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Auftragsnummer YT1985M

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Sorry, aber das Prinzesschen ist heute ziemlich bissig

Kapitel 3 und 4 – Sorry, aber das Prinzesschen ist heute ziemlich bissig

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21.08.2015 - 03.12.2015 . Auftragsnummer YT1985M – extra, extra xmas Large ;)
 


 

„Man, wo bleibst du denn?“

„Echt, ey! Nur weil du hier die Clubprinzessin bist, brauchst du nicht denken dass man dir alles durchgehen lässt. Die anderen haben längst angefangen vor zwanzig Minuten!“
 

Hosts waren giftig, sobald sie nicht die Nummer eins waren oder zur Kategorie ‚Kumpel‘ zählten.
 

„Habt ihr eure Tage, oder was?“, nickte Yasu arrogant auf, lachte nur darüber und zog sich noch während des Weges zu seinem Locker aus, um Zeit zu sparen. „Seit froh dass die anderen angefangen haben, sonst wäre im Showroom nichts los und wir wären alle am Arsch, hm?“

„Penner.“

„Ja, echt mal Yasu, du bist so ein Miststück!“

„Ach kommt schon, haltet die Fresse, ihr habt doch nur angst Secondhand Ware zu bekommen“, knurrte der Musiker von sich, entledigte sich seiner Klamotten komplett, um in eine frische Panty zu schlüpfen, welche kurz darauf von einer schwarzen, enganliegenden Lederhose überdeckt wurde, und warf einen Schulterblick zu einen seiner keifenden Kollegen, während hinter der Tür, welche zum Showroom führte, verheißungsvolle Musik in seine Ohren drang, sowie raumtypische Gastgeräusche und die Aufforderung nach mehr.
 

Mehr Tanz.

Mehr Bewegung.

Mehr Sex.
 

Yasu hatte bock.

Yasu hatte richtig bock darauf, ganz besonders jetzt, wo sein Ölprinz auf ihn wartete, und ihm scheißegal war wie viel er heute einnahm und wen er da mit einem Happy End beglückte.
 

Sein Abend war gesichert – so, oder so.
 

„Sieh zu jetzt!“, zischte es erneut, als der Oberkörper von einem weißem Hemd bedeckt wurde, welches die Finger nur bis zum Beginn des Brustbeins schlossen und den Kragen beabsichtigt auseinanderzogen um genügend Sicht zu ermöglichen.

Schnell noch ein Fingervoll Haargel, womit sich die Hand galant und gekonnt durch die Kupferfarbe fuhr mehrmals in Folge, die schwarzen Lackschuhe angezogen – und fertig.
 

Chippendale Yasu war einsatzbereit.
 

„Hast du‘s jetzt endlich?“
 

Yasu schmunzelte amüsiert, nahezu arrogant und hochnäsig. Vielleicht sollte er sich bei Yurika bedanken, denn jede Schattenseite hatte wohlwissend auch Sonnenstunden, nicht wahr?

Dank ihr war er so geladen, dass er sich sicher war Masao jetzt vollkommen zufrieden zu stellen, ohne vorher reichlich anzutrinken.
 

Ob man das nun mit Stolz oder Erbärmlichkeit vergleichen sollte wollte sich der Host nicht fragen, der ohnehin keine Zeit dafür hatte. Die Tür öffnete sich und damit das Tor einer erhofften, verheißungsvollen Nacht.
 

Zum Tanz.

Zur Anerkennung.

Zum Sex.
 

Der DJ wechselte von einer heißen Tanzrhythmik, zu einem verheißungsvollen Urban Sound, während sich die Blicke der im Raum befinden Personen auf sie richtete, begleitet von Motivationslauten sich zu bewegen - von Pfiffen und Handzeichen untermalt – als seien sie irgendwelche hochrangigen Stars. Etwas Besonderes, etwas Außergewöhnliches. Doch sobald Yasu begann darüber nachzudenken und den Blick schweifen ließ, wurde ihm immer wieder bewusst, wie billig und abgedroschen diese Welt war. Diese Welt, die nur aus Schall und Rauch bestand. Diese Welt, wo es gewiss nur um das Eine ging. Das Eine – die Sehnsucht, die Gier und das Verlangen in sich zu stillen die reale Welt für einige Stunden einfach auszublenden, um Teil einer nicht vorhandenen rosa Zuckerwattenwolke zu werden, von welcher jeder gerne naschte.
 

Yasu liebte diese Welt. Liebte die Illusion, liebte es begehrt zu werden, obgleich es Tage und Stunden gab, wo all dies kaum auszuhalten und zu ertragen war. Ja, gar widerlich und abscheulich war es.
 

Heute war es allerdings alles andere als abscheulich und der Blick des Musikers ruhte nun mit einem lasziven Lächeln auf dem Grund des ‚alles andere als abscheulich‘ seins. Denn er war da.
 

Masao.
 

In einem der vielen weinroten Ledersessel, welche organisatorisch halbkreisförmig im gesamten Raum angeordnet waren. In der Hand einen Drink, ein Bein angewinkelt, den Fuß auf einem Knie liegend, und mit dem rechten Ellenbogen locker auf der Armlehne abgestützt blickte er vielsagend, angetan zu Yasu auf.

Trotz des Schwarzlichts, welches mit diffusem Licht vermischt den Raum einzig und allein gedimmt erhellte, konnte dieser dessen Züge genau erkennen, ehe er die Stange umgriff, die Hände über seinen Kopf an dieser nach oben schob, den Körper hingegen mit den Rücken an dieser hinabsank und die Beine spreizte. Den Blick direkt auf Masao gelegt, sich lasziv und anrüchig langsam mit der Zungenspitze über die Oberlippe fahrend und ihm vielsagend zunickend, während sich der Körper grazil dem Metall entlang nach oben schob.
 

Masao sollte sein Stammkunde werden, auch wenn sich der Musiker darüber im Klaren war, dass das keine gute Idee sein würde. Aber der Kerl hatte etwas an sich, was ihn wie magisch anzog.

Natürlich war er zum jetzigen Zeitpunkt mit einem Freudenmädchen auf gleicher Stufe, und natürlich verkaufte er seinen Körper. Wer behauptete ein Host käme nur oberflächlichen und angedeuteten Fantasien und Wünschen nach, der hatte keine Ahnung. Aber dennoch. Dennoch wollte sich der Musiker mit ein wenig Würde verkaufen und nicht so, wie es andere taten, die jedem Geldschein sofort Taten Folge leisteten.
 

In anzüglicher Manier bewegte sich das Becken gegen das silber glänzende Metall. Allein durch die Musik und der Präsenz als Sänger auf einer Bühne zu stehen hatte der 28-jährige schnell gelernt, mit dem eigenen Körper umzugehen. Ihn in Szene zu setzen, so, dass es Wünsche hervorrief bei seinem Publikum. Die Fantasie weckte.

So auch jetzt.

Aufreizend, vielsagend tanzte der Körper mit der Stange, achtete auf die Rhythmik der Drums des Urban Sounds, um sich mit ihnen im Takt samt Silberglanz zu vereinen und behielt Masao mit einem stechendem Blick im Auge.

Schon jetzt lagen viele Andere auf ihm - männlich, wie weiblich - doch Yasu tanzte nur für einen einzigen in diesem Raum. Diesem schien offensichtlich zu gefallen, was er sah, was Yasu den nötigen Antrieb gab seinen trainierten, musikalischen Körper aufreizend gegen die Stange zu bewegen, hielt diese versetzt umschlossen, ließ sich von ihr um eine halbe Drehung leiten und legte den Kopf in den Nacken, während der Oberkörper mehr und mehr nach hinten absank, das Becken jedoch rhythmische und vielsagende up and downs gen Metall schwang.
 

Zu wissen, dass sein mythologisches Wesen jede noch so kleinste Bewegung haargenau beobachtete, trieb den Körper mehr und mehr an.
 

Masao presste die Lippen schmal aufeinander, ließ keine der Bewegungen außer Acht und legte Zeige- und Mittelfinger angetan ans Kinn, fuhr sich darüber und gab dem Host nach einer ganzen Weile einen Wink zu ihm zu kommen, als sich ihre Blicke erneut trafen. Dieser zog den Körper jedoch gänzlich an die Stange zurück, hielt sie umfasst, sank ab, spreizte die Beine in der Hocke und rieb seine Lenden anzüglich daran – der Moment wo einige ihre Geldscheine zückten, Yasu nach vorn winkten, um sie ihm zuzustecken. Verführerisch fuhr die Zunge über die süffisant schmunzelnden Lippen, der Blick musterte die ausgestreckten Hände – anschließend auch Masao, der weiterhin auf seinem Thron verweilte. Er würde nicht aufstehen und den Host offensichtlich um seine Aufmerksamkeit bitten, doch war es genau das, was dieser wollte. Er wollte Einsatz sehen von seinem neuen Fang, holte tief Luft und fuhr sich erneut mit der Zunge über die Lippen, während er sich langsam von der Stange löste und den Blickkontakt brach. Wie eine Raubkatze auf Beutejagd im hohem Gebüsch, kam er auf die bittenden Gäste zu, strich ihnen durch das Haar, kratzte mit den Fingernägeln über den ein oder anderen Nacken und bekam dabei zahlreiche Geldscheine unter den Gürtel gesteckt.
 

Wieder folgte ein spielerisch, provokanter Augenaufschlag in Masaos Richtung, welcher die Brauen arrogant wirkend hob und das Schauspiel weiterhin beobachtete.

So einfach wollte er es ihm nicht machen. Yasu wollte es auskosten dass man sich um ihn bemühte, und ein folgender Blick hinüber auf die andere Seite zu seinem Ölprinzen verriet ihm, dass der nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen war.
 

War er sich so sicher, dass Yasu zu ihm käme?

Konnte man wirklich davon ausgehen, dass er leicht zu haben war?

Glaubte Masao das?
 

Dieser zückte nur einen weiteren Geldschein, hielt ihn zwischen Zeige- und Mittelfinger hoch, und schien die Konversation so im Raum stehen zu lassen.

Spitz hoben sich die Brauen des Musikers, welcher von der Bühne hinabglitt, sich von den Händen anfassen ließ die auf ihn zukamen, den Körper gegen erhitzte Gemüter trieb, ihn im Takte der Musik anrüchig bewegte, begann mit ihnen zu tanzen – immer wieder den Blick herausfordernd zu Masao geworfen, welcher einen weiteren Schein zückte – ebenso herausfordernd nickte.
 

Dem Drang der Aufforderung Folge zu leisten erwies sich außerordentlich schwer missachtet zu werden. Hosts waren in diversen Minuten und Stunden Freudenmädchen – ja. Aber man konnte nicht einfach tun und lassen was man wollte – nicht mit ihm. Nicht mit Yasu!

Er war es, welcher diesmal den Spieß umdrehte und nicht auf seinen bereits zahlenden Kunden zukam, sondern diesen zu sich lockte. Er wollte begehrt und nicht bezahlt werden. Wollte Anerkennung, auch wenn diese nur Fiktion war und keinerlei Tiefe besaß. Sowohl in diesem Club, als auch auf der Bühne als Musiker.
 

Es war egal.

Es war vollkommen egal wie viel Hände an seinem Körper auf und abglitten, welcher bereits schwitzende Brustkorb sich gegen seinen Rücken drängte und wessen harter Schaft ihn so eben gegen den Hintern drückte und sich an ihn rieb.
 

Hier ging es um nichts anderes, als Sex.
 

Die Lippe zwischen die Zähne geklemmt, die Hände über den Kopf gehoben, drehte sich Yasu mit einem anrüchigem Hüftschwung zu seinem Hintermann, legte im fließenden Übergang die Hände in dessen Nacken, während er ihn direkt antanzte, Lenden an Lenden gedrängt. Ein Kuss andeutend und doch nicht vollzogen, biss er ausweichend in die Halsbeuge des Gastes, der um einiges Größer war als er selbst – und das galt nicht nur für dessen Lenden – ehe er seine Hand direkt auf die ausgebeulte Stelle der Jeans legte und fest darüber strich.
 

Hände legten sich an Yasus Hüften, Geldscheine gesellten sich zu bereits gesteckten Wertpapieren. Erneut drängte sich ein Körper gegen den seinen, strich mit den Händen von der Hüfte aus nach vorn, über den Bauch und die Brust hinweg, fuhr mit flachen Händen in den weit ausgefallenen Kragen der weißen Bluse.

Es war nicht Harukaze – dennoch duldete Yasu es, bewegte sich mit der Hüfte seinem Hintermann zu, während dieser ihn gegen seinen Vordermann drängte, welchem er fest im Nacken umgriff, sowie den harten Schaft unter dem Jeansstoff begann zu massieren, und sah erneut zu seinem thronendem Prinzen hinüber.
 

Zigarettenrauch vermischt mit Alkohol und Schweiß stieg ihm in die Nase, sowie das plötzliche Gefühl des Versagens.
 

Sein Ölprinz war verschwunden, saß nicht mehr auf seinem Platz.
 

Hatte er das Spielchen zu sehr ausgereizt?

Durfte er sich das einfach so rausnehmen?
 

Eine vorbeilaufende Maid im knappen Kleidchen, mit Plateaustiefeletten, Netzstrümpfen und einem Tablett voller Wodkagläsern kam Yasu ganz gelegen, der sofort die Hand vom Nacken des Gastes nahm, Sie stumm bat kurz zu warten, und drei dieser kurzen Klaren exte - sich nebenbei umsah. Ausschau haltend nach seinem wunderschönen Zyklopen, aber er konnte ihn nicht orten.
 

Er war gegangen.

Verschwunden.
 

Yasu hätte ihn wie einen König behandeln müssen, doch fing ein kleines Spielchen an, was dem Ölprinzen anscheinend missfiel.
 

Mit einem dumpfen Geräusch, sowie reichlich Schwung landeten die leeren Gläser zurück auf dem Tablett und die Hand im Schritt des nicht gewollten Kunden.

Nun war er noch aggressiver als zuvor, könnte sich mal wieder Ohrfeigen und begann die wachsende Härte in seiner Hand fester und fester zu reiben, sowie sein Becken fester gegen das seines Hintermannes kreisen zu lassen, welcher Gegendruck aufbaute und Yasu vollkommen unerwartet gegen den verschwitzten Körper vor sich drängte.
 

Wer verstand hier keinen Spaß?
 

Finger umspielten seine Brustwarzen, ließen ihn aggressiv hitzig werden. Frust und Wut trieben ihn dazu, sich gefallen zu lassen, was geschah. Trieben ihn dazu, sich den Gelüsten der beiden Gäste hinzugeben, seine Hände führen zu lassen, den Ekel zu unterdrücken welcher aufkam, sobald sich versoffene Lippen in seiner Halsbeuge wiederfanden.
 

Hatte er eine schlechte Kindheit?

Nicht genug Liebe bekommen?
 

Immer wieder keimten in solchen Momenten die selben Fragen auf, und immer wieder konnte der Musiker sie verneinen. Seine Kindheit war von Reisen und Unternehmungen geprägt, von einer fürsorglichen Mutter und einem Papa der alles reparieren konnte, wenn etwas zu Bruch ging. Geprägt von typischen Geschwisterstreitigkeiten, aber auch von Geschwisterliebe. Warum also war er so unglücklich? Warum ereilten ihn immer wieder Phasen, in welchem er sich verloren fühlte, ungeliebt und einsam? Warum tat er sich das nur an? Warum hatte er Spaß dabei und fand es im nächsten Augenblick abstoßend und bedauerlich?
 

Warum konnte er nicht total kitschig gedacht, eine stinknormale Beziehung führen, wie jeder andere auch? Warum fand er einfach keinen Partner, mit welchem eine gemeinsame Zukunft aufgebaut werden könnte? Auch wenn er Musiker war – fand sich denn niemals jemand, der nach einer Tour zu Hause auf ihn wartete? Ihn begleitete? Gab es wirklich keinen normalen Schwulen auf dieser Welt, der keine Kinder, aber total spießig an einem Winterabend zusammen auf der Couch kuscheln wollte, während man einen Film ansah? Gab es keine andere Plattenfirma, welche seine Homosexualität nicht verlangte zu verheimlichen?
 

Völlig in Gedanken versunken sank der Körper mit handlichem Nachdruck auf den Schultern an dem erhitzten Gemüt vor sich hinab, wollte willenlos der stummen Aufforderung nachkommen, als man ihn unsanft am Handgelenk packte und zwischen den beiden Männern herauszog. Yasu reagierte kaum, taumelte gegen den nächsten Körper an welchem er forsch herangezogen wurde und wurde schlagartig von Wohlbefinden durchströmt. Es war der vertraute Duft, welcher die Nase umschmeichelte und den Ekel überdeckte. Es war die vertraute Handlung, die vertraute Art und Weise, wie sein Gegenüber ihn führte – wie er ihn küsste. Genauso forsch, genauso hart, wie er ihn hielt.
 

Eine Szene, welche geläufig war, weswegen keinerlei Überraschung beiwohnte – eher gewohnte Manier, welche den Kuss wie selbstverständlich werden ließ.
 

Samu schmeckte nach Cuba Libre, und je länger sich ihre Zungen umspielten, desto intensiver wurde der Geschmack, worin sich Yasu vollkommen verlor – wie in so vielen Dingen - der sich nun an den ehemaligen Senpai klammerte, und eigentlich schon rotzen voll schien.
 

Morgen wäre eine Danksagung angebracht …
 

„Übertreib es nicht Yasu“, fauchte Samu ihm ins Ohr. „Ich habe gesehen dass der Geldhahn da ist und dich rangewunken hat, also bewege deinen Arsch in dieses verflucht teure Schoß!“

„Mach’s doch selber, der will doch nur was zum Vögeln, so wie alle hier. Du hast auch ´n hübschen Arsch, zeig ihm den ruhig mal“, winkte er abwertend, ganz auf Samus Niveau befindend, welcher jedoch nur die flache Hand gegen Yasus Stirn schlug.

„Er ist aber wegen dir hier. Verärgere ihn nicht, das könnte ein Langzeitkunde werden, der ja anscheinend mit deiner letzten Leistung zufrieden war! Also los, tu was er verlangt und spiel nicht das Aschenputtel!“

„Ohw … ich möchte aber so gern das weiße Puffkleid tragen Samu.“

„Und ich möchte dich darin so gerne anzünden du kleine Schnepfe!“

„Nnnaain“, schlug Yasu ihm aufglucksend ab, hielt sich an dessen Schultern fest mit einem süffisanten Schmunzeln. „Du traust dich ja nur nicht mich darin zu heiraten, weil mir weiße Puffkleider nämlich unlaublich gut stehen.“

„Unlaublich, ja.“ Ein schnippser an die Stirn folgte mit tiefen Augenrollen, dann nickte Samu in Masaos Richtung, welcher an der Bar stand, worauf sich gerade zwei Hosts halbnackt umgarnten, innig küssten und jenseits der Gürtellinie berührten. Alles was geschah zeichnete sich unter der engen Panty ab, sodass diese eher als schlechte Verpixelung galt, als wirklichem Geheimhalten, während Yasu die Maid erneut anhielt, um sich zwei Wodka zu nehmen, sie zu trinken, und abermals von fremden Händen und Körpern angetanzt wurde – blickte dabei allerdings zu seinem jüngeren Kollegen. „Versau’s nicht, noch ist er da“, zischte dieser ihm entgegen, doch Yasu schien nicht zu begreifen, gluckste nochmals auf und wandte sich ab. Er hatte längst zu viel auf einmal in kürzester Zeit getrunken und zu Abend nichts gegessen.
 

Oft tat er das, um nicht ganz bei Sinnen zu sein. So verdiente er mehr Geld.

Stolz war er darauf nicht, aber es war seine Methode sich immerhin ein wenig seiner Würde zu behalten, wenn ihm nicht ganz bewusst war was er zu mancher Stunde trieb.
 

Schnell zog er sein bislang bekommenes Geld aus dem Gürtel, knüllte es etwas unbeholfen zusammen und steckte es in die Hosentasche, als bereits neue Scheine zwischen das Leder geklemmt wurden, und Yasu sich den ungeschickten Tanzversuchen anpasste, die diesmal von einer Frau ausgingen. Neben ihm tanzte sich ein ehemaliger Stammkunde näher, welcher schlichtweg so ziemlich jeden Host des Clubs für einen längeren Zeitraum vereinnahmte und schien wohl durch zu sein, um bei Yasu von vorn zu beginnen. Erklären konnte sich der Musiker dessen Auftreten immerhin nicht anders, und schien wenig begeistert darüber.
 

Genau solche Kunden brachten ihn noch vor Schichtbeginn zu Kenta an die Bar, welcher ihn einen Schnaps zum Vorglühen aushändigen musste, wobei ihm einfiel, dass er heute schon einen Doppelten hatte und … wie viel Wodka?

Ein erzwungenes Lächeln folgte hinüber zu diesem Koreaner-Mischling, welcher eine Bierflasche in der Hand hielt, sie anhob und einen kräftigen Schluck davon nahm, nur um die Fahne dessen anschließend fein säuberlich an Yasus Ohrmuschel zu kleben.
 

Der unausstehlich, widerliche Teil seiner Arbeit – ging ja schneller als gedacht.
 

„Na? Lange nicht gesehen. Hast du Lust nach hinten zu gehen?“ Auf einen der Sessel im abgedunkelten Bereich, wo Schößchen erlaubt war – für mehr würde er dem Host noch weitaus mehr Geldscheine zwischen Hose und Gürtel schieben müssen, was bedeuten würde, dass er mit ihm nach oben in einem der Gästezimmer verschwand. Doch ein Blick genügte und der Musiker verstand dass der Kunde wirklich ‚nur‘ nach hinten gehen wollte, als ein schweres, frauliches Seufzen seine Aufmerksam erhielt.

„Schade dass du schwul bist“, durchbrach das Blondchen die Musik mit erhobener Stimme, wickelte eine blond gefärbte Locke um den Zeigefinger und machte eine schade findende Mimik. „Du bist so heiß, würdest du mir nicht wenigstens einmal die Brüste massieren?“
 

Oh bitte nein – dafür brauchte Yasu noch zwei Wodka mehr.
 

Allerdings Flaschen.

Zwei ganze Wodkaflaschen!
 

Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, sah auf die beiden gut verpackten Brüste vor sich und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie Heterotypen nur auf sowas abfahren konnten.
 

Brüste waren das ekelhafteste was es gab und könnten in jenem Augenblick für den aufkommenden Schwindel und die gefolgte Übelkeit verantwortlich sein, weswegen die Hände über das erhitzte Gesicht fuhren und die Lunge einen tiefen Atemzug einforderte. Er musste dringend einen Momentlang an die Luft, sah sich hilfesuchend nach Samu um, welcher Brüste wiederum außerordentlich prima fand, ehe er der Frau vor sich eine übertrieben höfliche Ausrede an die Backe nageln wollte.
 

„Würde ich, a-“

„Nicht jetzt und nicht heute“, legte sich ein Arm von hinten über seine Schulter und seine Brust hinweg, drückten ihn zurück an den Körper, welcher sich gegen ihn lehnte und die schönste Stimme

der Welt beherbergte.
 

Sein Herz begann zu rasen, die Übelkeit schwand, der Schwindel jedoch nahm zu.

Hatte er etwa gewonnen?
 

Ein schelmisches Schmunzeln stahl sich auf die Lippen des Musikers, als sich Masaos Kinn auf eine Schulter stützte und die seinigen wiederum gespielt entschuldigend anhob. Den ehemaligen Stammkunden schob er bei der Gelegenheit direkt von Yasus Körper. „Sorry, aber das Prinzesschen ist heute ziemlich bissig. Ich kümmere mich darum.“

Offensichtlich ließ er die Geldscheine mit der anderen Hand an Yasus Gürtel wandern, steckte einen nach den anderen zwischen Gürtel und Lederhose, den Blick arrogant heftend auf der Blondine gehalten, während sie ganz verlegen wurde und zugleich erstaunt darüber war, wie viel Geld der Host einnahm. Ebenso beachtlich sah der Mischling auch drein und Yasu warf diesem einen genauso geschauspielerten Blick der Verzeihung entgegen, als das Blondchen geschlagen aufstöhnte.
 

Da konnte sie nicht mithalten, Yasu war zu teuer.
 

Und Masao anscheinend wirklich nur auf ihn aus, was ein siegreiches Grinsen seitens des Hosts nicht verheimlichte, welcher Masao nun über die Schulter hinweg ansah und provokant nickte. Er war zu ihm gekommen, konnte er sich etwas darauf einbilden?

„Ungeduldig und verzogen, hm?“ Yasu bezog es auf Masaos Art, ohne zu wissen, wie viel Geld er ihm da eigentlich gerade unterschob. Deutlich war allerdings, dass es wesentlich mehr Scheine waren, als von den beiden eben umdrehenden Kunden zusammen.

„Einzelkind“, antwortete Masao nur simpel darauf mit einem smarten Lächeln, schob die Hand tiefer über die Brust hinweg, umgriff mit beiden Händen die Hüfte und presste den schönen Hintern seines Auftrages gegen seine Lenden, die bislang nichts verräterisches andeuteten. „Und jetzt tu etwas dafür, dass du diesen Schwanz nicht wirklich noch vergessen musst“, raunte er in sein Ohr, fuhr mit der Zunge die Ohrmuschel entlang, welche nicht nach Bier schmeckte und schmunzelte weiterhin schelmisch, als Yasu die Unterlippe angetan darüber zwischen die Zähne klemmte und sich wie auf Knopfdruck erneut zur Musik zu bewegen begann.
 

Den Hintern fest gegen Masaos Lenden gedrückt, bewegte sich die Hüfte gekonnt, grazil und aufreizend gegen diese. Die Arme hoben sich über den Kopf hinweg, ruhten anschließend flach an Masaos Halsseiten, bevor die Finger kraulend über die feine Haut hinwegtanzten, während sich die Augen einen Moment lang genussvoll schlossen.

Der Körper hinter ihm war so aufreizend, so anziehend, zog selbst einige Blicke von Kunden auf sich und machte Yasu regelrecht stolz, dessen Körper in jenem Augenblick selbst von zwei wundervollen Händen bewandert wurde. Sie schoben sich an den Seiten hinauf, glitten gen Bauchnabel nach vorn hinab und links und rechts am Schritt vorbei, um sich an die Innenseiten der Oberschenkel zu legen, während die Arme ihn noch mehr mit dem Rücken gegen den Körper des Älteren pressten. Dessen Hüfte folgte dem Rhythmus des süßen Hintern, begann das Hemd vom Saum ausgehend aufzuknöpfen – langsam und geheimnisvoll der Musik angepasst.
 

Yasu sank die Arme, führte sie seitlich nach hinten und griff an Masaos Hintern, krallte sich wie eine Katze mehrmals mit den Nägeln in die Pobacken und schob anschließend die Handflächen an ihnen hinab, wieder hinauf und schließlich in die Gesäßtaschen der dunkelgrauen Jeans. Erneut massierten die Hände darunter den Hintern, drängten Masaos Becken gegen seinen aufreizenden Hüftschwung und schmiegte den Oberkörper mehr noch gegen seinen Hintermann, genoss die intensive Wärme, welche sich zwischen ihren Körpern aufstaute.
 

Hände legten sich auf die frei geknöpfte Haut, strichen angetan über die leicht definierten Muskelstränge und begannen anschließend die Nippel zu umspielen. Sie flach mit der Handinnenfläche zu umkreisen, jeden Finger darüber streichen zu lassen und sie mit Daumen und Zeigefinger fest zu massieren, bis sie hart wurden.
 

Diesmal vor Lust, welcher sich der Musiker hingebungsvoll auslieferte.
 

War das billig?
 

Wieder kam eine Maid an ihnen vorbei, doch diesmal war es Masao, welcher eine Hand von Yasus Körper nahm, um ein Glas vom Tablett zu nehmen, ließ den Inhalt komplett in seinen Mund fließen, und stellte das Glas zurück.

Die schön geschwungenen Lippen glänzten verführerisch im diffusen Scheinwerferlicht, die Lenden wachten auf. Zeigefinger und Daumen schoben sich unter das Kin des Musikers, zwangen ihn in lieblicher Manier dazu zu ihm aufzusehen. Yasus Lippen öffneten sich einen Spaltweit, als er den Kopf seitlich an Masaos Brust lehnte und ließ sich die herbe Flüssigkeit übermitteln, ohne diese sündhaft schönen Lippen zu berühren. Sie folgten erst, nachdem Yasu schluckte und ließen ihre Geschmackssinne eins werden.
 

„Dafür dass du mit deinem Humor knauserst, reißt du hier gerade ´ne Menge wieder raus“, raunte Masao ihm gegen die weich geküssten Lippen, leckte mit der Zungenspitze über die Unterlippe und wurde anschließend in eben jene gebissen, welche von den Zähnen umschlossen etwas gezogen wurde, begleitet von einem wohlwissendem Auflachen.
 

Der Körper des Jüngeren drehte sich in der Berührung, Zähne knabberten an Masaos Schlüsselbein, noch immer schallte ein lustvoller Beat durch die Räumlichkeit, und noch immer konnte es Yasu nicht glauben dass er hier war. Bevor der Zauber auch diesmal erlosch, fuhr er mit den Händen zwischen offenem Blazer und ebenso weißer Bluse an den Seiten des Körpers entlang, legte diese an den etwas breiteren Rücken und ersetzte schlichtweg die Metallstange mit seinem Gast – bewegte sich nun an diesem aufreizend und verrucht hinab, fuhr dabei mit den Fingernägeln fester über dessen Rücken, blieb mit gespreizten Beinen in der Hocke vor seinem Ölprinzen am Boden und biss schließlich, während er herausfordernd, provokativ zu ihm aufblickte und seinen Blick einfing, in dessen Schaft, welcher sich offensichtlich begann hinter dem Stoff abzuzeichnen.
 

Allein die Lippen tasteten die wachsende Härte entlang, erkundigten sich wortwörtlich nach der Lage. Erst als sich der Musiker sicher zu sein schien, begann er mit den Zähnen gezielt danach zu suchen. Nach diesem kleinen silbernen Schmuckbeisatz. Es dauerte nicht lange und das Piercing war durch Nachdruck mit den Lippen zu erfühlen, wurde durch die Textilien zwischen die Schneidezähne geklemmt, um andeutungsweise daran zu ziehen - hatte sich daran längst einen Narren gefressen.
 

Masao hob die Hände, führte diese seitlich durch Yasus Haar hindurch, legte eine anschließend an dessen Wange, während die andere begann erneut durch das gegelte Haar zu streichen, wie es das Styling vorgab und blickte den vor ihn hinabgesunkenen Körper reichlich aufreizend an.
 

Nötig hatte er es wirklich nicht, aber er musste sich eingestehen dass Yasu ein heißes Luder war. Zudem durfte die Tatsache nicht vergessen werden, dass er schlichtweg auch nur ein Mann war. Er durfte zwar sein Hirn benutzen, aber das missachtete der Körper sehr gerne zu 87% seines Lebens.
 

„Ich hab so bock dir einen zu blasen.“

Masao schmunzelte, schob eine Hand unter Yasus Kinn, hob es an und weg von seinem verborgenen Schaft. Allein ein Blick genügte, ein Nicken, und der Host erhob sich elegant von seiner Position, wurde erneut an den Schönling herangezogen, dessen Hände über den Oberkörper hinabglitten und Yasus Gürtel öffneten. „So?“ raunte die dunkle Stimme diesen entgegen. „Ich hab so bock dich einfach hemmungslos zu nehmen“, war die Antwort, welche sich der Host sogar erhoffte, wie er nun erschrocken feststellte.
 

Wer wollte nicht von seinem Verknalltsein-Opfer flachgelegt werden?
 

Der Blick fiel auf Masaos geschickte Finger, und er hätte bei seinem angetrunkenen Zustand nicht einmal etwas dagegen, würde dieser seine Vorstellung jetzt und hier in die Tat umsetzen. Aber es war hier nicht gestattet. Nüchtern betrachtet auch mehr als Vernünftig. Allerdings warf er somit zeitgleich einen Blick auf das Bündel Geldscheine, welches Masao ihn eben zugeschoben hatte, hörte aber schon nach den ersten auf.
 

Es war mehr als genug.
 

„Damit könntest du mich … von vorn … von hinten … ja, von überall nehmen, wie du möchtest“, raunte er heiser gegen die Lippen, küsste diese und biss erneut in die Unterlippe, um daran zu ziehen. „Aber nicht hier.“

Masao öffnete die Gürtelschlaufe mit einem schelmischen Schmunzeln, sammelte blind die Geldscheine des Hosts ein, der sich sicher war keinen davon missen zu müssen, und sollte Recht behalten mit seinem Vertrauen diesbezüglich. Masao steckte sie allesamt in seine Hosentasche, bevor er den Gürtel gänzlich öffnete, ebenso den Hosenknopf, den Reißverschluss – um anschließend ohne Umwege direkt unter den Stoff dieser, und zeitgleich unter der enganliegenden Panty zu gleiten.

Fest umschloss er den erhitzten, aber bereits harten Schaft, lockerten den Griff wieder, um mit der gesamten Handfläche nachdrücklich darüber zu streichen, Yasu einen Laut zu entlocken, ein lustverhangenes Gesicht zu zeichnen.
 

Es funktionierte.
 

Der Musiker war bereits hin und weg, sah kurz um sich, sah auf die kleine Bühne, zur Bar und zur abgedunkelten Ecke. Auch auf der Tanzfläche, wo sie in jenem Moment standen, sah er sich um, nickte dann allerdings fragend nach oben.

„Oder was soll mir deine Summe sagen?“, brachte er seinen gegenüber zum Lachen, wurde somit fester herangezogen mit einer Hand. „Um sicher zu gehen, dass dich kein anderer vögelt. Ist doch so, oder? Wer am meisten hinlegt, bekommt den Bonus? Lohnt es sich denn hochzugehen?“

Yasu nickte nur schmunzelnd, drängte seinen Unterleib gegen Masaos Hand, welcher die pulsierende Härte wieder umschloss, diesmal auch begann sie unter dem engen Stoff so gut es möglich war zu massieren, während sie unbemerkt davon, noch immer in Bewegung waren mit ihren Körpern.
 

Völlig im Einklang.
 

„Zwei Stunden“, zeigte Yasu Zeige- und Mittelfinger tanzend auf, brachte den Schönling deswegen dazu nun nach oben zu nicken, als Antwort darauf, dass es sich lohnte.
 

Er würde gerne mehr solcher Aufträge bekommen …
 

***
 

„Harukaze! Wenn du das hörst ruf sofort zurück! Yurika scheint zurück in Japan zu sein! Hast du den kleinen Bruder schon am Wickel? Prügels aus ihm raus, ob das kleine Miststück schon die ganze Zeit über in Japan war! Das Biest führt uns an der Nase herum!“
 

Gerade als sie nach oben in einem der Gästezimmer verschwanden, entschuldigte sich Yasu für einen Moment, was Masao – welcher noch längst keinen Dampf hatte - nutzte, um seine Mailbox abzuhören. Der Blick dabei auf das kleine Badezimmer gerichtet, darauf bedacht, sobald sich ein Schatten vor die Lüftungsschlitze an der Türleiste schob, aufzulegen, als er schließlich tat wie ihm gehießen. Da die Dusche eindeutig zu vernehmen war hatte Masao wenige Minuten um seiner Akte ein Update hinzuzufügen.
 

„Woher wisst ihr das, gibt’s Indizien?“

„Die Kisten sind weg. Allesamt!“

„Gówno!“, zischte er zornig auf Polnisch in den Hörer. „Głupiec! Wie kann das bitte sein?!“

„Die Kamera wurde abgestellt und an den Türen sind keine Einbruchspuren. Es muss also jemand gewesen sein, der genau weiß wo die Technik ist und zudem im Besitz eines Schlüssel zum Lagerraum ist. Wir sind nur drei Leute die Zutritt ins Lager haben und Schlüssel, sowie Technik haben und das sind Du, Ich und Yurika. Es geht gar nicht anders, jemand anderes kommt doch auch gar nicht ohne weiteres auf unser Gelände! Sie muss wieder da sein!“

„Kurwa …“, strich sich Masao wieder mit einem polnischen Ausdruck für ‚Hure‘ mit den Fingern über das Kinn und schielte schwer atmend zum Badezimmer.

„Wir müssen Neidlos anerkennen, dass sie gut ist Harukaze.“

„Muss in der Familie liegen …“, grinste er dreckig in den Hörer mit gesenkter Stimme und kannte Yurika, sowie nun auch deren kleinen Bruder, welcher sich wusste zu bewegen – genau, wie die Schwester. Sie war flink, geschickt, ließ sich nie erwischen, traute sich nun anscheinend sogar still und heimlich wichtiges Hab und Gut zu entwenden, obwohl sie als verschollen galt.
 

War das überaus dämlich oder tatsächlich grandios?
 

Wie oft war Masao mit Yurika auf Streifzug um diverse Drogengeschäfte abzuhandeln, Massen zu stehlen und sie weiter zu verticken? Natürlich war es Yurika, welche die Bananenkisten entwendet haben muss – die Frage war nur wann und wie.

Der Gedanke entlockte dem Yakuza ein hämisches Schmunzeln, denn er mochte solche Katz und Mausspiele. Erst Recht wenn er ganz genau wusste dabei auf dem Siegertreppchen zu stehen, und als sich die Badezimmertür öffnete, wusste Masao auch, wer ihn genau dahin bringen würde und klappte sein Handy ungesehen zu.
 

Ein nackter Yasu hatte durchaus sehr viel mehr Reize als verschwundene Bananenkisten, welche Koks beherbergten. Abgesehen davon – er befand sich schließlich mitten in der Arbeit. Die Akte ‚Yasu‘ musste und wollte ganz offensichtlich dringend bearbeitet werden. Der lehnte sich mit vielsagendem Wimperklimpern gegen den Rahmen der Badezimmertür und präsentierte sich ganz offenherzig.
 

Besoffen – aber sehr offenherzig.
 

***
 

„Liebes Tagebuch,
 

muss demnächst aufhören zu trinken bevor ich zu arbeiten anfange.

Oder bevor ich sauer werde und mir komische Sachen denke.

Oder bevor ich doch den Schwanz einziehe und nur tanze, statt Happy Endings zu verteilen.

Oder bevor ich hemmungslosen Sex habe mit einem außergewöhnlich faszinierendem Wesen.
 

*grübel, grübel und studier*
 

Ich merke gerade dass ich vielleicht generell weniger trinken sollte.
 

Gott, was ist mir schlecht …
 

Yasu“
 

***
 

Yasu hatte noch keine argwöhnischen Sexgeschichten zu verzeichnen. Bislang lief alles unspektakulär ab oder war schlichtweg ganz weit in die Schublade ‚Geheimnisse 2010 bis 2015‘ abgeschoben.

Doch diesmal würde er vielleicht eine weitere Akte dazulegen, ja, vielleicht sogar eine neue Schublade frei machen für ‚schmutzigen Sex‘ und ‚dirty Talk‘, der mehr reinknallte in die Blutbahnen, als der vorher getrunkene Wodka und ihn völlig Willenlos werden ließ. Die Seite war selbst ihm neu, hatte er sich bislang niemanden komplett hingegeben, hatte stets nachgedacht bei allem was er tat – selbst in Trunkenheit. Doch jetzt schaffte es Masao dass Yasu komplett abschaltete, sich im Laken hin und her wühlte, sich an seinem Körper festkrallte, sich an ihm klammerte, lauthals stöhnte ohne sich zurückzunehmen, während er ihn genauestens dabei fixierte, musterte und lüstern schmunzelte die ganze Zeit über.
 

Yasu hatte sich so an seinem Piercing fasziniert, dass dieser nicht bemerkte, wie Masao in seine Hosentasche griff, eine kleine Pille hervorholte und sie wie eine Brausetablette auf der Zunge zergehen ließ. Der nachfolgende Kuss diente lediglich zur Übertragung des entspannungsfördernden Mittels, und es faszinierte wiederum Masao, wie furchtbar schnell Yasu High wurde.

Er selbst war dieses Wundermittel längst gewöhnt, konnte auch nicht mehr ohne, denn dann würde er durchdrehen – die Emotionen und Gefühle, welche ein menschlicher Körper tief innen drin besaß würden hervorkommen, sein Gewissen verprügeln, ihn nie mehr schlafen lassen.
 

Diese Happy Pils halfen ihm dabei entspannt und locker zu sein, gehörten längst zu seinem Leben, wie die Luft zum Atmen.
 

Yasu allerdings hatte noch niemals Drogen genommen, kannte sich damit nicht aus, und Dank des Wodkas, der noch immer einen geschmacklichen Film auf seiner Zunge legte, hatte er nicht bemerkt wie er etwas süßliches zu gezüngelt bekam – fühlte sich urplötzlich einfach nur bis aufs äußerste erregt und entspannt zugleich, weswegen auch die Schmerzgrenze sehr viel höher lag, als gewöhnlich.

Zwar achtete Masao darauf, dass sich der Muskel um ihn nicht verkrampfte, aber da Yasu keinerlei Protest startete, behandelte er ihn auch nicht wie ein rohes Ei, ließ sich aufnehmen, in die hitzige Enge treiben und so tief wie möglich aus der Hüfte heraus zustoßen.
 

Das Gesicht des Musikers zierte mit jeder Sekunde mehr ein feiner Schweißfilm, sowie ein rötlicher, Rouge artiger Schimmer auf den Wangen. Der Kreislauf kam in Schwung, die Kehle tanzte mit der Lust, die sich auf die Stimmlippen legte, und die Klänge deutlich belegter zwischen den tiefroten Lippen hervorkamen, als normalerweise. Es klang schmutzig, dreckig, angeraut – es klang nach Sex.
 

Entspannten, genussvollen Sex, wie ihn der Host lange Zeit nicht erleben durfte.
 


 

Masao hatte sich dem Latex entledigt, seinen Slip angezogen, sowie die Hose und saß nun mit noch offenem Hemd an der Bettkante um in Ruhe eine Zigarette zu rauchen, während Yasu völlig fertig auf der Matratze lag und sich nicht mehr regte.

Seit Zehn Minuten lag er einfach nur da, die Arme von sich gestreckt ohne auch nur einen Ton von sich zu geben. Zeit, welche der Yakuza nutzte, um dessen Wesen ganz in Ruhe mit skeptischer Mine zu mustern.

Klar, sein Ego befand, es war außer Frage, dass er gut war, aber noch nie hatte sich eine Liebelei danach selbst erledigt, weswegen er sich etwas nach vorn beugte, um den anderen genauer unter die Lupe zu nehmen. Außer einer kräftigen Atmung konnte er allerdings nichts feststellen, erhob sich daraufhin schulterzuckend um den Gürtel seiner Hose zu schließen, ehe er sich schließlich vor das Bett hockte und Yasus Lider mit dem Daumen anhob, um zu prüfen ob er noch auf Licht reagierte. Doch da kam schon ein mauliger Laut aus dessen Kehle, welche klang, als habe sie drei Tagelang stillgestanden.
 

„Hey“, schmunzelte Masao amüsiert, strich dem Host durch das Haar, der sich noch immer nicht regte und erhob sich seufzend. „Verträgst wohl nichts weiter, hm?“ Die Zigarette landete mit festem Druck im Asher auf dem Nachttisch, das Augenpaar behielt den Host amüsiert im Auge.

Keine Reaktion, einzig und allein ein kläglicher Versuch sich zu räuspern folgte, woraufhin der schöne Zyklop schwer seufzte. War wohl ein kleines Sensibelchen, dieser humorlose, aber sehr attraktive Musiker. „Die zwei Stunden sind gleich um.“
 

Wieder räusperte sich Yasu nur schwer, versuchte zu schlucken, doch seine Kehle war wie ausgezerrt, als habe sie Tagelang keinen Tropfen Wasser oder Speichel gesehen. Allmählich wurde Masao stutzig, der die Stirn fraglich in Falten legte und sein eben aufgehobenes Hemd in der Hand sinken ließ.

„Yasu?“ Er beugte sich erneut über den Host, drehte dessen Kopf und begann ihn abermals eindringlich zu mustern, tätschelte ihm die Wange, dass er endlich die Augen richtig öffnete – tat er aber nicht.

„Jetzt komm schon, du kannst unmöglich so derart betrunken sein, dass dich das bisschen vögeln so aus der Bahn wirft – auch wenn’s mich natürlich sehr ehrt“, scherzte er recht trocken, wollte in diesem Augenblick aufgeben und den Trunkenen schlichtweg ausnüchternd zurücklassen, als etwas tief in ihm gegen sein Vorhaben sprach.
 

Irgendetwas war komisch.

Lag es etwa an den Drogen?

Hatte der andere Unverträglichkeiten, Allergien?

Masao nahm längst täglich die dreifache Dosis, hatte selbst sicherlich von der kleinsten Menge vorhin einen Großteil im Körper behalten, weswegen er sich ziemlich sicher war, dass Yasu kaum darauf so stark reagieren konnte.
 

Oder doch?
 

Tatsächlich spürte der Yakuza eine Art Unruhe in sich, als Yasu die Augen nicht öffnete und stattdessen einen japsenden, nach Luft holenden Laut hervorbrachte, welcher ziemlich gequält klang. Sollte der ihm jetzt abnippeln, noch bevor er wusste wo Yurika sich aufhielt, wäre das strategisch gesehen völlig unvorteilhaft. Außerdem hatte er jetzt so gar keine Lust darauf eine Leiche aus dem Szeneviertel zu zerren, weswegen er sich schwer aufseufzend die Stirn kratzte, fast schon genervt schien. „Alter, verarscht du mich? Wenn ja, dann reicht’s jetzt langsam.“
 

Tiefes Luftholen folgte, anschließend zitterte der Körper des Musikers leicht und unkontrolliert, als würde er stark frieren. Sämtliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Ihm war so furchtbar schlecht. Ihm war so furchtbar kalt, dann wiederum so furchtbar heiß. Sein Herz stolperte, der Kopf pulsierte. Am liebsten wollte er schlafen. Eine ganz lange Zeit nur noch schlafen, drehte den Kopf erschöpft auf die eine, dann auf die andere Seite, sah zu Masao auf, als ein trockener Husten ihn heimsuchte und ihm die Tränen in die Augen jagte.
 

Er wollte so gerne antworten, aber der Alkohol und sein altbekanntes Leiden lähmten Körper und Geist.
 

Masao hatte sich währenddessen zurück an die Bettkante gesetzt, kniete mit einem Bein auf der Matratze, das andere hing darüber, stand mit dem Fuß auf dem Boden, als er sich abermals über Yasu beugte und diesmal sehr ernst dreinblickte. „Yasu? Verdammt was ist los mit dir? Hast du irgendwelche Medikamentenunverträglichkeiten?“
 

„…“

Nicht das er wüsste.

Wieso fragte Masao überhaupt danach?
 

„YASU!“ Ein Befehlston, der ihm die Augen öffnen lassen sollte, was nun auch glückte. Zwei glasige und dennoch kleine Augen blickten den Yakuza hilflos entgegen, der wiederum erneut die Wange des Hosts tätschelte, um ein Wegnicken zu verhindern. „Ist dir schlecht?“

„Ich …“ Ihm war furchtbar schlecht. Reden strengte an, die Stimme brach weg, weswegen erneut ein Räuspern folgte.
 

Er musste sich mitteilen. Er musste sich unbedingt mitteilen, weswegen so viel Luft wie nur möglich in den Lungen landete, um damit genügend Kraft zu haben für das Ausschlaggebende Wort, was hoffentlich alles erklärte.

„Unterzucker …“, presste er schließlich hervor, und Masao, welcher näher herangekommen war, zog zunächst angestrengt, um Yasu verstehen zu können, die Brauen tief ins Gesicht, ehe er ihn schließlich mit großen Augen ansah.
 

Unterzucker?

„Dein Ernst?“

Yasu nickte schwach, deutete nach oben, meinte den dritten Stock. Alles drehte sich in ihm. Sein Hirn, sein Magen, seine Zunge. Er war besoffen, noch ein wenig high und unterzuckerte gerade, was auch ein verräterischer weißer Rand um Mund und Nase langsam deutlich machte.

Masao war dieses Phänomen bekannt. Yurika war ihm mehr als nur einmal unterzuckert, was ihm wiederum ein Rätsel war. Wer eine Krankheit hatte, kümmerte sich doch normalerweise darum. Die Geschwister schienen dabei jedoch eine Ausnahme zu bilden, weswegen der Yakuza unweigerlich mit den Augen rollte.
 

Wie blöd waren die denn bitte?

Oder konnte man solche Situationen ohnehin tatsächlich niemals vermeiden?
 

„Hast du so‘n Messdings? Wo hast du‘s? Hey, guck mich an, wo ist das Blutzuckermessgerät?“

Noch immer herrschte Unruhe in Masao, doch er wirkte kontrolliert, bekam nur wieder einen Fingerdeut nach oben, woraus er sich nichts nehmen konnte – nicht, wenn er einer von vielen normalen Gästen wäre. Aber er wusste ganz genau dass Yasu hier im Hause wohnte. Im obersten Stockwerk. Das musste er riskieren, ansonsten wäre sein Job schneller erledigt, als geplant.

„In deinem Zimmer? Alter, bleib wach, ich hab keine Zeit für Beileidsbekundungen. Wo ist dein verfluchtes Zimmer?!“

Ohne auf Antwort zu warten, hievte er den Host aus dem Bett, denn wo dessen Zimmer war, wusste Masao natürlich. Er könnte allerdings später behaupten, dass Yasu ihm all das selbst sagte und zeigte, er würde es ohnehin nicht mehr wissen. So packte er den Host über die Schulter, in der Decke eingewickelt und verließ fluchtartig den Raum. Zu seiner Überraschung sah er niemanden auf den Fluren, und bevor der Fahrstuhl käme, wählte er lieber die Treppe und klopfte seinen Kollegen gedanklich mehrmals kräftig auf die Schulter.
 

„Hier ist der Gebäudeplan vom Club.“

„Wozu brauch ich den?“

„Ich dachte du machst den Bruder klar? Der wohnt dort. Schadet nicht, wenn du dir schon einmal deinen Fluchtweg ansiehst“, zwinkerte man ihm entgegen.
 

Dass dieser Fluchtweg gerade eher der Notfallweg war, war so sicherlich niemals gedacht, und wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum hier niemand umhereilte. Der Gebäudekomplex in welchem er einbog war eigentlich leer, und eher als Alternative gedacht im Falle eines Brandes – also nicht genutzt.

Doch kaum war er oben angekommen, musste er feststellen dass die Tür verschlossen war. Zurückrennen war keine Option, das dauerte zu lange. Das Schloss gekonnt öffnen, ohne Spuren zu hinterlassen war hier in dieser Situation unmöglich – so blöd war Yasu nicht, das hatte der Yakuza schon herausgefiltert, weswegen er sehr vorsichtig mit dieser Aufgabe umgehen musste – allerdings nicht mit der Tür, die kurzerhand ein paar gewaltige Tritte bekam, um anschließend aus dem Schloss gerissen, wackelig nach innen aufschnellte mit dem bekannten Geräusch von berstendem Holz und einen dumpfen Knall an die angrenzende Wand.
 

Er hatte schlichtweg keine Zeit.
 

„So. Wo ist das Zeug?“ Er setzte den Host auf dessen Bett ab, hielt die Hand flach gegen dessen Schulter dass er nicht umkippte. Auch wenn der vor bebendem Körper und Übelkeit nicht mehr wusste wo oben und wo unten war, deutete er entkräftet auf seinen Rucksack, welcher auf dem Schreibtisch lag. „Schwarze … Mappe …“, zitterte er hervor und beobachtete den Ölprinzen dabei, wie dieser nach dem Mäppchen suchte, es an sich nahm und noch beim zurückkommen den Reißverschluss öffnete, um das Blutzuckermessgerät, einen Messstreifen und die Stechhilfe hervorzuholen.

Yasu streckte seine zittrige Hand danach aus, völlig verschwitzt und erkaltet, von blauen Adern übersäht. Doch er spürte im nächsten Moment warme Hände, welche sich um die seine schlossen, sie warm rieben im schnellen Tempo. Anschließend ein Stich seitlich an der Kuppe des Ringfingers, und schließlich ein bekanntes und kurzes Piepen, sobald der Blutzuckerwert ermittelt war.
 

Masao kannte sich aus?
 

„61mg/dl?“, entwich es diesem, zeigte das Display des Messgeräts mit dem darauf anzeigenden Wert und Yasu kniff die Augen zusammen, um es selbst noch einmal zu lesen.

„Oh.“ Das war bedrohlich niedrig. „Cola. Im Kühlschrank ist … Cola. Und Obst … und … gib mir bitte … meinen Rucksack …“ Er brachte kaum mehr einen Satz hervor, doch Masao ließ alles stehen und liegen, warf Yasu seinen Rucksack entgegen, der gleich in die Seitentasche griff, um Traubenzucker hervorzukramen, wovon zwei Plättchen im Mund verschwanden und er tief ein und wieder aus atmete.
 

Ganz ruhig bleiben.

Zucker hochpuschen, und ruhig bleiben - nicht umfallen.
 

„Eimer auch?“, wollte Masao wissen, doch dies verneinte Yasu.

Nein – weder umfallen, noch spucken.
 

Masao beobachtete den Jüngeren skeptisch bevor er in der kleinen Küche stand, die ganz schlicht und einfach eingerichtet war, allerdings überall Verblendungen vor sämtlichen Geräten aufwies. Es war nicht ersichtlich hinter welchem Griff sich der Kühlschrank versteckte, gab es zwei große, schmale Schränke in der hellen Küchenzeile. Natürlich war der erste Versuch ein Fehlgriff, doch schon der zweite eröffnete ihn einen wahrlich gut befüllten Kühlschrank.

Ein Fach komplett mit Fruchtsäften und Cola ausgelegt, abgepacktes Obst in den unteren Fächern, wo er einfach blind zugriff, und irgendetwas herausholte, sowie eine Flasche Cola, um damit zurückzukehren in das Zimmer nebenan, wo Yasu mit wippenden Beinen auf dem Bett saß, sich die Decke fest um den nackten, zittrigen Körper schlang und schließlich voller Sehnsucht die Hände nach dem gereichten Obst und zuerst nach der Flasche Cola ausstreckte.

Reichlich trank er einige Züge, wobei die Augen heftig tränten und die Speiseröhre brannte Dank der kühlen Kohlensäure, ehe er in die Banane biss, die Masao ihm währenddessen abschälte und reichte.
 

Er war heute aber auch wieder überdurchschnittlich sozial veranlagt, das musste er schon zugeben.
 

Yurika hatten Bananen immer über Wasser gehalten. Wahrscheinlich war es naheliegend dass es dem kleinen Bruder genauso ging. Doch der verzog nur angewidert das Gesicht während er das Obst kaute, weiterhin mit den Beinen wackelte und sich zittrig über die Augen strich.

Bananen waren sehr effektiv, aber einfach nicht Yasus Geschmack, weswegen die Atmung einen Augenblick anhielt, um das aufkommende Ekelgefühl zu unterbinden.
 

„Sicher, dass ich keinen Eimer holen soll?“, wollte Masao in Lauerhaltung wegen dieser offensichtlichen Handlung wissen, bekam als Antwort jedoch ein energisches Kopfschütteln. Ein kotzender Host war jetzt auch nicht das, was er unbedingt mal gesehen haben musste. Aber es schien ihm ohnehin erspart zu bleiben, denn man konnte regelrecht zusehen, wie die verräterische Blässe um Nase und Mund langsam zurückging, sich stattdessen wieder allmählich eine gesunde Gesichtsfarbe einstellte. Damit war das schlimmste durch und Masao ließ sich seufzend neben Yasu nieder, legte die Hand auf den schmalen Rücken, strich beruhigend darüber, und …
 

Wieso tat er denn sowas?
 

„Ich gehe nochmal runter ins Zimmer und hole unsere Klamotten hoch. Du kommst doch erstmal klar wieder, ja?“

Yasu nickte dankend, konnte das Widerwärtige in seinem Gesicht allerdings nicht verstecken während die Wangen voller Bananenbrei steckten, und Masao dadurch schlichtweg zum Auflachen brachte.

„Und du willst wirklich keinen Eimer?“, lachte er hervor, als er das Gesicht so sah, wurde nun allerdings sogar schwach angedeutet in die Seite geboxt.
 

„WAS GEHT HIER VOR?! WAS IST PASSIERT?!“
 

Watanabe-san stand in der Tür, darauf eingestellt gleich einen ungebetenen Gast die Leviten zu lesen, doch alles was er vorfand, war ein lachender, halbnackter Kunde, sowie einen angewidert bananenkauender Host, eingehüllt in der Decke aus dem Gästezimmer. Die Hand hebend zum Gruß.
 

„Takahashi? Was ist hier los? Was war das für ein Knall?“, wollte der Wächter wissen, doch der Gefragte schmunzelte nur gequält, als Masao sich erhob und sich etwas verlegen wirkend am Hinterkopf kratzte. „Er ist unterzuckert“, erklärte er kurz und knapp. „Ich hatte keinen Schlüssel, aber seine Messsachen waren hier, deswegen … Ich bezahle das natürlich“, zeigte der Yakuza auf die kaputte Tür, nickend, als sei das logisch und käme öfter mal vor, ehe er dem großen und breit gewachsenen Watanabe-san kumpelhaft auf die Brust klopfte und den Raum zunächst verließ.
 

Etwas irritiert strich sich der Wächter den Klopfer imaginär von der Brust, warf einen prüfenden Blick hinterher, ehe er Yasu eindringlich musterte. Auch er kannte schon einige Unterzuckerungen und ja – es sah ganz danach aus. „Dann werde ich mal Maiko anrufen und Sie bitten dich anzusehen“, seufzte er schwer, zog das Handy aus der Hosentasche und rief schließlich die Clubärztin an, welche sich um die Hosts kümmerte, und zu jeder Tages- und Nachtzeit für diese zu erreichen war. Wenn es um den hübschen Yasu ging war sie sogar doppelt so schnell im Club.
 


 

Nachdem Masao ihre Sachen aus dem Gästezimmer holte, musste er sich noch eine eindringliche Belehrung von Watanabe-san anhören, von wegen, wie Teuer das wäre, und der Aufwand …

Doch es ging an Masao vorbei wie ein seichtes Sommerlüftchen, der die Ärztin angerannt kommen sah, dem Wächter einen Check ausstellte, welchen er einlösen sollte und Yasu letzten Endes zunickte als Abschiedsgeste, welcher ebenso nickte und nicht wirklich bei klarem Verstand schien.
 

So hatte er sich diese Nacht nicht erträumt.
 

***
 

„Liebes Tagebuch,
 

es ist einige Zeit her, dass ich so stark im Unterzucker war.

Hab viel zu viel getrunken.

Wäre normalerweise gleich eingeschlafen in meinem Zustand.
 

Bin ich aber nicht.
 

Weil ein wildfremder Typ bei mir war.

Weil … ein sehr hübscher Zyklop mir das Leben gerettet hat.
 

Habe das Gefühl ihn nicht wiederzusehen. Wie alle, sobald sie das

kranke Kind in mir gesehen haben …
 

Yasu“
 

***
 


 

Kapitel 4

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„Ahhhh, Schätzchen!! Wie schön dich endlich auch mal wieder zu sehen! Lass dich drücken mein Junge!“ Mit ausgebreiteten Armen kam Dana um ihren Verkaufstresen des Starbucks Geschäfts gegenüber des Hostclubs hervor, und brachte Yasus Körper immer wieder zum Erschaudern, als er die größere, und viel kräftigere Frau mit ihren rot gefärbten Lockenkopf auf sich zukommen sah, um anschließend eine erdrückend herzliche Umarmung über sich ergehen zu lassen.
 

Gleich war es wieder soweit.

Gleich würde er keine Luft mehr bekommen, den typischen Geruch ihres Haarsprays, vermischt mit Starbucksdunst und süßlich schwerem Parfüm kräftig durch seine Lunge filtern, zusammen mit einem Hauch von Minze als Abgang.
 

Yasu schloss die Augen, grinste gequält und wartete schlichtweg darauf das Prozedere über sich ergehen zu lassen.
 

Stets einen Kaugummi kauend und strahlend wie ein übertrieben dargestellter Smiley, kam sie auf Yasu zu, drückte ihn fest an sich, schwenkte nach links und rechts, während sich ein warmes und weiches Dekolleté gegen den Musiker drückte.
 

Oh, wie viele Männer würden ihn darum beneiden?
 

Er konnte innerlich nur Sturzbäche weinen, bis sie wieder von ihm abließ, ihm euphorisch die Arme auf und ab strich, als müsse sie ihn aufwärmen und schob dabei den Kaugummi strahlend von links nach rechts um weiter zu kauen. „Du warst schon lange nicht mehr hier du Bengel. Aber gut siehst du aus, vielleicht etwas mager geworden. Komm, setz dich, ich bringe dir gleich etwas Ordentliches, ja?“

Yasu musste nicht antworten oder dagegen sprechen – es war Zwecklos – saß er ohnehin keine zwei Augenaufschläge später am Tresen und bekam einen heißen Kakao vor die Nase gestellt.
 

Kakao.

Er war 28 Jahre alt und bekam einen heißen Kakao, von der Frau, die stets gute Laune hatte, und so etwas wie eine zweite Mutter für ihn geworden ist. Selbst Samu benahm sich ihr gegenüber nahezu höflich für seine Verhältnisse, ließ kein schlechtes Wort über die Frau kommen und hatte im Suff sogar „Ich liebe Sie“ gesagt.
 

So, wie es ein Sohn über seine Mutter sagen würde.
 

Eine Szene-Mama war sie, war für jeden Host da, hatte immer ein offenes Ohr, baute so manch gebrochenes Herzchen wieder auf und: „Du bist unterzuckert habe ich gehört. Hast du wieder nur gesoffen und nichts gegessen, hm?“
 

Und sie wusste einfach ALLES!
 

Yasu umschloss den warmen Becher mit seinen Händen, bekam drei Päckchen Zucker hinzugeschoben mit einem kaugummikauenden Zwinkern und einem Knuff in die Wange und wusste diese Frage nicht beantworten zu müssen, weswegen sie nur beseufzt und abgehakt wurde.
 

Diese Straße war ein einziges Dorf.
 

„Yurika hat sich gemeldet“, lenkte er stattdessen ein.

„Ach?!“ Erstaunt blickte Dana auf. „Wo treibt sie sich denn rum?“

Yasu hob die Schultern nachdenklich. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Hab nicht gefragt, weil sie schon wieder anfing, ob ich nicht mal …“ Eine ausladende Geste ließ den Satz vollenden und Dana holte tief Luft mit einem Kopfschütteln. „Ja, ja, zum Abladen bist du wieder gut genug. Hast du ihr den Gefallen getan?“ Eindringlich sah sie den Jungen am Tresen an, welcher gerade seine drei Päckchen Zucker in das Getränk rieseln ließ und den Blickkontakt mied.
 

Klares Schuldeingeständnis.
 

„Mhh“, dehnte die Frau Augenrollend hervor, gab einen Gast ein Handzeichen gleich bei ihm zu sein und rief nach einem Kollegen, dass der den vorderen Tresen bediente derweil, als sie sich direkt neben dem Host niederließ, welcher einen niedergeschlagenen Eindruck machte. „Immerhin hat sie sich gemeldet, dann weißt du wenigstens dass nichts passiert ist.“

„Schon“, hob er die Schultern mit einem Seufzen. „Das ist es ja nicht mal. Klar ärgert es mich, aber sie war der Meinung ihre Familie sei total Ausländerfeindlich. Und deswegen melde sie sich nicht mehr. Hat sogar Masahito und Hikaru mal eben aus dem Familienstammbaum gestrichen“, strich er deprimiert über den Pappbecher, zeichnete mit der Fingerkuppe des Daumens den Schriftzug nach. „Ich fahre gleich zum Theater. Sie hat irgendwelche Kisten die sie unterbringen will. Deswegen hat sie auch angerufen. Ob ich Platz habe.“

„Diese Frau hat sie nicht mehr alle, da kannst du von mir denken was du willst. Schwester hin oder her, aber die hat den Knall auch verpasst. Du hilfst doch jetzt nicht etwa auch noch beim Schleppen? Was sind das denn für Kisten? Kontrolliere vorher ob da irgendetwas drin ist, was unnötig Ärger macht“, mahnte sie den Jungen, doch der winkte ab.

„Nee. Ich lass meinen Garagenschlüssel in ihr Fach legen. Sind wohl nur leere Bananenkisten. Keine Ahnung was sie damit will, sollte nicht weiter nachfragen, die war schon wieder total drauf.“

Erneut winkte er ab, während Dana schwer seufzte und ihm in die Seite stieß.

„Na los, und jetzt der eigentliche Grund, warum du so hier hängst. Ist im Club etwas vorgefallen? Wieder einen Mister Love getroffen, der ein Arschloch ist?“
 

Endlich entlockte sie dem Host ein Schmunzeln und auch der Blickkontakt wurde wieder aufgenommen. „Du bist scheiße, weißt du das?“

„Jetzt werde nicht frech“, klappste sie ihm auf den Hinterkopf und nickte auffordernd, als einer der Gäste nach ihr verlangte, sie sich zurücklehnte und nur rief: „Hey, ganz geschmeidig junger Mann, ich habe zu tun!“ Ihr Blick fiel auf eine Angestellte. „Kümmerst du dich drum?“

„Natürlich“, kam es lächelnd zurück und Dana widmete sich wieder einem ihrer Schützlinge, welcher schwer seufzte und erneut den Pappbecher vor sich musterte.

„Im Gegenteil. Er scheint durch und durch perfekt zu sein, aber … er ist einfach nur stinkreich und ein Kunde der schlichtweg Spaß haben will.“

„Ach du Scheiße“, entglitt es der stämmigen Frau kauend, fast trocken und humorlos. „Und du dummer Junge hast dich wieder Hals über Kopf verschossen von Null auf Hundert, was?“

Wieder schwieg der Host, vermied es die Frau anzusehen.

„Ach Schätzchen.“ Sanft strich sie ihm eine Strähne hinter das gepiercte Ohr. „Du redest doch nicht etwa von Harukaze?“

„Was? Woher …“, wusste sie das?

Nein, Zwecklos, er winkte ab. Einer der anderen Hosts wird ihr davon erzählt haben, oder -

„Kenta“, lächelte sie liebevoll und strich erneut die Strähne hinter das Ohr. „Er war heute Morgen, als der Club geschlossen hat hier und hat mir alles erzählt. Er macht sich Sorgen um dich, weil du seit einiger Zeit wieder mehr trinkst und gestern fast einen Zuckerschock hattest.“

„Oh.“ Das machte Yasu betroffen, denn Sorgen wollte er niemanden bereiten.
 

Dass Kenta gestern Abend noch auf seinem Zimmer war, um nach ihn zu sehen hatte der Host zwar mitbekommen, aber jetzt, wo es Dana zur Ansprache brachte, fiel es ihm erst wieder bewusst ein. Er war zu schwach gewesen, um noch etwas zu sagen, zu betrunken, um wirklich zu reagieren, und die Anstrengung welche die Unterzuckerung mit sich brachte tat ihr Übriges und er war eingeschlafen.
 

„War er sauer?“

„Sauer? Hörst du mir nicht zu? Sorgen macht er sich. Und er weiß auch ganz genau dass ich dir das sage, umsonst kam er nicht her, um mir das alles zu erzählen“, lachte sie, strich Yasu über den Rücken, was ihn plötzlich daran erinnerte, dass Harukaze dass auch getan hat letzte Nacht und seufzte abermals schwer.

„Weißt du Dana … das, was da vor einigen Monaten passiert ist. Also … fast, passiert ist. Eigentlich hast du ja Recht. Eigentlich sollte ich mir doch etwas anderes suchen. Ich habe ständig Angst, dass das wieder passiert und dann … richtig passiert. Aber ich brauche das Geld. Wir stecken mitten in den Vorbereitungen für die Single. Neuer Merchkram muss her, die Prozente sind schon wieder gestiegen, weil wir wiederum höher gekommen sind. Wir wollten auch die Plattenfirma wechseln, aber so einfach ist das nicht, mir wächst das alles über den Kopf. Wenn ich etwas getrunken habe, bin ich lockerer und verdiene auch mehr Geld, weil dann mehr geht, verstehst du?“

„Natürlich verstehe ich deine Beweggründe. Mir musst du von dieser beschissenen Welt nichts erzählen. Aber du musst auch auf deinen Körper hören“, tippte sie gezielt mit ihren lackierten Fingernagel gegen Yasus Brustbein und fuhr etwas abwärts, um die aufgesuchte Stelle anzutippen. „Deine Bauchspeicheldrüse hat dir gestern Abend wieder einen großen Wink gegeben, Schatz.“
 

Und wenn sie ‚Schatz‘ sagte, dann wurde Dana ernst.
 

Zwar war der Musiker nicht an Diabetes erkrankt, aber leider durfte er sich damit segnen eine nicht intakte und chronisch entzündete Bauchspeicheldrüse zu besitzen. Er musste also ohnehin schon von jeher auf ausgewogene Ernährung achten, scharfe Speisen meiden und hätte auch das Rauchen am besten sein lassen sollen.

Doch Yasu konnte damit ganz gut leben.

Ab und zu überholten ihn die Schmerzen im Magen, zwangen ihn zu Ruhe, Wasser und Zwieback – vielleicht auch mal einen Tee oder eben Kakao. Nur manchmal war die Bauchspeicheldrüse nicht in der Lage genügend Glucose aufzuspalten und weiterzuleiten. Eine Tatsache, mit welcher der Sänger wahrlich gut leben konnte – außer in solchen Momenten.
 

„So. Und jetzt macht Miss Coco dir ein paar Pancakes. Vorher einen Burger oder lieber Salat?“ Dana lächelte ihr bestes, geschauspielertes Zuckerlächeln, welches sie besaß und Yasu hisste kläglich seufzend mit hängendem Kopf die weiße Flagge. „Dann Salat … Burger und Pancakes verursachen Überfressungssymptome.“
 

„Ich nehme den Burger“, warf eine arrogant wirkende Stimme hinter den beiden ein, was Yasu zum Schmunzeln brachte, ehe er einen kräftigen Schulterklopfer verspürte, sobald sich Samu neben ihm auf einem Barhocker setzte. „Der Hänfling würde uns daran ersticken Dana, ganz ehrlich. Und ich weiß dass du mir den Burger genauso gerne machst, hn? Ich hab auch schwer gearbeitet und musste zwei Stunden früher aufstehen, ich will auch bemuttert werden.“

Dana lachte nur kauend auf. „Du armer kleiner Wicht. Ich wundere mich schon, es ist noch nicht einmal 13 Uhr und du bist schon fähig zum aufrecht gehen und Sprache anwenden.“

„Wenn man etwas möchte, ist man zu vielem fähig, das ist unlaublich“, wippte er mit den Brauen und sah seinen Kollegen durchdringend an, wegen des gestrigen Abends. „Oder wie siehst du das?“
 

Arschloch – Samu war und blieb ein Arschloch.

Aber nach wie vor ein liebevolles Arschloch, welches mit einem biestigem „Ach, fick dich“ sehr gut klar kam.
 


 

Zwei Wochen später
 

***
 

„Liebes Tagebuch,
 

muss wieder mehr auf meine Gesundheit achten.

Schaffe es aber nicht … habe Masao seit zwei Wochen nicht gesehen.

Glaube er kommt nicht mehr.
 

Wer will auch einen kranken Typen haben.
 

Selbst ein Zyklop würde kranke Wesen meiden.

Außerdem hatte er ja was er wollte – mich.

Sollte ich stolz darauf sein?

Viele wollen mich haben. Aber bei ihm war es etwas Anderes. Ich habe mich wohl gefühlt.

Ich glaube dieses Wort noch niemals benutzt zu haben in Verbindung mit meiner Zweitarbeit.
 

Werde die Clubarbeit erst einmal sein lassen und mich intensiv der Musik widmen.
 

Vielleicht vergesse ich Ihn dabei ja …
 

Yasu“
 

***
 

Es war kalt an jenem Morgen, als der Musiker die schneebedeckten Straßen Osakas entlangschritt. Vier weitere Wochen waren nun vergangen, in welchem er das mystische Wesen nicht wiedersah. Nicht per Buchung, nicht per Zufall - da konnte er die Augen noch so offen halten und seine Umgebung absuchen, ob er den hübschen Zyklopen nicht doch noch ausfindig machte. Also stürzte er sich zu jeder Tages- und Nachtzeit in die Arbeit für die Band um sich abzulenken, mied den Club vorerst, kam nur nach Hause zum Schlafen oder um sich frisch zu machen bis der Herzschmerz vorrüberging und er sicher sein konnte, nicht die ganze Zeit wie ein ferngesteuerter Hormonteenie auf die Eingangstür zu starren, um vergebens auf Masao zu warten.
 

Ob er ihn jemals wiedersehen würde? Diesen fremden Mann mit diesen dunklen Augen und der einzigartigen Stimme, welche ihn so fesselte?
 

Er vermisste ihn.
 

Er vermisste einen Menschen, welchen er doch nicht kannte, trank seither wieder mehr, hatte Danas Bedenken einfach hinfort gespült. Wieder einmal schien in seinem Leben nichts so zu laufen, wie er es gerne hätte. Das Einzige was einigermaßen gut lief, waren die Produktionen für die Single, welche nächste Woche beendet werden konnten. Ganz nach Plan, dafür unter sehr viel Stress und Nervenaufwand. Heute konnte er diesbezüglich endlich durchatmen. Dennoch lag ein großer Schatten über seiner Freude und drückte die Euphorie immer wieder.
 

Er würde ihn nie wieder sehen.

Er würde seinen reichen Zyklopen nie wieder sehen.
 


 

Völlig ausgemergelt ließ sich Yasu zwei Stunden später in seinem Lieblingscafé in der Innenstadt ein großes Stück Käsekuchen bringen, sowie eine heiße Schokolade, warf dabei immer wieder einen Blick aus dem Fenster, sah sich um.

Seit Tagen fühlte er sich unwohl, war umnachtet und glaubte seit einiger Zeit unter ständiger Beobachtung zu stehen. Gestern dachte er sogar die alte Frau vom Kiosk sei der Grund allen Übels, würde ihm nachstellen, weil er sie dreimal per Zufall in der Innenstadt sah, und spät am Abend stand sie plötzlich hinter dem Verkaufstresen am Kiosk. Im nächsten Moment war er sich sicher, dass es der Nachbar war mit dem großen Köter, starrte am heutigen Morgen eine Katze misstrauisch an und erklärte sich anschließend für verrückt. Er war sich sicher dass die Katze ihm gerne einen Vogelzeig mit einem verächtlichen Laut zukommen lassen wollte, nachdem er sie allen Ernstes fragte, ob sie schon seit Tagen an seinem Arsch klebte, weil sie kein zu Hause habe.
 

Es war frustrierend.
 

Morgen würde er vorerst wieder im Club anfangen zu arbeiten und da sollte er wenigstens so tun können, als fühle er sich frisch und munter. Kaffee würde nicht dazu beitragen, als sein Magen ihm einen heftigen Hieb verpasste und er sich immer weniger konzentrieren konnte, was auf den Notenblättern geschrieben stand, welche Hiroyuki ihm mitgab schon vorbereitend auf die folgende Single. Keiner seiner Bandkollegen stellte weitere Fragen, nachdem die Trinkerei zum vierten mal zur Ansprache kam.
 

Was mit ihm los sei wollten sie wissen.

Ob es ihm gut ginge, es Probleme gab.
 

Er war ausgerastet, was Antwort genug war.
 

Selbst Kenta, welcher normalerweise offen heraus seine Meinung preisgab, sprach Yasu seit einer Woche nicht mehr auf sein Äußeres an. Fragte nicht danach, ob er genug Kohlenhydrate zu sich nahm und genügend schlief. Er brachte ihm Tee. Schob ihm Kuchen zu oder zwischendurch ein süßes Bonbon, mied lästige und besorgte Blicke, Reden und Gestiken.
 

Kenta handelte.
 

Er wusste wie sehr es an den Nerven zerrte, Musik, Club und Privatleben auf die Reihe zu bekommen. Seit einigen Wochen steckte sein Freund wieder Knietief in sämtlichen Problemen drin und wusste weder ein noch aus. Da half es nichts drauf los zu reden, ihm ins Gewissen zu reden, oder andauernd nachzufragen, ob er dies oder jenes - nein.

Nein, Kenta wusste dass man da erst recht auf Granit stieß bei dem Musiker und begrüßte ihn stattdessen ganz normal mit einem breitem Lächeln, als jener am Tag darauf von seinem Zimmer kommend, die Treppen herunterstieg, und sich zu ihm an die Bar gesellte.
 

„Na? Hast du noch etwas geschlafen am Nachmittag?“, startete der Keeper eine Konversation, da Yasu am Morgen noch recht müde war, und dies auch verkündete. Doch der schüttelte nur den Kopf und seufzte. „Konnt‘ nicht“, war die Antwort, die sich Kenta nicht wünschte, allerdings konnte diese ihm nicht das amüsierte Grinsen aus dem Gesicht zaubern, als er einen Korb mit Flaschen in das Regal sortierte und seinen Blick durch den Gastraum wandern ließ. „So viel ist heute nicht los“, schien er das Thema zu wechseln und nicht weiter darauf einzugehen. „Ich nehme an deine Schwester hat sich in der Zwischenzeit nicht gemeldet?“

Nein, das musste der Gefragte verneinen.

„Na ja. Betrachte es mal positiv. Du hast sowieso kein Auto derzeit und brauchst die Garage nicht, also kann Sie den Schlüssel auch erst einmal behalten und ihren ganzen Krempel abladen. Kann dir egal sein. Übrigens“, lenkte Kenta erneut um mit strahlendem Gesicht. „Mein Martini kommt super an.“

Sollte Yasu ihm dankbar dafür sein oder enttäuscht darüber? Einen Moment lang starrte er einen unbestimmten Punkt auf dem Tresen an, sah dabei zu, wie eine Flasche Jack Danieles auf dem Glasregal ihren Platz fand, und sah Kenta anschließend abwesend an.

„Hm. Schön“, beseufzte die Stimme die Aussage, wusste nichts Sinnvolles darauf zu antworten.

„Nicht wahr?“, grinste der Keeper weiter vor sich her, ehe Yasu ein Räuspern ereilte. „Sag mal. Wie gesagt, viel Betrieb ist nicht heute, aber ich muss hier den ganzen Krempel noch einräumen, bevor die 20 Uhr Gäste alle kommen. Würdest du mir kurz helfen?“

Yasu blickte auf, hatte seine dunklen Augenränder versucht zu kaschieren mit Concealer und Make-up, die Wimpern schwarz mascariert, aber er sah dennoch mehr als erschlagen aus, als er dem Keeper zunickte, wenn auch überrascht. „Was soll ich machen?“

„Hier.“

Eine schale voller Erdnüssen schob sich zwischen Yasus Arme, welche auf dem Tresen lagen und den Oberkörper stützten, der sich nach vorn beugte. „Und die beiden Cuba Libre“, fügte Kenta hinzu, holte ein kleines, rundes Tischtablett hervor, stellte die drei Sachen darauf und schob dies dann zwischen Yasus Arme mit einem breitem Grinsen. „Tisch 7.“

„Sieben?“, wiederholte der Musiker überrascht, aber auch schmunzelnd, da Kenta ansteckte. Jener nickte.
 

Tisch 7 war etwas extra gelegen im Gastraum. Dort konnte man einem Host ganz privat nur für sich haben. Zum reden, zusammen essen, etwas trinken. Mehr war es gar nicht, aber Tisch 7 war dennoch hochbegehrt und sehr teuer. Umso überraschter war Yasu also, denn lange hatte keiner mehr an Tisch sieben diniert.
 

Sich kurz bessere Laune zuredend und das Wirrwarr zwecks neuem Album und aktueller Single aus dem Kopf befördernd, schritt der Host in den hinteren Teil des Gastraums. Eine kleine Erhöhung ließ ihn aufsteigen, die zwei Meter zu Tisch Nummer sieben erklimmen, als ihm beim Abstellen des Tabletts jegliche Gesichtsmuskeln entglitten und das Herz einen gewaltigen Aussetzer machte.
 

Masao.

Harukaze Masao.

An Tisch Nummer sieben. Und er sah unverschämt gut aus, wie er da mit seinem Anzug und der Zigarette zwischen den Fingern geklemmt saß und einen ruhigen Abend genoss.
 

Lodernde Eifersucht stieg binnen Sekunden empor. Der Neid, die Verzweiflung, die Wut - denn ihn hatte er eindeutig nicht gebucht! Kam womöglich schon in den letzten Wochen regelmäßig während seiner Abwesenheit her, um einen gesunden und fitten Host zu daten und zu vögeln.

Und Himmel noch eins, er sollte das auch gefälligst akzeptieren und tolerieren! Wieso machten seine Hormone da einfach nicht mit?! Wieso nur war ausgerechnet er das schwule Spermium gewesen, welches sich einnistete?
 

WIESO?!
 

„Yasu“, sprach Harukaze ihn ruhig an, nicht überrascht, hatte ihn wohl kommen sehen, und lächelte sein schönstes Lächeln. „Lange nicht gesehen. Wie geht’s dir?“

„Hey“, riss dieser sich am Riemen und schluckte hart. „Gut. Alles super“, log er cool wirken wollend, als sich Masao zurücklehnte, den Rauch aus den Lungen entließ und den Host genauestens begutachtete, der nun schnaubend das Tablett leerte.

„Das freut mich. Hatte schon bedenken.“

„Ja. Sonst noch was? Wasser, Tee – die Karte vielleicht?“

„Danke, das war alles. Setz dich.“
 

Setz dich?
 

„Danke“, lehnte Yasu ab, doch da sah er den Schein zwischen Masaos Fingern schwanken womit er im ersten Moment gar nichts anzufangen wusste und wohl auch sein Gedankengut mit Hilfe seines Gesichtsausdruckes nach außen trug. Trinkgeld, oder was sollte er sich daraus nehmen?

Masao konnte diese offensichtliche Verwirrung nur schmunzelnd beseufzen und legte den Geldschein in die Mitte des Tisches. „Yasu, bitte setz dich. Ich habe jetzt vier Wochen warten müssen bis du wieder arbeitest, und jetzt hast du keine Lust dich zu mir zu setzen? Das ist gelinde gesagt echt scheiße von dir.“

„…“ Wie bitte, was?

„Guck nicht so doof. Glaubst du denn Kenta schickt dich umsonst an Tisch sieben? Hab während deiner Abwesenheit viel Zeit gehabt euer Konzept zu studieren, deinen Keeper auszufragen und das alles hier zu begreifen. Außerdem wird ein Cuba Libre doch genehm sein für deinen Zuckerhaushalt, oder nicht? Samu hast du ihn das letzte Mal regelrecht aus der Zunge gelutscht.“ War immerhin Cola drin. „Und die alternativen Beischlaf-Bespaßungen haben mir ehrlich gesagt nicht getaugt.“
 

„…“

Er wusste es!

Trotzdem war der Geist verwirrter denn je. In vier Wochen konnte viel passieren, wie ihm bewusst wurde. Masao nannte Kenta eben beim Vornamen als spreche er von einem alten Freund. Kannte nun sogar Samu. Mal abgesehen davon dass dessen Sedcard neben der seiner hing – hatten die beiden es miteinander getrieben? War Samu in den Genuss einer mystischen Begegnung gekommen?
 

WAR ER?!
 

„Du bist ein komischer Kauz“, seufzte der Gast jedoch aus. „Erst verstehst du keinen Spaß. Nach dem Sex kollabierst du fast. Und jetzt verstehst du anscheinend nicht mal mehr meine Sprache“, zog er ihn locker auf, nahm einen kräftigen Zug von seinem Laster und nickte dem Host entgegen. „Du siehst scheiße aus.“
 

„Vier Wochen gewartet“, tippte sich Yasu stark verzögert gegen die Stirn, schien verärgert zu sein, wegen einer Sache, die nicht existierte und stemmte die Hände in die Hüfte, als habe er den Ehemann zur Rede stellen wollen, wer denn bitte die neue Nachbarin war, mit welcher er angeblich nur Joggen ging. „Was willst du wirklich? Ich brauche kein Trinkgeld, ich hole dir auch so noch das, was du haben möchtest.“
 

Wieso war er denn so patzig?

Doch nicht etwa, weil er zwei Wochen auf Masao wartete, obwohl der ihm absolut keinerlei Verpflichtung nachkommen musste, und nun noch immer im Irrglauben war, diesen gleich mit einem anderen Host hier bedienen zu müssen?
 

Masao schmunzelte, beugte sich etwas nach vorn und deutete Yasu erneut den Platz gegenüber an. „Ich würde mich gerne mit dir unterhalten, ist das in Ordnung? Immerhin klappst du mir beim Sex ja zusammen, deswegen habe ich diese Variante ausgesucht.“

„Das lag gewiss nicht an dir!“, versuchte sich Yasu sofort zu rechtfertigen, löste allerdings nur wieder ein seichtes Lachen bei seinem Gast aus, welcher den Glimmstängel im Ascher ausdrückte und sich von seinem Platz erhob. „Dich muss man anscheinend zu deinem Glück zwingen, was?“, seufzte er erneut theatralisch wirkend aus und gab Kenta nun einen Wink, welcher den Daumen hob und nickte.
 

Eine abgemachte Konversation?

Was ging hier bloß vor?
 

Doch bevor Yasu sich darüber im Klaren wurde, dass Masao schlichtweg wegen ihm hier war und er seinen Zyklopen endlich wiedersah, wurde er im selbigen Moment an diesen herangezogen und in einen harten Kuss verwickelt. Dieser warf den jungen Musiker so aus der Bahn, dass die Wut und der Ärger verflogen und einzig und allein Platz schafften für reine Glücksgefühle, welche sofortiges verblöden auslösten.
 

Und das Verlangen nach einer Zigarette.
 

„Ich verstehe das ja nicht so ganz … aber … gebratener Fisch auf Reis, mit gedünstetem Gemüse? Käsekuchen zum Nachtisch.“ Yasus Lieblingsessen. „Und dann der Teil den ich wiederum sehr gut verstehe – Sex mit mir. Ich hielt die Reihenfolge diesmal für angebracht, weil ich mich ernsthaft mit dir unterhalten möchte. Dieses anonyme rumgevögel funktioniert auf Dauer sowieso nicht. Also? Nimmst du jetzt bitte Platz, oder soll ich jemand anderen für die Abendbespaßung buchen?“
 

„…“ Er war hin und weg, sah allerdings erschlagen aus.
 

Masao seufzte.

„Lass mich raten. Zu viel an der Musik gearbeitet, nicht geschlafen, und mit keiner Silbe damit gerechnet, dass ich heute hier bin, richtig?“
 

Definitiv!

Aber woher wusste der das?

Dass Yasu Musiker ist hatte er ihm bei ihrem ersten Treffen erzählt, aber wie konnte der denn jetzt solche Schlüsse ziehen? Hatte sich Yasu das Make-Up ausversehen in Schriftform auf die Stirn geschmiert? Stand es da geschrieben?
 

„So. Das gewünschte Abendmahl meine Herren, ich hoffe es schmeckt“, stahl sich Kenta zwischen ihre Körper mit zwei Tellern, welche anschließend auf dem Tisch standen, und Yasu schien Masaos Wahrsagekünste vor sich stehen zu haben.
 

Aber natürlich.
 

„Kenta!“, zischte es durch die fest aufeinandergelegten Zähne, sah seinen Freund vorwurfsvoll an, welcher nur breiter grinste, als eben noch, und sich wieder davonstahl, nachdem Masao sich immerhin ordnungsgemäß bedankte. Mit beiden Händen drückte er den Musiker an den Schultern auf den freien Platz, welcher noch immer dem Barkeeper nachblickte und kratzte sich anschließend an der Schläfe. „Ich hoffe er hat keinen Blödsinn erzählt, aber das soll dein Lieblingsessen sein.“
 

Der Blick des Musikers wechselte von der Bar zu seinem Teller und anschließend zu Masao, blieb dem allerdings eine Antwort schuldig, weil er zu überfordert war in diesem Augenblick.
 

Sein Zyklop setzte sich ihm gegenüber!

An Tisch 7!
 

„An deiner Wortfindungsstörung müssen wir dringend noch arbeiten Mäuschen. Dringend“, hoben sich die Brauen skeptisch bei der eigenen Wortwahl, die Aussichtslos schien.

„Ich kann mich sehr gut ausdrücken, ich bin nur … ich meine ich hab-“ ‚gedacht, dich nie wieder zu sehen` - hätte er beinahe ausgesprochen, doch das konnte er unmöglich sagen. Das klang total naiv, dumm, blöd – als sei er verliebt!
 

Masao amüsierte sich offensichtlich über Yasus Verhalten, räusperte sich und hob sein Glas, um seinem Gegenüber stumm aufzufordern es ihm gleich zu tun, als er Yasus plötzlich erstarrten Blick folgte. Als sehe er einen Geist oder Ähnliches. Doch als Masao den Kopf wendete und sich umblickte nach etwas Außergewöhnlichem, fragte er sich das erste Mal, ob Yasu nicht ganz dicht sei von Natur aus oder ob er seinem Alkoholproblem, vom welchem Kenta erzählte, längst mehr erlag, als allem bewusst war.

„Was ist?“ fragte er belustigt nach. „Hast du einen Geist gesehen?“, wendete er sich dem Host wieder zu, welcher das Glas nahm, den Blick zur Bar aufrecht hielt und ihn erst löste, als er wiederum Masaos recht tiefgehenden und musternden Blick auf sich spürte, der ihm wie aus dem Nichts einen eiskalten Schauer durch den Körper jagte. Diese schönen dunklen Augen, dieser eigentlich doch so aussagekräftige Blick – er machte ihm angst.

„N-nein, ich … schon gut“, wurde die Stimme immer leiser, fast kleinlaut und das Zusammentreffen der Gläser, ausgelöst von Masaos Handbewegung erhellte den Teil des Raumes mit einem schwingendem Klang, in welchem sie saßen. Doch Yasu trank nicht, ließ das Glas in seiner Hand sinken und beobachtete Masao wiederum, wie dieser sich einen Schluck genehmigte und es für gut befand. „Kenta hat wirklich was drauf, das muss ich neidlos anerkennen. Ist doch auch selbst zusammen gestellt von ihm, oder?“

„Mhm“, stimmte Yasu abwesend zu, schien wie ausgewechselt von einer auf die andere Sekunde, wollte seine Sorgen gerade abschütteln, als der Gast, welcher ihm den eigentlichen Schauer überkommen ließ, sich umdrehte und den Host scharfsinnig anschmunzelte.
 

Als wisse er mehr.

Als wisse er alles.
 

Als sei er der Stalker, den er seit kurzer Zeit hatte, sodass binnen Sekunden sämtliche Farbe aus seinem Gesicht wich und Masao wiederum erneut begann ihn zu mustern und langsam skeptisch wurde. Immerhin sah der Musiker wirklich ziemlich scheiße aus. Und wenn er doch ganz ehrlich zu sich selbst war, wusste er auch ganz genau wo er in den letzten Wochen war und was er getrieben hat – sie hörten seine Telefonate ab. Lasen seine Nachrichten mit. Doch leider war bislang kein Kontakt zu Yurika zu verzeichnen, dafür allerdings ein Gesprächsversuch zu einem Therapiezentrum.

Warum auch immer Masao dieses Gespräch weder belauschte, noch abspeicherte, war ihm selbst ein Rätsel.
 

Yasu war sich seinem Alkoholproblem im Klaren und schien Hilfe zu suchen. Masao hatte davor Respekt, mochte man glauben oder nicht. Hätte er dieses Gespräch weiterhin verfolgt, dann wüsste er, dass Yasu bei den Anonymen Alkoholikern nachfragte, ob er in seinem Stadium vielleicht schon so etwas wie Psychosen aufweisen könnte, zwecks seines Glaubens verfolgt zu werden.
 

Man hatte es verneint. Und genau deswegen hoffte der Musiker an jenem Morgen, dass ihm die Katze doch noch antworten würde …
 

Erneut wandte sich Masao um, folgte Yasus Blick und bemerkte den Gast nun ebenso, der den Host angrinste. Wahrscheinlich war er ihm bekannt, sowie unangenehm. Seltsam war Yasus Reaktion aber dennoch, und als der Gast einige Schritte auf sie zukam, stellte er das Glas ab und sprang von seinem Stuhl auf, griff nach einem Messer und hielt es in die Richtung des Fremden, während er sich mit der anderen Hand am Stuhl festkrallte, welchen er schützend vor sich stellte.
 

„Bleib wo du bist!“, schrie er diesem entgegen und auch Masao verging das Grinsen, welcher das Glas ebenso abstellte, langsam aufstand und seine Hand vorsichtig über den Tisch zu Yasu führte.
 

„Hey. Yasu, was soll das denn? Leg das Messer weg.“

Der Yakuza blieb ruhig.

„Er soll gehen!“, forderte der Jüngere zittrig, fixierte den Gast, der nicht minder erschrocken war, als der Rest im Raum und auch sofort abwehrend die Hände hob, sogar einige Schritte zurücksetzte. Er kannte Yasu nicht, wollte ihm nichts Böses, nur eventuell einen Triumph einheimsen und ihn von Tisch 7 weglocken, das war alles.

Doch der Host fühlte sich bedroht und Masao erkannte dass dieser ernsthaft Angst hatte. Anscheinend vor dem Fremden. Trotzdem legte er ganz vorsichtig die Hand auf Yasus, übte leichten Druck aus, dass er sie sinken ließ.

„Yasu“, sprach er ihn ruhig an. „Gib mir das Messer, dir tut keiner was.“

„Er soll verschwinden! Er soll gehen!“

Masao blickte zu den Typen, welcher längst den Rückzug antrat, tauschte Blickkontakt mit Kenta aus, der genauso überfragt schien und die anderen Gäste nun ablenkte zusammen einigen anderen Kollegen, während Masao ruhig um den Tisch herumkam und seine Hand dabei um die Klinge schloss. Auch wenn es sich hierbei um ein Fischmesser handelte. Nach allem was der Yakuza mittlerweile von seinem Auftrag wusste, würde dieser es mit Bravour hinbekommen sich damit ausversehen tödlich zu verletzen – ganz bestimmt.
 

Der Gast verließ das Lokal, beteuerte dass er nicht wüsste wieso der Host so reagierte und Masao wendete erneut den Blick auf Yasu, welcher durch ihn hindurchstarrte mit seinen glasigen Augen.
 

„Er ist gegangen“, sprach Masao weiterhin ruhig. „Gibst du mir jetzt bitte das Messer?“

„Er … soll ganz gehen!“

„Yasu, er ist gegangen. Er ist nicht mehr im Clu-“

„Nein! Nein, er kommt wieder! Er kommt jeden Tag wieder! Er ist immer da!“

Der Yakuza runzelte die Stirn, schaffte es nun aber Yasu das Messer aus dessen gelockerter, zittriger Faust zu entziehen, legte eine Hand behutsam an dessen Schulter und trat einen Schritt näher an diesen heran.

Wenn das Yakuza Dasein einen Vorteil hatte, dann war es doch der, dass er eine wahnsinnig gute Menschenkenntnis entwickelte über die Jahre hinweg. Er konnte Menschen ansehen wenn sie wirklich Todesangst durchlitten, wenn sie ernsthaft um Gnade flehten. Er sah ihnen an, wenn er die Macht über Ihnen bewusst ausspielte oder wenn sie ein reines Schauspiel vollzogen, nur um aus ihrer verzweifelten Lage zu entfliehen.

Yasu spielte allerdings nicht.

Yasu hatte gerade offensichtlich eine ernstzunehmende Angst-, ja, vielleicht sogar Panikattacke – ob begründet oder nicht sei dahingestellt, aber sie störte die Abendplanung.
 

„Ruhig jetzt“, forderte Masao mit wirklich sanfter, aber bestimmter Stimme ein, legte das Messer auf den Tisch und führte beide Hände seitlich in Yasus Halsbeugen, schob sie unter dem Kinn nach hinten, dass nur noch die Daumen an den Wangenknochen lagen, um beruhigend darüber zu streichen. „Sieh mich an. Hey, Yasu. Sieh mich an.“

Der Musiker beruhigte sich nur langsam, blickte zu Masao auf und schüttelte seicht den Kopf. „Ich … dreh durch … ich dreh durch Masao, ich … werde wahnsinnig.“

Eine Offenbarung, die schon viel früher hätte kommen müssen. Doch es war Yasu nicht bewusst. Es war ihm einfach nicht bewusst, dass seine Trinkerei die wieder zunahm, mit dem Stalking begann, welches er glaubte sich einzubilden. Doch seit letzter Woche war er sich sicher dass ihn jemand nachstellte. Und er hatte angst dass ihm keiner glaubte, eben weil er trank. Weil er einen kranken Eindruck erweckte.
 

Vielleicht war es wirklich nur Einbildung?
 

„Du drehst nicht durch. Du bist überarbeitet, das ist alles.“
 

„Nein. Nein, ich …“ Die Welt begann sich zu drehen, ihm schwindelte vor Aufregung und ehe er es realisierte, war es Masao der Yasu in seine Arme zog, ihn einfach nur festhielt und Kenta stumm mitteilte, dass es schon okay war, dass er sich darum kümmerte.
 

Eine bessere Vertrauensbasis konnte er gar nicht aufbauen um seinem Ziel näher zu kommen.
 


 

„Und du bist dir ganz sicher?“, wollte Masao wenig später mit tiefer und forschender Stimme wissen, wollte dem Gesagten keinen Glauben schenken.

„Ich mach das doch nicht zum ersten Mal. Außerdem hatten wir nie Blickkontakt, er hat mich niemals gesehen, sich nichmal annähernd so verhalten als fühle er sich kontrolliert, ich bitte dich!“

Masao sah aus dem Fenster im Flur, fuhr sich über das Kinn und schwieg einen Moment, dachte nach.

Yasu hatte offensichtlich Verfolgungswahn. In Rücksprache mit Kenta hatte dieser den vermeintlichen Grund, den Gast, auch noch nie gesehen. Nie hatte Yasu etwas erwähnt, sollte sich erst seit Kurzem ziemlich seltsam verhalten, was wiederum nichts mit seinem Alkoholkonsum zu tun hatte.
 

Kenta konnte Masao blind vertrauen, denn diesem war Yasu sehr wichtig, ein sehr guter und vor allem langjähriger Freund. Wenn jemand Yasu also sehr gut beschreiben und beobachten konnte, dann er.
 

„Gestern Nachmittag“, warf Masao nachdenklich ein. „Du warst wo genau, als du meintest er sitzt im Café?“

„Auf der anderen Straßenseite im ‚tutuanna‘. Jetzt glaub mir doch, der Junge hat mich in keiner Weise erahnt, aber …“

Der Kollege verstummte, zog die Nase hoch und schien zu überlegen.

„Aber was? Doch scheiße gebaut und jetzt fällt’s dir wieder ein? Ich warne dich, ich ka-“

„Na, na, na, ruhig bleiben Chefchen, alles im Lot was mich betrifft. Ich arbeite gewissenhaft, das weißt du. Hab ich dich jemals enttäuscht?“

„Noch nicht, aber es gibt für alles ein erstes Mal.“

Der Gesprächspartner lachte, räusperte sich und zündete sich hörbar eine Zigarette an. „Jetzt, wo wir so darüber reden wird mir schlichtweg ein Denkfehler klar. Mir ist aufgefallen dass er sich seit zwei Wochen andauernd umdreht und umsieht, so, als wolle er nicht gesehen werden. Ich dachte das ist wohl so, wenn man Musiker ist und er will es meiden Groupies zu begegnen, aber die Art wie er es tut, hat totsicher nichts mit mir zu tun. Ich bin niemals hinter ihm, du kennst meine Vorgehensweise, ich verfolge niemanden, ich-“

„Du gehst mit, ja schon klar“, fuhr Masao ihm ins Wort und verengte den Blick. „Ist dir noch mehr aufgefallen? Denk kurz nach, wegen Fans benimmt er sich so nicht.“
 

Eigenrecherchen.
 

„Warte mal. Glaubst du denn jetzt wirklich der Typ wird von noch jemanden beschattet?“, lachte der Kollege auf, doch Masao fand das gar nicht witzig und knurrte nur in den Hörer.

„WENN dem so sein sollte, dann könnte das ein richtiges Problem für uns werden, ja! Vielleicht hängt unsere ehemalige Lieblingskollegin da auch mit drin, wer weiß!“, zischte er wütend, pulte eine seiner Happy Pils hervor und nahm sie trocken, wie ein Bonbon, zu sich.
 

Ohne wurde er neuerdings aggressiv.
 

„Sieh zu dass du da was rausbekommst.“ Ohne auf Antwort zu warten legte er auf, schnaufte hörbar und lehnte sich mit einer Hand an den Rahmen des Fensters, drückte sich mit zwei Fingern an die Nasenwurzel, um den stechenden Kopfschmerz zu lindern, bevor er für einen kurzen Augenblick die Luft anhielt und sein durchscheinendes Spiegelbild durch die Fensterscheibe skeptisch beäugte.

„Tutuanna?“, entwich es ihn total baff, zeitgleich unvorstellbar und der Kopfschmerz nahm zu. Die schienen zur Zeit allesamt auf diesen Planeten etwas am Rad zu drehen. Denn was machte bitte ein Headhunter in einem Dessouladen? Und das sollte nicht aufgefallen sein? „Der hat doch `ne Meise!“
 

Er war extra nach draußen auf den Flur gegangen um Yasu nicht zu wecken, welcher, nachdem er mit ihm auf sein Zimmer ging, einschlief. Zuvor schaffte er es noch Masao abgehackt und völlig wirr davon zu erzählen, wieso er glaubte durchzudrehen und erwähnte zum aller ersten Mal, dass er eine Schwester hatte und dass alles anfing, als sie sich vor einigen Wochen am Telefon stritten. Worum es dabei ging konnte Masao nicht in Erfahrung bringen, aber dafür dass sie unter der eingespeicherten Nummer seitdem nicht mehr zu erreichen war. Yasu war total fertig mit den Nerven, übernächtigt und fror bei angenehmer Zimmertemperatur. Auf die Frage, ob er einen Wein für den Kreislauf wollte, lehnte dieser mit großer Überraschung jedoch ab.
 

Der Musiker hatte also weder einen naturellen Schaden, noch war er schon so weit im Alkohol abgesunken, dass er niemals nein sagen konnte. Der Junge war schlichtweg fertig mit den Nerven, und Masao konnte es ganz langsam sogar verstehen, warf sich eine weitere Pille ein, während er über die Dächer des Szeneviertels sah. Ihm selbst rannte die Zeit davon. Jetzt war es knapp drei Monate her, als er diesen Auftrag bekam. Seit zwei Monaten stand er mit Yasu in Kontakt, beziehungsweise mit dessen Leben und das einzige was er in Erfahrung brachte war vor zehn Minuten, dass der Host eine Schwester hatte! Sollte Yurika jemanden auf den eigenen Bruder angesetzt haben, um ihn aus der Schusslinie zu ziehen? War dieser jemand, wovon Yasu glaubte er sei ein Stalker, eine Art Leibwächter? Könnte das möglich sein? Würde Sie so weit gehen, überhaupt so weit denken?
 

„Masao?“

Yasus Stimme riss den Yakuza aus seinen Gedanken, welcher mit allem rechnete, aber nicht mit dem Musiker, der plötzlich hinter ihm stand.
 

Wo kam der denn her?

Wieso spürte er dessen Aura nicht auf sich zukommen?
 

„Wieso schläfst du nicht?“
 

„Wieso … bist du noch hier?“, stellte er verschlafen, fast verschüchtert eine Gegenfrage und wirkte mit seiner Tagesdecke, die er sich um die Schultern legte und seinen nackten Füßen sehr zerbrechlich, was Masao auf ganz seltsamer Ebene erreichte, mit der er nicht umzugehen wusste. Es war ein merkwürdiger Moment, in welchem sich beide Männer einfach nur stumm musterten und Stille einkehrte auf dem obersten Stockwerk. Nur ganz dumpf und leise drangen Musik und Stimmen bis zu ihnen hinauf.
 

Wieso er noch hier war?

Sie waren weder Freunde, noch konnte er mit einem schlafenden Host arbeiten. Er hätte längst gehen können, vielleicht auch sollen, aber er erwischte sich in genau jenem Augenblick, wie er unbewusst beschloss, im Flur zu telefonieren, um den anderen nicht zu wecken, und, um anschließend noch einmal nach ihm zu sehen.
 

Was gab es dabei schon zu sehen?
 

„Ich weiß dass das jetzt komisch klingt“, durchbrach Yasu die Stille. „Aber du hast … also du hast vorhin … oh Gott, das ist mir gerade wirklich peinlich, und es ist so abgrundtief bescheuert, ehrlich, aber … scheiße man, du hast mir den Nacken gekrault. Vielleicht unbewusst, warum ist auch egal, aber … könntest du das … nochmal machen? Bis ich schlafe meine ich, ich … ich kann zur Zeit irgendwie nicht schlafen und … alleine dich jetzt danach zu fragen ist echt entwürdigend genug, also wenn du das nicht willst, lass es einfach unkommentiert und lach bitte draußen darüber.“
 

Das überraschte Masao zusehend, der mit dieser Bitte absolut gar nicht rechnete und sah ihn diesbezüglich auch undefinierbar für den Host an, dem die Peinlichkeit gerade in zart Rosa über die Ohren kroch.
 

Vielleicht war es genau das. Das Problem, wieso er keine Beziehung führen konnte. Wieso ihn keiner wollte. Weil er mit 28 Jahren ohne Schmusedeckchen nicht schlafen konnte, wobei das Schmusedeckchen in jenem Falle Nackengraulen war. Da war er anhänglich, wurde verschmust und wahrscheinlich nervte das die anderen auf Dauer einfach. Seine sonst so cool wirkende, aber total zickige Art, die sich abends dann in totkuscheln wandelte, sobald er sich sicher fühlte, ungestört etwas Privatleben zu haben. Er konnte es seinem Gegenüber aus dem Gesicht ablesen dass diesem seine Art sehr befremdlich schien, seine Bitte nahezu unvorstellbar, weswegen Yasu mild lächelnd die Hand Hob und seine Aussage verwarf. „Ach … ist schon gut, ich glaube ich geh nochmal runter und lass mir einen Tee machen. Das … war nämlich mein eigentlicher Plan, bevor ich dich hier stehen sehen habe.“ Immerhin war Masao nicht hier um ein Nervenbündel zu kraulen. Er wartete eventuell sogar auf einen anderen Host. „Stellst du mir das Essen bitte in Rechnung? Ich komme dafür natürlich auf. Und … es wäre ganz cool von dir wenn du bei einer Bewertung-“
 

„Geh ins Bett.“
 

„?“

Überrascht hob er die Brauen, sah den Ölprinzen mit großen Augen an.
 

„Geh ins Bett, habe ich gesagt.“
 

Nun war es Yasu der seinen Gegenüber unverstanden darüber ansah, welcher das Handy in die Hosentasche steckte, beide Hände auf die Schultern des Jüngeren legte, diesen umdrehte und zurück in dessen Zimmer schob mit dieser Handlung, bis dieser auf seinem Bett saß.
 

„Hinlegen.“
 

„Du musst wi-“
 

„Ich muss gar nichts, ich weiß“, schmunzelte Masao den Host entgegen, ließ den Moment wirken, ehe sich Yasu bereitwillig ins Bett zurückkuschelte und sein Glück kaum fassen konnte. Masao hatte davon nichts, könnte längst gehen, war nicht verpflichtet zu bleiben und konnte davon ausgehen, dass hier heute nichts mehr passierte bei Ihnen. Trotzdem spürte der Musiker die sanfte, aber starke Hand in seinen Nacken, wie sie einen Moment liegen blieb, ihn anwärmte und langsam begann mit den Fingerkuppen über die weiche Haut zu streichen. Masaos Gewicht drückte die Matratze etwas in die Tiefe als er sich an die Bettkante setzte, dabei zusah, wie der Host aus kleinen Äuglein heraus starr geradewegs an die Wand blickte, die Berührung genoss.
 

„Ihr wart letzte Woche im Fernsehen“, stellte Masao ruhig fest, behielt den Musiker im Auge, welcher eine Braue hob und anschließend lächelte. „Hast du’s gesehen?“

„Zufällig ja“, schmunzelte er ungesehen. „Aber auch nur weil Kenta mir Bescheid gegeben hat.“

„…“ Es klang schon wieder so als spreche das mystische Wesen von einem guten Kumpel.

„Wie gesagt, ich hätte mich gerne mit dir Unterhalten. Ihr scheint viele Fans zu haben. Und ihr geht bald wieder auf Tour. Ich würde gerne mehr über dich erfahren.“

Und das war noch nicht einmal gelogen. Nur bezog sich diese Aussauge schlichtweg auf die Schwester, die immerhin schon zur Ansprache kam. Er musste nur noch einen geeigneten Weg finden, um das Thema konkret auf den Punkt zu bringen. „Vor allem, wieso du trotz deiner Band hier arbeitest. Ehrlich gesagt wundert es mich da nicht dass dein Körper irgendwann mal eine Sperre reinknallt.“

„Hm…“ Er war zu müde um zu antworten, dabei hätte auch er sich gerne mit Masao unterhalten, ihm das alles gerne erklärt. „Du weißt … schon ziemlich viel. Kenta `secht ne Tratschkuh …“

Masao lachte sanft. „Vielleicht.“

„Gibsu mir noch `ne Chance … zum unterhalten?“ Immerhin hatte Yasu auch die ein oder andere Frage an Masao. Woher der sich zum Beispiel mit seinem Blutzuckermessgerät auskannte. Wo er gelernt hatte eine Tür einzutreten – Yasu würde sich allein beim Gedanken es zu versuchen alle Zehen brechen.

Wieso er angeblich auf ihn gewartet haben soll. Yasu war nicht von der Bildfläche verschwunden, warum also fing Masao ihn nicht ab? Weil es nicht privat werden sollte? Warum war er dann jetzt aber hier?

„Was glaubst du, warum bin ich noch hier?“, stellte dieser die Gegenfrage, als sich der Host auf die Seite drehte, um seinen Gast anzusehen.
 

Wieder kehrte Stille ein, doch diesmal war sie angenehm. Genauso wie die Nähe, welche deutlich vom Älteren ausstrahlte, der nun das Kraulen einstellte, um sich über Yasu gebeugt mit der Hand abstützen zu können.
 

„`Sfrag ich mich … wirklich …“

Erneut ein sanftes Lachen. „Manchmal ist es besser das Leben so zu nehmen wie es ist, ohne die Dinge zu hinterfragen.“

„Hm.“ Da hatte er Recht. „Meinsu denn … es sieht vor dass du die Nacht nicht nach Hause fährst?“

„Ist das eine Frage danach, ob ich bleibe?“

„Vielleicht.“

„So viel ich weiß, dürfte ich gar nicht in diesem Stockwerk sein“, schmunzelte der Ältere abermals amüsiert, doch der Gedanke hatte etwas sehr reizendes an sich. Yasu schien schon ein gewisses Vertrauen zu ihm geknüpft zu haben in der kurzen Zeit, was laut Kentas Informationsfluss aber wohl auch kein schwerer Akt schien. Ja, er wusste tatsächlich schon ziemlich viel von Yasu, und die Akte wurde mit unzähligen Daten und Fakten bestückt, wuchs und wuchs, wies allerdings noch eine große Lücke auf. Die Lücke, die es eigentlich galt zu füllen.
 

Schon lange hatte er keinen solchen Auftrag mehr. Schon lange hatte er nicht so viel unnützes Wissen eingeholt. Einer der Gründe, weswegen er genau solche Akten anderen Mitarbeitern zuschob und sich lieber mit dem Drogengeschäften befasste.
 

„‘Chweiß“, seufzte Yasu müde aus, ließ sich wieder auf die Seite sinken. „Mal davon abgesehen bist du ein wildfremder Kerl für mich. Steinreich, unglaublich schön anzusehen, aber fremd. Und ich bin für dich auch nur irgendein Betthupferl, ich weiß. Vielleicht bist du ja auch ein Massenmörder oder testest heimlich irgendwelche komische Mixturen an mir. Du könntest mich also maximal umbringen oder mich … missbrauchen. Oder Beides. Aber das könntest du auch indem du mich offiziell buchst … skönnte jeder … jeden Tag“, murmelte er von sich, deutete ein Schulternheben an, als Masao die Augen verengte und die Stirn runzelte. „Und du gehst davon aus, dass das nicht passiert?“

„Ziemlich naiv, hm? Aber ich könnte … morgen Früh aufstehen, rüber zu Starbucks gehen und auf den Weg dahin so blöd ausrutschen, dass ich mir das Genick breche.“
 

Es konnte jeden Tag zu jeder Zeit passieren. Als Mensch dachte man aber nicht an solche Dinge. Das Überqueren einer Straße war etwas Alltägliches, wurde nicht als gefährlich eingestuft. Keiner glaubte ernsthaft daran beim Wechsel einer Straßenseite eventuell zu sterben, obwohl es jederzeit passieren könnte.
 

„Hast du keine angst davor, dass es nicht doch einmal passiert?“, wollte Masao ernsthaft wissen, was in diesem Milieu wahrlich nicht selten vorkam.

Leichenfund.

Mit Überdosierung ins Krankenhaus.

Doch der Host seufzte nur und gab einen brummigen Laut von sich. „Nein“, seufzte er aus. „Ich habe eher angst davor … dass es weh tut“, stahl sich ein Lächeln auf die Lippen, bevor erneut die angenehme Stille einzog.
 

Masao war regelrecht fasziniert von dieser Antwort, sah er es ganz ähnlich. Er fürchtete es nicht zu sterben, er hoffte einfach dass es schnell ginge, sobald es soweit war.
 

***

„Liebes Tagebuch,
 

bin zu müde um dir zu schreiben.

gerade zu glücklich, um zu denken.
 

Masao ist bei mir.

Er ist zurückgekommen, obwohl er den kranken Jungen kennt.
 

Er riecht so unglaublich gut. Hat so große Hände.
 

Bitte lass ihn wiederkommen, wenn er jetzt geht.
 

Yasu“
 

***
 

„Ich nehme den komischen Kauz zurück“, strich der Zyklop einige Haare aus Yasus Nacken und ließ die Stille erneut für sie sprechen, sah den Musiker ganz in Ruhe dabei an und konnte mit jedem Blinzeln zusehen, wie die Augen kleiner und kleiner wurden, bis sie gänzlich geschlossen blieben. Die Lippen mit einem zufriedenen Lächeln geziert, schlief der Jüngere erneut unter den liebevollen Berührungen ein und wurde dabei noch eine ganze Weile lang von den dunklen Argusaugen unter Beschlag genommen. Der kleine Bruder war sehr feminin geraten, wies viele Gleichnisse zu Yurika auf. Dennoch war er einzigartig schön anzusehen.
 

Er musste wohl besser auf seinen Auftrag achten, als zunächst angenommen.
 

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Next?

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yamasha
2016-03-05T16:23:07+00:00 05.03.2016 17:23
Ein echt schönes Kapitel! Ich freu mich so richtig, wies weitergeht. Sowohl mit Yasus Schwester als auch mit der Beziehung der beiden. Schließlich mag Yasu Masao wirklich und ich will wissen, ob er in ihm mehr sieht als nur nen Auftrag!!!
Antwort von:  xManja
31.03.2016 11:25
Freut mich zu lesen, dass es dir gefällt, und ich hoffe deine Neugierde mit dem neuem Kapitel etwas gestillt zu haben ;)


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