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Wer Wind sät

von

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Kai

Aber das Glück kann nie kommen. Sind die Umstände endlich gefügig gemacht, so verlegt die Natur den Kampf von außen nach innen und bringt allmählich in unserm Herzen eine Wandlung hervor, so daß es etwas anderes wünscht, als was ihm zuteil werden wird.

[Marcel Proust]
 

Es schneit... In großen Flocken fallen die Eiskristalle gen Erde und lassen so die Tiefe des Schnees erneut steigen. Am Ende der Nacht wird man bis zur Wade versinken können.

„Ich will, dass du ihn dazu bringst, hier zu bleiben! Er darf nicht wieder direkt gehen.“

Es ist nichts Neues... Hier versinkt man oft in der weißen Pracht, die ebenso schön anzuschauen, wie tödlich ist. Einige Menschen fanden in den klaren Weiten ihr Ende.

„Sonst wird der Plan nicht funktionieren! Ich kann und will nicht länger warten!“

Es windet... Die großen Flocken werden aufgewirbelt und tänzeln wild. Vorbei am mannshohem Fenster. Vorbei an mir. Ich folge ihnen... mit meinen gluhtroten Augen.

„Svetlana!“

„Du solltest dich nicht so aufregen, Voltaire. Vergiss deinen Blutdruck nicht.“ Ein verhöhnendes Säuseln.

Mit einem schmalen, jedoch arroganten Lächeln auf den Lippen drehe ich mich zu dem alten Mann um, mein dunkelblaues Haar über die entblößte Schulter zurückwerfend. Nur zu bewusst ist mir sein einerseits verachtender und zugleich

begehrender Blick bei dieser Geste. Nun... vielleicht tut das schwarze, aufreizende Kleid sein Übriges. Mir ist es gleich. Er ist nur einer von vielen... Einer von vielen Verbündeten meines Vaters.

„Du solltest dein Mundwerk nicht so weit aufreißen!“, knurrt er mir entzürnt entgegen.

Ich dagegen lächle nur weiter und kümmere mich nicht um eine Erwiderung. Es ist schließlich noch immer ich, die die Oberhand bei dieser Abmachung hat.

Zumindest rede ich mir dies ein. Ich bin die Tochter des gefürchtetsten Mafioso in ganz Russland und er lediglich ein Geschäftspartner, der meine Hilfe in Anspruch nimmt. Wäre das Angebot nicht so verlockend gewesen, hätte ich damals

nicht zugestimmt.

„Ich will, dass das heute noch geregelt will! Vor dem Abend, will ich deine Bestätigung hören. Und nun geh...“

Heute bereue ich nichts mehr, als meine damalige Leidenschaft für diesen Auftrag...
 

~~~~
 

„Blut, Blut. Räuber saufen Blut. Raub und Mord und Überfall sind dut. Hoch vom Dalden tlindt es, hoch vom Dalden tlindt es: Raub und Mord und Überfall sind dut.“

Seine Kinderstimme lässt mich innerlich lächeln. Sein Sprachfehler lässt es nach außen dringen. Der Text verwandelt es in ein stolzes.

„Kai! Was singst du da?!“

Mein Mann... Alexander Hiwatari, mein Auftrag.

„Lass deinen Frust nicht an unserem Sohn aus“, zische ich ihn missbilligend an, bleibe jedoch ruhig.

Ich kann es nicht leiden, wenn er an ihm herumschimpft und nörgelt. Elf Monate im Jahr ist er nicht Daheim, sondern auf Reisen, um diese Biester für diese Kinderkreisel zu erforschen. Wofür sich sein Vater genauso besessen

interessiert und nach giert. Die vier Wochen, in denen er hier ist, verteilen sich über das ganze Jahr. Zwei Tage mal hier, ab und an auch mal drei. Dabei penibel darauf achten, mir aus dem Weg zu gehen, da er genau weiß, was ihm blüht. In meinen Augen besitzt er nicht das kleinste Recht, Kai seinen Sohn zu nennen. Und somit hat er es sich nicht zu erlauben, Kai erziehen zu wollen.

„Misch dich nicht ein, Svetlana!“, fährt er mich an und geht auf unseren Sohn zu, der verwirrt auf dem Fußboden sitzt, mit seinem Plüschvogel spielend und nicht weiß, wie ihm geschieht.

„Und ob ich mich einmische! Den Text hat er von mir. Und er kann es singen so oft er will.“

Meine Stimme ist eisig und bestimmt, während ich in zwei Schritten ebenfalls bei Kai bin und mich vor ihn stelle.

„Statt ihm so einen Dreck beizubringen, solltest du ihm zeigen, wie man richtig spricht. Das ist ja nicht zum aushalten! Er ist sechs!“

Es trifft mich ungewöhnlich hart und ich muss mich zusammenreißen, den Plan nicht zu vergessen. Alles, jedes Wort, jede Geste, die ich ihm entgegenbringe ist kalkuliert. Ebenso verhält es sich mit seinem Vater, Voltaire. Doch sobald es um Kai geht, um meinen Sohn, den ich vorgeben muss als lästig zu empfinden, verliere ich meine Contenance. Am liebsten würde ich mich auf die beiden stürzen und mit Kai fliehen. Doch das kann ich nicht. Ich kann es nicht. Kai

gehört nicht mir...

Ganz gleich, dass ich ihn neun Monate in mir trug. Ganz gleich, dass ich ihn gebar. Ganz gleich, dass ich ihn liebe.

Kai gehört Voltaire...

So war es abgemacht und so wurde es unterschrieben. Von mir...

„Er ist vier...“, meine Stimme ist ein fassungsloses Hauchen, was ausnahmsweise nicht gespielt ist. „Es ist vollkommen in Ordnung, dass er diese zwei Buchstaben nicht richtig aussprechen kann. Er ist keine Maschine. Er ist keines deiner verdammten Tiere, die so perfekt sind, dass du dein Leben lieber mit ihnen verbringst als mit deiner Familie!“

Am Ende wurde meine Stimme laut und wütend. Es war nur teilweise geplant.

„Fängst du schon wieder damit an?“, fragt er einerseits gelangweilt, dennoch offensichtlich genervt und zornig. „Diese Arbeit ist wichtig für die Wissenschaft!“

„Zur Hölle mit der Wissenschaft!“

Ich schreie – mehr als ungeplant. Immerhin ist es diese Wissenschaft, die mir meinen Sohn nimmt. Die ihn leiden lässt.

„Wenn sie dir so wichtig ist, dann pack' deine Sachen und geh mir aus den Augen! Verschwinde zu deinen Beyblades und werde mit deinen Bitbiestern glücklich! Nur wunder dich nicht, wenn Kai und ich nicht mehr da sind, wenn du dich dazu herablässt, mal wieder hier aufzukreuzen.“ Eine geplante Drohung mit ungeplanter emotionaler Stärke.

Damit nehme ich meinen Sohn auf den Arm und will den Raum verlassen. Eine Sekunde länger mit diesem Mann und ich vergesse mich.

Als er uns aufhalten will zische ich ihn bloß an:„Fass uns nicht an!“ Meine Augen blitzen ihn wutentbrannt an, sodass er seine Hand zurückzieht und sich von uns entfernt. Ganz automatisch habe ich die Arme enger um Kai geschlungen, als ob ich ihn vor Angriffen schütze wollen würde. Es muss Alexander verwirren. Doch das interessiert mich nicht im Geringsten.

Zügig verlasse ich den Raum und steure Kais Kinderzimmer an. Er schluchzt leise an meiner Schulter, hält mich fest, als könnte ich ihn sogleich verlassen.

Es schmerzt, ihm mit vollem Bewusstsein weh zu tun. Kai mag es nicht, wenn Alexander und ich uns streiten. Er bezieht dies alles auf sich – ein Werk Voltaires, geplant. Trotzdem lege ich es immer wieder drauf an, dass mein Sohn mitbekommt, wie wir uns anschreien. Meistens geht es dabei wirklich um Kai. Um seinen Sprachfehler, darum, dass er noch immer seinen Schnuller mit ins Bett nimmt, darum, dass er erst so spät trocken wurde... Die Liste ist ellenlang.

Jeder Zentimeter entfacht meine Wut mehr und mehr. Wie kann man sein Kind wegen solcher Nichtigkeiten weniger lieben? Wie kann man es als minderwertig bezeichnen?

„Hör auf zu weinen, Kai“, sage ich ihm sanft, als wir in seinem Zimmer angekommen sind, was nicht ansatzweise kindgerecht eingerichtet ist. „Tapfere Männer beweinen nicht ihr Leiden, sondern ziehen aus diesem die Kraft

weiterzumachen, besser zu werden, es allen zu zeigen. Und du bist doch ein tapferer Mann, nicht wahr? Du bist Mamas tapferer Held...“

Ich küsse ihn auf die Stirn, als er nickt und sich tapfer die Tränen wegwischt. „So ist es richtig...“, kommentiere ich dies mit einem warmen Lächeln und stehe einen Moment einfach nur schmusend mit ihm im Arm mitten im Zimmer und

schalte ab. Verdränge alle Gedanken an die Gegenwart, der Vergangenheit, der Zukunft... Nur mein kleiner Kai beherrscht meine Gedanken. Nur mein Sohn...
 

~~
 

Innerlich ungeduldig stehe ich in Voltaires Büro und warte darauf, dass man mir Kai wiederbringt. Seit zwei Stunden ist er bereits weg, damit sein Großvater sichergehen kann, dass sein Enkel auch wirklich geeignet für seine Pläne ist, die Weltherrschaft mit Beyblades an sich zu reißen. Ich finde es noch immer zum Lachen, wie größenwahnsinnig ein einzelner Mann sein kann. Andere würden dafür eingewiesen werden. Allerdings besitzt Voltaire etwas, was die kleinen

Menschen nicht besitzen: Macht. Und genau dies macht es so gefährlich. Lässt mein Lachen stocken und vorsichtig werden.

Denn wie oft hat die Menschheit schon unter dem Wahnsinn und der Machtgier eines Mannes gelitten, der die Macht besaß, seine kranken Vorstellungen zu verwirklichen? War zuletzt nicht Hitler der beste Beweis?

Um mich abzulenken, sehe ich wieder aus dem Fenster und betrachte das Schneegestöber. Doch meine Gedanken rasen.

Was Kai dieses Mal erleiden muss, was sie ihm dieses Mal antun, in welcher Verfassung er wieder zu mir zurückkommt...

Nicht eine Sekunde kann ich vergessen, dass mein Sohn leiden muss und ich tatenlos verharre. Wie ein Feigling.
 

„Du hast hervorragende Arbeit geleistet, einen Streit zu inszenieren, kurz bevor Kai abgeholt wird.“

Voltaires lobende Worte reißen mich aus meinen Gedanken und ich drehe mich langsam zur Tür um, in welcher mein Schwiegervater steht. Hinter ihm Kai, bewusstlos, auf den Armen eines Wissenschaftlers. Heute fehlt ihm äußerlich

nichts, soweit ich es sehen kann. Jedoch erleichtert es mich nicht. Keine äußeren Verletzungen heißt bei diesen Männern nicht unbeschadet.

„Hast du etwas anderes erwartet?“, frage ich nur selbstgefällig, obwohl ich mich am liebsten übergeben hätte. Mich wegen meinen Scheußlichkeiten loben zu lassen ist fast die größte Qual. Doch meine Maske muss sitzen. Sie darf mich

nicht verraten, sondern muss mich schützen. Um Kais Willen.

„Nein, natürlich nicht.“ Er schleimt mit einem widerlichen Grinsen im Gesicht. „Wie sieht es mit Alexander aus? Bleibt er?“, fragt er mich lauernd und lässt seinen Enkel ablegen und mit einer Spritze aufwecken.

„Das sage ich dir, wie verlangt, vor dem Abend“, antworte ich nur nichtssagend und provozierend. Es ist schwer mich zurückzunehmen, um Kai nicht an mich zu ziehen, damit dieser möchte-gern Arzt ihm nicht zu nahe kommt.

„Nun gut...“, Voltaire knurrt unzufrieden. „Nimm die Kröte mit und sorge endlich dafür, dass Alexander hier bleibt. Kai ist soweit.“

Ich nicke lediglich und ziehe Kai fast gewaltsam am Arm von dem Arzt weg. Er ist noch immer nicht ganz bei sich und möchte auf den Arm genommen werde. Es gibt nichts, was ich gerade lieber täte, doch ich kann nicht.

„Beweg dich! Laufen müsstest selbst du hinbekommen, elender Nichtsnutz!“

Ich ziehe, zerre ihn schon fast hinter mir her und achte nicht darauf, ob er hinterherkommt, oder stolpert. Ich habe nur das Ziel vor Augen, ihn schleunigst in sein Zimmer zu bringen, damit ich mich um ihn kümmern kann, wie es mein Herz

verlangt.

Seine Tür schlägt laut ins Schloss und zeitgleich liegt Kai in meinen Armen.

Ihn an mich drückend sinke ich zu Boden und vergrabe mein Gesicht in sein strubbeliges zweifarbiges Haar.

„Ich habe nicht deweint, Mama...“, ertönt seine schwache Stimme und ich schluchze haltlos auf. Mein schlechtes Gewissen und mein Selbsthass erdrücken mich. Ich bin schuld, dass er dies alles erleiden muss und er beschenkt mich mit

seiner Liebe. Ich habe nicht verdient, dass er mir so sehr vertraut, mich so sehr liebt. „Du bist so tapfer, mein Engel...“, sage ich ihm sanft, mit verweinter Stimme und lasse die Tränen einfach laufen. Er legt seine kleinen Arme tröstend um meinen Nacken und gibt mir einen Kuss auf die Wange, kuschelt sich danach an mich und verharrt einfach an meiner Brust. Während meine Tränen versiegen, findet er in einen ruhigen Schlaf. Lächelnd fische ich seinen Schnuller vom Schrank und gebe ihn ihm, halte ihn umarmt und schaukle leicht vor und zurück.

Dennoch bemerke ich, wie sich die Tür öffnet und Alexander das Zimmer betritt.

Ihm fällt sofort mein verweintes Gesicht ins Auge und ich kann richtig ablesen, wie er die jetzige Situation mit unserem Streit zusammensetzt und ein Ergebnis erhält, was ich erhofft hatte, aber nicht sicher war zu bekommen.

„Ich bleibe über Weihnachten hier...“, spricht er leise zu mir und setzt sich neben mich auf den Boden, legt einen Arm um mich. Offensichtlich von seinen Schuldgefühlen geleitet.

„Über Neujahr ebenfalls...“, sage ich nur tonlos und beglückwünsche mich im Innern und verfluche mich zugleich.

Ich habe also erreicht, dass mein Mann lang genug hier bleibt, um seinen Tod zu finden, damit sein Vater sich Kai unter den Nagel reißen kann. Denn vor mir wird kein Widerspruch kommen. So sehr ich dies auch will.

Du gehörst ins Fegefeuer, Svetlana.
 

~~
 

„Was hast du mir mitzuteilen?“

Sein Gesicht ist im Schatten, sodass ich seine Miene nicht erkennen kann. Doch sein lauernder Ton lässt es mich erahnen.

„Er bleibt.“

Es ist alles, was ich sage. Monoton und abwesend.

„Gut...“

Er nickt wahrscheinlich und grinst. Ich höre es regelrecht. Ein lautes, schallendes, irres Lachen.

Doch ich bleibe stehen... paralysiert von den Konsequenzen meiner Taten der letzten vier Jahre.

Nun endlich kommt alles zu einem Ende...
 

~~
 

„Mama? Deht es Dranzer heute dut?“

Kais fröhliche Stimme lässt mich aufschauen und lächeln. Wir puzzeln gerade zusammen, sitzen auf dem Boden.

„Ihr geht es sehr gut, siehst du?“

Damit ziehe ich den Anhänger meiner Kette aus meinem Ausschnitt und zeige ihm die stolze Phönixdame. Die Kette ist so lang, dass Dranzers Bitchip wohlbehütet unter meiner Brust zum Liegen kommt, wo sie niemand sieht. Es ist eines meiner vielen Geheimnisse, das nur Kai weiß.

Fasziniert beugt er sich zum Chip und betrachtet Dranzer mit leuchtenden Augen.

In ihnen spiegelt sich das prächtige Feuer und lässt das Rot noch intensiver werden.

„Sie wird einmal dir gehören, Kai“, erkläre ich ihm. Obwohl ich eigentlich wissen müsste, dass dies nie der Fall sein wird, bin ich mir dessen sehr sicher.

„Wirtlich?“, seine großen Kinderaugen strahlen mich an, sodass ich lächelnd nicke.

„Sie wird dich beschützen. Vor allem... Sie wird dir immer eine Stütze sein, immer dein Halt, wenn du einmal nicht weiter kannst und glaubst zusammenzubrechen. Sie wird deine treueste Begleiterin sein, deine Freundin. Die einzige, der du Vertrauen entgegenbringen kannst. Sie wird dir immer den Weg weisen und deinen Selbstausgesuchten mit dir beschreiten. Ich weiß, dass du das alles noch nicht begreifen kannst. Doch präg dir diese Worte ein. Du darfst sie niemals vergessen, Kai, hörst du? Vertraue nur auf Dranzer! Zeige nur ihr, was in dir vorgeht, sage nur ihr, was du wirklich fühlst. Für andere musst du gefühllos sein, hörst du? Niemandem darfst du zeigen, dass du Schmerzen hast, Kummer. Keiner darf wissen, wen oder was du liebst. Die Menschen werden das ausnutzen und dich verletzen. Sie werden dir schrecklich weh tun, wenn du ihnen das alles erzählst. Du musst so etwas für dich behalten. Nur Dranzer darf davon wissen. Nur sie kann dir beistehen. Nur sie wird für dich da sein. Trage eine Maske und zeige der Welt deinen Rücken, deine Kraft, deine Stärke!

Findest du Menschen, die so sind wie du... sei auf der Hut. Lass dich nicht verletzen, Kai. Vertraue auf Dranzer! Nur auf sie. Verstehst du das? Du darfst das nie vergessen!“

Ich weiß, dass ich ihn überfordere. Doch heute ist unser letzter Tag. Das Gift in Alexanders Körper wütend seit mehreren Tagen. Den Heutigen wird er nicht überleben. Das bedeutet, dass Kai heute abgeholt wird und in die Abtei Voltaires gebracht. Ich muss ihn so gut es geht vorbereiten. Ich muss ihm beibringen sich selbst zu schützen. Denn dies ist meistens der einzige Weg, um zu überleben.

Kai nickt angestrengt. Er versucht meine Worte zu verstehen. Doch dies wird er erst in einiger Zeit können.

„Gut. Puzzle weiter, ich werde nach deinem Vater sehen.“
 

~~
 

„Wie ich sehe, geht es mit dir genauso erbärmlich zu Ende, wie es angefangen hat.“

Höhnend stehe ich im Türrahmen und beobachte Alexander. Es lässt mich vollkommen kalt, dass er draufgeht. Ich habe noch nie etwas für ihn empfunden. Genauso wenig wie er für mich. Es ist eine reine Zweckehe gewesen. Natürlich aus unterschiedlichen Gründen. Ich tat es wegen Geld und weil ich Lust hatte, mal wieder etwas Aufregenderes zu erleben, als Drogendeale zu überwachen oder Waffentransporte. Er tat es, um Ruhe vor Voltaire zu haben.

Ich muss unwillkürlich schmunzeln, ironisch. Wie einem das Leben so spielen kann...

Langsamen Schrittes gehe ich zu ihm, setzte mich rittlings auf seine Brust.

„So hilflos wie ein Baby.“

Die Überlegenheit verberge ich kein Stück. Ich ergötze mich eher an seiner Hilflosigkeit. Er schaut nur verwirrt und bitterböse. Immerhin weiß er nicht wie ihm geschieht.

„Du wirst sterben, Alexander“, säusle ich ihm ins Ohr und lächle. „Ich habe dich vergiftet. Deswegen solltest du hier bleiben. Damit ich die Kontrolle über deinen Tod habe“, wispere ich und greife zu meinem Oberschenkel. Unter dem Kleid ist durch die Halterlosenstrümpfe ein Dolch verborgen, der ihm den Rest geben soll. Ich ziehe ihn hervor und halte ihn vor seine Augen. „Sag 'Lebe wohl'!“
 

Ein ächzendes Keuchen und Röcheln ertönt.

Es kommt aus meinem Mund. Der Dolch steckt in meiner Brust, Alexanders Hand am Griff. Es ist mein Blut, welches auf seine Brust tropft. Er hat es doch tatsächlich Zustande gebracht sich zu rächen. Ich lächle humorlos...

:„Dummer Idiot...“, kommt es angestrengt von mir, während ich den Dolch hinausziehe und ihm selbst in die Brust ramme. So viel Kraft steckt noch in mir.

So viel Kraft muss noch in mir stecken. Augenblicke lang kann ich mich nicht rühren. Mein Herz schmerzt wie noch nie und ich denke, dass dies das erste Mal eine Reaktion ist, die ich verdient habe.
 

~~
 

„Kai....“

Ich sinke in der Tür zu Boden, halte meine Brust, versuche so das Blut zu stoppen, doch es fließt durch meine Hand hindurch. Meine Sicht verschwimmt immer öfter und meine Kräfte schwinden. Doch ich musste einfach noch zu ihm.

Er muss laufen... so weit und so schnell er kann. Er muss verschwinden.

„Mama!!“

Er ruft mich völlig entsetzt, als auch mein Oberkörper auf dem Boden aufkommt und ich liegen bleibe. Ich höre noch seine trampelnden Schritte, spüre, wie er sich an meine Seite setzt und mich betrachtet. Ängstlich, fassungslos, verwirrt.

„Mein kleiner Liebling...“, wispere ich und muss einen Moment die Augen schließen. Sie sind so furchtbar schwer offen zu halten. Ich fühle, wie etwas auf mein Lid tropft und zwinge mich, sie wieder zu öffnen. Kai weint, er scheint zu begreifen. Aufmunternd lächle ich ihn an.

„Mein tapferer Held... Du... Du brauchst nicht zu weinen. Es wird alles gut werden. Du musst... Jetzt deine Jacke anziehen und verschwinden. Laufe ganz weit weg... So weit du kannst. Dein Groß-...“

Ich muss abbrechen. Die Schmerzen werden immer größer und es ist anstrengend zu sprechen. Doch Kai muss es wissen. „Mama....“, schluchzt er und versucht seine Tränen zu trocknen. Es werden immer mehr.

„Shhh... Hör zu. Dein Großvater und... Ein böser Mann... Er heißt Balkov.

Er und Voltaire wollen... Wollen dich mitnehmen. Du darfst nicht mit ihnen gehen. Sie werden dir weh tun.“

Ich versuche nach ihm zu greifen. Es gelingt mir nur, weil er nach meiner Hand fasst.

„Nimm Dranzer, mein Engel.“

Er tut es. Er zieht mir die Kette über den Kopf und nimmt sie an sich.

„Weißt du noch, was ich dir vorhin gesagt habe? Dass.... Dass du niemandem vertrauen darfst?“

Er nickt. Er ist so unglaublich tapfer.

„Vergiss es nicht! Nimm... Nimm Dranzer und lauf weg! Vertraue niemandem! Lauf! Lauf, Kai...“

Ein letztes Mal sieht er mich an und steht dann auf. Ich sehe, wie sehr es ihm widerstrebt auf mich zu hören und wie schwer es ihm fällt, nicht zu weinen.

„Ich hab dich lieb...“, hauche ich, ehe ich die Augen schließe und alles sein Ende nimmt.
 

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Es schneit... In großen Flocken fallen die Eiskristalle gen Erde und lassen so die Tiefe des Schnees erneut steigen. Am Ende der Nacht wird man bis zur Wade versinken können.

„E wird dir bei uns gefallen, Kai. Viele Kinder sind in der Abtei und werden mit dir zusammen trainieren wie man bladet.“

Es ist nichts Neues... Hier versinkt man oft in der weißen Pracht, die ebenso schön anzuschauen, wie tödlich ist. Einige Menschen fanden in den klaren Weiten ihr Ende.

Mama hat das immer gesagt.

„Das hier ist der Mann, der euch trainieren wird. Auf ihn wirst zu hören, hast du verstanden, Kai?“

Es windet... Die großen Flocken werden aufgewirbelt und tänzeln wild. Vorbei am Fenster des Autos, welches mich wegbringt, da ich nicht so schnell laufen konnte, wie Mama es wollte. Vorbei an mir. Ich folge ihnen... mit meinen blutroten Augen.

„Es wird eine schöne Zeit werden, Kai. Mein Name ist Balkov.“
 

Da man uns verletzt hat, errichten wir eine Mauer um uns herum, damit man uns

nie wieder verletzt; und wenn man eine Mauer um sich herum errichtet, [...] wird

man nur noch mehr verletzt.

[Krishnamurti]



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  JoMarch
2014-10-08T21:30:38+00:00 08.10.2014 23:30
Der arme Kai. Noch so klein und muss schon miterleben das sich seine Eltern streiten. Für ihn muss es schrecklich sein nur zuzusehen und nicht richtig verstehen wieso sie es tun und bezieht das alles dann auf sich, das es wirklich wegen ihm ist finde ich schrecklich das sie das tun um den armen kleinen so „hinzubiegen“ wie es der Großvater will. Grausam.

Für Svetlana ist es nicht leicht Kai so mies zu behandeln, obwohl sie ihn von herzen liebt. Es ist verständlich das sie Kai sagt, das er niemanden außer Danzer trauen kann und nie seine schwächen zeigen soll, da er leider nie wissen kann wem er wirklich trauen kann.

Mir tut er schrecklich leid, das er es nicht schaffte wegzulaufen, ist ja auch noch ein kleines Kind, und das er doch in den Fängen seines Großvater geraten ist.

Von der ganzen FF finde ich dieses Kapitel am besten. Es geht einem ans Herz eine Mutter leiden zu sehen, das sie ihr Kind am liebsten so beschützen könnte das dem Kind nichts geschieht, es aber leider nicht verhindern kann das ihm doch schreckliches angetan wird.


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