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Wer Wind sät

von

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Ivan

Die Welt sagt immer, wir sind das, was die Abtei und Balkov aus uns gemacht haben... Doch wissen sie nichts über unsere Vergangenheit, die uns weit mehr zu dem machte, was wir heute sind. Sie lehrte, prägte, verletzte, tötete... Balkov wusste dies lediglich zu nutzen und zu pflegen, zu schöpfen und keimen zu lassen...
 

He wakes up haunted

With voices in his head

Nobody knows it but today

He won't go unnoticed

He can't forget

Can't forgive

For what they said

He's never been so hurt but

Today the screaming

Is over
 

[Three Days Grace]
 

Leises Schluchzen erfüllte den dunklen Raum. Die Straßenlaterne warf ihr schummriges Licht durch das hohe Fenster, dessen Vorhänge offen standen, sodass das Zimmer schemenhaft zu erkennen war.

So auch die kleine Gestalt, die eng zusammen gerollt in ihrem Bett lag, die Decke schützend über den gesamten Körper gezogen. Dennoch war das Beben eben jener zitternden und von Weinkrämpfen geschüttelten Gestallt deutlich zu erkennen.

Immer und immer wieder stellte sich das Kind die Frage nach dem Warum, während ein Schluchzer auf den Nächsten folgte.

Warum taten sie ihm das an? Warum taten sie ihm so weh? Warum ließen sie ihn nicht einfach in Frieden?

Er hatte doch nichts gemacht… nichts getan… niemandem!

Aber wie jede Nacht fand er keine Antwort… Keine Antwort auf seine verzweifelten Fragen, die ihm keine Ruhe ließen.

Und wie jede Nacht schlief er unter Tränen ein…
 

~
 

Hämisches Gelächter um ihn herum. Eine Beleidigung folgte der Nächsten, jede traf ihn hart, erniedrigte ihn ein weiteres Mal von neuem.

Er versuchte wegzuhören, an andere Dinge zu denken, und kniff seine Augen fest zusammen, um nicht in ihre

zu gemeinen Fratzen verzogenen Gesichter zu blicken.

Sie bildeten einen Kreis um ihn herum, zeigten mit dem Finger auf ihn und er hatte das Gefühl, dass ihr Lachen nur noch bösartiger wurde.

Er wollte weg. Einfach nur weg. Konnte sich aber nicht bewegen. Er war wie erstarrt.

Ängstlich presste er die Hände auf seine Ohren, konnte ihre nur so vor Boshaftigkeit triefenden Worte nicht mehr ertragen.

Er hatte das Gefühl, sie kämen immer näher. Ängstlich zuckte er zusammen, als er plötzlich spürte, wie man ihn von hinten packte und schubste, sodass er schmerzhaft auf dem Boden zum Liegen kam. Er verzog das Gesicht und versuchte sich aufzurichten, da spürte er schon einen weiteren, stechenden Schmerz, der ihn aufstöhnen lies und ihm die Tränen in die Augen trieb. Der Nächste aus dem Kreis war heran getreten und hatte ihm in die Seite getreten, was von weiteren Jubelrufen und Gelächter begleitet wurde.

Quälend langsam schaffte er es dann doch, in eine aufrechte Position zu kommen, da spürte er schon, wie er an den Haaren nach oben gerissen und nach vorne geschubst wurde, sodass er gegen eine andere Gestallt prallte, die ihn mit einem Fausthieb auch direkt wieder von sich stieß.

Diesmal konnte er sich gerade noch auf den Beinen halten, da wurde er plötzlich von hinten gepackt und festgehalten.

Panisch riss er die Augen auf, während ihm langsam die Tränen über die Wangen liefen.

Blitzartig stand auf einmal einer von ihnen genau vor ihm. Er blickte erschrocken zu ihm herauf, sah direkt in das verachtende Gesicht, in die Augen, die ihn gierig anfunkelten.

„Na? Wollen wir nicht mal nachsehen, ob unsere kleine Pussy beschnitten ist?“, fragte die große Gestallt in die Runde, worauf zustimmender Beifall folgte.

Hysterisch sah er sich um. Es gab keine Fluchtmöglichkeit und ehe er einen weiteren Gedanken fassen konnte, spürte er schon die Hände des anderen an seiner Hose, die diese mit einem Ruck herunter zogen…
 

~
 

Erschrocken fuhr der kleine Junge aus seinem Schlaf. Die Augen waren vor Angst weit geöffnet, ja sogar kleine Tränen standen in ihnen, und sein Atem ging hektisch. Angespannt sah er sich um und beruhigte sich erst wieder, als er merkte, dass er alleine in seinem Zimmer war.

Es war also nur ein Traum. Ein Alptraum…

Jetzt verfolgten sie ihn nicht mehr nur tagsüber, sondern auch noch in seinen Träumen.

Er konnte immer noch ihre Stimmen hören, wie sie ihn beleidigten, ihn erniedrigten, wie man es sich kaum vorstellen konnte.

Verstohlen wischte er sich über die feuchten Wangen, schniefte kurz und warf einen Blick auf den Wecker, der auf seinem Nachttischchen stand.

Bald müsste er aufstehen.

Er wollte nicht. Am liebsten würde er sich unter seiner Bettdecke verstecken und nie wieder unter ihr hervor kriechen, aber es blieb ihm keine andere Wahl.

Wenn er vor den Anderen beim Frühstück unten sein wollte, musste er sich langsam aus dem Bett bewegen.

Dies tat er dann auch.

Er schlug die warme Decke beiseite und stand langsam auf, wobei er leicht zusammen zuckte, als seine kleinen Füße den kalten Boden berührten.

Er nahm sich seine Alltagskleidung und ein Handtuch aus dem großen, aus dunklem Holz gemachten Schrank und trat aus seinem Zimmer. Leise tapste er über den langen und dunklen Flur zu den Gemeinschaftswaschräumen, stets darauf bedacht, nicht die Dielen zu betreten, von denen er wusste, dass sie quietschten, und ging hinein.

Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich, achtete kleinlich darauf, keine Geräusche zu erzeugen, und schaltete dann das Licht ein.

Im ersten Moment kniff er noch die Augen zusammen, da die plötzliche Helligkeit ein wenig stach, aber er gewöhnte sich schnell daran und durchquerte den Vorraum des Saals, um zu den Regalen zu gelangen. Dort legte er seine Kleidung an seinem Stammplatz ab, während er sich dann auch seines Pyjamas entledigte und tapste daraufhin zu den Duschen.

Er stellte sich unter die in der hintersten Ecke und ging, während er das Wasser anstellte, ein wenig zur Seite. Die Duschen hier brauchten immer eine Weile bis sie warm wurden, wenn sie es denn überhaupt taten. Aber heute schien er wohl doch etwas Glück zu haben.

Er stellte sich unter das nun lauwarme Wasser und versuchte nicht daran zu denken, was ihn im Laufe des Tages noch erwarten würde.

Er dachte lieber daran, dass sie heute mal wieder Besuch kriegen würden und ganz vielleicht war auch Jemand dabei, der sich für ihn interessierte.

So hatte es ihm zumindest Oxana, eine der Betreuerinnen, erklärt und er glaubte ihr. Er glaubte ihr eigentlich fast alles. Selbst wenn sie ihm erzählen würde, dass die Erde eine Scheibe sei, er würde es ihr glauben, und dabei wusste doch jeder, dass das nicht stimmt. Zumindest die, die wie er schon in die 2. Klasse gingen.

Er glaubte ihr auch, dass die anderen es nicht so meinten, auch wenn ihm das von Tag zu Tag schwerer viel. Aber sie hatte gesagt, dass es so ist und dann wird es wohl auch so sein.

Plötzlich zuckte er erschrocken zusammen.

Leise Stimmen drangen aus dem Vorraum zu ihm durch.

Hatte er so lange unter der Dusche gestanden, dass sie schon wach waren?

Er spürte wie er langsam panisch wurde. Er stellte die Dusche aus und versuchte, den Klos ein seinem Hals herunter zu schlucken. Dann ging er langsam in Richtung der Stimmen, die auch näher zu kommen schienen.

„Na, du kleine Made? Bist du auch schon wach?“, grinste ihn einer von ihnen hämisch an, als er an ihnen vorbei ging.

Sein Blick war starr auf den Boden gerichtet. Wenn er sie nicht beachtete, würden sie ihn vielleicht auch nicht beachten.

Er spürte zwar noch, wie er angerempelt wurde, aber es passierte nichts weiter.

Ein wenig wunderte es ihn schon, denn so leicht hatten sie ihn noch nie in Ruhe gelassen. Aber vielleicht war heute doch sein Glückstag.

Noch immer hörte er ihr Gelächter, während er auf seinen Platz zu ging und langsam seinen Blick hob, worauf sich seine Augen vor Entsetzten weiteten.

Wo waren seine Sachen? Er hatte sie doch genau da hingelegt! Das tat er doch immer und sie konnten doch nicht einfach verschwinden.

Mit Ausnahme…

Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen.

Deswegen hatten sie ihn also eben in Ruhe gelassen.

Er biss sich auf die Lippen, während seine Schultern anfingen zu beben.

Er hatte das Gefühl, ihr Gelächter direkt hinter sich zu hören.

Sollte er jetzt etwa so in sein Zimmer? Dann würde ihn doch jeder sehen…

„Oh schaut mal, der Kleine ist ja immer noch hier. Vermisst du was?“, fragte einer von ihnen mit zuckersüßer Stimme.

Er wagte es nicht, sich umzudrehen. Er wollte nicht, dass sie sahen, wie er hier schon wieder am rum heulen war. Außerdem schämte er sich, so entblößt vor ihnen zu stehen.

Fieberhaft überlegte er, was er tun sollte und kam am Ende zu dem Entschluss, dass ihm wohl nichts anderes übrig blieb, als so schnell wie möglich in sein Zimmer zu laufen.

Doch bevor er dies überhaupt in die Tat umsetzten konnte, hörte er wieder einen der Anderen etwas sagen:

„Hat deine Mami dir etwa nicht beigebracht, dass man antwortet, wenn man etwas gefragt wird? Ach entschuldige, kann sie ja gar nicht, sie wollte dich ja nicht mal haben.“ – „Den würde ich auch nicht haben wollen“, lachte der Nächste, während der Dritte im Bunde langsam auf den Kleinsten der Anwesenden zu ging und ihn voller Hohn ansah.

„Ich denke, wir sollten das mal nachholen…“, sprach er und bevor der kleine Junge reagieren konnte, hatten sie ihn schon gefasst und zogen ihn Richtung Ausgang.

„Nein, bitte nicht!“, flehte er, während ihm die Tränen über die Wangen liefen.

Doch es half nichts...

Sie zerrten ihn weiter und während einer von ihnen die Tür öffnete – er konnte schon den Lärm der anderen Kinder auf dem Gang hören - schoben die anderen ihn hinaus.

Er kniff die Augen zusammen, wollte nicht sehen, wie die anderen ihn auslachten... Aber er konnte nicht vermeiden, dass er sie hörte.

Er spürte, wie er losgelassen und nach vorne gestoßen wurde, konnte sich gerade noch fangen. Ohne sich umzusehen, rannte er in sein Zimmer, schloss die Tür hinter sich mit einem lauten krachen, verkroch sich in seinem Bett und zog die Decke über sich.

Er presste die Hände auf seine Ohren, wollte ihr verächtliches Gelächter nicht mehr hören und während er versuchte, ihre Stimmen aus seinem Kopf zu vertreiben, konnte er ein lautes Schluchzen nicht mehr unterdrücken.

Inzwischen waren die Geräusche auf dem Gang leiser geworden. Sie waren wohl auf dem Weg nach unten zum Frühstück.

Dort hätte er eigentlich auch jetzt hingehen sollen. Eigentlich…

Nach dem, was eben passiert war, wollte er sein Zimmer am liebsten nie wieder verlassen.

Und das tat er auch nicht. Zumindest solange nicht, bis sie alle schon auf dem Weg zur Schule waren.

Er hatte sich in der Zwischenzeit schon angezogen, schnappte sich nun seine Schultasche und ging hinunter.

Wie erwartet, war keiner mehr da. Einzig eine der Nonnen kam ihm entgegen, lächelte freundlich und war schon im nächsten Raum verschwunden.

Da auch der lange Tisch, der fast von einem bis zum anderen Ende des Raumes reichte, schon abgedeckt war, ging er also ohne etwas zu essen los.

Während er auf dem Weg zur Schule war, hoffte er, dass der Tag nicht noch schlimmer werden würde…

Eigentlich hoffte er das jeden Tag, bemerkte er wieder einmal.

Er war so sehr in Gedanken versunken, dass er gar nicht merkte, dass er schon vor der Schule stand. Erst das Klingeln der Glocke lies ihn aufschrecken.

Er ging in seine Klasse und war froh, dass seine Klassenkameraden ihn wenigstens nicht beachteten, im Vergleich zu den Älteren der Schule.

Er war seit knapp zwei Jahren schon in der Schule, aber mit jemanden anfreunden, oder zumindest ein wenig auskommen, konnte er nicht.

Dabei wusste er nicht mal, woran das lag.

Er hatte ihnen nie etwas getan…

Die Älteren machten sich immer darüber lustig, dass er, obwohl er schon sieben Jahre alt war, immer noch so klein war.

Allgemein machten sie sich immer über sein Aussehen lustig. Seine viel zu große Nase, seine Haarfarbe, eigentlich über alles an ihm. Dazu kam dann noch seine tollpatschige Art, die ihnen immer wieder Anlass bot, ihn auszulachen.

Seufzend setzte er sich auf seinen Platz. Gerade war die Lehrerin herein gekommen, der Unterricht begann.

Die Stunden zogen sich wie Kaugummi, während er alle paar Minuten auf die Uhr sah.

Eigentlich machte ihm der Unterricht immer recht viel Spaß, aber heute war das irgendwie nicht so. Er würde sich lieber wieder in seinem Bett verkriechen.

Als dann auch endlich der erlösende Gong ertönte, packte er so schnell er konnte seine Sachen zusammen und lief aus dem Klassenzimmer.

Er hoffte, dass die anderen Schüler nicht so schnell waren wie er. Die Älteren hatten bestimmt herum erzählt, was heute in der Dusche passiert war und er hatte heute einfach keine Kraft mehr, das, was folgen würde - begegne er ihnen - zu ertragen.

Als er gerade den Schulhof verlassen wollte, hörte er hinter sich ein paar bekannte Stimmen:

„Hey, du kleine Missgeburt, wo willst du denn so schnell hin?“ – „Willst du uns nicht erzählen, was du heute Morgen gemacht hast?“

Er blieb stehen, obwohl er nichts lieber täte, als weglaufen. Aber er wusste, dass es nichts bringen würde. Die anderen waren viel schneller als er und hätten ihn in null Komma nichts eingeholt.

„Ich… Ich w-weiß nicht, wovon ihr sprecht…“, stotterte er sich zusammen.

„So, so… Der kleine Bastard weiß es also nicht. Was meint ihr? Sollen wir seinem Gedächtnis mal auf die Sprünge helfen?“ Zustimmende Laute.

Ängstlich sah er die anderen Jungen an.

Die wollten doch nicht wirklich…?

An ihren fies grinsenden Gesichtern konnte er erkennen, dass es doch so war.

Er war sich sicher, dass es nichts bringen würde, aber als er sie auf sich zukommen sah, nahm er die Beine in die Hand und lief so schnell weg wie er konnte.

„Los, den schnappen wir uns!“, hörte er ihre Stimmen und kurz darauf ihre Schritte.

Er wusste, dass sie immer näher kamen, aber er dachte nicht daran, stehen zu bleiben.

Er lief und lief. Er lief, bis er spürte, dass er irgendwo hängen blieb und ehe er reagieren konnte, lag er schon der Länge nach auf dem Boden.

Er fühlte einen starken Schmerz in seinen Knien, der ihm sogar die Tränen in die Augen trieb, die ihm bald darauf über die Wangen liefen, begleitet von einem lauten Schluchzen.

Es war ihm sogar egal, dass die anderen ihn heulen sehen würden. Er hatte nicht einmal mehr die Motivation aufzustehen, sie würden ihn ja eh kriegen.

Er erwartete jeden Moment, dass sie bei ihm auftauchen würden und er kniff die Augen zusammen, als er vor sich auf einmal ein paar Füße stehen sah.

„Willst du nicht aufstehen, Kleiner?“, hörte er die Stimme des Besitzers.

Verwirrt blinzelte er. Diese Stimme kannte er nicht.

Obwohl ihm weiterhin die Tränen hinunter liefen, hob er vorsichtig den Kopf, ehe er sich aufsetzte, weiterhin die Schmerzen spürend.

Vor ihm stand ein Mann mittlerer Größe. Er trug komplett schwarze Kleidung, die ihn ein wenig furchteinflößend aussehen ließ. Dies wurde durch den langen schwarzen Mantel und einer Maske mit roten Augen noch verstärkt.

Ängstlich sah er erst den Mann an, dann seine Umgebung. Er war in eine recht kleine Gasse gelaufen. Seine Verfolger konnte er nicht ausmachen.

„Tut es sehr weh?“, sprach ihn der Mann ein weiteres Mal an und er konnte nur nicken. Traute sich nicht, etwas zu sagen, sah lieber auf seine Knie.

Seine Hose war an beiden Stellen aufgerissen und er konnte erkennen, dass es blutete.

Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Mann etwas in seiner Manteltasche suchte und sich dann zu ihm herunter kniete.

„Hier nimm.“, bot er ihm ein Taschentuch an. „So große Jungen, wie du, weinen doch nicht.“

Der Fremde lächelte ihn freundlich an, während er ihm vorsichtig das Taschentuch abnahm und ein leises ‚Danke’ nuschelte.

Er wischte sich über die Augen und sah den Mann dann an.

„Wie heißt du?“, fragte dieser ihn.

„Ich…“, fing er mit rauer Stimme an, räusperte sich leise und sprach weiter.

„Ich heiße Ivan… Und… Und Sie?“

„Mein Name ist Balkov…“

Boris

Grausamkeit ist das Heilmittel des verletzten Stolzes.
 

[Friedrich Wilhem Nietzsche]
 

„Bitte...“

Ein jämmerliches Schluchzen...

„Bitte, tun Sie mir nichts. Sie bekommen alles. Mein ganzes Geld. Bitte!“

...gepaart mit abartigem Betteln.

„Nein!“

Es war ja so widerlich, zu welchen kriechenden Kreaturen Menschen mutieren konnten, wenn sie einsahen, dass sie Nichts weiter als Opfer waren. Opfer der Gesellschaft mit ihren Normen und Werten, die sie selbst geschaffen hatten.

Es war so erbärmlich zu sehen, wie Menschen jedes Mal im Dreck krochen. Jedes Mal die wohl erniedrigsten Dinge taten, die er sich vorstellen konnte.

Manche aßen ihr eigenes Erbrochenes, nahmen ihre eigenen Fäkalien zu sich, um dem zu entkommen, was ihnen drohte.

Widerwärtig, wie er fand.

Kannte denn keiner von ihnen Stolz?!

War das denn für alle ein verdammtes Fremdwort?!!

„Halt deine verfickte Fresse, du Miststück!“

Er trat zu. Mit voller Wucht und all seiner Wut. Inmitten ihres Unterleibs, ihres Gesichtes und genoss das knackende Geräusch. Badete sich in diesem, ehe er mit verachtendem Blick auf die Frau zu seinen Füßen herabblicken.

Blut lief ihr aus der nun krummen Nase über die Lippen. Über volle, spröde, trockene Lippen, die wegen ihren ehrlosen Schreien geöffnet waren und somit die rote Lebensflüssigkeit in ihren Mund geleiteten.

Es war fast zum Lachen, wie sie alle schrien. Um Hilfe. Um irgendjemanden. Als ob sie auch nur jemand in dieser verfluchten Gegend erhören würde. Als ob sich auch nur irgendjemand darum scheren würde, was in den Gassen der Armut und

Gewalt geschah!

„Du sollst dein Maul halten!!“, zischte er sie zornig an und trat erneut mit voller Kraft zu.

Sie erbrach sich. Mal wieder. So oft hatte sie dies schon getan und es kam nur noch Galle aus ihrem stinkenden Mund. Galle und Blut.

Es beschmutzte den Boden und es beschmutzte sie. Sie verdreckte ihre Umgebung

mit allem was sie tat und gab.

Allein schon wie sie aussah und ihre Mitmenschen betrachtete. Feinster Hermelinpelz mit edlem Muster. Die Haare kunstvoll hochgesteckt, welche somit ihren Giraffenhals enthüllten, der behängt war mit einem Brillantencollier.

Die Ohrläppchen wurden von ebensolchen Brillantohrringen langgezogen. Für ihre Mitmenschen in ihrer Welt hatte sie ein falsches Lächeln übrig und arrogante Blicke. Für Menschen in seiner Welt, die sie lediglich mit ihrem Chauffeur durchfuhr, konnte sie nicht mehr als Missgunst entbehren. Sie hatte es nicht anders verdient. Nein. Sie hatte verdient hier so zu liegen!

Befleckt mit Schlamm, Moder und Abfall von der Gosse. Befleckt mit ihrem eigenem Blut, ihrem Erbrochenem und ihrer Galle.

Sie lag gekrümmt, ängstlich und wimmernd da. Vor einem zehnjährigen Kind.

Einem Straßenkind. Vor ihm, Boris.

Im zerrissenen Kleid, mit nur einem Schuh und der bereits geplünderten Handtasche im Mülleimer nur wenige Meter von ihr entfernt zusammen mit ihrem Pelzmantel. Der Brillanten gleichsam entraubt.

Ein Bild wie für ihn geschaffen. Es war zum ergötzen. Die Highsociety ganz unten. Ganz – weit – unten! Wo sie hingehörte. Zu seinen Füßen.
 

„Oh Gott... Bitte!“

Panisch versuchte sie von dem Mann wegzurücken, der sich mit einem perversen Grinsen näherte und den fliderhaarigen Jungen hinter sich ließ.

Süffisant verdrehte der Junge die Augen. Wladimir übernahm ab jetzt das Kommando. Boris selbst erledigte nur die Vorarbeit. Sprich: die ausgesuchten Opfer mit kleiner Hilfe überfallen, ausrauben und zu Boden prügeln. Sich für all das rächen, was das Schicksal, Gott, ihm auferlegt hatte.

Für das Feine danach war der alte Mann zuständig, der die Hälfte seines Lebens bereits auf der Straße lebte und ihn 'netter' Weise aufgenommen hatte.

Er wusste es noch, als wenn es sich erst gestern zugetragen hätte.

Seine Eltern, der Teufel möge sie quälen, hatten ihn in eine Babyklappe gelegt und den Nonnen eines Heims überlassen.

Boris hatte es dort gehasst!

Jeden Tag beten und Gott danken. Danken! Wofür sollte er denn danken?

Dass er von seinen Eltern ungewollt war? Dass diese Schrullen sich um ihn 'kümmerten'? Oder doch eher dafür, dass diese Wichser von Jugendlichen meinten, sich wie die Chefs aufführen zu müssen? Er hatte es noch gut gehabt, weil sie ihn in Ruhe ließen, nachdem er ihnen zu viele Schwierigkeiten gemacht hatte. Andere, wie dieses Baby Ivan, mit der hässlichen Nase und der Matschfresse, wurden schon als Kleinkind von ihnen fertig gemacht. Der Straßenjunge hatte noch genau im Gedächtnis, dass Ivan erst ein Jahr alt war, als er selbst aus diesem abgefuckten Heim ausgebrochen war – mit vier Jahren - und trotzdem misshandelt wurde.

Und was taten die Nonnen? Sie verschlossen ihre Augen und beteten, auf dass die armen, verdorbenen Seelen im Tode ihren Platz fanden und Gottes Gnade erfuhren.

Zum Kotzen!

Er wollte nur raus da und war abgehauen. Nur weg!

Trotz seines Alters war er relativ weit gekommen. Aber in dieser Gegend scherte sich ja auch niemand um die Personen in seiner näheren Umgebung. So war er nachts erschöpft in einer Gasse auf einem verdreckten Pappkarton eingeschlafen, wo er nur Stunden später von Wladimir geweckt wurde, der ihn besoffen von dem Karton verdrängen wollte. Boris wusste noch genau, dass er sich dagegen gewehrt hatte, aber verlor. Doch hatte er Eindruck hinterlassen mit seiner

Aggressivität und Wut, sodass Wladimir sich ihm angenommen hatte, um seine Hilfe in Anspruch zu nehmen, da er selbst mittlerweile zu alt wurde, um noch groß Menschen überwältigen zu können. Es war ein Abkommen zum Eigennutz.

Jeder half sich selbst damit. Boris bekam einen Unterschlupf in einem verlassen, instabilen Haus, etwas zu Essen und eine Art Mentor, der ihm das wahre Leben lehrte. Der alte Mann bekam im Gegenzug Unterstützung, die er mit den Jahren

auch immer mehr brauchte.

Ihre Pläne waren nicht sehr geistreich, mit anderen Worten eher primitiv.

Sie legten irgendwelche spitzen Gegenstände wahllos auf die Straßen und hofften, dass die Reifen einer Limousine dadurch zerstört wurden. Dann erledigten sie den Fahrer und kümmerten sich gemeinsam um die Insassen. Wobei

der Fliderhaarige mittlerweile dabei eindeutig den größeren Anteil an Arbeit erledigte. Er war zwar noch jung, aber so voller Hass und Verachtung, Zorn und Angriffslust, dass es für ihn fast ein Leichtes war, die hilflosen Frauen zu Boden zu schicken. Und verdammt, er genoss es jedes Mal aufs Neue!

Für ihn war es, als würde er Gott verhöhnen, der in seiner grenzenlosen Macht all dies erschaffen hatte und sich jeden Tag an seinem Werk erfreute. Der seine Schäfchen liebte. Zumindest die mit Geld.

Denn Gott war mit Sicherheit niemals sein ständiger Begleiter, war es nie gewesen. Und deswegen genoss er es, Gott zu demonstrieren, wie armselig seine Schäfchen waren. Nach außen hin trugen sie Stolz und Erhabenheit zur Schau.

Doch schickte man sie zu Boden, winselten sie wie die Maden. Und wie sie winselten! Keinerlei Stolz in ihnen! Und genau das war der Hohn, den Boris liebte zu zeigen. Und den er gleichzeitig verachtete wie nichts auf der Welt.

Wie konnte man so unehrenhaft sein? Wie konnte man um Gnade betteln?! Lieber würde Boris sterben, als zu betteln. Zu betteln, um so etwas wie Gnade und seinen Stolz vergessen. Niemals!

Keiner kannte mit ihm Mitleid, nicht mal Gott. Wieso zum Teufel sollte er, als Gott verlassene Kreatur, also Gnade verteilen?!

Nicht in tausend Jahren würde er auf diesen absurden Gedanken kommen, Menschen, die sich für was Besseres hielten, obwohl sie die Verdammenswerten waren, etwas Gutes zu tun. Wo ihm doch auch niemand etwas Gutes tat.

Nein, nie im Leben. Sie würden alle das bekommen, was sie verdienten. Und in seinen Augen verdiente die Menschheit es, zu leiden!
 

Was ist Gewalt anderes als Vernunft, die verzweifelt?
 

[José Ortega y Gasset]
 

„NEIN!“

Boris hörte noch den hysterischen Schrei der Frau, als er aus der Gasse trat und in Richtung des Versteckes ging. Doch ihn störte es nicht im Geringsten.

Zu Anfang war er noch geschockt gewesen über das Szenario, welches sich in diesem Augenblick in der Gasse abspielte. Er hatte nicht verstanden, wieso der alte Mann den Frauen die Kleider vom Leib riss, seine eigene Hose öffnete und

seinen Penis mit Wucht in ihre Ärsche stieß. Mittlerweile wusste er, dass Wladimir die Frauen vergewaltigte. Doch wirklich bekümmern tat es ihn nicht. Es widerte ihn an, ja, allerdings war ihm die Tatsache an sich relativ egal. Sollte

er machen, was er wollte. Sollte er mit den Opfern umgehen, wie er wollte.

Seinetwegen konnte er sie auch umbringen – was er gewiss auch bei manchen tat.

Boris war es egal.

Ihm war so ziemlich alles egal. Alles, bis auf Stolz und Ehre.

Für den Rest war er zu stumpf. Sein Leben, sein Schicksal, hatte ihn taub und dumpf werden lassen für die Bürden anderer. Seine war bereits viel zu groß für seine Kinderschultern. War es direkt zu Beginn schon gewesen. Und des

Öfteren wusste er nicht damit umzugehen und verlor sich in seinem Hass, der sich von seiner Verzweiflung nährte. Der Depression seiner Lebensaufgabe, wenn man es so nennen wollte. Jedoch gab es für ihn auch keinen Ausweg aus seinem selbst ausgesuchten Leben. Wie auch? Er war ein Kind. Ohne Schulbildung, ohne Geld. Wie sollte er etwas erreichen und was aus sich machen? Seine einzige Möglichkeit war, bei Wladimir zu bleiben und mit ihm Frauen zu überfallen und deren Wertgegenstände gegen Essen bei der Mafia zu tauschen. Was anderes blieb

ihm nicht übrig, denn er würde einen Teufel tun, auf den Kinderstrich zu gehen und sich von alten, ekeligen Männern ficken zu lassen! Da würde er lieber verrecken, als sich dieser Demütigung hinzugeben.

„Verfickte Scheiße, eh!!“

Zornig trat er gegen eine hängende Mülltonne einer Bushaltestelle, die sich dadurch aus ihrer Halterung löste und zu Boden fiel, den Inhalt auf dem Bürgersteg verstreuend. Ein angebissenes Brot war unter dem Müll dabei, auf welches Boris sich gleich stürzte und es regelrecht verschlang. Wladimir und er hatten lange Zeit keinen Erfolg gehabt und somit kein Geld, was sie bei der Mafia hätten eintauschen können, eintauschen mussten! Hatte der alte Sack sich

von dem Mafioso doch unterdrücken lassen. Einmal im Monat keine Zahlung gleich einmal im Monat halbtot. Und das wollten sie beide nicht. Glücklicherweise hatte sich ja wieder eine Frau in ihr Viertel verirrt. Demnach gab es heute

Abend etwas zum Essen, wenn Wladimir zurückkehren würde. Boris unterdrückte das erleichterte Seufzen, welches sich bei diesem Gedanken hinaufkämpfte.

Endlich wieder was Vernünftiges zu essen. Noch ein Nachteil seines Lebens.

Selten etwas Essbares. Vielleicht sollte er sich ja dafür bedanken, wenn er heute Abend etwas bekam.

Der Junge schnaubte abwertend und belächelte sarkastisch seine eigenen Gedanken. Am Arsch würde er danken! Immerhin beschaffte er sich das Essen selbst und bekam es nicht geschenkt von dem ach so großartigen Gott!

Zügigen Schrittes marschierte er durch den knöchelhohen Schnee in Richtung des Unterschlupfes. Versteckte seine Hände in der Manteltasche, so wie er sein Gesicht im hohen Kragen versuchte vor dem Wind zu schützen, der mittlerweile an Stärke gewann. In der Nacht würde es definitiv stürmen und schneien. Dann konnten sie wieder zusehen, dass sie nicht erfroren. Hieß also, dass sie bald wieder auf Suche gehen mussten nach etwas, was sie zum Heizen benutzen konnten.

Wie er es hasste abhängig von seinem Glück zu sein! Die Welt war scheiße!

Genau wie die ganzen Menschen, die sie bewohnten. Sie waren doch alles nur Huren vom Freier, der sich Gott schimpfte. Er befriedigte sich an ihnen, während sie selbst nur hilflos dalagen und danach gierten, was er ihnen dafür geben würde,

sollte.

Abartig!
 

Ebenso wie die Behausung, die er sein Zuhause nennen durfte. Weder Wladimir noch er selbst waren reinlich. So sah der Raum auch aus. Überall lag Müll, überall war Dreck und es war arschkalt! Es widerte ihn an, nur Lust etwas daran zu

ändern, hatte er nicht. Er war nur froh, dass sie hinaus gingen, um zu pissen und zu scheißen. Boris schüttelte sich angeekelt. Er sollte erst gar nicht drüber nachdenken, wie er es wäre, wenn sie nicht raus gingen.

Da er keine Motivation aufbringen konnte, aufzuräumen und ebenso keinen Bock hatte, hier dumm zu sitzen bis Wladimir wiederkam, ging er noch einmal hinaus und lief wahllos durch irgendwelche Straßen und Gassen.
 

Der Mensch, der nicht geachtet ist, bringt um.
 

[Antoine de Saint-Exupéry]
 

Als er zurückkam, war der Alte auch schon wieder da und zwar eifrig am fressen.

„Was soll das?!“, zischte Boris wütend und ging auf Wladimir zu.

Wie konnte der Arsch es wagen, das ganze Essen wegzufressen und ihm nichts übrig zu lassen?!

„Reg dich nicht auf, Kleiner. Hier hast du doch was“, damit warf er ihm den Rest eines Leibes Brot zu und eine Kartoffel. „Hättest halt eher da sein müssen.“

„Ich geb’ dir gleich 'hättest halt eher da sein müssen' aufs Maul!“

Aggressiv schmiss er die Kartoffel und das Stück Brot auf den Boden und schritt sauer auf den alten Mann zu.

„Was fällt dir ein, alles zu fressen?! Du hast die Scheiße nur wegen mir bekommen! Mir steht der größere Teil zu und du frisst alles auf!“, schrie Boris und packte den Alten am Kragen. Er sah rot.

Seit Tagen hatte er nichts mehr gegessen, außer den spärlichen Resten, die er im Müll fand. Und dann hatten sie endlich wieder Glück, konnten einiges eintauschen und dann wagte es dieser Wichser von altem Sack, ihm alles

wegzufressen!

„Du Hurensohn! Du hinterfotziger Hurensohn!“

Er schlug zu. Mehrmals. Mit der Faust. Mit einem Gegenstand. Er trat zu.

Ohne es wirklich zu registrieren. Ganz automatisch. Wie eine Maschine, die - von Wut und Hass verzerrt – geleitet wird. Nicht mal das Knacken der Knochen nahm er wahr. Nicht mal die Schreie nahm er wahr. Nicht mal das viele Blut.

Er hörte erst auf, als er keuchend da stand und der Körper Wladimirs auf Grund seiner Schläge und Tritte gepeinigt zuckte. Zuckte und schließlich erschlaffte.

„Wag’ dich das nie wieder, alter Mann!“, zischte er noch und verschwand aus dem Raum, hinaus in den kalten Abend Russlands.

Boris musste sich abreagieren. So was passierte ihm selten, dass er die Kontrolle vollkommen verlor. Es ließ ihn jedes Mal schaudern. Besonders, wenn er seine mit Blut befleckten Hände danach betrachtete. Was für ein Monster

musste in ihm schlummern?

Ob er Wladimir wirklich getötet hatte? Bestimmt nicht. Der hielt das aus. Er war robust, zäh. Der würde das schon überleben. Da war er sich sicher...
 

~~
 

Boris hob misstrauisch seine Augenbraue, als er zum Versteck zurückkam und ein Auto davor parken sah.

Wer um alles in der Welt parkte in so einer verlassenen Gegend?!

Je näher er kam, desto mehr konnte er erkennen. So auch die beiden in schwarz gekleideten Männer, die wie Mauern starr dastanden und skrupelloser und kälter nicht hätten sein können.

Was waren das für Psychos?

„Er ist nicht hier.“

Ein weiterer Mann kam aus seinem Unterschlupf und sprach die anderen beiden an.

Er war hochgewachsen, muskulös, hatte lila Haare, einen grünen Mantel und eine seltsame Maske.

DAS war definitiv der größte Psycho unter den Dreien. Bei Satan, was wollten diese Freaks hier? Und wer war bitte nicht da? Sie meinten doch nicht etwa ihn?

Dann fiel der Blick des Oberkranken auf ihn und ein seltsames Lächeln erschien auf den Lippen.

„Komm nur her, Junge“, lautete der Befehl, den Boris selbstverständlich nicht befolgte.

„Komm du doch her.“

Es war riskant mit so einer großen Klappe diesen Typen gegenüber zu treten, aber er konnte nicht anders. Tatsächlich kam der seltsamste dieser Männer auch zu ihm. Dieses Lächeln beständig auf seinen Lippen, welches Boris schaudern

lies.

„Ich habe dich gesucht“, lauteten die Worte, die er an ihn richtete, sobald er vor ihm stand.

„Toll“, meinte Boris sarkastisch. „Ich dich nicht. Also verzieh dich!“

Donnerndes Lachen ertönte darauf und der Fliderhaarige fühlte sich alles andere, aber nicht ernst genommen.

„Ich meine das ernst“, knurrte er wütend und ballte seine Fäuste.

„Das kann ich mir denken, mein Junge. Dem alten Mann hast du wohl ebenfalls bewiesen, dass du es ernst meinst.“ Die Stimme war aalglatt, dennoch rau und gefährlich.

„Ich bin nicht dein Junge“, spuckte er die Worte aus und schaute verachtend in die wegen der Maske roten Augen.

„Noch nicht“, war die ungewöhnliche Antwort, die Boris innerlich zurückweichen ließ.

„Was soll das heißen?!“

„Du bist es doch leid, ständig wie eine Ratte nach Essen im Müll zu suchen, nicht wahr? Um das Essen mit einem alten Mann zu kämpfen. In einem baufälligem Schuppen zu leben und zu frieren wie die Maden, wie unwürdiges Getier.“

Boris knurrte bei dieser Aufzählung und bohrte seine Finger in die Handflächen, um sich unter Kontrolle zu halten. Wie konnte dieser Psychopath es wagen?

„Ich kann dir ein besseres Leben bieten. Eine Unterkunft, regelmäßiges Essen, fließend Wasser. Ich kann dich lehren deinen Hass und deinen Zorn zu kontrollieren und geschickt einzusetzen. Ich kann dich zu einem Mann machen, dem

die Welt Respekt zollen wird! Vor dem die Welt erzittern wird! Der über alles thront, was unwürdig ist.“

Der Straßenjunge war misstrauisch und gleichsam fasziniert. Sollte das wirklich die Wahrheit sein? Konnte dieser Mann das erreichen? Aber...

„Wieso solltest du das tun?“, fragte er skeptisch nach.

„Weil ich weiß, wie es ist sein Leben so zu verbringen wie du. Und weil ich die Menschen hasse, die meinen, sie könnten die Welt regieren. Ich will eine neue Weltordnung schaffen, in der die an der Macht sind, die das Zeug dazu haben

und es verdient haben. Leute wie du.“

„Und das soll ich dir glauben, ja?“, er schnaubte.

Als ob!

„Weshalb solltest du mir nicht glauben?“, fragte der Mann heimtückisch nach und Boris wusste keine Antwort. Das Ganze hörte sich verlockend an. Sehr verlockend. Er würde endlich wieder von der Straße runterkommen.

Regelmäßiges Essen und Wasser. Ein Unterschlupf und die Aussicht auf Macht, um etwas verändern zu können.

„Wieso willst du mich dafür?“

„Du hast das Potenzial, was ich brauche. Genau wie weitere Jungen, die ich bereits angeworben habe.“

„Und was ist der Haken bei der Sache?“

Irgendwas musste da doch von Nachteil sein! Das war zu perfekt.

„Ich verlange Disziplin. Wer zu spät aufsteht, bekommt kein Frühstück.“

„Das ist alles?“, fragte Boris belustigt nach. Na, das war jawohl seine leichteste Übung.

„Gut, ich bin dabei.“

Boris nickte dem Mann vor sich zu und war sich sicher, eine gute Entscheidung getroffen zu haben. Der Maskentyp nickte den beiden anderen zu, die auf der Fahrer- und Beifahrerseite des Autos einstiegen. Während er selbst mit dem

augenscheinlichen Anführer hinten Platz nahm. Sie fuhren los als er die Tür nicht mal ganz geschlossen hatte.

„Wie heißt du eigentlich?“

„Mein Name ist Balkov.“

Sergej

So much to live for, so much to die for

If only my heart had a home
 

[Nightwish]
 

„Wie lange brauchst du elender Nichtsnutz eigentlich, um eine verdammte Flasche zu holen?!“

Mit einem leisen Seufzen lehne ich meine Stirn an die kühle Tür des Kühlschrankes.

Ich bin es gewohnt, dass er so mit mir spricht. Er macht das bereits seit Jahren und aus einem mir unbekannten Grund, verletzt es mich trotzdem immer wieder.

Als ich mich ein wenig gesammelt habe, öffne ich die Schranktür und hole das Gewünschte heraus.

„Wo bleibst du?!“, höre ich wieder seine laute Stimme und mache mich daran, zügig in das kleine, angrenzende Wohnzimmer zu gelangen. Ich ignoriere dabei die ganzen leeren Flaschen und dreckigen Teller mit Essensresten völlig und gebe ihm die Flasche.

Er nimmt sie ohne ein einziges Wort des Dankes an – es ist ja nicht so, dass er je so etwas in der Art mir gegenüber erwähnt hätte, ich kann mich zumindest nicht daran erinnern – öffnet die Flasche und während er sie ansetzt, starrt er weiterhin auf den Fernseher, in dem mal wieder irgendwelche dämlichen Sendungen laufen, wie sie es jeden Tag tun.

Ich habe es früher nie verstanden und verstehe es auch jetzt nicht, weshalb Menschen da freiwillig mitmachen. Sich freiwillig erniedrigen und demütigen lassen.

Vielleicht tun sie es ja des Geldes wegen, ich weiß es nicht. Bekanntlich machen Menschen ja für ein bisschen Geld so gut wie alles.

Wahrscheinlich bin ich noch zu jung, um das zu verstehen...

Ich werfe dem Mann vor dem Fernseher, der gleichzeitig auch noch mein Erzeuger ist (Ich nenne ihn nie meinen Vater… oder gar ‚Papa’, wie viele es in meinem Alter machen. Er hat es mir verboten und ich halte mich daran.), einen kurzen Blick zu und will mich gerade in mein Zimmer zurück ziehen, als ich noch einmal seine Stimme vernehme:

„Heute Nachmittag kommen ein paar meiner Kollegen vorbei. Wehe dir, du bist nicht mucksmäuschenstill! Du weißt, was dir dann blüht.“, warnt er mich auf seine eigene ‚liebevolle’ Art. Zumindest glaube ich, dass sie es ist. Immerhin bin ich doch noch sein Kind und seine Kinder muss man lieben.

Ich bin mir sicher, dass er es einfach nur nicht zeigen kann.

Als er seinen Blick plötzlich von dem Fernseher abwendet und mich zornig ansieht, weiß ich, dass ich mal wieder denselben Fehler wie immer gemacht habe: Ich habe ihm nicht geantwortet.

Um das wieder einigermaßen gut zu machen, nicke ich schnell.

Das scheint ihn wohl einigermaßen zufrieden zu stellen, zumindest wendet er sich von mir ab, und ich ziehe mich in mein Zimmer zurück, wenn man es denn als solches bezeichnen kann...

Schon seit einigen Jahren leben wir in dieser... Nun, sagen wir: in dieser kleinen, bescheidenen Wohnung. Ungefähr seit meine Mutter vor 6 Jahren meinetwegen gestorben war.

Ich war an diesem Tag noch mit ein paar Klassenkammeraden auf dem Spielplatz und hatte die Zeit vergessen. Meine Mutter machte sich also auf den Weg, um mich zu holen und übersah dabei ein Stoppschild, woraufhin ihr ein LKW in die Fahrerseite fuhr. Hört sich so einfach wie auch grausam an…

Auf jeden Fall bin ich (so sagt es zumindest immer mein Erzeuger) eben daran schuld, da ich mich ja verspätet hatte und sie das Haus an diesem Tag sonst nicht verlassen hätte.

Das war auch ungefähr die Zeit, in der er dann anfing zu trinken und ich zu schweigen. Von morgens bis abends kennt er nichts anderes mehr und ich habe gelernt, dass es besser ist, nichts zu sagen, wenn man nicht dazu aufgefordert wird.

Ich verstehe zwar noch nicht so ganz, was dieser Alkohol da genau mit ihm macht. Aber er ist danach noch aggressiver als vorher.

Wenn ich Glück habe, trinkt er so viel, dass er nicht einmal mehr richtig sprechen, geschweige denn gehen kann. Dann habe ich zumindest an den Tagen meine Ruhe.

Ein weiterer Seufzer verlässt meine Lippen. So schweigen wir dann gemeinsam, wenn auch jeder auf seine Art.
 

~
 

Lautes Gelächter und das Klirren von Flaschen dringen aus dem Wohnzimmer in mein Zimmer. Die „Freunde“ meines Erzeugers sind da.

Ich mag diese Leute nicht wirklich. Sie sind genauso wie er. Trinken zu viel und manchmal, wenn sie gut drauf sind und sich alle treffen, da nehmen sie auch so ein weißes Pulver zu sich. Danach sind sie noch merkwürdiger drauf als vorher schon.

Ich zucke erschrocken zusammen, als ich schlurfende Schritte über den Flur in Richtung meines Zimmers höre. ‚Das Bad liegt doch in der anderen Richtung’, denke ich skeptisch, als es dann auch schon laut an meine Tür donnert.

„Komm raus!“, erschallt auch schon seine Stimme durch diese.

Ich wage es kaum, mich dem zu widersetzen und tue, was er verlangt. Ich erhebe mich und öffne die Tür.

Ich unterdrücke das Verlangen, einen großen Schritt zurückzuweichen, als ich ihn direkt vor mir sehe.

Er riecht ekelerregend nach Alkohol und Zigaretten und was sie da sonst noch zu sich genommen haben. Zögernd blicke ich ihm in die Augen, versuche, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Er mag es nicht, wenn ich solche Schwächen zeige. Er sagt immer: „Richtige Männer haben keine Schwächen!“ und ich glaube ihm. Auch wenn ich mich manchmal heimlich frage, ob seine Trinkerei nicht auch schon eine Schwäche ist. Es ist doch nicht normal, so viel zu trinken. Und eine Sucht ist doch auch eine Schwäche.

Ehe ich noch genauer darüber nachdenken kann, werde ich von ihm schon grob am Oberarm gefasst und mit gezogen.

Ich spüre Schmerzen an der Stelle, an der er mich anfasst, aber ich gebe keinen Laut von mir. Ich bin es gewohnt, dass er so mit mir umgeht, da machen mir auch die blauen Flecken auf meinem Arm auch nichts mehr.

Ich werde also ins Wohnzimmer gezogen, wobei ich nicht ganz verstehe, warum er mich immer noch so hart anfasst. Ich geh immerhin freiwillig mit.

Aber vielleicht sucht er ja den Körperkontakt zu mir. Meine Klassenkammeraden erzählen öfters, dass ihre Eltern ihnen einen Arm um die Schulter legen oder ähnliches. Vielleicht versucht mein Erzeuger das ja auch.

Ich höre schon die Stimmen der anderen Männer (Ich glaube es sind insgesamt drei oder vier) und als wir über die Schwelle ins Wohnzimmer treten, spüre ich ihre Blicke auf mir. Ich empfinde es als unangenehm, aber ich schweige. Schweige, wie ich es immer tue.

„Na Kleiner, willst du nicht auch mal probieren?“, bietet mir einer von den Kerlen – er scheint der Größte unter ihnen zu sein, aber auch der mit dem widerlichsten Grinsen - eine Flasche mit durchsichtigem Inhalt an.

Ich schüttle den Kopf, als Zeichen, dass ich sein Angebot ablehne, da spüre ich auch schon, wie jemand den Arm um meine Schulter legt.

„Ach, warum denn nicht? Komm schon. Nur mal probieren“, versucht es der Nächste von ihnen, aber ich wiederhole nur meine vorherige Geste.

Plötzlich spüre ich, wie mein Erzeuger mich wütend zu sich zieht und mir bedrohlich flüsternd sagt: „Habe ich dir nicht beigebracht, höflicher zu sein, du kleiner Bastard? Los, antworte!“

Kein Wort verlässt meinen Mund.

Ich merke, wie sie durch ihren Rausch langsam aggressiv werden.

Vielleicht wäre es wirklich besser, ich würde etwas sagen, aber ich tue es nicht.

Ich lasse zu, wie einer von ihnen mich festhält, während ein anderer zum ersten Schlag ansetzt.

Ich schließe die Augen. Ich weiß auch so, was folgen wird. Es ist ja nicht das erste Mal, dass mein Erzeuger und seine ‚Freunde’ ihren angestauten Frust an mir auslassen. Für mich ist es schon so etwas wie Normalität.

Kurz darauf spüre ich bereits den ersten Faustschlag in meinem Magen und ich bin gewillt mich zusammen zu krümmen, aber ich werde immer noch festgehalten.

Als ich meinen Blick hebe, sehe ich direkt in die Augen meines Erzeugers.

Man sieht ihm an, dass er betrunken ist, da er leicht schielt und sich an der Wand abstützen muss, um nicht zu fallen.

Er grinst mich hämisch an, während er die anderen zum Weitermachen animiert.

Ich spüre weitere Schläge auf mich einprasseln, spüre die Schmerzen in fast jedem Körperteil und gebe doch noch immer keinen Laut von mir.

Ich glaube, das macht sie noch wütender, aber ich bin nicht sicher. Bevor ich darüber auch nur ein wenig weiter nachdenken kann, merke ich, wie auch in mir die Wut hochsteigt. Ich darf keine Schwäche zeigen! Ich fange an mich zu wehren, auch wenn es aussichtslos erscheint. Sie sind zu viert, ich alleine.

Aber anscheinend sind sie betrunkener, als es vorher den Anschein hatte.

Ihr Gleichgewichtssinn ist stark beeinträchtigt und so schaffe ich es, mich loszureißen und so schnell ich kann, die Wohnung zu verlassen.

Ich laufe, ignoriere die Schmerzen, und laufe und laufe…

Ich merke noch, wie ich jemanden anremple und als ich aufblicke, sehe ich einen blasslilahaarigen Jungen, vielleicht ein bis zwei Jahre jünger als ich, der mir wüste Beschimpfungen an den Kopf wirft. Ich will gerade weiter laufen, da spüre ich, wie mich dieser Junge am Kragen fasst.

„Kannst du scheiß Wichser nicht aufpassen?!“, speit er mir voller Wut ins Gesicht.

Als ich keine Reaktion zeige, schubst er mich von sich und schon spüre ich seine Faust in meinem Gesicht.

‚Toll’, denke ich ironische. ‚Zweimal an einem Tag verprügelt…’

Ich nutze einen Moment seiner Unaufmerksamkeit, reiße mich los und laufe.

Ich höre ihn ein weiteres Mal hinter mir brüllen: „Du verdammter Hurensohn. Bleib stehen!“

Aber diesen Gefallen werde ich ihm garantiert nicht tun.

Ich renne weiter, meinen Verfolger immer noch hinter mir, über eine Straße und werde dabei fast von einem Polizeiauto angefahren. Es kann jedoch noch in letzter Sekunde bremsen und schneidet somit nun dem anderen Jungen den Weg ab.

Diesen höre ich noch einmal mit Beleidigungen wie ‚Arschloch’, ‚verfickte Schwuchtel’ und ‚Hurensohn’ um sich werfen, ehe ich in eine der kleinen Seitenstraßen abbiege.

Ich stütze mich schwer atmend an einer Hauswand ab und wische mir die Schweißperlen von der Stirn.

Als sich mein Puls und auch meine Atmung wieder ein wenig beruhigt haben, merke ich erst, wie kalt es eigentlich ist. Wie dumm von mir, ohne eine Jacke zu flüchten.

Und wie dumm von mir es gewesen wäre, mit einer zu flüchten. Wahrscheinlich wäre ich dann nicht einmal so weit gekommen.
 

~
 

Nachdem ich noch einige Stunden ziellos umhergeirrt bin, mache ich mich nun auf den Weg nach Hause, in der Hoffnung, dass diese widerlichen Typen nicht mehr da sind und mein Erzeuger auch schon schläft.

Mittlerweile bin ich schon ordentlich durchgefroren und bin nur noch froh, wieder zurück zu gehen.

Ich biege gerade in die Straße in der die Wohnung liegt ein, da sehe ich Blaulicht, das die ganze Straße erhellt. Mich beschleicht ein seltsames Gefühl, dass ich noch nicht genau definieren kann…

Als ich näher trete, sehe ich einen Streifen- und einen Krankenwagen am Straßenrand stehen, während sich zwei Polizisten vor der Haustür unterhalten.

Ich trete an ihnen vorbei in das Haus hinein, gehe die wenigen Stufen zu unserer Wohnungstür hoch, die mich schon weit geöffnet erwartet.

Ich schlucke den Klos, der sich in meinem Hals gebildet hat, hinunter und begebe mich hinein.

Schon im Flur höre ich verschiedene Stimmen und als ich in die Richtung dieser gehe, somit das Wohnzimmer betrete, sehe ich auch die dazugehörigen Personen.

Vor der Couch kann ich zwei Notärzte an ihren Uniformen erkennen. Neben ihnen steht ein Polizist. Alle drei stehen dort, reden leise miteinander und betrachten irgendetwas, das auf der Couch liegt. Aus meinem Blickwinkel kann ich leider nicht erkennen, was.

Scheinbar hat mich nun einer von ihnen bemerkt, denn der Polizist tritt auf mich zu.

„Du bist Sergej, oder?“, fragt er mich und betrachtet mich skeptisch, immerhin sieht man mir wohl an, dass ich heute zwei Mal in den Genuss kam, verprügelt zu werden. Zudem zittere ich wegen der Kälte und meine Lippen sind wahrscheinlich schon leicht bläulich. Ich nicke jedoch lediglich.

„Hör zu… Es fällt mir nicht leicht dir das zu sagen, aber… Dein Vater, er ist… Also, er ist vor wenigen Stunden verstorben…“, gibt er zögernd von sich und sieht mich voller Mitleid an.

Zu meiner Überraschung rührt sich in mir gar nichts. Ich fühle nichts.

Ich sehe den Polizisten immer noch an. Er fühlt sich sichtlich unwohl und spricht daher schnell weiter: „Kurz gesagt: Er hatte ziemlich viel Alkohol getrunken und ist irgendwann wohl eingeschlafen. Dabei ist er, weil er auf dem Rücken lag, an seinem eigenen Erbrochenem erstickt…“

Mein Blick schweift kurz zum Sofa, wo die Notärzte vorsichtig eine Plane über das, oder wohl eher über denjenigen, der dort liegt, legen.

„Du solltest dir das nicht ansehen, Junge. Komm. Wir nehmen dich jetzt erst einmal mit.“

Der Polizist legt seine Hand auf meine Schulter und schiebt mich leicht zurück zur Wohnungstür.

Ich werfe noch einen letzten Blick zurück, ehe wir die Wohnung verlassen.

Ich kann es mir nicht erklären. Müsste ich nicht eigentlich irgendetwas fühlen?

Mein Erzeuger ist gerade gestorben.

Ich erinnere mich nur noch wage, wie ich mich gefühlt habe, als meine Mutter verstarb.

Ich glaube, ich habe getrauert. Aber ich bin mir nicht sicher…

Als wir das Haus verlassen haben, sagte der Polizist zu mir: „Warte hier bitte kurz. Ich komme sofort wieder“ und verschwand zu den anderen Polizisten.

Ich bleibe dort stehen, und lasse meinen Blick schweifen.

Ich sehe etwas abseits noch zwei Personen stehen. Sie sehen nicht so aus, als würden sie zu den anderen gehören.

Vor allem der Größere von ihnen sieht merkwürdig aus, ja schon fast furchteinflößend. Er hat lilafarbenes Haar und trägt einen langen, grünschwarzen Mantel, der fast bis zum Boden reicht. Darunter kann man schwarze Kleidung erkennen. Das wohl Auffälligste ist aber so eine Art Brille, die er trägt. Sie ist ebenfalls schwarz, jedoch verleiht sie ihm rote Augen.

Ich empfinde beinahe so etwas wie Furcht, wenn da nicht noch etwas anderes von ihm ausgehen würde. Ich kann es nicht beschreiben…

Er ist der erste der Anwesenden, der mich bemerkt. Er schreitet mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck auf mich zu und bleibt mit gewissem Abstand vor mir stehen.

„Guten Abend, Sergej“, spricht er mich an. Verwundert ziehe ich die Augenbrauen nach oben. ‚Woher kennt dieser Mann meinen Namen’, frage ich mich und scheinbar spiegelt sich diese Frage auch in meinen Augen wieder, denn er fährt grinsend fort:

„Ich beobachte dich schon länger und ich möchte dir ein Angebot machen, dass dich sicherlich interessieren wird. Wenn du mir bitte folgen würdest?“

Ich zögere. Mir behagt das, was dieser Mann sagt nicht. „Was hast du zu verlieren, mein Junge“, sagt er.

Wenn ich genau darüber nachdenke, hat er Recht. Was habe ich zu verlieren?

Ich werfe den Polizisten noch einen kurzen Blick zu – sie sind noch vollkommen mit sich selbst beschäftigt – und folge dem Mann.

„Mein Name ist übrigens Balkov…“

Kai

Aber das Glück kann nie kommen. Sind die Umstände endlich gefügig gemacht, so verlegt die Natur den Kampf von außen nach innen und bringt allmählich in unserm Herzen eine Wandlung hervor, so daß es etwas anderes wünscht, als was ihm zuteil werden wird.

[Marcel Proust]
 

Es schneit... In großen Flocken fallen die Eiskristalle gen Erde und lassen so die Tiefe des Schnees erneut steigen. Am Ende der Nacht wird man bis zur Wade versinken können.

„Ich will, dass du ihn dazu bringst, hier zu bleiben! Er darf nicht wieder direkt gehen.“

Es ist nichts Neues... Hier versinkt man oft in der weißen Pracht, die ebenso schön anzuschauen, wie tödlich ist. Einige Menschen fanden in den klaren Weiten ihr Ende.

„Sonst wird der Plan nicht funktionieren! Ich kann und will nicht länger warten!“

Es windet... Die großen Flocken werden aufgewirbelt und tänzeln wild. Vorbei am mannshohem Fenster. Vorbei an mir. Ich folge ihnen... mit meinen gluhtroten Augen.

„Svetlana!“

„Du solltest dich nicht so aufregen, Voltaire. Vergiss deinen Blutdruck nicht.“ Ein verhöhnendes Säuseln.

Mit einem schmalen, jedoch arroganten Lächeln auf den Lippen drehe ich mich zu dem alten Mann um, mein dunkelblaues Haar über die entblößte Schulter zurückwerfend. Nur zu bewusst ist mir sein einerseits verachtender und zugleich

begehrender Blick bei dieser Geste. Nun... vielleicht tut das schwarze, aufreizende Kleid sein Übriges. Mir ist es gleich. Er ist nur einer von vielen... Einer von vielen Verbündeten meines Vaters.

„Du solltest dein Mundwerk nicht so weit aufreißen!“, knurrt er mir entzürnt entgegen.

Ich dagegen lächle nur weiter und kümmere mich nicht um eine Erwiderung. Es ist schließlich noch immer ich, die die Oberhand bei dieser Abmachung hat.

Zumindest rede ich mir dies ein. Ich bin die Tochter des gefürchtetsten Mafioso in ganz Russland und er lediglich ein Geschäftspartner, der meine Hilfe in Anspruch nimmt. Wäre das Angebot nicht so verlockend gewesen, hätte ich damals

nicht zugestimmt.

„Ich will, dass das heute noch geregelt will! Vor dem Abend, will ich deine Bestätigung hören. Und nun geh...“

Heute bereue ich nichts mehr, als meine damalige Leidenschaft für diesen Auftrag...
 

~~~~
 

„Blut, Blut. Räuber saufen Blut. Raub und Mord und Überfall sind dut. Hoch vom Dalden tlindt es, hoch vom Dalden tlindt es: Raub und Mord und Überfall sind dut.“

Seine Kinderstimme lässt mich innerlich lächeln. Sein Sprachfehler lässt es nach außen dringen. Der Text verwandelt es in ein stolzes.

„Kai! Was singst du da?!“

Mein Mann... Alexander Hiwatari, mein Auftrag.

„Lass deinen Frust nicht an unserem Sohn aus“, zische ich ihn missbilligend an, bleibe jedoch ruhig.

Ich kann es nicht leiden, wenn er an ihm herumschimpft und nörgelt. Elf Monate im Jahr ist er nicht Daheim, sondern auf Reisen, um diese Biester für diese Kinderkreisel zu erforschen. Wofür sich sein Vater genauso besessen

interessiert und nach giert. Die vier Wochen, in denen er hier ist, verteilen sich über das ganze Jahr. Zwei Tage mal hier, ab und an auch mal drei. Dabei penibel darauf achten, mir aus dem Weg zu gehen, da er genau weiß, was ihm blüht. In meinen Augen besitzt er nicht das kleinste Recht, Kai seinen Sohn zu nennen. Und somit hat er es sich nicht zu erlauben, Kai erziehen zu wollen.

„Misch dich nicht ein, Svetlana!“, fährt er mich an und geht auf unseren Sohn zu, der verwirrt auf dem Fußboden sitzt, mit seinem Plüschvogel spielend und nicht weiß, wie ihm geschieht.

„Und ob ich mich einmische! Den Text hat er von mir. Und er kann es singen so oft er will.“

Meine Stimme ist eisig und bestimmt, während ich in zwei Schritten ebenfalls bei Kai bin und mich vor ihn stelle.

„Statt ihm so einen Dreck beizubringen, solltest du ihm zeigen, wie man richtig spricht. Das ist ja nicht zum aushalten! Er ist sechs!“

Es trifft mich ungewöhnlich hart und ich muss mich zusammenreißen, den Plan nicht zu vergessen. Alles, jedes Wort, jede Geste, die ich ihm entgegenbringe ist kalkuliert. Ebenso verhält es sich mit seinem Vater, Voltaire. Doch sobald es um Kai geht, um meinen Sohn, den ich vorgeben muss als lästig zu empfinden, verliere ich meine Contenance. Am liebsten würde ich mich auf die beiden stürzen und mit Kai fliehen. Doch das kann ich nicht. Ich kann es nicht. Kai

gehört nicht mir...

Ganz gleich, dass ich ihn neun Monate in mir trug. Ganz gleich, dass ich ihn gebar. Ganz gleich, dass ich ihn liebe.

Kai gehört Voltaire...

So war es abgemacht und so wurde es unterschrieben. Von mir...

„Er ist vier...“, meine Stimme ist ein fassungsloses Hauchen, was ausnahmsweise nicht gespielt ist. „Es ist vollkommen in Ordnung, dass er diese zwei Buchstaben nicht richtig aussprechen kann. Er ist keine Maschine. Er ist keines deiner verdammten Tiere, die so perfekt sind, dass du dein Leben lieber mit ihnen verbringst als mit deiner Familie!“

Am Ende wurde meine Stimme laut und wütend. Es war nur teilweise geplant.

„Fängst du schon wieder damit an?“, fragt er einerseits gelangweilt, dennoch offensichtlich genervt und zornig. „Diese Arbeit ist wichtig für die Wissenschaft!“

„Zur Hölle mit der Wissenschaft!“

Ich schreie – mehr als ungeplant. Immerhin ist es diese Wissenschaft, die mir meinen Sohn nimmt. Die ihn leiden lässt.

„Wenn sie dir so wichtig ist, dann pack' deine Sachen und geh mir aus den Augen! Verschwinde zu deinen Beyblades und werde mit deinen Bitbiestern glücklich! Nur wunder dich nicht, wenn Kai und ich nicht mehr da sind, wenn du dich dazu herablässt, mal wieder hier aufzukreuzen.“ Eine geplante Drohung mit ungeplanter emotionaler Stärke.

Damit nehme ich meinen Sohn auf den Arm und will den Raum verlassen. Eine Sekunde länger mit diesem Mann und ich vergesse mich.

Als er uns aufhalten will zische ich ihn bloß an:„Fass uns nicht an!“ Meine Augen blitzen ihn wutentbrannt an, sodass er seine Hand zurückzieht und sich von uns entfernt. Ganz automatisch habe ich die Arme enger um Kai geschlungen, als ob ich ihn vor Angriffen schütze wollen würde. Es muss Alexander verwirren. Doch das interessiert mich nicht im Geringsten.

Zügig verlasse ich den Raum und steure Kais Kinderzimmer an. Er schluchzt leise an meiner Schulter, hält mich fest, als könnte ich ihn sogleich verlassen.

Es schmerzt, ihm mit vollem Bewusstsein weh zu tun. Kai mag es nicht, wenn Alexander und ich uns streiten. Er bezieht dies alles auf sich – ein Werk Voltaires, geplant. Trotzdem lege ich es immer wieder drauf an, dass mein Sohn mitbekommt, wie wir uns anschreien. Meistens geht es dabei wirklich um Kai. Um seinen Sprachfehler, darum, dass er noch immer seinen Schnuller mit ins Bett nimmt, darum, dass er erst so spät trocken wurde... Die Liste ist ellenlang.

Jeder Zentimeter entfacht meine Wut mehr und mehr. Wie kann man sein Kind wegen solcher Nichtigkeiten weniger lieben? Wie kann man es als minderwertig bezeichnen?

„Hör auf zu weinen, Kai“, sage ich ihm sanft, als wir in seinem Zimmer angekommen sind, was nicht ansatzweise kindgerecht eingerichtet ist. „Tapfere Männer beweinen nicht ihr Leiden, sondern ziehen aus diesem die Kraft

weiterzumachen, besser zu werden, es allen zu zeigen. Und du bist doch ein tapferer Mann, nicht wahr? Du bist Mamas tapferer Held...“

Ich küsse ihn auf die Stirn, als er nickt und sich tapfer die Tränen wegwischt. „So ist es richtig...“, kommentiere ich dies mit einem warmen Lächeln und stehe einen Moment einfach nur schmusend mit ihm im Arm mitten im Zimmer und

schalte ab. Verdränge alle Gedanken an die Gegenwart, der Vergangenheit, der Zukunft... Nur mein kleiner Kai beherrscht meine Gedanken. Nur mein Sohn...
 

~~
 

Innerlich ungeduldig stehe ich in Voltaires Büro und warte darauf, dass man mir Kai wiederbringt. Seit zwei Stunden ist er bereits weg, damit sein Großvater sichergehen kann, dass sein Enkel auch wirklich geeignet für seine Pläne ist, die Weltherrschaft mit Beyblades an sich zu reißen. Ich finde es noch immer zum Lachen, wie größenwahnsinnig ein einzelner Mann sein kann. Andere würden dafür eingewiesen werden. Allerdings besitzt Voltaire etwas, was die kleinen

Menschen nicht besitzen: Macht. Und genau dies macht es so gefährlich. Lässt mein Lachen stocken und vorsichtig werden.

Denn wie oft hat die Menschheit schon unter dem Wahnsinn und der Machtgier eines Mannes gelitten, der die Macht besaß, seine kranken Vorstellungen zu verwirklichen? War zuletzt nicht Hitler der beste Beweis?

Um mich abzulenken, sehe ich wieder aus dem Fenster und betrachte das Schneegestöber. Doch meine Gedanken rasen.

Was Kai dieses Mal erleiden muss, was sie ihm dieses Mal antun, in welcher Verfassung er wieder zu mir zurückkommt...

Nicht eine Sekunde kann ich vergessen, dass mein Sohn leiden muss und ich tatenlos verharre. Wie ein Feigling.
 

„Du hast hervorragende Arbeit geleistet, einen Streit zu inszenieren, kurz bevor Kai abgeholt wird.“

Voltaires lobende Worte reißen mich aus meinen Gedanken und ich drehe mich langsam zur Tür um, in welcher mein Schwiegervater steht. Hinter ihm Kai, bewusstlos, auf den Armen eines Wissenschaftlers. Heute fehlt ihm äußerlich

nichts, soweit ich es sehen kann. Jedoch erleichtert es mich nicht. Keine äußeren Verletzungen heißt bei diesen Männern nicht unbeschadet.

„Hast du etwas anderes erwartet?“, frage ich nur selbstgefällig, obwohl ich mich am liebsten übergeben hätte. Mich wegen meinen Scheußlichkeiten loben zu lassen ist fast die größte Qual. Doch meine Maske muss sitzen. Sie darf mich

nicht verraten, sondern muss mich schützen. Um Kais Willen.

„Nein, natürlich nicht.“ Er schleimt mit einem widerlichen Grinsen im Gesicht. „Wie sieht es mit Alexander aus? Bleibt er?“, fragt er mich lauernd und lässt seinen Enkel ablegen und mit einer Spritze aufwecken.

„Das sage ich dir, wie verlangt, vor dem Abend“, antworte ich nur nichtssagend und provozierend. Es ist schwer mich zurückzunehmen, um Kai nicht an mich zu ziehen, damit dieser möchte-gern Arzt ihm nicht zu nahe kommt.

„Nun gut...“, Voltaire knurrt unzufrieden. „Nimm die Kröte mit und sorge endlich dafür, dass Alexander hier bleibt. Kai ist soweit.“

Ich nicke lediglich und ziehe Kai fast gewaltsam am Arm von dem Arzt weg. Er ist noch immer nicht ganz bei sich und möchte auf den Arm genommen werde. Es gibt nichts, was ich gerade lieber täte, doch ich kann nicht.

„Beweg dich! Laufen müsstest selbst du hinbekommen, elender Nichtsnutz!“

Ich ziehe, zerre ihn schon fast hinter mir her und achte nicht darauf, ob er hinterherkommt, oder stolpert. Ich habe nur das Ziel vor Augen, ihn schleunigst in sein Zimmer zu bringen, damit ich mich um ihn kümmern kann, wie es mein Herz

verlangt.

Seine Tür schlägt laut ins Schloss und zeitgleich liegt Kai in meinen Armen.

Ihn an mich drückend sinke ich zu Boden und vergrabe mein Gesicht in sein strubbeliges zweifarbiges Haar.

„Ich habe nicht deweint, Mama...“, ertönt seine schwache Stimme und ich schluchze haltlos auf. Mein schlechtes Gewissen und mein Selbsthass erdrücken mich. Ich bin schuld, dass er dies alles erleiden muss und er beschenkt mich mit

seiner Liebe. Ich habe nicht verdient, dass er mir so sehr vertraut, mich so sehr liebt. „Du bist so tapfer, mein Engel...“, sage ich ihm sanft, mit verweinter Stimme und lasse die Tränen einfach laufen. Er legt seine kleinen Arme tröstend um meinen Nacken und gibt mir einen Kuss auf die Wange, kuschelt sich danach an mich und verharrt einfach an meiner Brust. Während meine Tränen versiegen, findet er in einen ruhigen Schlaf. Lächelnd fische ich seinen Schnuller vom Schrank und gebe ihn ihm, halte ihn umarmt und schaukle leicht vor und zurück.

Dennoch bemerke ich, wie sich die Tür öffnet und Alexander das Zimmer betritt.

Ihm fällt sofort mein verweintes Gesicht ins Auge und ich kann richtig ablesen, wie er die jetzige Situation mit unserem Streit zusammensetzt und ein Ergebnis erhält, was ich erhofft hatte, aber nicht sicher war zu bekommen.

„Ich bleibe über Weihnachten hier...“, spricht er leise zu mir und setzt sich neben mich auf den Boden, legt einen Arm um mich. Offensichtlich von seinen Schuldgefühlen geleitet.

„Über Neujahr ebenfalls...“, sage ich nur tonlos und beglückwünsche mich im Innern und verfluche mich zugleich.

Ich habe also erreicht, dass mein Mann lang genug hier bleibt, um seinen Tod zu finden, damit sein Vater sich Kai unter den Nagel reißen kann. Denn vor mir wird kein Widerspruch kommen. So sehr ich dies auch will.

Du gehörst ins Fegefeuer, Svetlana.
 

~~
 

„Was hast du mir mitzuteilen?“

Sein Gesicht ist im Schatten, sodass ich seine Miene nicht erkennen kann. Doch sein lauernder Ton lässt es mich erahnen.

„Er bleibt.“

Es ist alles, was ich sage. Monoton und abwesend.

„Gut...“

Er nickt wahrscheinlich und grinst. Ich höre es regelrecht. Ein lautes, schallendes, irres Lachen.

Doch ich bleibe stehen... paralysiert von den Konsequenzen meiner Taten der letzten vier Jahre.

Nun endlich kommt alles zu einem Ende...
 

~~
 

„Mama? Deht es Dranzer heute dut?“

Kais fröhliche Stimme lässt mich aufschauen und lächeln. Wir puzzeln gerade zusammen, sitzen auf dem Boden.

„Ihr geht es sehr gut, siehst du?“

Damit ziehe ich den Anhänger meiner Kette aus meinem Ausschnitt und zeige ihm die stolze Phönixdame. Die Kette ist so lang, dass Dranzers Bitchip wohlbehütet unter meiner Brust zum Liegen kommt, wo sie niemand sieht. Es ist eines meiner vielen Geheimnisse, das nur Kai weiß.

Fasziniert beugt er sich zum Chip und betrachtet Dranzer mit leuchtenden Augen.

In ihnen spiegelt sich das prächtige Feuer und lässt das Rot noch intensiver werden.

„Sie wird einmal dir gehören, Kai“, erkläre ich ihm. Obwohl ich eigentlich wissen müsste, dass dies nie der Fall sein wird, bin ich mir dessen sehr sicher.

„Wirtlich?“, seine großen Kinderaugen strahlen mich an, sodass ich lächelnd nicke.

„Sie wird dich beschützen. Vor allem... Sie wird dir immer eine Stütze sein, immer dein Halt, wenn du einmal nicht weiter kannst und glaubst zusammenzubrechen. Sie wird deine treueste Begleiterin sein, deine Freundin. Die einzige, der du Vertrauen entgegenbringen kannst. Sie wird dir immer den Weg weisen und deinen Selbstausgesuchten mit dir beschreiten. Ich weiß, dass du das alles noch nicht begreifen kannst. Doch präg dir diese Worte ein. Du darfst sie niemals vergessen, Kai, hörst du? Vertraue nur auf Dranzer! Zeige nur ihr, was in dir vorgeht, sage nur ihr, was du wirklich fühlst. Für andere musst du gefühllos sein, hörst du? Niemandem darfst du zeigen, dass du Schmerzen hast, Kummer. Keiner darf wissen, wen oder was du liebst. Die Menschen werden das ausnutzen und dich verletzen. Sie werden dir schrecklich weh tun, wenn du ihnen das alles erzählst. Du musst so etwas für dich behalten. Nur Dranzer darf davon wissen. Nur sie kann dir beistehen. Nur sie wird für dich da sein. Trage eine Maske und zeige der Welt deinen Rücken, deine Kraft, deine Stärke!

Findest du Menschen, die so sind wie du... sei auf der Hut. Lass dich nicht verletzen, Kai. Vertraue auf Dranzer! Nur auf sie. Verstehst du das? Du darfst das nie vergessen!“

Ich weiß, dass ich ihn überfordere. Doch heute ist unser letzter Tag. Das Gift in Alexanders Körper wütend seit mehreren Tagen. Den Heutigen wird er nicht überleben. Das bedeutet, dass Kai heute abgeholt wird und in die Abtei Voltaires gebracht. Ich muss ihn so gut es geht vorbereiten. Ich muss ihm beibringen sich selbst zu schützen. Denn dies ist meistens der einzige Weg, um zu überleben.

Kai nickt angestrengt. Er versucht meine Worte zu verstehen. Doch dies wird er erst in einiger Zeit können.

„Gut. Puzzle weiter, ich werde nach deinem Vater sehen.“
 

~~
 

„Wie ich sehe, geht es mit dir genauso erbärmlich zu Ende, wie es angefangen hat.“

Höhnend stehe ich im Türrahmen und beobachte Alexander. Es lässt mich vollkommen kalt, dass er draufgeht. Ich habe noch nie etwas für ihn empfunden. Genauso wenig wie er für mich. Es ist eine reine Zweckehe gewesen. Natürlich aus unterschiedlichen Gründen. Ich tat es wegen Geld und weil ich Lust hatte, mal wieder etwas Aufregenderes zu erleben, als Drogendeale zu überwachen oder Waffentransporte. Er tat es, um Ruhe vor Voltaire zu haben.

Ich muss unwillkürlich schmunzeln, ironisch. Wie einem das Leben so spielen kann...

Langsamen Schrittes gehe ich zu ihm, setzte mich rittlings auf seine Brust.

„So hilflos wie ein Baby.“

Die Überlegenheit verberge ich kein Stück. Ich ergötze mich eher an seiner Hilflosigkeit. Er schaut nur verwirrt und bitterböse. Immerhin weiß er nicht wie ihm geschieht.

„Du wirst sterben, Alexander“, säusle ich ihm ins Ohr und lächle. „Ich habe dich vergiftet. Deswegen solltest du hier bleiben. Damit ich die Kontrolle über deinen Tod habe“, wispere ich und greife zu meinem Oberschenkel. Unter dem Kleid ist durch die Halterlosenstrümpfe ein Dolch verborgen, der ihm den Rest geben soll. Ich ziehe ihn hervor und halte ihn vor seine Augen. „Sag 'Lebe wohl'!“
 

Ein ächzendes Keuchen und Röcheln ertönt.

Es kommt aus meinem Mund. Der Dolch steckt in meiner Brust, Alexanders Hand am Griff. Es ist mein Blut, welches auf seine Brust tropft. Er hat es doch tatsächlich Zustande gebracht sich zu rächen. Ich lächle humorlos...

:„Dummer Idiot...“, kommt es angestrengt von mir, während ich den Dolch hinausziehe und ihm selbst in die Brust ramme. So viel Kraft steckt noch in mir.

So viel Kraft muss noch in mir stecken. Augenblicke lang kann ich mich nicht rühren. Mein Herz schmerzt wie noch nie und ich denke, dass dies das erste Mal eine Reaktion ist, die ich verdient habe.
 

~~
 

„Kai....“

Ich sinke in der Tür zu Boden, halte meine Brust, versuche so das Blut zu stoppen, doch es fließt durch meine Hand hindurch. Meine Sicht verschwimmt immer öfter und meine Kräfte schwinden. Doch ich musste einfach noch zu ihm.

Er muss laufen... so weit und so schnell er kann. Er muss verschwinden.

„Mama!!“

Er ruft mich völlig entsetzt, als auch mein Oberkörper auf dem Boden aufkommt und ich liegen bleibe. Ich höre noch seine trampelnden Schritte, spüre, wie er sich an meine Seite setzt und mich betrachtet. Ängstlich, fassungslos, verwirrt.

„Mein kleiner Liebling...“, wispere ich und muss einen Moment die Augen schließen. Sie sind so furchtbar schwer offen zu halten. Ich fühle, wie etwas auf mein Lid tropft und zwinge mich, sie wieder zu öffnen. Kai weint, er scheint zu begreifen. Aufmunternd lächle ich ihn an.

„Mein tapferer Held... Du... Du brauchst nicht zu weinen. Es wird alles gut werden. Du musst... Jetzt deine Jacke anziehen und verschwinden. Laufe ganz weit weg... So weit du kannst. Dein Groß-...“

Ich muss abbrechen. Die Schmerzen werden immer größer und es ist anstrengend zu sprechen. Doch Kai muss es wissen. „Mama....“, schluchzt er und versucht seine Tränen zu trocknen. Es werden immer mehr.

„Shhh... Hör zu. Dein Großvater und... Ein böser Mann... Er heißt Balkov.

Er und Voltaire wollen... Wollen dich mitnehmen. Du darfst nicht mit ihnen gehen. Sie werden dir weh tun.“

Ich versuche nach ihm zu greifen. Es gelingt mir nur, weil er nach meiner Hand fasst.

„Nimm Dranzer, mein Engel.“

Er tut es. Er zieht mir die Kette über den Kopf und nimmt sie an sich.

„Weißt du noch, was ich dir vorhin gesagt habe? Dass.... Dass du niemandem vertrauen darfst?“

Er nickt. Er ist so unglaublich tapfer.

„Vergiss es nicht! Nimm... Nimm Dranzer und lauf weg! Vertraue niemandem! Lauf! Lauf, Kai...“

Ein letztes Mal sieht er mich an und steht dann auf. Ich sehe, wie sehr es ihm widerstrebt auf mich zu hören und wie schwer es ihm fällt, nicht zu weinen.

„Ich hab dich lieb...“, hauche ich, ehe ich die Augen schließe und alles sein Ende nimmt.
 

~~
 

Es schneit... In großen Flocken fallen die Eiskristalle gen Erde und lassen so die Tiefe des Schnees erneut steigen. Am Ende der Nacht wird man bis zur Wade versinken können.

„E wird dir bei uns gefallen, Kai. Viele Kinder sind in der Abtei und werden mit dir zusammen trainieren wie man bladet.“

Es ist nichts Neues... Hier versinkt man oft in der weißen Pracht, die ebenso schön anzuschauen, wie tödlich ist. Einige Menschen fanden in den klaren Weiten ihr Ende.

Mama hat das immer gesagt.

„Das hier ist der Mann, der euch trainieren wird. Auf ihn wirst zu hören, hast du verstanden, Kai?“

Es windet... Die großen Flocken werden aufgewirbelt und tänzeln wild. Vorbei am Fenster des Autos, welches mich wegbringt, da ich nicht so schnell laufen konnte, wie Mama es wollte. Vorbei an mir. Ich folge ihnen... mit meinen blutroten Augen.

„Es wird eine schöne Zeit werden, Kai. Mein Name ist Balkov.“
 

Da man uns verletzt hat, errichten wir eine Mauer um uns herum, damit man uns

nie wieder verletzt; und wenn man eine Mauer um sich herum errichtet, [...] wird

man nur noch mehr verletzt.

[Krishnamurti]

Yuriy

Wovon die Wölfe träumen, will ich heut Nacht erfahren.

Will zwischen ihren Leibern vergessen wer ich war.
 

[Subway to Sally]
 

„Mama! Erzähl mir doch bitte noch mal die Geschichte mit den Wölfen“, bettelte ein kleiner rothaariger Junge seine Mutter an, die gerade noch einmal in sein Zimmer gekommen war, um ihm ‚Gute Nacht’ zu wünschen.

„Die Geschichte von den Wölfen?“, hakte sie gespielt unwissend nach und bekam postwendend die empörte Reaktion ihres Sohnes: „Och Mama, du weißt doch genau welche ich meine… Die, wovon die Wölfe träumen.“

Schmunzelnd strich sie ihm über die Wange.

„Natürlich weiß ich, welche du meinst, aber die habe ich dir doch erst die letzte Nacht erzählt.“

„Aber ich mag sie doch so. Bitte, Mama.“, versuchte er es weiter und sah sie mit großen Augen an, während sie mit einem Seufzen nachgab: „Na schön… Aber danach wird sofort geschlafen, mein Lieber, sonst kommst du morgen wieder nicht aus dem Bett.“

Eifrig nickte der Kleine, kuschelte sich tief in Kissen und Decke, schloss seine Augen und lauschte gespannt den Worten seiner Mutter:

„Wie fang ich denn am besten an?“, überlegte sie laut.

„Du musst wissen, vor vielen Jahren, als noch zahllose Wölfe in unseren Wäldern umher streiften, da gab es einen - oder besser gesagt - eine Wölfin, die war anders als die anderen ihres Rudels. Es war nicht nur ihr Aussehen, das sich von den anderen unterschied, nein, auch ihre Art war ihren Artgenossen nicht geheuer. Sie mieden sie, so gut es ging…“

„Warum, Mama? War sie denn so schlimm? Hat sie Böses getan?“, fragte der Rothaarige und öffnete seine Augen ein wenig, um seine Mutter fragend anzusehen.

Diese schüttelte den Kopf: „Im Gegenteil... Sie war etwas Besonderes. Weißt du, ihr Fell war schneeweiß, während das der anderen in dem Rudel grau war. Und das ist ja nun wirklich nicht alltäglich, wenn nur ein Wolf im ganzen Rudel eine andere Farbe hat, oder?“, erklärte sie, während sie vorsichtig durch seine Haare streichelte.

Er nickte. In all den Geschichten, die er bisher kannte und auch in allen Bildern, die er bisher gesehen hatte, kam dies noch nicht vor. „Es lag ja nicht nur an ihrem Fell... Sie war auch viel, viel größer als die anderen und auch ihre Art war ganz anders. Die Wölfin war gerne für sich, während ihre Artgenossen lieber zusammen waren.“

„Sie war also eine Einzelgängerin?“, ermittelte der Junge.

„Hm… Ja, so könnte man sie bezeichnen. Du musst wissen, sie war auch die einzige im Rudel, die keine Familie hatte. Sie war als kleiner Welpe gefunden und aufgenommen worden… Viele der anderen Wölfe haben es damals schon nicht gewollt, aber sie konnten sie auch nicht zurück lassen. Das änderte sich jedoch über die Jahre…

Sie akzeptierten sie immer weniger, bis sie die Wölfin irgendwann fort schickten. Sie wollten sie nicht mehr bei sich haben…“
 

~~~
 

Knirschende Schritte, keuchender Atem und einzelne, verzweifelte Rufe, waren die einzigen Geräusche, die man wahrnehmen konnte.

Es dämmerte langsam und die großen, schneebedeckten Bäume wirkten beinahe bedrohlich, wenn wieder einmal ein Ast knackend unter der Last der weißen Masse herunter fiel.

Der Schnee war hoch, sodass der kleine Junge, der sich um diese Zeit noch hier herum trieb, nur schwer voran kam.

„Mama..? Mama?! Wo bist du?“, hörte man seine hohe Kinderstimme rufen, während er weiter durch den Wald lief, um seine Mutter zu finden.

Diese hätte schon vor Stunden wieder zu Hause sein müssen und normaler Weise sagte sie auch immer bescheid, wenn es mal später wurde.

Der Junge hatte die ganze Zeit am Fenster gesessen, hinaus geschaut und darauf gewartet, seine Mutter am Waldrand erkennen zu können. Sie nahm immer diesen Weg, wenn sie aus der Stadt kam, es war der Kürzeste.

Lange hatte er mit sich gerungen, ob er wirklich das Haus verlassen sollte. Sie hatte ihm verboten, zu so später Stunde, noch hinaus zu gehen. Im Wald lebten einige Wölfe, weswegen es einfach zu gefährlich war, diesen Weg zu nehmen, wenn es dunkel wurde.

Schließlich entschied er sich doch dafür, in den Wald zu gehen. Bestimmt würde seine Mutter ihm entgegen kommen. Sie hatte sicherlich nur etwas die Zeit vergessen, als sie in der Stadt war. Er wollte nicht glauben, dass ihr was passiert war.

So zog er schließlich seine Schneehose und seine dicke Winterjacke an, steckte seine kleinen Hände in die Handschuhe und zog eine Wollmütze über seinen roten Schopf.

Seine Stiefelchen band er mehr schlecht als recht zusammen (Mama wollte das noch mit ihm üben) und verließ das Haus.

Vor der Tür blieb er noch kurz stehen, unschlüssig, ob das wirklich so eine gute Idee war, in den Wald zu gehen.

Er fasste sich jedoch schnell wieder und lief mit entschlossenem Blick los.
 

Nun lief er also schon seit mindestens 30 Minuten durch den Wald, während es immer dunkler wurde, er aber noch keine Spur von seiner Mutter gefunden hatte.

Aus den vielen Spaziergängen mit ihr wusste er ungefähr, wo er war. Er musste bald in der Mitte des Waldes angekommen sein.

Er beschloss, dort die nächste kleine Pause zu machen. Seine Lungen brannten schon und er merkte, dass er bald überhaupt nicht mehr können würde. Die Kälte kroch auch langsam, trotz der dicken Kleidung, seinen Körper entlang und brachte ihn zum Zittern.

Er verlangsamte seine Schritte, während er sich kurz darauf keuchend an einem Baum abstütze.

„Mama?!“, rief er ein weiteres Mal, jedoch klang es bei weitem nicht mehr so kräftig wie am Anfang. Seine Stimme wurde kratzig und auch sein Hals tat langsam weh.

Er verschnaufte noch einmal kurz, um daraufhin seine Suche weiter zu führen. Dieses Mal ging er jedoch, anstatt zu rennen. Dazu fehlte im einfach die Kraft.

Er zog die Jacke ein wenig enger um sich, wollte gerade ein weiteres Mal nach seine Mutter rufen, da blieb er plötzlich wie erstarrt stehen.

Seine blauen Augen weiteten sich vor Schreck und ein leises „Mama…“ entwich ihm.

Dort vorne auf der Lichtung lag seine Mutter. Er erkannte sie sofort. Die langen, sonst so ordentlich zusammen gebundenen roten Haare, die nun offen und zerzaust ihr Gesicht umrahmten, waren unverkennbar.

Sie lag dort ganz friedlich, als würde sie schlafen. Das einzige, was das Bild zerstörte, war der blutrot gefärbte Schnee um sie herum.

„Mama…“, flüsterte der Junge, während ihm die Tränen in die Augen traten. Er wollte gerade auf sie zu laufen, da sah er den riesengroßen, weißen Wolf, der über ihr gebeugt dort saß. Jener hatte ihn noch nicht bemerkt.

Ängstlich wollte er zurück weichen, stolperte jedoch über eine nur leicht aus dem Schnee ragende Wurzel und fiel.

Ihm entwich dabei vor Schreck ein Schrei, worauf der Wolf ruckartig seinen Kopf in seine Richtung drehte und ihn musterte.

Der Wolf erhob sich und kam langsam auf ihn zu, während der kleine Junge schluchzend nach einem umliegenden Ast griff, um sich nur irgendwie zu verteidigen.

„G-geh w-w-weg!“, rief er stotternd und so laut, wie es seine Stimme zu lies.

Zu seiner großen Verwunderung tat der Wolf genau das, was er gesagt hatte. Er verschwand zwischen den Bäumen und war nicht mehr zu sehen.

Er sah ihm noch einen kurzen Moment nach, danach schmiss er den Ast einfach weg und rannte so schnell seine Beine ihn trugen zu seiner Mutter.

Er kniete sich neben sie, rüttelte leicht an ihrer Schulter, aber sie rührte sich nicht.

„Mama?“, flüstere er, „b-bitte wach a-auf, Mama.“

Die Tränen liefen wie Sturzbäche über seine Wangen und auch seine Stimme zitterte vor Kälte.

Er rüttelte ein weiteres Mal an ihr, doch wieder nichts.

Er ahnte, dass sie tot war, aber er konnte es nicht glauben. Er wollte es nicht glauben.

„W-wach doch b-b-bitte a-auf!“, versuchte er es ein weiteres Mal, doch auch das blieb hoffnungslos.

Sie erwachte nicht.

Langsam mischte sich zu seiner Trauer und Verzweiflung auch noch Wut. Wut auf den Wolf, der ihm seine Mutter genommen hatte und aus dieser Wut heraus, fing er an zu schreien, zu fluchen und den Wolf zu beschimpfen, ja sogar zu bedrohen, obwohl dieser längst nicht mehr da war. Aber er wusste sich nicht anders zu helfen.

So schrie er, fluchte und schimpfte, bis seine Stimme völlig versagte, bis ihm nur noch ein heiseres Flüstern über die Lippen kam.

Die ganze Zeit blieb er dabei neben seiner Mutter sitzen, deren Haut, zumindest an den Stellen, an den kein Blut war, fast weiß war.

Aber auch er selbst sah langsam mehr tot als lebendig aus. Seine Haut war bleich, seine Lippen blau. Seine Augen waren müde und vielen ihm immer wieder zu. Er musste sich zwingen sie offen zu halten.

Er war schon so weit herunter gekühlt, dass sein Körper schon das Zittern eingestellt hatte.

Er bewegte sich so gut wie gar nicht mehr. Er sah apathisch auf seine Mutter und die einzige Bewegung, die man wahrnehmen konnte, war das Blinzeln seiner Augen, wobei ihm immer noch vereinzelte Tränen über die kalten Wangen liefen.

Das Einzige, was er noch wahrnahm, war die plötzliche Müdigkeit die ihn befiel und während ihm noch ein leises ‚Mama’ über die Lippen kam, zog ihn die Dunkelheit sanft mit sich, sodass er nichts mehr spürte.
 

~~~
 

Ein markerschütternder Schrei, das Knurren von mehreren hungrigen Wölfen.

Sie versucht zu flüchten, schafft es aber nicht. Der erste Wolf hat sie erwischt, reißt die rothaarige Frau zu Boden. Sie versucht sich noch zu wehren, doch da kommen schon die anderen zwei Wölfe.

Alle drei machen sich über sie her. Beißen, kratzen sie, zerfetzen ihre Kleidung.

Sie schreit unter Schmerzen, versucht sich zu befreien, aber ist machtlos.

Sie spürt, wie das Blut aus ihren Wunden läuft und weiß, dass es bald vorbei sein wird.

Ihr fallen langsam die Augen zu. Während sie spürt, wie die Wölfe plötzlich von ihr ablassen, ist das letzte, was sie sieht, ist ein großer, weißer Wolf, der langsam auf sie zu kommt und sie mit seinen warmen, eisblauen Augen ansieht, ehe er sich neben sie niederlässt.

Sie hat ihre Augen nun endgültig geschlossen, verliert das Bewusstsein.

Ihre letzten Gedanken gelten ihrem kleinen Sohn…
 

~~~
 

Erschrocken fuhr der rothaarige Junge hoch. Seine Augen waren weit geöffnet und es dauerte einen Moment, bis sich seine Atmung wieder beruhigt hatte.

Erst dann war er in der Lage, seine Umgebung zu betrachten.

Das erste, was ihm auffiel, war, dass er in einer Höhle war. Sein Blick schweifte weiter zu dem kleinen Feuer, das vor ihm brannte und er stutzte. Wie konnte es sein, dass die Flammen blau waren, ja fast wie aus Eis aussahen?

Während er darüber nachdachte, wurde ihm plötzlich bewusst, dass er nicht einmal mehr fror, eher das Gegenteil war der Fall.

Vorsichtig drehte er seinen Kopf ein wenig, nur um kurz darauf ein weiteres Mal zu erschrecken. Er wollte schon aufspringen, aber sein Körper machte das noch nicht mit. Zu geschwächt war er noch.

Angsterfüllt starrte er nun den weißen Wolf an, an den er wohl gelehnt hatte und der ihm Wärme gespendet hatte.

Der Wolf erwiderte seinen Blick, sah ihn mit seinen eisblauen Augen, die seinen so ähnlich waren, einfach nur an.

Der Junge erinnerte sich an seinen Traum. Dort hatte er genau solche Augen gesehen.

Er schluckte den Klos in seinem Hals hinunter und sprach mit zitternder, immer noch leicht angeschlagener Stimme: „Du… Du wirst m-mir nichts tun, oder? Du h-hast auch meiner Mama nichts getan, richtig?“

Der Wolf sah ihn weiterhin einfach nur an, aber der Rothaarige hatte das Gefühl eine weibliche Stimme zu hören, die mit sanften Worten zu ihm sprach: „Du musst keine Angst haben, mein kleiner Yuriy. Ich habe deiner Mutter nichts getan und werde dir auch nichts tun.“

„Aber wenn du ihr das nicht angetan hast, warum hast du ihr dann nicht geholfen? Du hast die anderen Wölfe doch vertrieben. Warum konntest du sie nicht retten?“, rief der Junge aufgebracht und ihm stiegen wieder die Tränen in die Augen. Er wusste nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte, war überfordert. Seine Mutter war tot. Sie würde nicht wieder kehren. Er war jetzt ganz allein.

„Es tut mir Leid, was mit ihr geschehen ist“, hörte er wieder die Stimme, die er nun dem Wolf, oder eher der Wölfin, zuordnen konnte. „Aber es lag nicht in meinen Möglichkeiten sie zu retten.“

Nun konnte der Junge die Tränen doch nicht mehr zurück halten. Was sollte er jetzt nur tun?

„Weine bitte nicht. Es ist vielleicht nur ein kleiner Trost, aber ich verspreche dir, ich werde in Zukunft auf dich aufpassen“, sagte sie und stupste dem weinenden Kind mit der Nase gegen die Wange. „Dir wird nichts geschehen, solange ich bei dir bin.“

Während sich der Junge langsam wieder gegen die Wölfin sinken lies, fragte er: „Versprichst du es?“

„Ich schwöre es“, versicherte sie ihm.

Langsam schloss er seine Augen. Er war immer noch nicht wieder ganz fit und er spürte wie ihn die Müdigkeit überholte. Die Wärme, die von der Wölfin ausging, tat ihr Übriges.

Bevor er jedoch ganz ins Reich der Träume versank, konnte er noch eine Frage stellen:

„Wie heißt du eigentlich?“

„Mein Name ist Wolborg.“
 

~~~
 

Als er das nächste Mal die Augen aufschlug, war draußen schon wieder helllichter Tag und auch das Feuer war erloschen.

Er brauchte eine Weile, um sich ein wenig zu orientieren, da fiel ihm plötzlich auf, dass seine Wärmquelle verschwunden war. Erschrocken sah er sich um, doch Wolborg war nirgends zu sehen. Sie hatte ihn verlassen…

E spürte schon die Enttäuschung in sich aufsteigen, da bemerkte er plötzlich, wie es an einer Stelle unter seiner Jacke warm wurde.

Er öffnete diese und nahm das Medaillon, das an dieser Stelle lag, heraus. Er hatte es vor Jahren von seiner Mutter geschenkt bekommen, die es selbst von ihrem Vater bekommen hatte, doch hatte es sich nie öffnen lassen.

Er betrachtete es, ehe er es doch einmal versuchte.

Zu seinem Erstaunen ging es kinderleicht auf und er sah, dass ein kleines Bild dort lag. Es war ein Abbild von Wolborg.

Er fragte sich, ob es schon immer dort gewesen war.

Ein leises Seufzen entkam ihm. Er sollte langsam wieder zurück gehen. Auch wenn ihn dort niemand mehr erwarten würde…

Er erhob sich und ging langsam aus der Höhle.

Er brauchte eine Weile, um sich zu orientieren. Er wusste ungefähr wo er war, kannte er diese Höhle doch schon. Er war hier früher öfter mit seiner Mutter gewesen.

Er wollte sich gerade auf den Weg machen, da hörte er verschiedene Stimmen.

„Schon wieder so ein armes Opfer, das sich zur späten Stunde mal wieder im Wald herum trieb.“ - „Sie ist selbst Schuld. Jeder weiß doch, das man sich um diese Uhrzeit nicht in den Wälder herum treiben soll.“ – „Da ist was dran. Aber sag mal, war das nicht diese Frau aus dem Haus da etwas außerhalb, die mit dem Rothaarigen…“, lauteten die Gesprächsfetzen, die er mitbekommen konnte, ehe die Personen schon aus seinem Blickfeld verschwunden waren.

„Hey du!“, hörte er plötzlich eine weitere Stimme, die dieses Mal viel näher war. Er drehte sich in Richtung der Stimme und wich instinktiv einen kleinen Schritt zurück. Dort stand ein hochgewachsener, dunkelgekleideter Mann. Er fand ihn unheimlich. Nicht nur seine lilafarbenen Haare, auch diese merkwürdige Brille und die roten Augen weckten nicht gerade sein Vertrauen.

„Du bist doch der Sohn von Natalya Ivanov, oder?“, er grinste, „natürlich bist du es. Diese roten Haare sind unverkennbar.“

Er antwortete nicht. Er wusste auch gar nicht, was er sagen sollte, er fragte sich nur, woher dieser Mann seine Mutter kannte.

„Es ist traurig, was mit ihr passiert ist… Sie war eine hübsche Frau“, sprach er weiter,

„du musst wissen, ich habe hier in der Nähe eine Schule, um genau zu sein, eine Schule in der das Beybladen unterrichtet wird. Ich würde dich gerne mit dorthin nehmen, bevor sie dich in ein Waisenhaus stecken. Na, was sagst du?“

Er war überfordert. Er konnte doch nicht einfach mit einem fremden Man mitgehen, das hatte seine Mutter ihm von Anfang an verboten. Aber in ein Waisenhaus?

Mit langsamen Schritten ging er auf den Mann zu, hielt dabei das Medaillon fest umklammert.

Er würde mit ihm mitgehen. Was hatte er denn noch zu verlieren? Außerdem hatte Wolborg gesagt, sie würde auf ihn aufpassen. Er vertraute ihr.

Er spürte das Medaillon noch einmal warm aufglühen, während er also neben dem Mann herging. Dieser sah grinsend auf das Kind und sagte:

„Mein Name ist übrigens Balkov…“
 

~~~
 

„Und wie ging die Geschichte aus, Mama?“, fragte der kleine rothaarige Junge neugierig nach.

„Die Wölfin streifte einige Jahre alleine umher, da ihr Rudel sie ja verstoßen hatte. Sie hatte immer wieder versucht, sich einem anderen Rudel anzuschließen, aber diese wollten sie auch nicht. Sie hatten Angst vor ihr…“, erzählte seine Mutter weiter.

„Aber warum hatten sie den Angst vor ihr? Sie hatte doch nichts getan?“, der Kleine verstand nicht, warum man die Wölfin denn nicht einfach akzeptieren konnte. Sie sah doch nur ein wenig anders aus… War das denn so schlimm?

„Die anderen Wölfe fürchteten das Unbekannte. Sie hatten so eine Wölfin wie sie noch nie gesehen und hatten deshalb Angst vor ihr“, erklärte sie.

„Eines Tages jedoch, es fing gerade an zu dämmern, da sah sie auf einer Lichtung, einen kleinen Wolf liegen. Sie lief sofort zu ihm und sie bemerkte, dass der Kleine wohl schon eine ganze Weile dort lag. Er hatte zwar keine äußeren Verletzungen, aber er war vollkommen unterkühlt.

Sie konnte ihn nicht einfach dort liegen lassen und so setzte sie sich zu ihm, um ihn zu wärmen. Während sie das tat, schaute sie ihn sich genau an. Weißt du, er hatte keine alltägliche Fellfarbe. Sie war rot, ungefähr so wie deine Haare“, sie zwirbelte eine seiner Haarsträhnen zwischen ihren Finger, dann sprach sie weiter:

„Es dauerte Stunden, bis sie ein erstes Lebenszeichen von dem kleinen Wolf erhielt. Langsam begann er seine Augen zu öffnen und als er bemerkt hatte, dass er nicht alleine war, versuchte er, von ihr zurück zu weichen, doch es funktionierte nicht. Er war noch zu geschwächt.

Ängstlich sah er die Wölfin an, die keine Anstalten machte, ihm irgendetwas tun zu wollen. Lange sahen sich die beiden an, es war, als würden sie sich ohne Worte verstehen…“

„Und dann? Was passierte dann Mama? Ließ sie das Wölfchen wieder alleine?“

„Nein, das tat sie nicht. Seit diesem Tag kümmerte sie sich um den kleinen Wolf, sie beschütze ihn und passte auf ihn auf…“, beendete sie ihre Erzählung.

„So mein kleiner Schatz, nun wird geschlafen. Es ist schon wieder viel zu spät für dich. Ich wüsche dir eine Gute Nacht und träum was Schönes“, sagte sie und hauchte ihm noch einen Kuss auf die Stirn.

„Gute Nacht, Mama…“

Sie wollte gerade das Zimmer verlassen, da ertönte noch einmal die Stimme ihres Sohnes.

„Mama? Wirst du auch immer auf mich aufpassen?“, fragte er und schloss dabei seine kleine Hand um das Medaillon um seinen Hals.

„Natürlich werde ich das…“, versprach sie, lächelte ihn noch einmal liebevoll an und verließ dann das Zimmer.

„Immer...“



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Von:  JoMarch
2014-10-08T22:45:25+00:00 09.10.2014 00:45
Die Geschichte mit der Weißen Wölfin finde ich schön. Erst erzählt die Mutter ihrem Sohn die Geschichte mit den Wölfen und später wird sie von Wölfen angegriffen und getötet. Und der arme Junge suchte seine Mutter und findet sie tot im Schnee, getötet durch Wölfe, und statt zu erfrieren wird er von Wolborg gerettet. Zum Ende fällt er leider auch Balkov in die Hände. Er hat ja sonst nichts außer das er sonst ins Waisenhaus müsste, vielleicht wäre das besser gewesen aber das weiß man ja leider nicht im Voraus was besser wäre.

Ihr habt euch mit den Geschichten viel mühe gegeben und sie auch schön geschrieben. Es war interessant zu erfahren, auf welche Weise die Jungs zu Balkov kamen, die einen mehr die anderen weniger Freiwillig. Das sie größtenteils nichts dafür können wie sie geworden sind, da sie es leider nicht anders gelernt haben.
Von:  JoMarch
2014-10-08T21:30:38+00:00 08.10.2014 23:30
Der arme Kai. Noch so klein und muss schon miterleben das sich seine Eltern streiten. Für ihn muss es schrecklich sein nur zuzusehen und nicht richtig verstehen wieso sie es tun und bezieht das alles dann auf sich, das es wirklich wegen ihm ist finde ich schrecklich das sie das tun um den armen kleinen so „hinzubiegen“ wie es der Großvater will. Grausam.

Für Svetlana ist es nicht leicht Kai so mies zu behandeln, obwohl sie ihn von herzen liebt. Es ist verständlich das sie Kai sagt, das er niemanden außer Danzer trauen kann und nie seine schwächen zeigen soll, da er leider nie wissen kann wem er wirklich trauen kann.

Mir tut er schrecklich leid, das er es nicht schaffte wegzulaufen, ist ja auch noch ein kleines Kind, und das er doch in den Fängen seines Großvater geraten ist.

Von der ganzen FF finde ich dieses Kapitel am besten. Es geht einem ans Herz eine Mutter leiden zu sehen, das sie ihr Kind am liebsten so beschützen könnte das dem Kind nichts geschieht, es aber leider nicht verhindern kann das ihm doch schreckliches angetan wird.
Von:  JoMarch
2014-10-07T21:34:25+00:00 07.10.2014 23:34
Man mag sich kaum vorstellen wie es dem armen Jungen ergehen muss, so von seinem Vater behandelt zu werden und in ständiger Furcht vor Gewalt. Das es für ihn Alltag ist von ihm Beschimpft und verprügelt, zum Teil sogar von Freunden des Vaters, zu werden. Das der Vater dem Jungen die Schuld gibt, das die Mutter gestorben ist ist sehr boshaft. Es ist richtig das er sich wehrt und abhaut, irgendwann kommt ein Punkt da will sich das nicht mehr gefallen lassen.

Es ist interessant wie sich alles langsam zusammen findet und in welcher Situation Balkov die Jungs auffindet, in welcher aussichtslose Lage sie sich befinden das sie zu dem erstbesten gehen der es mit ihnen „gut“ meint. Wenn sie in solcher Verfassung sind ist es für ihn ein leichtest zu den Jungs Zugang zu bekommen und das sie alles dann alles tun was er will.

Dieses Kapitel ist auch gut geschrieben und bin schon auf die nächste Begegnung gespannt.
Von:  JoMarch
2014-10-06T15:27:51+00:00 06.10.2014 17:27
Es wird von Kapitel zu Kapitel ja immer schlimmer.

Die Vorgeschichten, die ihr euch zu den Jungs ausgedacht haben es ziemlich in sich.
Ich finde es grausam das ein kleiner Junge so brutal gegenüber Erwachsene ist, sie so zu verprügeln das sie danach nur noch wehrlos auf dem Boden liegen. Schlimm genug das er andere Beklaut die besser gestellt sind als er aber solche Gewalt dafür anzuwenden ist nicht normal. Aber, wenn man es leider nicht anders beigebracht bekommt kann man ja leider nicht wissen, wie es wäre ohne die ganze Gewalt. Und es leider auch klar das er anderen das beibringt was er beigebracht bekam. Wenn man es nicht schafft den Teufelskreis zu durchbrechen ist es schwer ohne Gewalt weiterzukommen.

Finde das Kapitel gut geschrieben, nur irritiert leider die Formatierung ein wenig, da es den Lesefluss etwas stört.

Bin schon auf das nächste Kapitel gespannt, was noch alles passieren wird.
Von:  JoMarch
2014-10-06T14:44:02+00:00 06.10.2014 16:44
Finde es Interessant zu erfahren was einen dazu brachte so zu werden wie man ihn kennt. Man fühlt mit dem kleinen Ivan mit, wenn die anderen ihn schikanieren.

Der kleine Ivan tut mir schrecklich leid. Es ist grausam, wenn Kinder so schrecklich zu anderen sind, gemeinsam fühlen sie sich stark aber alleine sind sie nicht so stark. Es fies das alle Ivan mobben und keiner den Mut hat ihn zu unterstützen.

Bei so vielen Negativen Erfahrungen ist es leider klar das man dann von den erstbesten der einem „Hilft“ leicht manipuliert werden kann, weil man denkt das er es nur gut meint.

Ich bin schon gespannt wie es mit ihm weiter geht.
Von:  Phase
2014-08-15T13:25:09+00:00 15.08.2014 15:25
Deine Geschichte wird von Kapitel zu Kapitel wirklich heftiger. Die Hintergrundgeschichten, die ihr euch zu den Jungs ausgedacht haben, haben es ziemlich in sich. Die Vorstellung, dass ein Zehnjähriger bereits Erwachsene niederprügelt, ist für mich etwas schwierig, allerdings hat er es ja so gelernt, insofern wird er sicherlich seine Tricks haben.
Prinzipiell muss ich sagen, dass Bryan mir äußerst unsympatisch ist. xD' Er labert immer von Gott, dabei gesteht er sich selbst einfach nicht ein, dass er an seiner Lage "Schuld" ist, weil es bequemer ist, sich die eigene Verantwortung nicht einzugestehen. Mit Schuld meine ich generell, dass er etwas ändern könnte, wenn er es nur wirklich wollte. Aber man liest ja auch heraus, dass er im Grund nichts ändern will.
Das Kapitel ist (abgesehen von der etwas komischen Formatierung) wirklich wunderbar geschrieben und man kann sich ausgezeichnet in die Situationen hinein versetzten - auch wenn diese, wie bereits erwähnt, wirklich heftig sind. Der Schreibstil ist flüssig zu lesen und auch die Formulierungen sind wirklich gut gewählt.
Boris (also Balkovs) Aussage "Und weil ich die Menschen hasse, die meinen, sie könnten die Welt regieren" ist natürlich genial, wenn er gleich danach meint "Ich will eine neue Weltordnung schaffen, in der die an der Macht sind, die das Zeug dazu haben und es verdient haben". Er sollte sich vielleicht mal an die eigene Nase fassen.
So oder so eine wirklich gelungene Fanfiction - mal sehen, wie es weiter geht. Ich hoffe es wird nicht noch heftiger. X___X'

Von:  Kitten92
2014-08-14T09:11:40+00:00 14.08.2014 11:11
Gott ich hab ja mit einigem gerechnet, aber das zerreißt einem doch fast das Herz.
Der kleine Ivan tut mir soo unglaublich leid. Und ich glaub, wenn das dort alles nicht so grausam gewesen wäre, hätte Balkov bestimmt nicht so viele Möglichkeiten gehabt ihn zu manipulieren.
Ich finde auch sehr schön, dass du jemanden wie Ivan gewählt hast, denn ich finde er wird schnell vergessen (zumal er ja in der dritten Staffel nicht mal mehr da war).
Was er da durchmachen musste ist um längen mehr als nur ein bisschen Schikane und ich finde es ist leider so gut beschreiben das man sich gut in den kleinen hinein versetzten kann (ja ich musste echt mit den Tränen kämpfen).
Und dann taucht am Ende natürlich Boris auf, auch wenn er hier etwas von dem strahlendem Ritter in seiner glänzenden Rüstung hat, wie er auftaucht und Ivan Aufmerksamkeit und Zuspruch gibt, genau das wonach er sich sehnt.. aber wir wissen ja warum er das macht -.-
Alles in allem Top geschrieben und bei Zeiten werde ich mich wohl auch an den Rest mal setzten ^^

Lg Kitten

Antwort von: abgemeldet
15.08.2014 14:38
Vielen Dank für deinen Kommentar :3 freut mich, dass es dir gefällt.
Wir haben uns da auch echt Gedanken gemacht :D sei gespannt auf mehr :3
Von:  Phase
2014-08-13T22:51:57+00:00 14.08.2014 00:51
Eine wirklich sehr schöne Idee für eine Fanfiction und die Umsetzung gefällt mir bisher sehr gut. Mir Ian als Kind vorzustellen, dass so starken Hänseleien ausgesetzt ist und dann selbst so bösartig wird, da kann durchaus ein Zusammenhang bestehen.
Die Gefühle des kleinen Jungen sind gut geschildert und für den Leser nachzuvollziehen und auch das Ende, an dem er auf Boris trifft, ist sehr schön umgesetzt.
Mich persönlich stört ein wenig die Formatierung. Ich verstehe die ganzen Absätze nicht so ganz und da der Taxt so schmal und unregelmäßig ist, wird bei mir der Lesefluss ein wenig gestört.
Ansonsten ist die Geschichte sehr schön geschrieben und gut lesbar. Die Handlung klingt bisher vielsversprechend - sobald ich Zeit finde, werde ich wohl auch das nächste Kapitel lesen. Ich bin gespannt wie es weiter geht und worauf die Geschichte hinaus will!
Antwort von: abgemeldet
15.08.2014 14:39
Danke für deinen Kommentar :D
Oh jee. Wenn ich die Tage zu hause bin, guck ich mir das mal an :)
Von:  despamiya
2014-08-12T20:55:38+00:00 12.08.2014 22:55
Die FF ist echt super. Da Kai mein Liebling ist, freu ich mich besonders auf seine Geschichte^^
Von:  Knuddelkekswurmi
2014-07-30T14:18:23+00:00 30.07.2014 16:18
Hey und Hallo :),
also ich finde die Idee dieser FF wirklich sehr schön. Endlich schreibt mal jemand, was VOR der Abtei passiert ist XD.
Solch FFs gibts irendwie selten. Mir gefällt das, weil es einem tiefer in den Charakter eindringen lässt.
Ich mag auch die Story, die hinter Ivan steckt. Das wirkt sehr realistisch. Kleiner Mann, große Nase...Kinder können gemein sein. Es hätte mich gewundert, wenn ihn da niemand mal irgendwann gehänselt (oder mehr) hätte. Auch die Art und Weise, was die anderen Kinder abgezogen haben, entspricht (leider) ziemlich dem Vorurteil - so nenn ich jetzt mal -, das man gegenüber Weisenhäuser hat, weil mein einfach so viel Schlechtes hört und liest.
Und dann kam Boris und fängt den weinenden Jungen auf, erhascht sein Vertrauen indem er ihm Schutz bietet und schon hat er eine Marionette. Ivan wächst heran (also..vielleicht nicht so sehr körperlich, eher geistig ;D) und gibt seine Erfahrungen aus der Kindheit weiter, weil er es einfach nicht anders weiß. Also das beziehe ich jetzt auf den Anime. Ivan wirkt da ja egoistisch und von sich überzeugt, behandelt andere wie Dreck, also praktisch wie alle anderen aus der Abtei auch.
Dein Kapitel könnte wirklich eine super Vorgeschichte zu Staffel 1 sein. Schick das doch mal nach Japan ;D.
Mir gefällt diese FF sehr gut. Ich werd sie als Favo speichern und freu mich auf die anderen Kapitel :).

LG
Knuddelkekswurmi


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