzeitig geschafft. Per E-mail hatten wir unsere Stundenpläne geschickt bekommen, daher wusste ich dass ich zu Mathe musste. Das schlimmste Fach der Welt.

Ich begegnete ein paar Bekannten, grüßte hier und da und kam schließlich im Matheraum an. Der Lehrer war zum Glück noch nicht da, aber nur noch ein Tisch war frei. Ich setzte mich dahin.

Jemand tippte mich von hinten an. Ich drehte mich um - Matt!

Ich fiel ihm um den Hals. "Matti! Wie war es in Frankreich? Wie geht es dir? Seit wann bist du zurück? Und WARUM zum Teufel hast du mich nicht angerufen?", überfiel ich ihn.

Er fuhr mir beruhigend über die Haare. "Hey, kleine. Lass mich erst einmal zu Atem kommen"

Ich löste mich von ihm und schaute ihn an. Er war größer geworden. Schon wieder. Er konnte sein Kinn genau auf meinen Kopf legen. Sein dunkelbraunes Haar war etwas kürzer geschnitten als sonst und hoch gegelt. Aber seine Augen waren unverändert braun.

"Du siehst gut aus", sagte ich und boxte ihn Freundschaftlich gegen die Schulter.

Er verstrubbelte meine Haare. "Ich weiß", antwortete er und lachte.

Oh mann, wie sehr ich ihn vermisst habe.

Plötzlich knallte es, und ich zuckte zusammen. Der Lehrer, Mr Smith, hatte die Tür wie immer geräuschvoll zuknallen lassen, um sich anzukündigen.

"Private Gespräche könnt ihr in eurer Freizeit besprechen. Setzen!", wies er uns an. Wir gehorchten aufs Wort. Das Schlimmste was einem passieren konnte, war es, Mr Smith wütend zu machen. Oder ihm nicht zu gehorchen. Oder Spaß machte. Wenn man einmal seinen Zorn auf sich gelenkt hatte, wusste man, dass der Teufel nicht Satan, sondern Mr Smith hieß. Ich sprach aus Erfahrung.

Die Geschichte.. nun ja, es war eigentlich ziemlich dumm. Ich war zu spät zum Unterricht gekommen. Meine Mutter war ihre Eltern in Irland besuchen gegangen, deshalb war ich alleine geblieben. Und ich hatte kein Frühstück zuhause gehabt. Also hatte ich zur Bäckerei laufen müssen. Dort war unnatürlich viel los gewesen. Nach 10 Minuten Wartezeit in etwa hatte ich mir ein belegtes Brötchen und einen Latte Machiatto geholt. Und bin dann in Mr Smiths Unterricht gegangen, meine erste Stunde mit ihm. Wir hatten mitten im Jahr einen Lehrerwechsel gehabt, da Mrs Brandon schwanger geworden ist (ein süßer kleiner Racker mit dem Namen Timmy). Bei ihr hatte Mathe noch Spaß gemacht. Ich hatte nicht gewusst, dass ich dem Teufel in Person gegenüberstand.

"Name", befahl er mir zu sagen.

"Lena. Lena Blackburn.", antwortete ich sofort.

"Wenn Sie das nächste Mal wegen eines Kaffees zu spät kommen, bringen sie mir besser einen mit." Ich hatte noch gedacht: Oh mein Gott, wie cool ist der denn drauf? Deswegen antwortete ich: "Klar. Mit Koffein oder ohne?"

Und dann hatte es angefangen. Wie immer, wenn er die Geduld verlor: Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, und er wurde ein wenig rot. Er rang mit seinen Händen und legte den Kopf schief. Mit leiser, zischender Stimme hatte er gesagt: "Zum Büro der Schullleitung. So-fort!"

Und dann hatte ich wissen wollen weshalb, denn ich sah es partout nicht ein, wegen so etwas dummen zum Direktor zu gehen. Und in etwa so hatte ich es auch ausgedrückt. Er ist immer wütender geworden und nach ein paar Minuten Diskussion hatte er mich zum Direktor geschleift. Ich hatte einen Monat nachsitzen müssen. Grund: Respektlosigkeit und Missachtung der Autorität.
 

"Wir haben einen neuen Schüler." Mit diesen Worten riss er mich aus meinen Gedanken. Erst jetzt bemerkte ich die schlanke Gestalt, die neben Mr Smith stand. Es war ein Junge. Er trug keine Schuluniform. Er trug eine braune Hose, einen blauen Pullover und Sneaker. Er war dünn und groß, beinahe schlaksig. Seine blonden.. nein, eher weißen, fast silbrigen, verstrubbelten Haare hatten bestimmt noch nie einen Kamm gesehen. Ein paar Strähnen fielen ihm auf die Stirn. Seltsamerweise hatte er dunkle Augenbrauen. Vielleicht waren seine Haare ja gerfärbt.

Seine eisblauen Augen schauten mich direkt an. Ich erinnerte mich an etwas.. Aber es war verschwommen. Hatte ich letzte Nacht geträumt?

Ich könnte schwören, dass ich von diesen Augen geträumt habe ...

"... dich mal vor.", beendete Mr Smith seinen Satz und unterbrach damit erneut meine Gedanken. Ich hatte nichts mitbekommen. Dieser Junge starrte mich unverwandt an, und hinter mir nahm ich ein ungehaltenes Räuspern wahr.

"Hi. Ich bin Jack. Jack Frost"

Er hatte eine angenehme Stimme. Und irgendwie schien der Name zu passen. Jack Frost, der Junge mit dem schneeweißem Haar.

Mr Smith wartete, ob noch mehr kommen würde, was jedoch nicht geschah. Also räusperte er sich vernehmlich. "Nun denn, Jack. Setz dich dort hinten hin.", sagte Mr. Smith und deutete auf den Platz neben mir. Jack nickte bloß und schlenderte lässig hierher.

Mr Smith fing nun den Matheunterricht an, aber ich hörte gar nicht zu. Immer wieder sah ich zu Jack rüber. Wie alle anderen aus dem Kurs übrigens auch.

Am Ende der Stunde sagte Mr Smith mir, dass ich nun für Jack zuständig sei, ihm alles zeigen sollte. Es war keine Bitte, deswegen nickte ich. Ich hatte keine große Lust Babysitter zu spielen, aber trotz allem faszinierte mich der Neue irgendwie.

"Hier ist die Cafeteria, da drüben die Toiletten und..." Beim Gehen durch die Schule deutete ich hier und da auf bestimmte Räume und erklärte ihm was wo zu finden war.

Ich hatte keinen blassen Schimmer worüber ich sonst mit ihm reden sollte. Er selbst sagte auch nichts, er schien mir nicht einmal zuzuhören. Schöner Mist. Im Gang spielten ein paar aus der Unterstufe Fußball. Eine Lehrerin eilte zu ihnen, um ihnen einen Vortrag zu halten, dass es Verboten ist, während Jack leise lachte.

Plötzlich schoss der Ball direkt auf mich zu und wäre wahrscheinlich ungehemmt gegen mein Gesicht geflogen, doch irgendwie trat ich wie auf Eis und rutschte aus.

Jack fing mich auf, bevor ich auf dem Boden landete.

Der Ball flog knapp über meinen Kopf hinweg, und knallte gegen die Schließfächer.

Das alles geschah innerhalb weniger Sekunden.

Ich versuchte mich einigermaßen gerade hinzustellen. Jack hielt mich noch leicht an den Ellbogen fest.

"Alles in Ordnung?", fragte er mich. Lachend. Oh ja, er hatte großen Spaß wie es aussah. Und ich mich schon blamiert.

"Gute Reaktion. Fast als hättest du gewusst dass ich ausrutsche", erwiederte ich. "Was bist du, ne Katze?"

"Knapp daneben", antwortete er lächelnd. Jack hatte ein schönes Lächeln. Er lächelte schief und zeigte dabei schneeweiße Zähne.

Ich schüttelte leicht den Kopf. Starr ihn nicht zu sehr an, mahnte ich mich selbst. Seine Finger lagen noch immer an meinen Armen. Ich spürte wie ich leicht rot wurde. Ich war Nähe von Jungs nicht gewohnt. Außer man zählte Matt dazu, aber nun ja, das ist auch mein Matti aus Kindertagen. Schon immer gewesen.

"Äh... willst du was essen? Wir haben noch über eine halbe Stunde Zeit, ich kann dir gerne ein paar Leute vostellen. Wenn du das möchtest."
 

"Hey, kleine! Wir hatten heute ja kaum Zeit zu reden" Ich hatte auf Matt am Tor gewartet. In der Mittagspause habe ich Jack tatsächlich ein paar Leuten vorgestellt. Anders gesagt: Viola, früher einmal meine beste Freundin (lange Geschichte), fiel über Jack her und hat ihn zu sich und ihren Freunden an den Tisch geholt, und ihn ihnen vorgestellt. Mir war nichts anderes übrig geblieben als ihr mit offenem Mund hinter her zu starren, nachdem sie mir einen filmreifen: sieh-zu-wie-ich-dir-alles-wegnehme-Blick über die Schulter zuwarf. Als ob es mich interessiert hätte.

Ich war zu Matt und Jessica an den Tisch gegangen und habe wie immer mit ihnen die Mittagspause verbracht. Jedoch konnte Jess wie immer nicht die Klappe halten, und hat ununterbrochen über den Ball geredet. Jess war verrückt nach Tanzveranstaltungen. Und Schulbälle liebte sie am allermeisten. Sie ist der Typ Mädchen, der an die große wahre Liebe, die ewig währt und diesen ganzen Quatsch glaubt. Aber Jess ist einfach so süß, wenn sie von diesem Dingen träumt werde sogar ich manchmal mitgerissen. Bis mich die Realität wieder einholt. An wahre Liebe glaubte ich nun mal nur in Büchern.

Ich hatte immer wieder zu Viola und Jack rüber gesehen. Man sah sofort dass sie ihn haben wollte. Viola hatte immer diesen Jagd-Blick wenn ihr ein männliches Objekt gefiel. In ihren Augen waren Jungs nämlich nichts anderes. Einmal hatte Jack mich geradewegs mit seinen eisblauen Augen durchbohrt, dass ich mich fast verschluckt hätte und wie eine Irre zu husten begann und keine Luft mehr bekam. Nach der Mittagspause hatte ich noch eine Doppelstunde Englisch und dann konnte ich endlich wieder mit Matt reden.

"Ja, war ein ziemlich langer Tag", antwortete ich ihm und stieg auf den Gepäckträger seines Fahrrads.
 

Ich befand mich auf dem Friedhof. "Tschüss, Daddy." sagte ich zum Grabstein gewandt. Schweigend ging ich den Hügel hoch, auf die Kirche zu. Als ich an der Kirche ankam, erschauderte ich. Es war plötzlich sehr kalt geworden und ein schneidener Wind war aufgekommen. Jeder Böe fuhr wie ein Peitschenschlag durch das hohe Gras und wirbelte das trockene Laub der Eichen durcheinander. Ich blieb einen Moment stehen, und schaute auf die Landschaft unter mir. Der Mond war noch nicht ganz aufgegangen, aber ich konnte gerade noch so den Friedhof überblicken. Das Land war verwildert, dornige Sträucher und hohes Grad wuchsen auf den Gräbern. Es sah anders aus im Dunkeln. Dies war ganz sicher kein Platz, an dem Lebende verweilen sollten. Ich folgte dem schmalen Pfad weiter, den Hügel auf der anderen Seite wieder herunter. Die Grabsteine hier waren älter. Efeu rankte sich um die zerfallenen Grabsteine. Mein Herz begann wie wild zu klopfen. Jedes Geräusch hörte sich unnatürlich laut an, das Knirschen der Schritte geradezu ohrenbetäubend. Die Kirche war bloß noch ein schwarzer Schatten hinter mir.

Die Grabsteine sind so riesig, dass sich jemand dahinter verstecken könnte, dachte ich ängstlich. Ich konnte mich nicht von dem Anblick losreißen. Die Gräber schienen immer größer und größer zu werden. Ich bekam eine Gänsehaut.

Plötzlich schien etwas zwischen den großen, schwarzen Grabsteinen direkt auf mich zuzukommen.Ich schrie auf und rannte los, raste den schmalen Pfad entlang, stolperte hier und da über Steine und Grasbüschel. Doch der Pfad schien nicht zu enden.

Bis in unendliche Längen erstreckte er sich. Ich hörte hinter mir das flattern von großen Schwingen, spürte heißen Atem in meinem Nacken.

Panik erfasste mich, und ich schluchzte fast, nach Atem ringend. Meine Beine schienen wie aus Wackelpudding. Der Pfad wurde immer länger.

Und dann gab der Boden unter meinen Füßen nach, und ich stürzte in die Tiefe.
 

Schweißgebadet wachte ich auf. Es war nur ein Traum gewesen! Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es fast vier Uhr in der Nacht waren. In 2 Stunden müsste ich aufstehen und mich fertig für die Schule machen...

Eine Gänsehaut überzog mich. Es war wirklich unheimlich gewesen. Ich wurde verfolgt von einem... Ding. Jedenfalls hatte ich das Flattern von Flügeln gehört. Ziemlich großen Flügeln.

Das war das erste Mal seit vielen Jahren, dass ich wieder einen Albtraum gehabt habe. Das letzte Mal hatte ich Albträume in der Zeit kurz nachdem mein Vater starb.

Ich konnte unmöglich schlafen!

Also blieb ich wach. Um nicht blöd im Bett zu liegen, ging ich die Treppe runter, um mir die Beine zu vertreten und die Küche aufzuräumen. Nach dem Abendessen überfiel mich plötzlich diese Müdigkeit, sodass ich die Spülmaschine nicht mehr ausräumen konnte.

Gedankenverloren starrte ich aus dem Küchenfenster hinaus, während ich die Teller aufeinander stapelte.

Das Küchenfenster gab den Blick frei auf unseren Garten. Ich konnte auch den Wald sehen, wie er ruhig dalag im silbernem Mondlicht.

Es sah fast schon ein wenig beängstigend.Und dann kam mir wieder der Traum in den Sinn. Ein Schatten, der sich zwischen den Grabsteinen bewegte..

Scharf zog ich die Luft ein. Hatte ich mir das gerade eingebildet? Ich hätte schwören können, dass dort jemand stand, direkt am Waldrand. Eine hochgewachsene Gestalt, die direkt zu mir schaute. Vor Schreck ließ ich fast den Teller fallen, den ich gerade in der Hand hielt.

Es war bloß ein Schatten, doch ich fühlte mich merkwürdig beobachtet. In meinen Nacken stellten sich die Härchen auf.

Schnell drehte ich mich weg vom Fenster und lehnte mich schwer atmend gegen die Theke. Hier in der Gegend würde doch wohl kein Stalker lauern, oder? Ich hoffte nicht. Ein paar Häuser weiter war einmal eingebrochen worden, jedoch gab es bei uns nichts Wertvolles zu klauen, also kein Grund dass jemand hier warten würde bis wir alle weg sind. Und mir fiel auch kein Grund ein weshalb irgendwer uns sonst beobachten sollte. Soweit ich wusste, hatte meine Mutter auch keine merkwürdigen Verehrer. Seit Dad starb hatte sie keinen Mann mehr gehabt. Auch wenn ich mir manchmal wünschte, sie würde etwas mehr unter Leute gehen. Es brach mir jedes Jahr aufs neue das Herz, wenn sie am Hochzeitstag (gleichzeitig auch der Tag, an dem mein Vater Geburtstag hatte), die Fotos ihrer Hochzeit rauskramt und sich damit in ihrem Zimmer einschließt. Durch die Tür kann ich ihr Schluchzen hören, aber darüber reden will sie nie. 5 Jahre ist das nun her.
 

Ich wagte es nicht, noch einmal aus dem Fenster zu schauen. Aus Angst, ich könnte dort immernoch diesen Schatten sehen, der aussah wie eine Person.

Den Blick stur vom Fenster abgewendet räumte ich das Geschirr in die Hängeschränke, und bereitete das Frühstück vor. Mum würde bald aufwachen, dann konnte ich sie also auch genau so gut mit einem ausgiebigen Frühstück überraschen.

Ich machte gerade Rührei, als sie auch schon die Treppe herunter kam.

"Das riecht aber gut. Ist irgendwas besonderes?", fragte sie während ich ihr einen Kuss auf die Wange gab.

"Dir auch guten Morgen, Mum"

Sie lachte bitter. "Unter gut verstehe ich etwas anderes. Ich habe fürchterlich geschlafen."

Das ließ mich aufhorchen.

"Ich hatte einen schrecklichen Albtraum", fuhr sie fort. War so etwas genetisch bedingt?
 

Doch auch später in der Schule sagte Matt mir, er habe schlecht geschlafen. Als ich nach dem Grund fragte, sagte er, er habe einen Albtraum gehabt.

Aus irgendeinem Grund beunruhigte mich das sehr.

Schweigend gingen wir nebeneinander zu Mathe. Ich war in Gedanken die ganze Zeit bei meinem Traum und lief prompt in jemanden hinein. Wir landeten auf dem Boden.

"Au... was?"

"O-oh mein Gott, tut mir leid!", stammelte ich. Es war Jack. Er schien mich erst jetzt zu realisieren; denn sein überraschter Blick wich einem schiefen Grinsen, und seine Augen funkelten mich amüsiert an. Seine Augen waren von einem wunderschönen, hellen blau. Mir wurde ganz warm ums Herz...

Warte... was?! Habe ich das gerade wirklich gedacht? Ich war wohl ziemlich durch den Wind. Um mich zu beruhigen fing ich an, meine Bücher zusammen zu suchen und klemmte die unter meinem Arm.

"Kein Problem, wirklich. Der Boden scheint dich magisch anzuziehen, was?", sagte er und lachte leise.

"Nein, ich finde bloß die Fußbodenheizung so kuschelig", antwortete ich trocken.

"Na wenn das so ist", sagte er und stand auf. Er hielt mir die Hand hin. "In Mathe wird es noch viel kuscheliger sein."

Er schien Mathematik genau so sehr zu lieben wie ich. Nämlich gar nicht. Ich ergriff seine Hand. Sie war sehr weich und angenehm kühl.

Erst als wir schon im Unterrichtsraum waren, und Matt mich mit hochgezogenen Augenbrauen ansah, bemerkte ich dass meine Hand immer noch in Jack's lag. Peinlich berührt ließ ich los. "'tschuldigung", murmelte ich.

Jack schien etwas sagen zu wollen, jedoch schloss er den Mund einfach wieder und wir gingen schweigend zu unserem Tisch.
 

~~Aus Jack's Sicht~~
 

Sie war mir direkt vom ersten Moment an aufgefallen, dieses Mädchen mit dem schwarzem Haar und Augen, so grün wie das Moos im Wald. Ich hatte wirklich Bedenken gehabt, ob sie sich an mich erinnerte. Sie hatte sich ziemlich hart am Kopf gestoßen, als sie am See gestürzt war. Ganz benebelt, und kurz bevor sie in Ohnmacht fiel, hatte sie ihm auf sein Bitten beschrieben, wo sie wohnte, und er hatte sie nach Hause gebracht. Gott sei Dank schlief ihre Mutter schon, sodass sie nicht bemerkte wie ein Fremder ihre Tochter nach Hause brachte.

Ich hatte Lena noch eine ganze Weile beobachtet, bevor ich schließlich aus ihrem Fenster geklettert und in mein Mietzimmer geflogen bin.

Am darauffolgenden Tag sind mir fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als ich sie in der ersten Stunde sah. Ich hatte sie die ganze Zeit über angesehen, in der Hoffnung, erkennen zu können, ob sie mich erkannte. Aber das schien nicht der Fall zu sein.

Ich musste zugeben, ein wenig enttäuscht war ich schon. Mir wurde strikt verboten, jemanden meine Kräfte zu zeigen, geschweige denn jemanden meine eigentliche Existenz zu offenbaren. Es war ja schon eine riesige Ausnahme, mich diesen Trank trinken zu lassen, der zuließ dass mich jeder sehen und berühren konnte, egal ob er an mich oder North oder sonst irgendwen von den Hütern glaubte. Sie hatten alle gemerkt, dass ich irgendwie unglücklich war, dass mir etwas fehlte. Also beauftragten sie mich damit, unter Leute zu gehen, unter ihnen zu leben. Mich mit ihnen anzufreunden. Offiziell sollte ich herausfinden, wo die Interessen liegen, nun ja, um herauszufinden, was Kinder glücklich machte. Inoffiziell hatte ich einfach eine Pause.

Obwohl es mir schon sehr unangenehm gewesen ist. Die anderen Hüter hatten noch nie eine Pause von ihren Pflichten gemacht. Aber man konnte schließlich nicht einfach Weihnachten oder Ostern ausfallen lassen, bloß weil man keinen Bock auf die Arbeit hatte.
 

Vorhin, als Lena meine Hand genommen hat, ist mir ganz warm geworden. Ich hatte so lange keine richtige, körperliche Nähe mehr gespürt, abgesehen von meinen kleinen Auseinandersetzungen mit dem Osterkänguru (ich liebte es, wie er sich aufregte wenn ich ihn so nannte).

Ich konnte endlich einmal wie ein normaler Junge sein. Ich wollte nie etwas anderes. Auch wenn ich mein wahres Wesen nicht preisgeben durfte, fühlte ich mich doch frei.

Nun leierte Mr Smith noch einmal die binomischen Formeln runter, da ein Junge aus dem Kurs, dessen Namen ich nicht kannte, sie vergessen hatte.

Ich bemerkte, dass Lena mir immer wieder Blicke zuwarf. Einmal sah ich ihr dabei einfach in die Augen, doch sie guckte ganz schnell schnell nach vorne zum Lehrer. Sie fing an zu lächeln. Ich konnte sehen, dass sie Grübchen hatte.

Dieses Mädchen faszinierte mich wirklich. Eigentlich ein Grund, mich von ihr fern zu halten. Sie durfte nichts erfahren. Sie würde mich bloß für einen Verrückten, Geisteskranken halten!
 

Nach der Stunde verschwand ich so schnell es ging, ohne sie anzusehen. Ich dachte mir, wenn sie mich vielleicht unsympathisch findet, wird es einfacher für mich.

Aber das Problem war, dass sie mir überall auffiel.

Zwei Wochen hielt ich es durch. Jeden Morgen in Mathe saß ich neben ihr, sagte nur kühl "Hi" und verschwand nach der Stunde so schnell wie möglich aus dem Raum.

Doch an diesem Morgen sprach sie mich an, als ich mich gerade erheben wollte. So ein Mist...
 

~~Aus Lena's Sicht~~
 

"Setz dich doch einfach weg, wenn du es nicht aushälst eine Stunde neben mir zu sitzen", sagte ich, bemüht um einen gleichgültigen Tonfall.

Er erstarrte in seiner Bewegung. Den Rucksack auf einer Schulter, eine Hand in der Hosentasche sah er mich an. Er lächelte leicht schuldbewusst.

"Tut mir leid, aber ich habe es wirklich gerade eilig.", sagte er nur und eilte hinaus.

Was war nur los mit dem Typen? Ich hatte eigentlich gedacht, wir würden uns anfreunden. Irgendwie. Aber das schien wohl nicht ganz in seinem Interesse zu liegen.

Matt stellte sich neben mich.

"Alles okay?"

Er hatte die Unterhaltung anscheinend mitbekommen, so mitfühlend wie er mich ansah.

"Natürlich. Was sollte denn falsch sein?", fragte ich ihn und fing an zu lachen. Es klang sehr viel bitterer als beabsichtigt. Wieso machte ich mir überhaupt Gedanken über Jack Frost? Ich hätte mich am liebsten geohrfeigt. Mit einer Bratpfanne.

"Wenn du mich fragst, stimmt mit diesem Jungen irgendwas nicht. Weiß irgendwer was über ihn? Außer dass er Jack Frost heißt?"

Ich dachte darüber nach. Ich hatte mich ehrlich gesagt nie viel mit ihm unterhalten, da ich nie wusste über was ich mit ihm reden sollte. Aber es gab jemanden, der ihm auf Schritt und Tritt folgte...

"Ich wette, Viola hat so einiges über ihn rausgefunden", erklärte ich ihm. "Schließlich hat sie ihn seit seiner ersten Mittagspause beschlagnahmt. Hast du nicht ihren Jäger-Blick gesehen?"

"Ja, davor ist niemand sicher. Der Arme"

Ich grinste Matt an. "Warte in der Mittagspause an meinem Schließfach auf mich, ja?"

Er nickte.

Doch als ich zu Beginn der Mittagspause mein Fach schloss, wurde ich nicht von Matt mit einem atemberaubendem, schiefen Lächeln begrüßt.

"Jack", begüßte ich ihn perplex. Mit ihm hatte ich nicht gerechnet.

"Hast du schon von dem Halloweenfest gehört?"

"Ja, meine beste Freundin schwärmt schon seit Ewigkeiten davon", sagte ich und verdrehte die Augen beim Gedanken daran.

"Du etwa nicht?" Hörte er jemals auf zu lächeln?

"Naja, ich denke nicht dass ich hingehen werde."

"Schade." Es klang ehrlich, und er schaute auf seine Füße. "Ich hatte gehofft, ich würde dich dort auch sehen."

Okay, das war jetzt seltsam. "Du hattest.. Willst du mich eigentlich verarschen?", fragte ich ungläubig. Jack schien verwirrt zu sein. Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern aber ich unterbrach ihn sofort.

"Seit zwei Wochen scheinst du immer so schnell wie möglich von mir weg zu wollen und unterhälst dich nicht mit mir. Und jetzt auf einmal fragst du mich, ob ich auf diese verdammte Feier gehe?"

"Nun...", er kratzte sich verlegen am Kopf und sah mich an. "Irgendwie schon."

Und jetzt lächelte er wieder! Konnte er auch irgendetwas anderes außer nur dumm zu grinsen? Ich wurde allmählich sauer.

"Idiot.", sagte ich und kehrte ihm den Rücken zu. Einfach so weg gehen konnte ich nicht, schließlich wartete ich auf Matt. Sonst hätte ich Jack garantiert stehen gelassen!

"Du bist süß wenn du sauer bist, weißt du das?"

Es war kaum mehr als ein sanftes Flüstern, ganz dicht an meinem Ohr. Auf einmal erstarrte ich. Er war definitiv zu nah!

Und ich brachte kaum mehr als ein stottern raus. Und hasste mich dafür. "W-Was redest du denn da für Unsinn?" Wie war das noch mit der Bratpfanne?

Ich wollte ein Stück von ihm abrücken, aber meine Beine gehorchten mir nicht. Also blieb ich gezwungenermaßen einfach stehen und schwieg ihn an.

Ich spürte, wie er anfing mit meinen Haaren zu spielen. Sich eine Strähne nahm, sie in den Fingern drehte und wieder los ließ.

Ich drehte wieder mich zu ihm um. Er hielt immernoch eine Haarsträhne in der Hand, und hatte ein kleines Lächeln auf den Lippen. Er sah mich mit seinen klaren, hellblauen Augen an. Ich wusste nicht, wie ich seinen Blick deuten sollte. Sehnsüchtig? Schmerzerfüllt? Eine Mischung aus beidem?

Er beugte sich vor, sein Gesicht war nun ganz nah an meinem. Mit der Hand strich er mir eine Haarsträhne aus der Stirn, begann, meine Wange zu streicheln. Seine Berührung war angenehm kühl. Meine Knie wurden ganz weich, und mein Puls raste. Hoffentlich hörte er nicht wie mein Herz klopfte... "Entschuldige", flüsterte er nur, drehte sich um und ging.

Ich starrte ihm hinterher. Als er außer Sicht war, fühlte ich mich erleichtert, ein Teil der Spannung fiel von mir ab. Erschöpft ließ ich mich gegen mein Schließfach fallen und lehnte den Kopf dagegen.

"Anstrengenden Tag gehabt?", fragte mich Matts Stimme. Bevor ich etwas erwidern konnte, fuhr er fort. "Bestimmt nicht so schlimm wie meiner. Jess quatschte mich ununterbrochen voll und beschrieb mir detailliert alle Kleider und Kostüme, die sie anprobiert hat. Noch dazu hat sie mir gesagt, sollte ich nicht schleunigst eine Begleitung finde, wird sie mich zwingen mit ihrer Schwester zu gehen."

Ich lachte. "Wer hat sich einfallen lasse, dass man bei solchen Festen nur mit einem Partner rein gelassen wird?"

An seinem Blick erkannte ich, dass er mich verstand.

"Wie wär's, Lena?", er grinste mich an machte eine halbe Verbeugung und hielt mir die Hand hin. "Miss Blackburn, möchten sie mich zu dem Halloweenball begleiten?"

Ich legte meine Hand in seine und machte einen knicks. "Aber natürlich, werter Herr"

Wir lachten beide.

Die Wochen bis Halloween zogen sich nur so dahin, ohne dass etwas interessantes passierte.

Jack redete wieder mit mir, jedoch ganz normal: freundschaftlich. Manchmal bemerkte ich aber, dass er mich mit diesem Blick ansah, den ich einfach nicht deuten konnte,

Wenn ich träumte, waren es eigentlich immer Albträume, und in jedem wurde ich von einem Schatten verfolgt. Ich wusste, dass es verrückt klingt, aber ich war fest davon überzeugt, dass es etwas bedeutete. Durch eben diese Träume bekam ich auch immer weniger Schlaf. Die Ringe unter meinen Augen wurden immer dunkler, sodass ich gezwungen war, Mum's Concealer zu benutzen. Meine Mutter machte sich auch sorgen, wollte, dass ich mich beim Arzt untersuchen lasse.

Was ich aber nicht tat.

Jess nahm mich an einem Tag mit in die Stadt, schleppte mich von einem Laden zum anderen, damit ich ein Kostüm fand.

Und so stand ich nun vor dem Spiegel, in einem lagen, ärmellosem, weißen Kleid, das von der Taille abwärts locker bis auf den Boden fiel. Ein langer Schlitz streckte sich gewagt vom rechten Oberschenkel bis zum Saum des Kleides.

Das Kleid hatte ich mit ... Nun ja, sagen wir, ich hatte nicht gerade an Kunstblut gespart. Der Ausschnitt war herzförmig.

Mein Haar hatte Jess, die jetzt strahlend neben mir stand, von rechts auf die linke Seite geflochten, wo es mir in sanften Wellen über die Schulter fiel. Mein Gesicht hatte sie erst schön geschminkt, bevor ich es mit Kunstblut verunstaltete.

Jess selbst sah aus wie Alice im Wunderland nach einer Zombie Apokalypse, in einem knielangem, blauen Kleid im Lolita Stil mit weißen Rüschen. Ihr Kleid hatte nur wenige Blutspritzer, da sie Angst hatte, es könne nicht mehr raus gehen. (Obwohl wir es vorher an einem weißen Shirt ausprobiert hatten – es ging alles raus)

Im Gesicht hatte sie sich sehr dezent geschminkt, in einem Auge allerdings eine weiße Kontaktlinse. Es sah aus, als würde sie aus ihrem Zombie Auge bluten. Wir sahen echt gruselig aus!

Meine Mutter machte geschätzte vierhundertsiebenundsiebzig Bilder von uns und gab mir Geld.

Als es klingelte, öffnete ich die Tür. Vor mir standen Matt und Eric, Jess' Begleitung.

Matt ging als Dracula, die Haare nach hinten gegelt und falsche Zähne. Er trug sogar einen langen Umhang! Eric trug normale Kleidung, aber im Gesicht war er über und über mit Kunstwunden verziert.

Er starrte Jess an, als hätte er nie etwas schöneres gesehen (oder gruseligeres)

Mir entging auch Matts Blick auf Jess nicht, bevor er mich amüsiert angrinste.

"Also, wollen wir"

"Ja!", antworteten wir alle wie aus einem Mund. Vielleicht würde der Abend ja doch super werden....

Die Sporthalle war aufwendig dekoriert worden. Überall hingen Fledermäuse und Spinnen, am Buffet gab es diverse Spezialitäten: Augenpunsch, Gehirnmuffins, Fingerstummel und vieles mehr.

Die Halle war schon gut gefüllt. Einige tanzten auf der Tanzfläche, einzelne standen an den Tischen die am Rand der Tanzfläche aufgestellt waren. Ich begrüßte hie und da jemanden und ging mit Jess, Matt und Eric an einen dieser Tische. Wir redeten und lachten viel.

Ich fing nach einiger Zeit an, die reinkommenden Schüler zu beobachten. Werwölfe, Hexen, Vampire, Zombies... Alles war dabei.

Irgendwann gingen Eric und Jess auf die Tanzfläche. Matt entschuldigte sich kurz um ein paar Freunde vom Football zu begrüßen.

"Hast du dich für mich so schön gemacht?", flüsterte eine Stimme von hinten an mein Ohr. Vor Schreck drehte ich mich um und sah direkt in die eisblauen Augen von Jack Frost.

Ich wich ein wenig zurück – seine Nähe war mir unangenehm. Bewusst langsam musterte ich ihn von oben bis unten. Seine Haare sahen wie immer aus wie im Sturm geföhnt – wirr in alle Richtungen. Er trug ein locker sitzendes Hemd, mit ein paar Blutspritzern (wir waren anscheinend alle sehr Blutrünstig) und eine schwarze Hose. Er sah wirklich gut aus, und ich hoffte, dass ich ihn trotzdem desinteressiert ansah.

Er grisnte mich geduldig an.

"Wie kommst du darauf?", fragte ich. Mir fiel zum verrückt werden kein coolder Spruch ein.

"Ich würde mich geehrt fühlen", sagte er ganz ernst, grinste jedoch weiter ununterbrochen. Ich verstand ihn einfach nicht.

"Zu schade" sagte ich matt lächelnd und wandte mich wieder dem Tich zu. Er gesellte sich neben mich. Sein Ellbogen berührte meinen, und selbst diese kleine Berührung ließ mich zusammenfahren. Warum bloß machte seine Nähe mich immer so nervös?

"Tanz mit mir. Bitte", sagte er plötzlich und sah mir fest in die Augen. Ich konnte nicht wegsehen.

"Okay"

Warte, was? Es war mir einfach so rausgerutscht. Sei doch ein mal ehrlich zu dir selbst!, fuhr ich mich in Gedanken selbst an. Ich wollte wirklich mit ihm tanzen.

Und ich wollte gerade nach seiner Hand greifen, als sich eine andere Hand in seine legte.

"Ach, Lena! Nein, wie süß du aussiehst!", sagte Viola während sie mich mit zusammengekniffenen Augen musterte. Ein fieses lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich bei Jack einhakte.

"Tut mir wirklich sehr leid, aber ich werde Jack wohl den ganzen Abend für mich beanspruchen."

Gleichzeitig legten sich zwei Arme von hinten um mich, gefolgt von einer beißenden Alkoholfahne.

"Ich habe dich vermisst, Lena", sagte eine mir leider sehr vertraute Stimme

"Mike?", fragte ich ungläubig als ich mich umdrehte und- wahrhaftig – in die grauen Augen meines Ex-Freundes blickte. Der mich übrigens fest im Griff hielt und seine Lippen auf meine legte.

Sofort versuchte ich mich zu befreien. Was bildete er sich ein? Aber er hielt mich fest wie ein Schraubstock. Indem ich ihn nicht gerade unsanft in die Lippe biss schaffte ich es mich los zureißen. Jack sah mich ungläubig an.

"Ich...", stammelte ich, doch Viola unterbrach mich sofort.

"Wir verstehen schon. Du willst mit Mike alleine sein, ihr habt euch schließlich sehr lange nicht gesehen." Sie lächelte mich triumphierend an. "Komm Jack, das Lied ist gut." Sie zog an Jacks Arm, doch er sah mich weiterhin einfach nur an. Ungläubig, verletzt? Wie immer konnte ich es nicht deuten.

Mir war, als würde es eiskalt werden...

"Aber..."

"Wir verstehen ja dass ihr allein sein wollt."

"Nein du..."

"Jack, das Lied, jetzt komm endlich!"

"Jack..." Er war weg. In der Menge verschwunden. Mit Miss Ich-versau-dir-alles-Viola.

"Wer ist dieser Jack?", fragte mich Mike.

"Das geht dich gar nichts an.", erwiederte ich giftig und sah ihn wütend an.

"Was ist denn los mit dir, Süße?", fragte er zärtlich und wollte mich wieder an sich ran ziehen.

Ich hob abwehrend die Hände.

"FASS mich nicht an!", fuhr ich ihn an. "Und ich bin NICHT" deine Süße!"

Was fiel ihm ein!

Er war das letzte halbjahr irgendwo in Europa zur Schule gegangen und hatte vorher Schluss gemacht. Jess hat mir danach immer Bilder von ihm auf Facebook gezeigt – jedes Mal mit anderen Mädchen. Ich hatte ihn dieses Jahr aus irgendeinem Grund noch nicht zu Gesicht bekommen. Er ist eine Stufe über mir, aber ehrlich gesagt war es mir egal gewesen. Es war vorbei. Ich hatte auch keinen Gedanken an ihn verschwendet. Und jetzt tauchte er plötzlich auf, küsste mich als sei nichts gewesen, als wäre es das verständlichste auf der Welt! Ohne mich!

"Okay, du bist anscheinend etwas verwirrt, aber ich bin wieder zurück. Kein Grund, so abweisend zu sein", sagte er, unterzeichnet von einem selbstgefälligem Lächeln.

"Mike, muss ich dich daran erinnern, dass DU Schluss gemacht hast? Also was fällt dir ein, hier einfach so aus heiterem Himmel aufzukreuzen und mich zu küssen? Du spinnst wohl!"

"Sie hat recht. Verschwinde"Matt!

Mikes selbstgefälliges Grinsen verzerrte sich langsam vor Wut.

"Für jetzt gehe ich", sagte er und wandte sich zum Gehen, hielt jedoch kurz inne. "Denk bloß nicht, dass das alles war", fügte er an mich hinzu.

Was das eine Drohung? Es fühlte sich danach an.

"Wie konntest du nur mit so einem aroganten Bastard zusammen sein?",fragte mich Matt. Ich schüttelte müde den Kopf. "Lass gut sein, Matt."

Mike war damals anders gewesen. Irgendwas hatte ihn verändert.

Von wegen, lustiger Abend... Meine Stimmung war im Keller, wenn nicht sogar tiefer. Und ich hatte die Nase gestrichen voll. Das war einfach zu viel für einen Tag! Erst Viola, zu allem überfluss Mike...

Ich wollte nur noch nach Hause. Ich verabschiedete mich von Matt und Jess, die mich halbherzig zum Bleiben bewegen wollte, und ging nach draußen.

Dabei merkte ich nicht, dass ich verfolgt wurde...
 

Ich beschloss zu Fuß nach Hause zu gehen. Zum einen war es noch nicht allzu spät, und meine Mutter würde nur Fragen stellen weshalb ich so früh schon wieder aufkreuzte. Zum anderen würde mir so wenigstens nicht kalt werden, während ich aufs Taxi wartete.

Die Straßen waren menschenleer. Keine Seele wanderte umher. Nur ein paar Autos kamen mir entgegen, vermutlich Mütter und Väter, die ihre Kinder von der Feier abholten.

Die Kinder waren von ihrer Süßes-sonst-gibts-Saures-Tour sicher schon daheim und vernaschten ihre Süßigkeiten.

Ich bemerkte gar nicht, dass sich mir jemand in den Weg stellte, bis ich unmittelbar in ihn hineinlif. Sofort schlossen sich Arme um mich.

"Da ist ja mein Mädchen", nuschelte Mikes Stimme. Ich roch den Alkohol aus seinem Mund.

"Lass mich los", rief ich. Er packte fester zu und kicherte boshaft.

"Ach, Lena..." seufzte er. "Ich hatte gehofft, du würdest freiwillig mit mir kommen"

Freiwillig? Wovon redete er?

"Mike, bitte...", fing ich an, doch er schubste mich unsanft nach vorne, meine Arme schmerzhaft hinter dem Rücken verdreht.

Ich versuchte mich zu befreien, gab jedoch auf als mir Tränen in die Augen schossen. Eher würde ich mir die Schultern auskugeln, bevor sein eiserner Griff sich löste.

Er packte einfach erbarmungslos fester zu. Ein erstickter Schrei entfuhr mir.

Mike lachte nur.

"Ich weiß zwar nicht, was er von dir will", murmelte er leise. "Aber wehe er hält nicht was er verspricht."

"Von wem sprichst du?", rutschte mir raus.

"Klappte!", zischte er sofort.

Nach einiger Zeit standen wir vor dem Friedhofstor. Mike stieß es langsam auf. Es quietschte unheil verkündend, als er mich rein schubste.

Dann hörte ich, wie das Tor wieder zu knallte. Es hatte etwas endgültiges an sich.

Ich lauschte unseren stapfenden Schritten während ich von Mike zwischen den Grabsteinen voran gestoßen wurde. Ich war mir nicht sicher, was passieren würde. Wollte er mir bloß Angst machen?

Wollte er sich dafür, dass ich ihm nicht sofort um den Hals gefallen war, rächen? Oder gab es wirklich jemanden, der etwas von mir wollte?

Nein, ausgeschlossen. Meine Familie hatte weder viel Geld, noch besaßen wir wertvolle Gegenstände.

Wir befanden uns jetzt im alten Teil des Friedhofes. Das Gras und Unkraut wuchterte hier nur so vor sich her und Efeu rankte sich um die halb zerfallenen Grabsteine, die noch vom Krieg übrig geblieben waren. Die Grabsteine waren teilweise so groß wie ausgewachsene Männer und mindestens zwei mal so breit. Auf gruselige Art und Weise erinnerte es mich hier an meine Albträume.

"Da wären wir.", sagte Mike und sah mich an. Er fing an zu grinsen.

"Hey, ich hab sie!", schrie er in die Dunkelheit. Ein paar Augenblicke lang passierte gar nichts. Doch dann...

In der Ferne hörte ich Schritte. Sie kamen langsam näher. Und dann sah ich ihn! Ein Schatten, eine dunkle Gestalt, die sich zwischen den Grabsteinen auf uns zu bewegte. Wie in meinem Traum..

Ich bekam Panik. Ich wich zurück, stieß aber bloß gegen Mike.

"Mike, bitte...", flehte ich leise, doch ein Blick auf sein Gesicht sagte mir, dass er mir nicht helfen würde. Also nahm ich meine einzige Möglichkeit – die Flucht!

Ich rannte. Weg von der dunklen Gestalt, weg von Mike.

Ein harter Schlag traf mich in den Rücken und ich fiel mit einem Aufschrei zu Boden. Mein Kopf knallte hart gegen einen Stein. Mir wurde schwarz vor Augen.

Werd jetzt bloß nicht schwach, sagte ich mir, strengte mich an bei Bewusstsein zu bleiben. Als ich mit meiner Hand über die pochende Stelle an meinem Kopf fuhr, wurde meine Hand ganz warm und feucht.

"Es gibt Dinge auf dieser Welt, die du nicht verstehst", flüsterte eine fremde Stimme direkt hinter mir. Doch als ich zur Seite sah, war da niemand.

Mike war nirgends zu sehen. Ich war ganz alleine...

Ich musste zugeben: die Dunkelheit ist angsteinflößend. Noch angsteinflößender ist jedoch die Gewissheit, dass hier irgendwo auf diesem Friedhof noch jemand war.

"Kleines Mädchen. Na na, kein Grund zu weinen", sagte die fremde Stimme wieder. Sie schien von überall zu schallen.

"Wer bist du?", fragte ich.

"Ich bin nur die manifestation deines schlimmsten Albtraums.", sagte die Stimme. "Du fürchtest den Schatten, die Dunkelheit. All dies verkörpere ich."

Die Stimme wurde immer lauter.

"Ich bin", sagte die Stimme während vor mir ein Schatten Gestalt annahm.

"Pitch Black"
 

Vor mir stand ein Mann. Er war groß, sehr groß. Seine Haut war aschfahl, ich würde fast schon sagen grau, mit silber, goldgelben Augen. Aber es war sehr dunkel, vielleicht trübten mich meine Augen. Sein Haar war tiefschwarz und er trug einen bodenlangen, schwarzen Mantel.

"Was willst du von mir?", fragte ich mit zittriger Stimme.

"Ohh, nichts spezielles. Du bist bloß ein Mittel zum Zweck."

"Welchen Zweck?"

"Ts, ts, ts. Da ist aber jemand neugierig.", sagte er tadelnd und hob einen Finger. "Aber wenn du es genau wissen willst, ich brauche dich für meine Rache."
 

Ich hatte eindeutig einen verrückten vor mir. Nicht mehr, nicht weniger. Ich stand auf, wollte langsam zurück weichen, stieß aber gegen... etwas.

Ein schwarzes Pferd aus... Sand? Es schubste mich wieder näher zu dem verrückten Mann.

"Na los, kleines Mädchen. Lass mich dich zu seinem Albtraum machen.", sagte er grinsend und ließ eine Reihe schiefer und leicht spitzer Zähne sehen. "Ich gebe dir etwas von meiner Kraft..."

Plötzlich wirbelte Schwarzer Sand im Kreis um mich herum. "Ich gebe dir die Dunkelheit. Lerne die Furcht zu kontrollieren." Er wurde immer lauter. Der Sand um mich herum schloß sich imer enger um mich, enger und enger, berührte mich schon fast. Gleich hatte er mich zerdrückt...

Ich kniff meine Augen zusammen und dachte an meine Freunde, Matt, Jess. An meine Mutter.

Doch es passierte nichts. Ging es etwa so schnell?

Ich öffnete langsam die Augen, und sah mich selbst.

Es dauerte eine Weile bis ich begriff. Der Sand war in Eis eingeschlossen. Ich sah noch die einen letzten Moment die Spiegelung meines bleichen Gesichts, als es in tausend Splitter zerbrach und auf den Boden rieselte.

"Nein, nein, NEIN!", schrie Pitch und sah hasserfüllt gen Himmel.

Ich folgte Pitchs Blick – und erschrak.

Dort flog Jack Frost. Er schwebte einige Meter über den Boden. Er hielt einen Stab in der Hand, der an einem Ende gekrümmt war.

"Jack...?", hauchte ich.

Wie hart hatte ich mir den Kopf angeschlagen?

"Pitch!", schrie Jack. Seine Stimme war kälter als der Schneesturm, der ihn mit einem Schlag umgab.

"Lass die Finger von ihr", knurrte Jack. Ich hatte ihn noch nie so ernst – gefährlich – erlebt. Sonst war er doch immer am Lachen...
 

Pitch fing an wie ein Verrückter zu lachen, taumelte ein paar Schritte zurück in den Schatten, verschmolz mit ihm.

"Hol nur deine Hüter-Freunde, Jack Frost. Ich habe noch eine Rechnung mit euch offen...", ertönte seine Stimme nun wieder von allen Seiten.

Jack kam auf mich zugeflogen und zog mich in seine Arme. Es schneite.

Ich klammerte mich an Jack fest. Es war zu viel. Das alles konnte nicht möglich sein. Das war alles nicht war. Ein Traum.

Es half nichts. Ich wusste dass ich wach war. Aber das hieß, es war bloß noch möglich, dass ich verrückt war. Das musste es sein.

Ich brach plötzlich in hysterisches Schluchzen aus. Dankbar klammerte ich mich noch fester an Jack. Mit der einen Hand hielt er mich ganz fest, mit der anderen strich er mir sanft übers Haar. Er murmelte mir beruhigende Worte zu. Die Zeit verstrich.

Ich wusste nicht, wie lange wir so dastanden. Vielleicht zehn, vielleicht dreißig Minuten. Vielleicht auch zwei Stunden, oder aber nur drei Sekunden. Aber es tat gut.

Was auch immer das heute war, ich wollte nur noch schlafen. Wollte nicht darüber reden oder auch nur darüber nachdenken.

Jack fragte mich irgendetwas, ich nickte nur benommen. Ich nahm kaum war, wie er mich auf seinen Rücken nahm. Und dann flogen wir. Ich sah wie der Friedhof unter mir immer kleiner wurde, ein schwarzes Loch das schließlich verschwand. Wir flogen über London. Tausend verschiedene Lichter erleuchteten die Straßen.

Und schließlich landeten wir direkt vor meinem Haus.

Jack ließ mich runter, und hielt mich fest als meine Beine drohten nachzugeben.

Er brachte mich zur Tür und schließlich bis hinauf in mein Zimmer.

Im Badezimmer wusch ich mein Gesicht und zog mir schließlich einen Wollpullover und eine Jogginghose an.

Zurück in meinem Zimmer stand Jack vor meinem Spiegel, und betrachtete die Bilder die ich drangeklebt hatte. Bilder von mir und Matt, Jess und sogar welche mit meiner Mutter. Er sah sie wehmütig an, beinahe traurig.

"Jack?", fragte ich und berührte ihn leicht an der Schulter.

Er zuckte unter meiner Berührung zusammen, aber ich ließ nicht los.

"Tut mir leid.", murmelte er.

Ich sah sein Spiegelbild fragend an.

"Das... das war meine Schuld. Ich kann dir alles erklären."

"Nein!", wehrte ich ab, etwas zu hart, denn er sah mich geschockt an."

"Nein", versuchte ich nun etwas sanfter. "Ich kann da jetzt noch nicht drüber reden. Ich... will nur schlafen."

Er lächelte. "Natürlich."

~~Jacks Sicht~~

Nachdem ich mich vergewisserte, dass die Wunde an ihrem Kopf nicht allzu schlimm war, gab ich Lena noch einen Kuss auf die Stirn.

Als ich gehen wollte, hielt sie mich jedoch zurück.

Tränen standen in ihren grünen Augen.

"Bitte, lass mich jetzt nicht alleine", flehte sie.

Naürlich, sie hatte Angst vor den Träumen. Vor den Schatten.

"Okay"

Sie kroch in ihr Bett, deckte sich zu, und wies auf den Platz, den sie neben sich gelassen hatte. Ich setzte mich darauf.

"Wenn ich unruhig werde, weck mich bitte sofort auf"

"Das mache ich. Versuch jetzt zu schlafen."
 

Lena schloss ihre Augen, und schon bald verfiel sie in einen ruhigen Schlaf. Und drehte den Rücken zu mir. Ich lauschte ihrem regelmäßigen Atem.

Schlagartig wurde mir bewusst, was ich heute getan hatte. Ich ging in das normale Leben, um eine Pause zu machen. Mir wurde verboten irgendwem meine wahre Identität zu verraten, mein wahres Ich. Niemand durfte von den Hütern erfahren.

Die Menschen glaubten zwar an uns, zumindest an die meisten. Da wären die Zahnfee, der Weihnachtsmann, der Osterhase und der Sandmann. Jedes Kind glaubte an sie, aber ab einem gewissen Alter denken die meisten dass es nur Geschichten seien.

Aber nun ja, es gibt sie.

Und mich.

Pitch machte uns nicht zum ersten Mal Probleme. Nach dem letzten Kampf dachte ich eigentlich wir würden ihn sehr lange nicht mehr sehen.

So lange ist das jedoch gar nicht mehr her. Jamie, der erste Junge, der an mich glaubte und der erste Mensch nach sehr, sehr vielen Jahren, der mich wahr nahm, war schon Erwachsen und hatte nun eigene Kinder, also lagen mindestens drei Jahrzehnte zwischen dem letzten Treffen mit Pitch.

Doch dieses Mal versuchte er, Lena mit rein zu ziehen...

Das konnte ich nicht zulassen!

Ich musste ihr alles erzählen, sie warnen. Und ich musste den anderen Hütern bescheid geben. Doch nicht jetzt, nicht heute.

Ich hoffte bloß sie würden verstehen dass ich Lena einweihen muss. Man darf Pitch nicht unterschätzen. Er stellt eine Gefahr für jeden in ihrem Umkreis dar. Es ist unsere Aufgabe die Menschen zu beschützen, oder nicht?

Und ich kann Lena schlecht sagen, dies alles wäre bloß ein schlechter Traum gewesen...
 

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Lena sich regte. Mit einem leichten Seufzer drehte sie sich zu mir. Wie aus Reflex strich ich ihr eine Strähne aus der Stirn und streichelte sanft über ihr dunkles Haar.
 

~~~Lena's Sicht~~~

Müde vergrub ich mein Gesicht in dem weichen Kissen. Es roch gut, so gar nicht nach dem Rest. Hatte meine Mutter etwa ein neues Waschmittel ausprobiert?

Ich kuschelte ich näher ran und atmete tief ein und aus. Der Geruch erinnerte mich an irgendwas...

Langsam wurde mein Kopf ein wenig klarer. Das Kissen hob und senkte sich.

Erschrocken öffnete ich die Augen und sah in die Augen von niemand anderem als Jack Frost. Mein Kopf tat mit einem Mal verdammt weh. Auf einem Schlag kamen alle Erinnerungen an den gestrigen Abend zurück.

"Guten Morgen", flüsterte er.

Ich starrte ihn nur an. Jack Frost. Frost. Schnee, das Eis...

Mit einem Mal saß ich kerzengerade im Bett ihm gegenüber und sah ihn ungläubig an.

"Was bist du?", fragte ich ihn bloß.

Er lächelte traurig. "Ich werde wohl nicht drum herum kommen, was?", stellte er fest und lachte kurz und bitter auf.

"Nein, wirst du nicht."

"Okay. Scheint so als müsste ich dich ein paar Freunden vorstellen."
 

Mit den Worten er komme sofort wieder ist Jack aus dem Fenster geklettert und verschwunden.

Ich nahm mir die Zeit um mich ein wenig frisch zu machen. Ich schlüpfte in Jeans und Pulli, bändigte meine Haare und wartete zunehmend ungeduldig werdend.

Dann stand er plötzlich neben mir. Er hielt eine Schneekugel in der Hand.

"Äh..", machte ich und deutete auf die Kugel.

"Damit reisen wir.", meinte er und zwinkerte mir zu.

Er schüttelte die Kugel und flüsterte: "Zum Nordpol." Und warf die Kugel vor uns auf dem Boden.

Ich erwartete dass die Kugel einfach auf dem Boden landete und in tausend Splitter zersprang. Jedoch öffnete sich an der Stelle.... ein Portal. Ich wusste nicht, wie ich es sosnt nennen sollte.

Es war faszinierend, unglaublich. Es war gar nicht möglich...

"Kommst du?", fragte ich Jack und hielt mir seine Hand hin.
 

Ich wusste nicht, ob ich ihm vertrauen sollte. Alles in mir wollte bloß seine Hand nehmen und würde so überall mit ihm hin gehen.

Aber ein kleiner Teil in meinem Kopf war misstrauisch. Jack war nicht normal. Er hatte eine Fähigkeit... die einfach nicht existieren konnte. Gar nicht existieren sollte.

Konnte ich so jemanden einfach in ein genau so unmögliches Portal folgen?

Aber ich musste wissen was er war. Ich musste es einfach.

Und so nahm ich seine Hand.

"Bereit?", fragte er.

Ich nickte entschlossen. "Bereit!"

Nach diesen Worten traten wir einen Schritt nach vorne, direkt in das Portal hinein.

Ich wurde hineingezogen und klammerte mich mit beiden Händen an Jacks Hand, der mich mit seiner anderen Hand an sich heran zog. Alles um uns herum verschwand und bestand nur noch aus den Farben meines Zimmers, die schnell verschwanden und einem satten Weiß wichen.

Nun nahm alles wieder Form an und ich spürte eisige Kälte.

Sofort klapperten meine Zähne aufeinander und eine Gänsehaut überzog meinen gesamten Körper als der Wind beißend an mir zog.

"Tut mir leid, ich kann dich nur kühl halten...", entschuldigte sich Jack.

Wir befanden uns inmitten von Schnee. Nichts als Schnee und Eis. Nordpol hatte Jack geflüstert. Befanden wir uns wirklich dort?

"Halt dich an mir fest", sagte Jack und bevor ich mich versah, war ich auch schon an ihn gepresst und wurde von einer eiskalten Böe in die Höhe getragen.

Wir flogen ein paar Minuten. Unter uns Berge aus Eis und Schnee. Meine Augen schmerzten von dem hellen weiß und dem Wind der mir die Augen zum Tränen brachte.

"Wir sind fast da", rief Jack in mein Ohr. Obwohl ich spürte wie seine Lippen sich an meinem Ohr bewegten, hörte sich seine Stimme wie von weit her an.

Und dann sah ich es.

Ein Eisberg ragte höher hinauf als die anderen. Auf einer Klippe befand sich ein Palast. Die Fenster waren zugefroren, deshalb konnte ich nciht erkennen was drinnen vor sich ging. Jedoch kam ein warmes Licht hinaus, was mich nichts sehnlicher wünschen ließ, als drinnen neben einem schönem heißen Feuer zu sitzen.

Ich liebte die Wärme, und hier waren es eindeutig ein paar Grade zu kalt.

Die Böe trieb uns nun nach unten, und wir standen einem großen Tor gegenüber, welches bewacht war von zwei großen, behaarten Dingern die Jack böse ansahen.

Ich zog an Jack's Ärmel. "Was sind das für Teile?", fragte ich leise.

"Yetis.", flüsterte er zurück. Dann schlenderte er lässig auf sie zu. "Na Jungs? Lange nicht gesehen. Ich versuche nicht einzubrechen, keine Sorge. Ich muss nur zu North."

Widerstebend folgte ich Jack. Die Yetis öffneten das Tor und beäugten mich misstrauisch. Mir war unbehaglich zumute.

Drinnen wurde es mit einem Schlag warm, und was ich dort sah ließ mich staunen.

Es war eine riesige Fabrik. Hohe Wände, warmes Licht. Überall waren diese Yetis und trugen... Spielzeuge herum. Einige saßen büro-mäßig hinter Schreibtischen und bemalten kleine Männchen.

Zwischendrin sah man kleine Gnome, die ein wenig aussahen wie Gartenzwerge und spielten mit rum liegenden Dingen rum.

Ich musste mich ducken als auf einmal ein Modellflugzeug an mir vorbei rauschte und ich fast am Kopf traf. Ich blickte in die Richtung aus der das Flugzeug kam, und sah zwei der Gnome... nein, ich glaube es sind eher Elfen, die auf einer Fernbedienung rumtrampelten. Einer von ihnen fing meinen Blick auf, schlug dem anderen in den Bauch und fing an breit zu grinsen und winkte mir entschuldigend zu, der andere beschwerte sich und ließ die Glocken am Zipfel seiner Mütze läuten. Der andere schlug ihn nochmal und deutete energisch auf mich. Sofort stellte der Elf sich kerzengerade hin und grinste noch breiter als schon der andere und bewegte sich seitlich wie ein Krebs aus meinem Blickfeld. Ich musste einfach lachen, die kleinen Kerlchen waren zu niedlich!

Jack nahm meine Hand um mich weiter zu ziehen. Ich fand es hier einfach wundervoll, zeigte staunend auf diverse Spielzeuge die durch die Halle flogen. Und lachte, während Jack mich eine Wendeltreppe hochzog und darauf achtete, dass ich niemanden anrempelte.

Schließlich standen wir vor einer großen, massiven Tür.

"So da wären wir.", sagte Jack. Er hörte sich leicht nervös an. Das kannte ich gar nicht von ihm, sonst schien er immer so... aufgeladen, als ob ihn nichts stoppen könnte.

Er klopfte.

"Herein!", rief eine Stimme mit stark russischem Akzent.

Jack's Hand lag schon auf dem Türgriff, als er mich spöttisch ansah.

"Glaubst du an den Weihnachtsmann?", fragte er und drückte die Tür auf ohne meine Antwort abzuwarten.

"Hey, North!"

"Jack Frost! Lange nicht gesehen, alter Freund!", begrüßte der Mann mit dem russischen Akzent Jack und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter, worunter Jack fast das Gleichgewicht verlor. Ich konnte es ihm nicht verdenken.

Dieser Mann – North, war riesig. Sehr groß und massig. Er hatte hellblaue Augen, dicke, schwarze Augenbrauen und einen langen weißen Bart. Er trug er einen schwarzen Fellhut und einen langen roten Mantel, dessen Saum und Ärmel mit demselben schwarzen Fell seinen Huts besetzt waren.

Die Arme nun in die Seiten gestemmt, konnte ich seine Tatoos sehen.

Auf dem einen stand "naughty", auf dem anderen "nice".

Er sah sah so gar nicht wie der Mann aus, den ich für den Weihnachtsmann gehalten hätte. Und er schaute mich nun skeptisch an.

"Jack, was hat das zu bedeuten?", fragte er und deutete auf mich. Verlegen sah ich zu Jack.

Jack selbst wich North's Blick aus und sah zu Boden.

Leise sagte er: "Ich denke, ich fange mal ganz von vorne an.

Du weißt, dass ich wie ein ganz normaler Teenager zur Schule gegangen bin. Ich habe dort Lena kennengelernt. Das heißt, ich habe sie schon vorher kennengelernt. Ich war unvorsichtig, habe in einem Wald auf nem See gespielt, weil... Na ja, es hat halt Spaß gemacht. Es war dunkel und ein wenig von der Stadt entfernt, ich dachte nicht dass jemand dort vorbei gehen würde. Aber nun ja... Lena ist halt immer für Überraschungen gut." Ich errötete bei dem Blick den Jack mir zuwarf. North räusperte sich vernehmlich.

"Ähh, ja jedenfalls, Lena hatte mich beobachtet. Und ist dann auf einer eisigen Stelle ausgerutscht, du weißt ja. Und hat sich den Kopf angestoßen, war ganz benommen. Also flog ich sie nach Hause. Ich hätte nie gedacht, dass ich sie je wieder sehen würde, echt! Zu dem kleinen See bin ich auch nie wieder gegangen, da.. Da ich nichts riskieren wollte. Ich hatte es ja versprochen...

Aber dann in der Schule, mein erster Tag, im Mathe unterricht, da saß sie. Mein Platz war direkt neben ihrem. Ich hoffte inständig dass sie sich nicht daran erinnerte, und so war es auch. Keinerlei Anzeichen dass sie mich je gesehen hat. Aber sie faszinierte mich. Ich weiß nicht, wieso, aber ich wollte sie kennen lernen. Ich wusste zwar, dass es riskant war, aber ich konnte nicht anders.

Doch irgendwann merkte ich, dass sie in der Schule immer müder auftauchte und dunkle Ringe unter den Augen bekam. Irgendwas konnte nicht stimmen. Also fing ich an, das Haus zu beschatten.

Ich wollte wissen, ob ihr irgendetwas Sorgen bereitet. Dann glaubte ich irgendetwas zu hören und sah durch ihr Fenster.

Ich sah schwarzen Sand..."

North machte ein erschrockenes Geräusch, setzte sich in einen Sessel und hörte angespannt weiter zu.

"Ich trieb mich nachts immer in der Nähe herum. Ich wollte, bevor ich euch bescheid gebe, ihn erst mit eigenen Augen sehen. Ich bekam ihn aber nie zu sehen.

Dann, auf dem Schulfest verschwand Lena plötzlich, und als ich mich von Viola losreißen konnte, suchte ich sie. Irgendwie trieb es mich zum Friedhof. Es schien dort dunkler, als überall sonst.

Und dann sah ich ihn. Er versuchte Lena in einer Wolke aus schwarze Sand einzuschließen, wie Seile schienen er sich immer enger und enger um sie zu ziehen, jedoch ohne sie zu berühren. Dann griff ich Pitch an, aber er verschwand fast sofort. Er sagte, dass er noch eine Rechnung mit uns offen hat.

Scheinbar hat er in der Schattenwelt schneller als erwartet neue Kraft geschöpft."

"Pitch ist also wieder da.."

"Wer ist Pitch denn überhaupt? Und weshalb hat er eine Rechnung mit euch offen?", fragte ich nun.

North stand plötzlich wieder auf und kam auf mich zu.

"Pitch ist davon besessen, die Kinder in Angst und Schrecken zu versetzen. Sein größtes Ziel ist es, ein neues Zeitalter hervor zu rufen. Er nennt es, das Dunkle Zeitalter. Man muss ihn unbedingt stoppen!", erklärte North. "Die Kinder würden nicht mehr an uns glauben, wäre er an der Macht. Ein mal hat er es sogar fast geschafft, vor 30 Jahren. Aber dank Jack Frost und seinem kleinen Freund konnte er gestoppt werden, bis jetzt."

"Warte. Vor 30 Jahren?" Ich sah Jack an. Er war doch niemals so alt... Er sah aus wie ein siebzehn jähriger Junge.

Jack ergriff das Wort.

"Das wollte ich dir erklären. Wir sind Hüter. Außer North, dem Weihnachtsmann und mir, gibt es noch Tooth, die Zahnfee; Sandy, den Sandmann; und den Osterhasen Bunnymund. Wir leben seit sehr vielen Jahren. Wir sterben nicht."

"Mhh-hm...", brachte ich nur heraus.

Unsterblich. Er war unsterblich. Die Personen, die ich für Fabelwesen hielt, existierten wirkich.

Und so wurde meine gesamte Kindheit aus dem Konzept gebracht.

"Um das mal klar zu stellen. Du bist seit über 30 Jahren so wie du jetzt hier vor mir stehst?"

"Ja, um genau zu sein seit über 300 Jahren", erklärte er mir.

"Krass." Ich starrte ihn nur an. Ich fühlte mich verarscht, aber gleichzeitig wusste ich dass er nicht log. Ich hatte gesehen dass er fliegen kann, das Eis beherrschte, innerhalb von wenigen Sekunden an einem völlig anderem Ort sein kann mit Hilfe von Schneekugeln... Wer war ich, um diese Tatsachen in Frage zu stellen? Und selbst wenn ich sie in Frage stellen würde, würde ich dann nicht meinen eigenen Verstand anzweifeln? Ich müsste verrückt sein.

Genau so verrückt aber wäre ich, wenn ich es glaube. Es stellt meine kompletten Ansichten der Realität auf den Kopf. Aber jetzt, wo Jack mich so unsicher ansah, lächelte ich ihm zu.

"Ich mag vielleicht verrückt sein, aber ich glaube dir."

Man sah förmlich wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. Er kam auf mich zu und umarmte mich ganz fest. Überrascht ließ ich ihn gewären. Ich vergrub mein Gesicht an seiner Schulter und atmete tief ein. Nach einer halben Ewigkeit ließ er ein wenig locker, hielt mich jedoch noch immer fest und sah mich mit einem seltsamen Ausdruck an. Ich konnte seinen Atem auf meiner Stirn spüren und glaubte mich in seinen schönen blauen Augen zu verlieren.

Er legte, fast beiläufig, eine Hand an meine Wange. Er wird mich jetzt doch nicht küssen, oder?, fragte ich mich im Stillen.

Doch ein Räuspern ließ uns auseinander fahren. Im Endeffekt war ich sehr dankbar für diese Unterbrechung.

"Du bist nun eingeweiht. Du musst schwören, dass du niemals, niemals irgendwem ein Wort davon sagst. Wenn jemand wüsste, dass es uns wirklich gibt... Ich will mir das entstehende Chaos gar nicht erst ausmalen! Schwöre es.", redete North mir ein.

"Ich schwöre, dass ich niemals jemanden etwas über die Hüter erzähle.", sagte ich und sah dabei unverwandt Jack in die Augen. "Ich schwöre bei meinem Leben, dass dieses Geheimnis bei mir sicher ist."

North nickte mir nun beinahe stolz zu.

"Jack, kannst du das Mädchen nach Hause bringen? Ich werde jetzt die anderen Hüter herbei rufen. Sie müssen wissen dass Pitch wieder da ist."

"Aber North, es geht sie genau so sehr etwas an wie uns. Pitch hat sich Lena zuerst gezeigt und sich vor uns versteckt. Er will irgendwas von ihr. Sie könnte in Gefahr sein!"

North blickte nachdenklich drein. Dann ging er plötzlich an seinen Schreibtisch und zog zwei Schwerter hervor.

"Nun, wenn das so ist. Dann werden wir alles daran setzen, sie zu beschützen.", sagte er mit erhobener Stimme und ging aus dem Raum.

Jack und ich folgten. Wir gelangten zu einer Art Balkon der in eine Halle hinein ragte. An der Brüstung stand ein Tresen mit vielen Tausend Knöpfen. Ich beschloss dort niemals irgendeinen Knopf zu betätigen. Nachher jagte ich uns alle noch in die Luft.

In dem Raum schwebte eine riesige Kugel mit ganz vielen leuchtenden Punkten. Bei näherem hinsehen erkannte ich, dass es die Erde darstellte.

"Jedes Licht ist ein Kind, das an uns glaubt.", erklärte Jack mir flüsternd. "Diese Kinder versuchen wir in ihrem Glauben zu beschützen."

"Und Pitch versucht diese Lichter zu... löschen?"

"Ja. Er hat es ein Mal sogar fast geschafft. Nur noch ein einzelnes Licht leuchtete. Mein Freund Jamie. Dank ihm und seinen Freunden konnten wir Pitch aufhalten."

"Was passiert wenn die Lichter erlöschen?"

"Mit jedem Licht erlischt auch der Glaube an uns. Wenn niemand mehr an uns glaubt, schwindet unsere Kraft. Wir... würden unsichtbar werden. Kinder, die an uns glauben, können uns sehen. Wenn nicht sind wir nichts weiter als Geister. Für niemanden von Bedeutung."

Ich hörte den Schmerz in seiner Stimme. Er sagte, Jamie sei der erste Junge gewesen der an ihn glaubte. Vor 30 Jahren... Hatte er drei Jahrhunderte einsam gelebt? Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie sich das anfühlte.

Mitfühlend nahm ich seine Hand und drückte ein Mal ganz fest, was ihn zum lächeln brachte. Was wiederum mich zum lächeln brachte.

North stand inzwischen vor dem Pult mit den vielen Knöpfen. Einen Hebel packte er, drehte ihn und drückte ihn rein. Er leuchtete nun hellblau auf.

Dann drehte er sich mit grimmiger Miene zu uns um.

"Jetzt heißt es warten."

Ziemlich schnell waren alle versammelt. Ich konnte es gar nicht glauben:

Die Zahnfee war halb Mensch, halb Kolibri. Sie hatte schöne, violette Augen und anstatt von Haar hatte sie lange, nach hinten hochstehende Federn, ihr ganzer Körper ist mit kleineren Federn bedeckt. Ihr Gefieder schimmerte in Grün- und Blau- bis Lilatönen mit vereinzelt goldenen Federn. Von ihrer Hüfte hängen lange Federn bis in etwa zu der Höhe ihrer Knie herunter. Sie war wunderschön.

Der Sandmann war ein kleiner rundlicher Mann mit winzigen Füßen und goldenen Haaren, die genau so glitzerten wie sein Sand. Und dessen Kleidung scheinbar auch aus goldenem Traumsand bestand. Er teilte sich der Gruppe über Zeichensprache (so nenne ich es einfach mal) mit. Kleine Sandobjekte versuchten Bildhaft zu sagen, was er meinte. Die anderen schienen kein Problem damit zu haben, es zu verstehen. Ich brauchte Jack als Übersetzer.

Und zu guter Letzt: der Osterhase. Er war ein Hase, größer als ich, der auf zwei Beinen ging. Er hat graublaues Fell mit Blumenartigen dunkelgrauen Prägungen auf seinem Kopf und Schultern und hellgrüne Augen. Er trägt Lederarmschienen mit orangenfarbenen Steinen und einen Schulterriemen in dem er seinen Bumerang trägt. Außerdem kann er reden. Ein sprechender, menschengroßer Hase!

So hatte ich mir die Hüter nicht vorgestellt.

Aber sie schienen alle sehr nett.

Tooth plapperte ununterbrochen mit ihren kleinen Babyfeen die Jack anschmachteten. Immer wieder musste sie sagen: "Reißt euch zusammen, Mädels!"

Jack war wohl sehr beliebt bei den Feen.

North schien das Sagen zu haben, praktisch der Anführer.

Bunny versuchte eher den Macker zu makieren, aber ich glaubte er war nicht so cool wie er versuchte zu tun. Als er ankam, sagte Jack zu allererst: "Ahh, das Osterkänguru beehrt uns auch mit seiner Anwesenheit.", und verbeugte sich leicht und sah ihn spöttisch an.

Bunny baute sich daraufhin vor ihm auf. "Wie hast du mich genannt?", fragte er bedrohlich.

Jack ließ sich nicht klein kriegen, sah ihm direkt in die Augen. "Känguru."

"Ich erkläre es dir nicht noch ein Mal. Ich bin ein Hase"

"Ach, du hast es vielleicht mal erwähnt."

"Ruhe!", unterbrach North jegliche Unterhaltungen. "Es hat einen bestimmten Grund, weshalb ich euch alle hier versammelt habe. Pitch ist wieder da."

Damit beschwor er eine angespannte Stille.

"Aber... das kann doch nicht...", flüsterte Tooth irgendwann in die Stille hinein.

"Doch. Jack und dieses Mädchen haben ihn mit eigenen Augen gesehen.", sagte North traurig.

Und zum ersten Mal seit sie angekommen waren, schienen die restlichen Hüter zu bemerken, dass ich da war.

"Ist das...?"

"Ein Erdenmädchen?"

"Wieso ist sie hier?"

"Was...?"

Alle redeten wild durcheinander. Ich verstand wirklich gar nichts! Nachdem wieder etwas Ruhe eingekehrt war, erklärte Jack ihnen, dass Pitch irgendetwas von mir will und mir Albträume geschickt hat.

"Oh nein!", gab Tooth von sich. Besorgt sah sie mich an.

"Ich denke wir sind uns alle einig, wenn wir sie ein wenig im Auge behalten und versuchen herauszufinden was Pitch mit ihr vor hat.", beschloss North. Die anderen nickten zustimmend.

"Jack kann tagsüber auf sie Acht geben. Tooth, vielleicht kannst du ein paar Babyfeen entbehren? Sie sind unauffälliger als meine Yetis, und meine Elfen... nun ja, ich glaub die Aufgabe ist ein wenig zu hoch für sie." Bei dem Teil mit den Elfen senkte North seine Stimme ein wenig. Trotzdem verharrten die Elfen in ihrer Prügelei und schauten ihn gespielt verletzt an. Der eine Elf hatte seine Faust noch im Mund des anderen, während der an seiner Mütze zog.

Tooth nickte bestimmt. "Natürlich, das ist gar kein Problem.", erklärte sie. "Mädels!" und schon kamen drei Babyfeen auf sie zugeflogen. Sie erklärte ihnen kurz ihre Aufgabe und sie nickten wild mit dem Kopf. Danach kamen sie auf mich zugeschwirrt und "redeten" aufgeregt, aber das "reden" war eher ein undefinierbares piepsen. Sie waren richtig niedlich.

"Ich muss zurück zu meinen Feen. Ich kann nicht noch einmal riskieren, dass Pitch sie mir wegnimmt!", erklärte Tooth und sah besorgt in die Runde. Ich nahm mir vor Jack zu fragen, was damals vor dreißig Jahren passiert war.

"Ich finde, wir sollten nach Pitch suchen und ihm einen gewaltigen Schreck einjagen!", raunte Bunnymund und zog dabei seinen Bumerang, angriffsbereit.

Sandy wiederrum.... naja, keine Ahnung was er uns sagen wollte.

"Wir sollten jedenfalls in Kontakt bleiben. Habt ihr alle genug Schneekugeln?", fragte North.

Die anderen nickten.
 

Tooth flog als Erste weg.

Kurz darauf verschwanden auch die anderen Hüter. North schien ein wenig müde.

"Wir haben viel Zeit vertrödelt, es ist schon spät. Jack, bring sie nach Hause."

Ich bedankte mich für den Schutz, schüttelte dem Weihnachtsmann die Hand (hätte nie gedacht dass ich das mal sagen würde), und er übergab uns eine Schneekugel. Jack schüttelte sie und flüsterte: "London."

In der Schneekugel erschien die Stadt als Miniaturausgabe. Man sah das London Eye und Big Ben. Dann warf er die Kugel auch schon auf den Boden. Sofort öffnete sich ein Portal an der Stelle.

Jack nahm meine Hand. Sie war, wie immer, angenehm kühl. Zusammen traten wir in das Licht.

Mitten in einem Wirbel von Farben, standen wir schließlich in London. Alles nahm wieder Form und Farbe an. Ich brauchte ein wenig Zeit zur Orientierung.

Wir waren nur eine Straße von meinem Haus entfernt. Es war dunkel.

"Jack...", begann ich. Ich sah ihn an und verstummte augenblicklich.

Er schien wachsam. Er packte mich am Arm und ging schnellen Schrittes auf mein Haus zu. Vor der Tür blieb er stehen, sah sich aufmerksam um. "Geh sofort rein und mach dein Fenster auf. Ich bin sofort da."

Stumm folgte ich seinem Befehl.

"Da bin ich wieder!", rief ich ins Haus.

Meine Mutter stürmte sofort aus dem Wohnzimmer.

"Wo bist du gewesen?", rief sie aufgebracht.

Scheiße, ich war heute morgen verschwunden, ohne dass sie etwas davon wusste. Ich schieg.

"Ich habe mir Sorgen gemacht. Erst kommst du gestern nach der Feier nicht heim, dann bleibst du heute auch noch den ganzen Tag über weg! Morgen ist Schule!"

"Mom, es tut mir leid. Es kommt nie wieder vor.", versuchte ich sie zu beschwichtigen.

"Geh jetzt ins Bett. Du musst morgen ausgeruht sein. Darüber reden wir noch, meine Liebe!"

Dankbar flüchtete ich nach oben und riss sofort das Fenster auf. Im selben Moment schwang Jack hindurch, ich hatte noch nicht mal Zeit gehabt vom Fenster weg zu gehen, und er landete so eng vor mir, dass ich beinahe umfiel. Er hielt mich aber wie so oft schon fest, bewahrte mich vor dem Aufprall.

"Wieso ist die Erdanziehung bei dir so viel größer als bei anderen Menschen?", murmelte er belustigt, strich mir aber eine Strähne aus dem Gesicht.

Wir standen noch immer so eng voreinander, und langsam wurde mir die Nähe unangenehm. Ich trat einen Schritt zurück.

"Ich bin müde", teilte ich ihm mit, ging ins Badezimmer und zog meine Schlafsachen an. Ich krabbete unter die Bettdecke. Jack setzte sich wieder neben mich hin.

"Gute Nacht", sagte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

Müde lächelnd kuschelte ich mich an ihn und dämmerte sofort weg in das Land der Träume.

Ich hörte ein mir nur allzu bekanntes Lachen, und drehte mich um. Vor mir stand Jack. Er lächelte, drehte sich um, und rannte. Einige Meter weiter blieb er kurz stehen, bedeutete mir, ihm zu folgen. In mich hinein grinsend lief ich ihm nach. Er lief weiter, und ich versuchte ihn zu fangen. Ich bekam ihn aber einfach nicht zu fassen.

Er lief in ein Haus hinein. Dort drin waren überall Spiegel, die alles reflektierten. Hunderte Jacks sahen mich belustigt an. Es dauerte eine Weile, bis ich zwischen all seinen Spiegelbildern den echten Jack entdeckte. Ich stürmte auf ihn zu, wollte mich in seine Arme schmeißen. Er breitete die Arme aus, und ich folgte meinem Wunsch. Er nahm mich fest in die Arme. Er ließ mich aber nicht mehr los. Da lachte er wieder. Es war nicht sein Lachen. Es war ein Irres lachen. Da löste Jack sich in Schatten auf. Ich war umgeben von Spiegeln, die alle Pitch reflektieren. Ich wollte entkommen, fand aber den Ausgang nicht mehr. Schatten strömten auf mich zu, berührten mich fast. Dann stand alles in Flammen. Und ich schrie.
 

"Lena!"

"Hilf mir, bitte mach dass es aufhört", schrie ich aus leibeskräften. Ein Arm wurde mir um die Schulter gelegt aber ich sprang auf und schubste ihn weg. Er dann erkannte ich, wo ich war.

In meinem Zimmer, und Jack lag auf dem Boden neben meinem Bett.

Dann hörte ich wie nebenan die Tür aufging. Jack sprang auf, und versteckte sich hinter der Tür, die sofort aufging.

"Lena, was ist passiert? Du hast geschrien!", fragte sie aufgeregt und sah mich besorgt an.

"Tut mir leid, ich hatte einen schlimmen Traum...", murmelte ich.

"Versuch wieder zu schlafen, Schatz, ja?", sagte sie gähnend und schloss wieder die Tür.

Jack blieb noch einen Moment ruhig stehen, wartete. Als sich dann die Zimmertür meiner Mutter schloss atmete er hörbar aus und kam auf mich zu. Wir setzten uns aufs Bett.

"Was hast du geträumt?", fragte er mich leise.

Im selben Flüsterton erzählte ich ihm, was geschehen war.

"Dieser...", fing er an, schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus.

"Er muss gestoppt werden."

"Aber bloß wie? Wie habt ihr es das letzte Mal geschafft?", fragte ich.

"Nun ja wir hatten Hilfe.", fing er an. "Fast alle Kinder hatten bereits den Glauben verloren. Bis auf eines. Ich kam als erstes bei ihm an, Jamie war sein Name. Er wollte den Glauben vom Osterhasen einfach nicht wegwefen, fragte nach einem Zeichen. Ich gab es ihm. Er war der erste, der je an mich glaubte, der erste der mich sehen konnte. Sandy war besiegt. Tooth, North und Bunny waren alle sehr schwach. Wenn die Kinder den Glauben verlieren, verlieren wir den Großteil unserer Kräfte. Aber dank Jamie und seinen Freunden erlangten sie wieder ihre Kraft.

Durch den Glauben wandelten die Kinder die Schatten in Sandys Goldsand um, und sie verloren dabei ihre Angst vor Pitch.

Sandy kehrte wieder zurück...

Und Pitch wurde in die Schattenwelt vertrieben. Aber nun ist irgendetwas anders. Er scheint es nicht auf Sandys Sand abgesehen zu haben, oder darauf, den Kindern Angst und Schrecken zu lehren. Er scheint bloß auf dich aus zu sein."

"Aber wieso? Ich bin doch einfach nur... Einfach nur ich.."

"'Einfach nur' ist so ziemlich die größte Untertreibung des Universums was dich betrifft.", murmelte er, sah mich dabei aus seinen eisblauen Augen an.

Er kam näher. Ich konnte schon die etwas dunkleren Sprenkler in seinen Augen erkennen, als ich meine Augen auch schon schloss und sich seine Lippen kühl auf die meinen legten.
 

"Erde an Lena, hörst du mir zu?", rief Jess mich zurück auf den Boden.

"Hm?", machte ich und lächelte sie an. Es war ein wunderschöner Tag.

"Ich hab dich gerade nur gefragt, wieso du den Neuen wie ein verliebtes Schaf anglotzt. Ist da was gelaufen?"

Der entging aber auch nichts.

Ich lächelte bloß geheimnisvoll und zuckte mit den Schultern.

Das machte Jess verrückt. Ich liebte es.

Die ganze Woche lief ich wie beschwingt durch den Alltag. Nichts konnte mich stoppen. Ich war Feuer und Flamme.

Jack und ich verbrachten viele Nachmittage zusammen. Nachts blieb er nicht mehr bei mir, denn die Feen wachten nun über mich.

Pitch war verblüffend unauffällig. Ich hatte seither keine Albträume mehr gehabt. Vielleicht war ich auch einfach bloß zu glücklich um Albträume zu kriegen, wer weiß...

Trotz allem war Vorsicht geboten. Jack wurde mit der Zeit immer angespannter, ich merkte, dass ihn etwas bedrückte. Wenn ich ihn aber fragte, was los sei, lächelte er mich nur an und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen.

So glücklich ich auch zu diesem Zeitpunkt war, so heftig war der Schlag, als ich an diesem Abend nach Hause kam.

Ich war bei Matt gewesen, der nur ein wenig von mir entfernt wohnte. Ich bog in meine Straße ein, als ich es sah und gelähmt stehen blieb.

Das Haus, in dem ich meine Kindheit verbracht hatte, stand in Flammen.

"Mum", flüsterte ich und Angst packte mich. Sie musste noch dort drinnen sein!

Ich lief blindlings los, die Babyfeen kamen mir entgegen. "Ist sie noch da drin?", schrie ich aufgelöst. Sie sahen sich beklommen an und nickten.

Nein!

Der Eingang war frei von Flammen, und ich riss die Tür auf. Hitze schlug mir entgegen, und ich musste kräftig husten. Verdammt, wo war sie nur?

"MOM!", schrie ich, und Asche füllte meine Lungen. Bitte, bitte antworte. Du darfst nicht tot sein, bitte Mom...

Tränen rannen nun meine Wange hinunter. Die Vorhänge in der Küche hatten Feuer gefangen, breitete sich dort weiter aus. Hier war sie nicht... Das Wohnzimmer wurde von flammenden Zungen versperrt, ich kam nicht näher heran.

Im Schlafzimmer...

Zwei Stufen auf einmal nehmend sprintete ich hoch. Ihre Tür war geschlossen. Ich hörte wie es dumpf dagegen schlug.

"Mom?", rief ich heiser, klopfte an ihre Tür.

"Lena, bitte, verschwinde aus dem Haus!", schrie sie mir entgegen.

Ich versuchte ein "Nein" heraus zu bringen, aber meine Lunge tat weh von all der Asche die in der Luft lag. Ich schüttelte den Türgriff, aber die Tür klemmte. Suchend sah ich mich um. Hier musste doch irgendetwas sein... Etwas großes... Und mein Blick fiel auf eine Stehlampe. Schnell griff ich sie mir und schlug immer weiter gegen die Tür, gegen den Türgriff.

Ein Schrei entfuhr mir als er endlich abfiel. Mit ganzem Gewicht ließ ich mich nun gegen die Tür krachen, sie brach auf. Benommen lag ich ein paar Sekunden in den Trümmern der Tür.

Ich sah das tränende Gesicht meiner Mutter über mir, ihre Wangen schwarz vom Ruß.

Sie half mir auf. Zusammen schafften wir es bis zur Treppe.

Dann blieb ich abrupt stehen. "Geh schon mal vor, ich hole Dad...", krächzte ich.

Ich würde nicht das letzte Foto, das ich von ihm besaß verbrennen lassen.

"GEH", schrie ich nun, und stürmte in mein Zimmer. Es war verwüstet, die Vorhänge existierten schon gar nicht mehr. Hitze schlug mir entgegen, gleichzeitig ein Luftzug. Dort, wo mal das Fenster gewesen war, klaffte ein riesiges Loch in der Wand.

Ich fand das Gemälde meines Vaters auf dem Boden vor meinem Schreibtisch. Das Glas im Rahmen war zersplittert. Ich schloss es fest in die Arme und taumelte weg von der Hitze, weg von dem, was mal mein Zimmer gewesen war. In der Ferne bildete ich mir ein, Pitch lachen zu hören.

Pitch... dachte ich und Wut durchströmte mich. Er war es, er musste es gewesen sein, da war ich mir ganz sicher. Aber ich musste hier raus!

An der Treppe angekommen, sah ich, dass es keinen Durchgang mehr gab. Ein brennender Balken versperrte den weg. Ich war eingeschlossen...

Es gab kein entkommen, dachte ich und klappte auf die Knie. Es war vorbei, Pitch hatte gesiegt.
 

Dies war mein Ende

Und das erste, was ich sah, war der Mond. Er schien unnormal hell und groß. Er schien durch ein Loch in der Wand direkt auf mich. Dann spürte ich die Hitze.

Alles brannte. Die Decke unter mir, der Boden unter mir. Ich selbst.

Doch das Feuer verbrannte mich nicht. Es umgab mich schützend.

Ich merkte, dass ich wenige Zentimeter über dem Boden schwebte. War ich tot? Das musste ich wohl sein.

Aus der Ferne hörte ich Sirenen, die immer lauter wurden. Feuerwehr, dachte ich. Sie kommen zu spät.

Dann brüllten sich einige Männer und Frauen gegenseitig Befehle zu. Ich bahnte mir einen Weg hinaus. Das Feuer tat mir nichts an.

Die Haustür stand offen, und ich trat hinaus.

Auf den Veranden der Häuser standen viele Nachbarn, entsetzt die Hand vor den Mund geschlagen oder Mund und Augen wie aus stillem Protest geöffnet. In ihren Augen spiegelten sich die Flammen, die das gesamte Haus verzehrten.

Dann fiel mein Blick auf meine Mutter. Sie saß am Boden, die Wangen schwarz vom Ruß. Man sah die Stellen, wo ihre Tränen den Schmutz weg gewaschen hatten. Sie war in eine große, graue Decke eingehüllt, und hielt mit zittrigen Händen ein Glas Wasser in der Hand.

Miss Thompson, eine nette alte Dame von neben an, die früher oft auf mich aufgepasst hatte wenn meine Mutter weg war, kam mit einem Tablett voller Kekse und einer Tasse heißem Tee zu meiner Mutter und bot ihn ihr an.

Meine Mutter blickte jedoch die ganze Zeit in ihr Glas.

Die Feuerwehrleute fingen an, das Wasser zu löschen.

Ich kniete mich vor ihr nieder.

"Mom?"

Hoffnungsvoll hob sie den Blick, ließ ihn dann aber enttäuscht wieder sinken.

"Mom? Ich bin doch hier!", sagte ich. Ich hob die Hand um sie zu schütteln, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken – doch meine Hände gingen durch sie hindurch.

Ich war ein Geist. Ich war tot. Die Flammen hatten meinen Körper wohl verschlungen, und nun war nur noch mein Geist auf dieser Erde. Meine Mutter hatte ihre einzige Tochter verloren...

Erst Dad, jetzt auch mich. Wie viele Rückschläge sollte sie denn noch erleben?

Ich wollte ihr sagen, dass ich doch hier war und dass sie nicht alleine war, dass ich ihr helfen und für sie da sein würde...

Aber es ging nicht.

Ich stand auf, blickte mich um auf der Suche nach irgendjemanden, der mich sehen konnte. Zwischen einigen Büschen neben einem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite meinte ich einen Schatten verschwinden zu sehen. Ich meinte auch ein leises Lachen gehört zu haben. Pitch.

Ohne zu zögern sprintete ich zu der Stelle. Von hier konnte ich den Wald sehen. Und einen ziemlich großen Schatten, der kurz wartete eher er hinter Bäumen verschwand.

Ich lief ihm nach. Er würde mir Rede und Antwort stehen müssen.

Es war dunkel, aber ich kannte den Wald so gut dass ich blind und ohne zu stolpern sicher hier durch gekommen wäre. Pitch würde bestimmt zum See gehen. Oder mich aus den Schatten heraus angreifen.

Nach einigen Minuten sah ich zwischen den Bäumen hindurch den See unter dem Mondschein glitzern. Ich verlangsamte mein Tempo, bis ich schließlich langsam am Ufer ankam.

Pitch stand wenige Meter von mir entfernt, den Kopf gen Himmel gerichtet.

"Wieso hast du das getan, alter Freund? Wolltest du so dringend meinen Plan durchkreuzen?", sagte er. Ich stutzte. Mit wem zum Teufel redete der Typ denn?

"Du solltest heute eigentlich sterben", sagte er und drehte sich zu mir um. Seine gelben Augen musterten mich scharf. Im Mondlicht wirkte seine graue Haut beinahe silbern. Er trug eine lange, schwarze Robe, die seinen Körper wie einen einzigen großen Schatten erscheinen ließ.

"Sterben?" Ich dachte daran wie meine Hand durch die Schultern meiner Mutter geglitten ist. "Wenn ich nicht tot bin, was bin ich denn dann?", fragte ich ihn.

"Dummes Mädchen. Wenn du tot wärst, wärest du nicht mehr auf dieser Welt! Du wärst einfach weg, für immer verschwunden. Du bist aber noch hier. Nach deinem ... heldenhaften Versuch deine Mutter zu retten, hat mein alter Freund wohl gedacht dass deine Zeit noch nicht gekommen ist. Und hat dabei gründlich meine Pläne durchkreuzt, wie ich zugeben muss."

"Wieso wolltest du mich umbringen? Was hab ich dir je getan?"

"Du interessierst mich nicht im geringsten. Aber Jack interessiert sich durchaus für dich! Es wäre ein harter Schlag für ihn gewesen, wenn du einfach verschwinden würdest."

"Und meine Mutter?"

"Eine Person mehr oder weniger, wen kümmert das schon?" Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Sie einzusperren hat dich dazu gebracht, länger im Feuer zu bleiben, was zu deinem Tod geführt hätte."

Er redete so leichtfertig darüber, Menschen zu töten, bloß um einer Person zu schaden. Was war dieser Pitch für ein Wesen? Wen konnte so etwas kalt lassen?

Wut überkam mich wie ich es noch nie zuvor gespürt habe. Mir wurde richtig warm. Ich sah, wie Pitchs Augen sich weiteten und an mir herunter sahen. Ich folgte seinem Blick. Meine Hände standen in Flammen. Ich schrie kurz auf und schüttelte die Hände, aber sie gingen nicht aus. Aber sie taten mir auch nicht weh. Mein Herzschlag beruhigte sich, und schließlich verschwand das Feuer.

"Du bist also ein Feuergeist. Wie raffiniert.", sagte er matt.

Ein Feuergeist? So, wie Jack ein Wintergeist war?

War ich jetzt wie sie? Wie die Hüter?

Die Hüter hatten versprochen mich vor Pitch zu beschützen. Hat ja super geklappt, dachte ich bitter.

Niemand war da gewesen. Keiner von ihnen. Auch wenn ich nicht tot war, meine Mutter war allein. Das war ihre Schuld.

"Fühlst du dich von den Hütern verraten?", fragte Pitch plötzlich. Er beobachtete mich ziemlich genau. Aber es stimmte. Ich presste die Kiefer zusammen und starrte ihn nur an.

"Das ist nicht das erste Mal, dass die Hüter versagen. Wenn du Rache willst, schließ dich mir an!"

"Rache will ich. Aber nicht an den Hütern. Die haben mein Haus nicht in Flammen gelegt. Denkst du ich bin so blöd, dass ich darauf reinfalle?"

Das ließ ihn diesmal stutzen. Ich nutzte das aus.

"Wieso bist du so verbittert? Haben die Hüter etwas, was du nicht hast? Den Glauben der Kinder zum Beispiel?", fragte ich ihn. "Das ist doch der einzige Grund, weshalb du so krampfhaft versucht ihnen zu schaden. Und Jack hasst du, weil er auch einmal alleine war, und es nun nicht mehr ist. Aber du bist immer noch allein. Jack hat mir alles erzählt."

Ich kehrte ihm den Rücken zu. "Und jetzt lässt du mich in Ruhe!"

Mit diesen Worten lief ich weg. Ich wusste nicht wohin ich gehen sollte, aber ich lief immer weiter, Richtung Stadt. Irgendwo dort musste mich doch jemand sehen können. Ich glaubte fest daran.

Ich war also eine Art Geist. Unsterblich, unsichtbar für andere Menschen. Ich würde wahrscheinlich nie wieder mit meiner Mutter reden können, geschweige denn mit Jess oder Matt.

Wütend trat ich einen Stein weg. Ich war letztendlich auf einem kleinen Spielplatz angekommen. Erschöpft ließ ich mich auf einer Schaukel nieder.

Früher habe ich immer sehr gerne mit Matt zusammen auf Spielplätzen gespielt. Wir haben Sandkuchen gebacken, Fangen gespielt... Darum gewetteifert, wer am weitesten von der Schaukel springen kann. Unsere Eltern saßen währenddessen auf einer der Bänke und haben auf uns aufgepasst. Ich selbst würde später also nie dort sitzen und auf meine eigenen Kinder acht geben. Ich hatte nie groß über meine Zukunft nachgedacht. Mir nie Pläne gemacht, was ich werden will. Aber jetzt, wo mir das alles genommen wurde macht es mich traurig, dass ich nie entscheiden werden kann was ich aus meinem Leben mache.

Matt und Jess werden älter werden... Ja, vielleicht werden sie auch endlich mal ein richtiges Paar und heiraten und eigene Kinder kriegen. Selbst wenn sie mich sehen könnten... Ich würde immer so aussehen wie am heutigen Tag.

Noch nicht voll ausgewachsen, noch nicht voll entwickelt...

Mit kindlichem Gesicht und großen Augen.

Ich werde nie zu so einer eleganten Frau werden wie meine Mutter es ist. Und auch sie wird ihre Tochter niemals aufwachsen sehen.

Oh mann, ich hasste es in Selbstmitleid zu baden.

Erst als eine Träne auf meine Hand tropfte, merkte ich, dass meine Augen brannten und Tränen in strömen über meine Wange liefen. Ich versuchte mich zusammenzureißen und wischte die Tränen weg.
 

Jacks POV:

Seltsame Geräusche rissen mich aus dem Schlaf. Ich hatte gerade etwas seltsames geträumt. Ein riesiger Taschenrechner hat alle meine Hausaufgaben zerfetzt und dabei mit Formeln wie A-Quadrat plus B-Quadrat gleich C-Quadrat um sich geworfen. Ein Blick auf das Heft, auf dem ich eingeschlafen war erklärte mir weshalb ich ausgerechnet von Mathe träumte.

Dann hörte ich das Geräusch schon wieder. Seltsames gequiekte...

Ich sah mich um. Die Babyfeen waren hier.

Sofort war ich hellwach.

"Was ist passiert? Wieso seit ihr nicht bei Lena?", fuhr ich sie an.

Die Babyfeen schreckten zurück und zuckten mit dem Kopf zum Fenster. Sie wollten, dass ich ihnen folge. Ich nickte, dass ich verstanden habe. Ich griff nach meinem Stab und wir flogen ohne Umwege Richtung Lena. Ich hätte den Weg zu ihrem Haus blind gefunden.

Bevor wir in die Straße einbogen, landete ich auf den Füßen und versteckte den Stab hinter einem Busch, dann rannte ich die Straße hinunter.

Aber als ich das "Haus" sah, oder vielmehr das, was davon übrig geblieben ist, blieb ich mit offenem Mund stehen.

Es war eine Ruine. Die Wände waren schwarz verkohlt, die Fenster aufgesprungen. Man sah sofort, dass ein Feuer hier gewütet hatte. Ein Mann in Uniform redete mit einer Frau, die ich als Lenas Mutter erkannte. Ihre Augen waren glasig und leer. Sie nickte dem Mann bloß zu und zog die Decke enger an sich heran.

Als der Mann sich schließlich von ihr entfernte ging ich auf sie zu.

"Entschuldigen Sie? Ich bin Jack, ein Schulfreund von Lena...", fing ich an. "Was ist hier passiert?"

Sie sah mich an. "Jack? Jack Frost? Lena hat mal von dir erzählt..." Ihre Stimme brach ab.

Es stimmte mich ein wenig glücklich, dass Lena von mir erzählt hatte, aber dass ihre Stimme nach der Erwähnung ihres Namens abbrach bereitete mir Sorgen.

Trotzdem erzählte sie mir, dass das Haus plötzlich in Flammen stand, und dass Lena sie aus ihrem Zimmer befreit hatte, aber selbst nicht mehr heraus kam.

Allerdings fand sich auch kein Anzeichen für ihren Tod, einen Leichnam gab es nicht. Sie war verschwunden, und würde bald als vermisst gelten.

Ich bedankte mich und sah noch zu, wie eine nett aussehende alte Dame sie sanft am Arm nahm und sie in ihr Haus führte.

Also war Lenas Mutter schon einmal gut aufgehoben.

Aber trotzdem, was war mit Lena? Wenn sie nicht tot ist...

Nein, das war sie bestimmt nicht, dachte ich entschlossen. Das konnte einfach nicht sein.

Ich griff in die Tasche meines Pullis und holte die Feen raus.

"Ihr müsst mir einen kleinen Gefallen tun. Sucht bitte an jedem menschenleeren Platz nach Lena, und wenn ihr sie gefunden habt kommt umgehend zu mir zurück, okay? Ich werde so lange die anderen Hüter benachrichtigen."

Nachdem die kleinen Feen verschwunden waren holte ich mir meinen Stab und zerbrach eine Schneekugel. Dann trat ich in das wirbelnde Portal.
 

North war empört. Er nahm die Nachricht überhaupt nicht gut auf. Aber schließlich übernahm er die Aufgabe, den anderen Bescheid zu geben während ich wieder zurück in London von der Luft aus nach Lena suchte.

Nach Stunden der Suche ließ ich mich erschöpft am Rand einer Straße auf dem Bordstein nieder.

Ich hatte wohl nicht an den richtigen Stellen gesucht. Irgendwo hier musste Lena doch sein.

Frustriert griff ich nach einem Stein und warf ihn auf die Straße. Dann ließ ich den Kopf hängen.

Nach gefühlt mehreren Stunden hörte ich endlich das aufgeregte gequiekte der Babyfeen.

Sie würden mich zu Lena führen!
 

Lenas POV:

"Lena?"

Ich sah nicht auf. Ich wollte jetzt nicht reden. Nicht mit ihm.

"Lena!"

"Jack, bitte geh einfach weg.", sagte ich und sah ihn an. Im selben Augenblick bereute ich es. Er sah mich betroffen an.

"Ich kann verstehen, dass du sauer, traurig und vielleicht sogar verwirrt bist.", fing er an. "Aber ich will dir nur helfen."

Ich schnaubte. "Helfen. Hilfe kommt zu spät, mein Leben ist vorbei."

Ich weiß, ich war nicht fair. Er konnte bei weitem nichts dafür, was passiert ist. Aber ich konnte nicht anders.

"Ist es nicht.", sagte er nur.

"Niemand kann mich sehen!", schrie ich nun.

"Lena. Ich weiß wie du dich fühlst. Mich hat dreihundert Jahre niemand sehen können. Aber ich habe..."

"Dreihundert Jahre.", unterbrach ich ihn. "In dreihundert Jahren wird jeder, der mir wichtig ist tot sein! So viel Zeit habe ich nicht!"

"Lass mich doch mal ausreden."

"Okay.."

"Ich habe immer und immer wieder gewartet ob mich irgendwer auf der großen, weiten Welt sehen kann. Vergeblich."

Ich schnaubte wieder, verkniff mir aber eine Antwort.

"Jedenfalls, ich habe dir doch mal von Jamie erzählt. Und seinen Freunden. Das waren die ersten die mich sehen konnten. Aber nicht, weil ich darauf gehofft habe. Ich habe mich ihnen gezeigt. Und mal ganz nebenbei... Es gibt da diesen einen Trank der es möglich gemacht hat, dass mich in der Schule alle sehen konnten.

Das Risiko, jemand könnte nicht an mich glauben wäre zu hoch gewesen als dass wir es eingehen konnten."

Da ging mir ein Licht auf.

"Soll das etwa heißen..."

"Dass es nicht mehr lange dauern wird bis alle dich wieder sehen können? Wahrscheinlich nicht."

"Wahrscheinlich?"

"Naja, ich muss North noch von den Umständen berichten.. Und dieser Trank war eigentlich bloß eine Ausnahme bei mir. Er muss jeden Vollmond getrunken werden, wenn der Mond ganz oben steht und auf einen hinab scheint. Der Mond entscheidet, ob du gesehen werden wirst oder eben nicht. Wenn man es vergisst, auch wenn es nur ein Mal war, muss man auf den nächsten Vollmond warten, aber diesen Zyklus über wird man wieder unsichtbar sein."

"Können wir dann bitte zu North?"

Ich war plötzlich aufgeregt. Ich war so in Selbstmitleid versunken dass ich gar nicht daran gedacht habe dass es dor draußen jemanden gibt der das alles selbst durchgemacht hat. Und das nicht nur einen halben Abend, sondern ganze dreihundert Jahre. Plötzlich schämte ich mich.

Betreten schaute ich zu Boden. "Es tut mir leid, Jack."

Ich spürte wie sich seine Arme um mich legten und mich in eine Umarmung zogen. Sein Kinn bettete er auf meinem Kopf.

Leise lächelnd schlang auch ich meine Arme um ihn, dankbar für den Halt, den er mir gab.

Nach einer kurzen Unendlichkeit lösten wir uns voneinander.

"Du kommst jetzt erst mal zu mir. Und wenn du morgen ausgeruht bist, gehen wir North besuchen."

Ich nickte müde und nahm die Hand, die er mir hinhielt.
 

Er wohnte im obersten Stock eines Mehrfamilienhauses. Ich fragte mich unwillkürlich ob die Hüter auch Bankkonten hatten um die Miete zu bezahlen. Und woher sie dann das Geld hatten. Sie werden für ihren Job schließlich nicht bezahlt oderso.

Seine Wohnung hatte nur 3 Zimmer. Ein kleines Badezimmer, eine Küche, in der auch ein kleiner Holztisch mit drei Stühlen stand und in der alles ziemlich sauber und ordentlich war, was mich wunderte. Ich fand Jack war eher der unordentliche Typ. Wenn er nicht gerade die Schuluniform trug, hatte er immer bloß ein Sweatshirt und Jeans an.

Und dann sein Zimmer. Es war ziemlich groß, größer als mein eigenes, aber es stand sehr wenig drin. An der rechten Wand befand sich ein weißer Schreibtisch mit einem schwarzen Schreibtischstuhl. Der Tisch sah Jack schon ähnlicher: Schulutensilien lagen ziemlich durcheinander darauf verteilt. Sein Mathebuch lag noch aufgeschlagen da, mit einem gähnend leeren Blatt davor. Ich kannte das – Mathehausaufgaben machten einfach keinen Spaß.

Daneben stand ein großer weißer Schrank.

Und an der anderen Seite des Raums stand sein Bett an der Wand. Das Bettzeug lag ungemacht darauf.

"So, das hier ist mein Reich. Es ist nicht so eindrucksvoll wie Norths Quartier oder der Bau vom Osterhasen, aber immerhin ist es ruhig und gemütlich.", sagte er und grinste mich an.

Ich lächelte zurück. "Jack, es tut mir leid."

Sein Grinsen wich einem verwirrtem Blick.

"Dass ich vorhin so gemein zu dir war. Das hattest du nicht verdient. Ich hab in Selbstmitleid gebadet und nicht nachgedacht und-"

Ich verstummte als er mich in seine Arme zog. Ich versuchte die brennenden Tränen wegzublinzeln.

"Hey, du hast keinen Grund dich zu entschuldigen", murmelte er in meine Haare. "Ich verstehe das. Ruh dich jetzt einfach aus. Ich schlaf auf dem Boden."

Er ließ mich los und holte ein T-Shirt und eine Pyjamahose aus dem Schrank und gab sie mir.

Im Badezimmer zog ich mich schnell um, und kroch danach unter die Bettdecke. Sie war angenehm weich und roch wundervoll nach Jack.

Ich fühlte mich geschützt, aber trotz allem konnte ich nicht schlafen. Ich sah mich um, konnte mangels Licht jedoch nicht erkennen, wo Jack sich befand geschweige denn, ob er noch wach war.

"Jack?", flüsterte ich.

"Ja?", fragte er. Er schien auch nicht schlafen zu können.

"Was wird jetzt aus mir?"

Stille.

"Jack?", fragte ich wieder.

Das Bett wölbte sich an der Seite leicht nach unten. Er hatte sich also dahin gesetzt. Er legte sich neben mich, über die Decke.

"Lena, du bist immer noch du. Ich denke, North und die anderen werden verstehen, dass du noch einiges zu regeln hast. Der Mond wird es auch verstehen. Du wirst wie immer zur Schule gehen, deine Mutter wieder sehen. Es wird sich nichts ändern. Vorerst."

"Du meinst, solange nicht bemerkt wird, dass ich jetzt anders bin?"

Er schwieg kurz.

"Ja. Du wirst für immer so aussehen wie jetzt. In dem Alter. Irgendwann wird es jemand bemerken, und dann wird es Zeit sein, sich zu verabschieden."

"Okay."

"Denkst du, du kommst damit klar?"

"Ich muss es. Aber es wird trotzdem die Hölle. Weißt du, ich habe mir immer vorgestellt, wie ich, Jess und Matti zusammen alt werden. Das die Kinder der beiden und mein eventuell-Kind dann immer zusammen spielen würden, während wir auf der Veranda sitzen und Tee trinken und über den ungepflegten Rasen unserer Nachbarn reden. Das wird jetzt nicht möglich sein, das verstehe ich, und muss ich akzeptieren. "

"Der Rasen des Nachbarn? Komm schon, was besseres ist dir nicht eingefallen?", neckte er mich.

"Ach, halt doch die Klappe", erwiderte ich lachend und piekste ihn in die Seite.

"Das hast du nicht getan!", drohte er mir, zog die Decke weg und fing an mich zu Tode zu kitzeln.

"Jack... Lass mich..... Atmen...", presste ich lachend hervor.

Er ließ von mir ab und ich atmete hörbar ein und aus. Mann, war ich aus der Puste.

"Das wirst du noch bereuen Jack Frost!"

Ich merkte wie er sich auf die Seite legte und mich ansah. "Werd ich das?"

Ich konnte sein dämliches Grinsen beinahe spüren.

"Allerdings."

"Ich freu mich schon drauf."

Verspottete der mich etwa? Das ließ ich nicht auf mir sitzen. Mit einem "Na warte!" warf ich mich auf ihn, setzte mich rittlings auf ihn drauf und kitzelte und piekste erbarmungslos jedes Stück Bauch das ich erreichen konnte.

"War das etwa schon alles?", fragte er lachend. Dann urplötzlich lag er über mir, und mir stockte der Atem. Ein wenig Mondlicht kam durch das Fenster hinein, und ich konnte die Konturen seines Gesichts gerade so erkennen. Einen kurzen Moment verharrten wir in dieser Position – schweigend.

Dann gab er ein leises Lachen von sich und rollte von mir runter.

"Das war aber eine schwache Rache, Lena Blackburn", schalt er mich.

"Halt die Klappe", erwiderte ich wieder. Man, hatte ich ein schwaches Arsenal an Erwiderungen.

"Du hast ein sehr schwaches Arsenal an Erwiderungen." Konnte der etwa Gedanken lesen?!

Wahrscheinlich nicht, aber ich dachte trotzdem – für alle Fälle - mit aller Kraft: Du. Blöder. Angeber. Und warf gleichzeitig ein Kissen nach ihm.

Es traf ihm zu meiner Befriedigung mitten im Gesicht.

"Dass du eine gute Kissenwerferin wusste ich nicht, wo ist deine Urkunde?"

"Frostbeule!"

Er lachte. Es tat gut mit ihm rum zu albern. Es verlieh mir einen Funken Normalität. Ein Wort, das in letzter Zeit ein wenig fremd geworden ist. Ich meine, ich hatte Jack und seine Welt kennengelernt. Und in seiner Welt war alles alles andere als "normal". Und jetzt war ich wohl selbst ein Teil dieser Welt.

"Jack, danke. Danke für alles", sagte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Ich legte meinen Kopf an seine Schulter und schlang den Arm um ihn. Ich wollte plötzlich nichts weiter als in seinen Armen zu schlafen.

Kurz bevor ich einschlief, flüstere er noch: "Ich werde immer für dich da sein." Vielleicht träumte ich aber auch schon.



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Kommentare zu dieser Fanfic (7)

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Von:  cindy-18
2016-07-05T22:49:23+00:00 06.07.2016 00:49
schreib bitte schnell weiter
Von:  cindy-18
2016-07-05T22:49:23+00:00 06.07.2016 00:49
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Von:  cindy-18
2016-07-05T22:49:22+00:00 06.07.2016 00:49
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Von:  cindy-18
2016-07-05T22:49:22+00:00 06.07.2016 00:49
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Von:  manuchan24
2016-07-02T23:18:25+00:00 03.07.2016 01:18
Super klasse, freue mich schon drauf wenn du weiter schreibst, bitte weiter schreiben^^ XDXD

LG
Manu
Von: abgemeldet
2015-03-16T14:50:30+00:00 16.03.2015 15:50
Wow, ich glaube, ich kann mir jetzt schon Jacks Nasenbluten vorstellen *In sich hineingrins*
Bitte, bitte, bitte, lass ihn etwas anziehen, dass irgendwie Partnerlook zu Lena ist!
Das wird sooooo hammermäßig!!!!

Drachenstern
Von: abgemeldet
2015-03-11T22:53:28+00:00 11.03.2015 23:53
Du hast einen wunderschönen Schreibstil, der auch richtig gut zu deiner Fanfic passt! Ich finde deine Idee sehr kreativ und sie gefällt mir sehr.

Ich würde allerdings länger aus Lenas Sicht schreiben, dann ein neues Kapitel anfangen und aus Jacks Sicht berichten. Ich finde das "literarisch korrekter" (Das ist in Anführungszeichen gesetzt, da ich weiß, dass es scheiße klingt ;)
Ansonsten ist deine Idee richtig toll und gut ausbaufähig.

LG Drachenstern

Antwort von:  bubblespower
13.03.2015 19:21
Vielen lieben Dank für dein Feedback :3
Ja, ich hatte ursprünglich gar nicht erst vorgehabt irgendwas aus Jacks Sicht zu schreiben, wollte aber dann trotzdem kurz erklären wie es Jack möglich ist dass der von den ganzen Teenagern uns vor allem den Erwachsenen gesehen wird.
Aber bei nächsten Jack's POV's werde ich mal versuchen einen etwas längeren Einblick in seine Gedankenwelt zu bieten :)


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