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Von Abenteuern und dergleichen

Die Geschichte eines Hobbitmädchens
von

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Die Sorgen eines Vaters


 

Ob Abkürzung oder Umweg – ich komme gewöhnlich da an, wo ich hin will. – Aragorn
 

Geschmeidig sprang Goldfranse über den letzten Bach, der sie von Beutelsend trennte, und setzte zum Endspurt an. Ihre von der Sonne beinahe weiß gebleichten Haare schlugen in einem dicken Zopf immer wieder auf ihren Rücken.

Die Wiese war schnell überquert, danach ging es im Zickzack um die liebevoll gepflegten Blumenbeete des Vorgartens herum. Dann war er nur noch wenige Schrittlängen vor ihr: der Gartenzaun – und dahinter die Pforte von Beutelsend.

Obwohl sie wusste, dass ihre Mutter sie dafür schelten würde, verlängerte Goldfranse ihre Schritte, anstatt anzuhalten, und sprang mit einem Satz über den kleinen Zaun hinweg. Stolz bemerkte sie, dass sie es problemlos auch über einen doppelt so hohen Zaun geschafft hätte.

Keuchend kam sie vor der Pforte zum Stehen und machte sich an den Bändern zu schaffen, mit welchen sie ihren Rock hoch geschnürt hatte, um besser laufen zu können.

„Zu spät wie üblich.“

Goldfranse hob den Blick und begegnete dem amüsierten Blick ihre ältesten Bruders Frodo, der in der Eingangstür lehnte. Er war vor zwei Jahren nach Auenlandmaßstäben volljährig geworden und es gab in Hobbingen so einige Mädchen, die inständig hofften, dass Frodo diesen Umstand endlich zum Anlass nahm, um auf Brautschau zu gehen. Allerdings wäre es Goldfranse neu, wenn ihr Bruder derartige Pläne hätte.

„Ist es Mutter schon aufgefallen?“, fragte sie und löste das Band, welches ihren Zopf zusammen hielt. Wie eine weißgoldene Flut ergossen sich die Locken über den schmalen, doch kräftigen Schultern.

„Du bist eine Stunde zu spät, also was denkst du?“, erwiderte Frodo spöttisch und zog ein Buch aus Goldfranses Schürze, um den Titel zu lesen. Seine Augenbrauen wanderten nach oben. „Seit wann lernst du die Sprache der Zwerge?“

„Schon eine Weile, aber es ist schwierig, wenn man immer nur so wenig Zeit hat.“

„Vielleicht solltest du endlich von gewissen anderen Zeit raubenden Übungen ablassen.“

Ehe Goldfranse gegen diesen Vorschlag protestieren konnte, erklang hinter Frodo Rose Gamdschies Stimme: „Frodo, ist Goldi endlich da?“

„Gerade angekommen“, antworte Frodo und ließ das Büchlein in seiner Westentasche verschwinden.

„Danke“, wisperte Goldfranse und eilte an ihrem Bruder vorbei ins Haus.

„Für dich immer“, erwiderte er leise und zupfte ein Blatt aus ihren Haaren, ehe er die Tür schloss.

Im Flur geriet Goldfranse ins Stocken. An der Kommode hingen mehrere Reisemäntel, die unwillkürlich das Herz des Hobbitmädchens höher schlagen ließen. Hastig drehte sie sich zu Frodo um, der mit einem Nicken nach rechts in Richtung des Arbeitszimmers deutete.

„Ich sage Mutter, dass du dir noch das Gesicht wäschst“, versprach er und ging nach links, wo die Küche lag, in welcher Goldfranse schon seit einer Stunde Tüften schälen sollte.

Dankbar huschte Goldfranse zur Arbeitszimmertür. Die Entschuldigung würde ihr vielleicht fünf Minuten Zeit verschaffen, ehe ihre Mutter ungeduldig wurde. Genug Zeit, um wenigstens ein bisschen etwas zu erfahren. Geübt ging sie in die Hocke und schob ihr Ohr über ein winziges Loch in der Tür – zu klein, um hindurchspähen zu können, aber perfekt zum Lauschen.

„… ieben Monaten ist es so weit. Genug Zeit, damit wir dabei sein können“, erklang Meriadoc Brandybocks heitere Stimme. Obwohl der Herr von Bockland mit seinen siebzig Lenzen nicht mehr zum „Jungvolk“ gehörte, klang er immer noch genau so. Goldfranse hatte sein unternehmungslustiges Grinsen und das Leuchten in seinen Augen genau vor Augen. Allein von der Vorstellung wurde sie ganz hibbelig.

„Wir sind alle Drei eingeladen. Legolas und Gimli werden bestimmt auch dabei sein. Noch mal mit der Gemeinschaft zusammen sein, klingt das nicht großartig?“, fügte Peregrin Tuk, der Tuk und Thain des Auenlandes, enthusiastisch hinzu. „Unterwegs könnten wir einige alte Freunde besuchen und-“

„Das ist eine Reise quer durch Mittelerde“, unterbrach Sam seinen Freund und Goldfranse wusste sofort, dass er die Stirn runzelte.

„Aber wir können dieses Mal reiten und müssen uns nicht verstecken. Die Pforte von Rohan ist jetzt sicher. Wir kommen nicht einmal in die Nähe von Ork-Gebieten. Das müsstest du doch am besten wissen, du warst doch vor dreizehn Jahren dort!“

Goldfranses Herz klopfte schneller. Redeten Merry und Pippin etwa davon, nach Gondor zu reisen? Bei der bloßen Vorstellung wurde ihr ganz schwummrig vor Aufregung.

„Dennoch wäre es ein ganzes Jahr oder mehr, das wir weg wären. Ich kann und will Rose nicht so lange mit den Kindern alleine lassen.“

„Und mit so vielen Kindern durch ganz Mittelerde zu reisen, kommt natürlich nicht in Frage“, schlussfolgerte Merry. „Aber wie wäre es, wenn wir ein oder zwei mitnehmen, die alt genug sind? So wie Eomer und Faramir hier?“

Goldfranses Herz machte mehrere aufgeregte Hüpfer. Doch die Worte ihres Vaters ließen die auflodernde Freude ersticken.

„Nein, sie sollen sich auf ihr Leben hier konzentrieren.“

„Auch Goldi?“, fragte eine andere – jüngere – Stimme, die dem lauschenden Hobbitmädchen eine wohlige Gänsehaut bescherte.

„Ganz besonders sie“, erklärte Sam nachdrücklich, aber auch besorgt. Dennoch brach er seiner Tochter damit das Herz. „Ihr Platz ist hier und das sollte sie endlich begreifen. Bei all ihren Träumereien von Abenteuern macht sie sich keine Vorstellungen davon, wie gefährlich es noch immer ist.“

„Sie ist kein kleines Kind mehr, Sam“, wandte Pippin ungewöhnlich behutsam ein. „In ein paar Jahren wird sie womöglich alleine aufbrechen. Bei Merry und mir ist sie da doch sicherer.“

„In ein paar Jahren ist sie hoffentlich schon verheiratet…“

Goldfranse riss den Kopf zurück und legte eine Hand auf die Klinke. Wie konnte ihr Vater nur so denken? War sie wirklich so ein schlechtes Kind in seinen Augen? Sie wollte ihren Vater zur Rede stellen, wollte ihn anflehen, sie mitreisen zu lassen – doch in diesem Moment hörte sie ein missbilligendes Seufzen hinter sich.

Rose Gamdschie war mit den Jahren und Schwangerschaften etwas rundlicher geworden und hatte schon einige Fältchen an den Augen, aber nach Hobbitmaßstäben war sie immer noch ausgesprochen hübsch. Von allen Gamdschie-Kindern sah Goldfranse ihr am ähnlichsten, aber damit war das Repertoire an Gemeinsamkeiten zwischen Mutter und Tochter auch schon erschöpft.

„Wir warten schon seit mehr als einer Stunde darauf, dass du uns in der Küche hilfst, und du amüsierst dich mit Albernheiten.“

Goldfranse biss sich auf die Unterlippe, um eine Erwiderung zurück zu halten. Das waren keine Albernheiten. Weder das, was sie im Wald trieb, noch das hier. Aber dafür hatte ihre Mutter keinerlei Verständnis. Sie war nun einmal durch und durch ein Hobbit, der trotz einer langen Reise nach Gondor auch heute noch gedanklich fest in Hobbingen verwurzelt war. Und sie versuchte immer noch, aus ihrer Tochter einen ebensolchen Hobbit zu machen. Deshalb durfte Goldfranse auch nur solche Aufgaben machen, die von einem vernünftigen Hobbitmädchen erwartet wurden. Holzhacken war Männerarbeit, sie musste kochen und nähen und ihre jüngeren Geschwister hüten.

Goldfranse schluckte alle bissigen Kommentare herunter, die ihr dazu einfallen würden, und nickte stattdessen ergeben. Ihre Hand rutschte von der Klinke und sie drehte sich der Küche zu. „Tut mir Leid, Mutter, es wird nie wieder vorkommen“, murmelte sie.

In der Küche waren ihre jüngeren Schwestern Margerite und Primula bereits dabei, Gemüse zu schälen und zu schneiden, während Frodo am Feuer stand und zwei fette Hühner regelmäßig am Spieß darüber drehte. Er warf Goldfranse einen fragenden Blick zu, doch sie sah nicht einmal in seine Richtung, sondern wandte sich sofort den Tüften zu.

Als sie hörte, wie die Arbeitszimmertür geöffnet wurde, drehte sie sich nicht um. Sie hielt die ganze Zeit den Blick auf ihre beschäftigten Hände gesenkt, obwohl sie die Blicke der Gäste und ihres Bruders deutlich spüren konnte.

Sollten sie alle denken, was sie wollten. Sollte ihr Vater ruhig glauben, er könne sie zähmen. Sie würde es allen beweisen!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2019-01-30T21:10:31+00:00 30.01.2019 22:10
Ein tolles Kapitel. Gut geschrieben. Gefällt mir.
Hm. Na das kann ja noch was werden. Ich bin gespannt.

LG


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