Zum Inhalt der Seite

Cold Winds

Der Tag, an dem eine Legende real wurde...
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Musiktipp zum Kapitel:
https://www.youtube.com/watch?v=-E_lQlTK6xk Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Sehnsucht nach Hyrule

Zuhause angekommen legte ich meine Schultasche neben die Tür und hing meine Jacke an das Geländer, dass zu meinem Zimmer führte. So, Hausaufgaben gab es keine, alles war aufgeräumt und ansonsten hatte ich heute nichts vor. Was nun? Ich stieg die Treppe zu meinem Zimmer hoch. Da fiel mein Blick auf ein kleines Poster an meinem Schrank. Gedankenverloren legte ich mich auf mein Bett und starrte an die Decke. Hunderte Bilder hangen dort. Und jedes einzelne davon trug mindestens an einer Ecke den Namen „Zelda“, obwohl gut auf einem Drittel von ihnen nur Link abgebildet war und keine weise Prinzessin mit denselbem Namen.

„Sag mal, kann es sein, dass mich deine Welt langsam verrückt macht?“, fragte ich meinen Freund in Gedanken oben an der Decke. Er antwortete nicht. Trotzdem mochte ich Link genauso, als wäre er eine reale Person. Für mich war er real wie jeder andere.

Und wenn er auch nur flach an der Decke klebte, hörte er mir immer in aller Ruhe zu, wenn ich ihm etwas erzählte. Manchmal merkte ich selbst, wie abgedreht das war, aber in gewisser Hinsicht war ich auch schon so verrückt, dass es eigentlich schon wieder zu mir passte. Wie verwirrend. Und so wurde ich mit meiner paranoiden Art das Gefühl einfach nicht los, dass hinter Kokari tatsächlich der verborgene Link steckte, eine Figur aus einem Videospiel. So viele Zufälle gab es einfach nicht auf einmal.

Zum einen Unterschied sich sein Name nur um einen Vokal von dem Wort Kokiri, von dem Link viele Jahre seines Lebens geglaubt hatte, selbst einer zu sein. Sein Nachname war derselbe wie der des Entwicklers von Zelda, Donkey Kong und Mario, Shigeru Miyamoto, eine der größten Legenden der Spielebranche. Selbst wenn es den Namen in Japan vielleicht wie Sand am Meer gab, was ich nicht wusste, war das ein großer Zufall.

Dann sein Aussehen, nicht nur körperlich, sondern auch stilmäßig, wenn auch moderner, glich er Link. Heutzutage trug schließlich nicht mehr jeder Lederschuhe, vorallem in diesem Alter nicht.

Und, wenn ich es so werten würde, besaß er sogar dieselben Charaktereigenschaften, die den hylianischen Helden ausmachten: Mut, Selbstlosigkeit und unfehlbare Treue seinen Freunden gegenüber, jedenfalls dem nach, was ich heute über ihn erfahren hatte. Gab es vielleicht auch in unserer Welt so etwas wie Reinkarnationen?

Es klang vielleicht absurd, jedoch wünschte ich mir, nur einmal einen Blick auf den Handrücken zu werfen, der verborgen unter dem Handschuh lag.
 

Um mich abzulenken, beschloss ich, etwas zu zeichnen. Eins meiner liebsten Hobbys neben dem Zocken und Schwimmen gehen, und nach jahrelanger Übung war ich auch ziemlich gut darin geworden, weil ich mich kaum mit etwas anderem beschäftigte. Es war nur dumm, dass mir wie öfters in letzter Zeit einfach nichts einfallen wollte, was ich auf Papier hätte bannen können. Jegliches Bild aus meinen Gedanken klebte bereits an der Wand. Ich legte den großen Din-A3-Block, den ich mir gerade vom Nachttisch geschnappt hatte, wieder beiseite, und schaltete seufzend die Wii an. Eigentlich hatte ich vorgehabt, Mario Kart zu spielen, doch wieder einmal versagte ich an der Anziehungskraft der alten „Ocarina of Time“-Disk. War doch klar. Erneut seufzend drückte ich auf Start. Hatte ich mich nicht eigentlich ablenken wollen?
 

Das Spiel startete langsam, als es fertig geladen hatte, sah ich mir eine Weile das Intro an. Bei meinem aktuellen Spielstand war ich gerade im Schattentempel. Ich spielte erst wenige Minuten, bevor ich merkte, dass es schon wieder passierte. Das, was seit einiger Zeit öfters passierte. Halt…“, flüsterte ich leise.

Umgehend ließ ich den Controller fallen, griff hastig nach der Fernbedienung und schaltete die Wii wieder aus.

Ich kniff die Augen zu und zwang mich, an etwas anderes zu denken, doch es war zu spät.
 

Vor meinen Augen tauchte ein Korridor auf, dunkler als alles, was ich bisher gesehen hatte. Zu beiden Seiten führte er weiter, während vor mir eine beige Wand den Weg versperrte. Unheimliche Fratzen schauten mich im gleichen Abstand von der Wand gegenüber an, und es dauerte einen Moment, bis ich erleichtert feststellte, dass es nur Wandmalereien waren. Auf jedem Stück der bröckelnden Mauer prangte dasselbe, fürchterliche Gemälde von der Figur mit dem kalten Blick.

Als ich die Figur mir gegenüber genauer musterte, merkte ich, dass ihre Augen, anders als die übrigen, rot leuchteten. Vorsichtig, aber so, als wüsste ich genau, dass es nur den einen Ausgang gäbe, ging ich darauf zu. Plötzlich jedoch schien das Bild jedoch zu blinzeln, als seine Augen kurz erloschen und direkt darauf weiter strahlten, als sei nichts gewesen. Ich erschrak und wich entsetzt von der Wand zurück. „Ja, du hast Angst…“, hörte ich auf einmal eine amüsierte Stimme in meinem Kopf. Instinktiv wusste ich, dass die nunmehr schattenhafte Silhoutte vor mir zu mir sprach, und blickte sie entgeistert an.

Sie schien zu lachen.

„Angst… Wie jämmerlich…“ Die Wand kam immer näher. Ich wollte zurück gehen, aber es ging nicht. Ich rutschte unentwegt auf die Wand zu.

„Stopp!“, schrie ich aus Leibeskräften.
 

Dann verschwand das Bild ebenso wie alle anderen in einem schwarzen Nebelschleier und vor mir tauchte wieder die harmlose Kommode auf, auf der mein Fernseher stand. Ich atmete schwer.

„Schatz? Alles in Ordnung?“, hörte ich die Stimme meiner Mutter besorgt fragen. Bis eben war ich allein gewesen, sie musste also gekommen sein, während ich gerade weggetreten war.

„Ja-ha, alles in Ordnung!“, rief ich so laut es ging zurück, damit sie sich keine Gedanken machte. Ich schüttelte den Kopf. Gina, du Dummkopf. Ich hätte wissen müssen, dass es wieder passieren würde, wenn ich erneut spielte. Ich wusste, dass ich nicht ganz normal war, aber war es etwa normal, dass soetwas passierte, sobald man ein Computerspiel startete? Jedesmal, wenn ich es gespielt hatte, war es bisher so ausgegangen, und ich vermochte schon gar nicht mehr zu sagen, wieviele Jahre es schon so ging. Aber ich wusste ganz genau, wie es angefangen hatte. Wie diese Verbundenheit mit etwas nicht realem begonnen hatte, als ich in OoT gerade die Lon-Lon-Farm von Basil erlöst und Epona befreit hatte. Ich war gerade dabei gewesen, die Stute über die Ebene zu lenken, als es mich wie ein Blitzschlag getroffen hatte und ich aufeinmal das Gefühl gehabt hatte, selbst auf einem Pferd zu sitzen. Nichts weiter. Einige Sekunden hatte ich nur das Bild vor Augen gehabt, selbst durch die hylianische Steppe zu reiten. Damals hatte ich es darauf geschoben, zu lange an einem Stück gespielt zu haben.

Doch mit der Zeit waren diese Augenblicke immer öfter und länger aufgetreten, sobald ich spielte, und die Wahrnehmung immer realistischer, sodass man es eigentlich nicht länger „träumen“ nennen konnte. Ob es der Hyliasee war, das Kokiridorf oder der Feuertempel, wo ich vorher nur einige Bilder gesehen hatte, tauchten plötzlich ganze unverpixelte Filme in meinen Gedanken auf, von einem Detailreichtum, den ich niemals hätte träumen können. Gerüche, die ich mein Lebtag noch nicht wahrgenommen hatte, zogen plötzlich durch meine Nase.

Ich konnte die Sonne auf meiner Haut spüren und meine Gedanken veränderten sich, als wäre dies alles wirklich. Und es begrenzte sich auch nicht nur auf „Ocarina of Time“.

Ich hatte nichteinmal gewusst, wie lange und an welchen Stellen es genau passierte, es war einfach von einer Sekunde auf die andere über mich gekommen.

Und langsam, aber sicher wurde aus diesen Ausnahmefällen die Routine, und irgendwann träumte ich auch davon, ohne zu spielen. Trotzallem gelang es mir nicht, mich dem Spiel zu entziehen. So merkwürdig ich es auch fand, aber ich konnte einfach nicht aufhören. Um des Willens Willen spielte ich weiter, aus welchem Grund auch immer. Irgendwie übte es eine geheimnisvolle Anziehungskraft auf mich aus, der ich mich nicht enthalten konnte. Man konnte mich Suchti nennen, aber es war etwas anderes… Mit diesen Szenen verband sich immer ein Stück Geborgenheit, so, als würde ich dies alles nicht träumen, sondern kennen.
 

Als wären es Erinnerungen. Es war ein wenig wie… Heimweh. Hätte ich das alles jemandem erzählt, ich wäre womöglich in der Irrenanstalt gelandet. Also behielt ich es für mich. Mit der Weile fand ich sogar Spaß daran, dermaßen in mein Lieblingsspiel einzutauchen, während mir bewusst wurde, dass das alles niemals im Leben unwirklich sein konnte. Aber nun war es langsam anders geworden… Seit einiger Zeit beunruhigte mich etwas an den Szenen, dass mich das Spiel immer wieder zwanghaft unterbrechen ließ. Denn die Szenen waren dunkler geworden, sehr viel dunkler. Wo vorher nur fröhlich ein Pferd geritten war, verblasste nun die Sonne und Monster verwüsteten das Land. Orte, an denen man vorher gerne seinen Urlaub verbracht hätte, hatten sich vor ein paar Wochen mit der Zeit langsam in Schlachtfelder verwandelt. Stellen, denen man im Spiel nichteinmal besondere Beachtung schenkte, weil sie unwichtig waren, bekamen an Bedeutung, weil sie in meinen Vorstellungen schrecklicher und grauenhafter waren, als man sie am Bildschirm darstellte. Seitdem fristete ich nur noch schlaflose Nächte. Was aber noch viel schlimmer war...
 

Das Gefühl, dieses Heimweh, hatte massiv zugenommen. Es war so stark, dass ich fürchtete, auseinanderzureißen, weil es so stark an mir zerrte. Und genau wie jedesmal musste ich mir auch jetzt erst einmal bewusst werden, dass das alles nichts bedeutete. Diese Dunkelheit war nicht wirklich gewesen. Und es hatte mit mir überhaupt nichts zu tun. Ich saß nur vor dem Fernseher und hatte gespielt, ich war nicht in irgendeinem Tempel gewesen… Und selbst wenn, was war schlimm daran? Diese Wand war doch noch vollkommen harmlos. Mein Traum vom Hirnsauger letzte Woche war eindeutig schlimmer gewesen...
 

Am nächsten Tag tat sich mir ziemlicher Zeitdruck auf, denn durch zahlreiche Umleitungen, herbeigeführt durch den Unfall eines Lastwagens, hatte man die Busverbindungen durch die Ortschaften vorerst gestrichen, sodass ich mit meinem Roller vorlieb nehmen musste. Leider hatte ich jedoch vergessen, zu tanken. So lieh ich mir das Benzin des Rasenmähers meines Opas aus in der Hoffnung, dass er an diesem Morgen nicht vorhaben würde, Gras zu schneiden, warum auch immer er das tun sollte. Mit den dreißig Stundenkilometern, die ich vorerst fahren dürfte, war ich nun also auf Schlagloch gespickten Landstraßen auf dem Weg zur Schule. Eigentlich hatte ich es gar nicht zwingend nötig gehabt, einen Führerschein zu machen, aber nachdem mein Großvater mir schoneinmal den Vorschlag gemacht hatte, war ich natürlich Feuer und Flamme gewesen. Auch wenn er nur ein wenig schneller war als ein gewöhnlicher Radfahrer, es war immerhin mein erstes eigenes Fahrzeug.
 

In der Schule hetzte ich mich dann ab, meinen Roller abzustellen, den Helm zu verstauen und ihn abzuschließen, da er kein Lenkradschloss besaß, bevor ich zur Aula stolperte. Dort hang unser Vertretungsplan, auf den ich vorsichtshalber einmal schauen wollte, bevor ich mich zur Klasse begab. Ansonsten wäre es nicht das erste Mal gewesen, dass ich ohne jegliche Ahnung in einen völlig anderen Unterricht hineinplatzte, weil ich nicht gewusst hatte, dass wir Vertretung hatten. Allerdings musste ich drinnen erleichtert feststellen, dass es gar nicht so spät war, wie ich befürchtet hatte, denn dort liefen noch hunderte von Schülern herum, die gerade auf den Weg zu ihren Klassen waren. Erleichtert ausatmend lehnte ich mich an die Tür und sah mich um, sah aber niemanden, den ich kannte. Also schlenderte ich zum Vertretungsplan, wo ich dann angewidert feststellen musste, dass wir statt Kunst Mathe hatten. Ich seufzte.

„Hallo...“, höfte ich aufeinmal jemandem hinter mir sagen.

Lächelnd drehte ich mich um, denn ich hatte die Stimme erkannt.

„Hi Kokari!“, grüßte ich zurück.

„Schon wieder Mathe, hm?“, fragte er schmunzelnd. "Da, wo ich herkomme, reicht es, wenn man ein paar Sätze lesen kann. Rechnen kann da kaum jemand."

Ich verdrehte grinsend die Augen.

„Ja, und dann auch noch ausgerechnet für Kunst. Langsam reicht es wirklich mit ihren Vertretungsstunden...“
 

Nachdem wir alle Stunden endlich mühselig hinter uns gebracht hatten, begleitete Kokari mich noch bis zum Schultor.

„Sag mal, hast du heute eigentlich schon etwas vor?“, fragte ich Kokari.

„Nein, nicht dass ich wüsste.“, meinte er freundlich.

„Hättest du dann vielleicht Lust, heute Nachmittag zu mir zu kommen? Meine Eltern sind noch arbeiten und meine Großeltern wollen heute irgendetwas mit meiner Schwester unternehmen, und ich möchte mich nicht den ganzen Tag langweilen...“

„Aber gern.“, sagte er, „Allerdings weiß ich nicht, wo ihr wohnt...“

Nachdem ich ihm genaustens beschrieben hatte, wo ich wohnte, fügte ich hinzu: „Was würdest du denn gerne machen?“

„Hm, vielleicht Zelda spielen?“, schmunzelte er und zwinkerte mir zu.

„Gehst du zu Fuß?“, fragte ich ihn, worauf er nur nickte, „In Ordnung, bis später dann!“ Dann verschwand ich auf dem Parkplatz, auf dem mein Roller wartete.
 

Als ich dann wenig später zuhause die Tür öffnete, sah ich wie nicht anders erwartet Kokari davorstehen. „Hi,“, sagte ich lächelnd, „Komm nur rein.“ Leise schloss ich die Tür hinter ihm. Kokari blickte sich schweigend im hellen Treppenflur um, der den Eingang zu unserer Wohnung bildete, die im Obergeschoss lag. Unten wohnten meine Großeltern.

„Ein schönes Haus habt ihr,“, sagte er bewundernd.

„Ach, meinst du? Ich fühle mich hier ehrlich gesagt etwas eingeengt, aber es ist besser als kein Dach über dem Kopf,“, sagte ich nur.

„Wenn du willst, kannst du ja schon mal nach oben in mein Zimmer gehen, ich hole nur noch etwas zu trinken. Was hättest du denn gerne? Wir haben so ziemlich alles da…“, sagte ich etwas leise.

„Habt ihr vielleicht Mineralwasser?“, fragte er zögerlich.

„Ich hol dir eins…“, sagte ich. Es war schon wieder da, dieses Gefühl - was hatte ich mir dabei gedacht? Was, wenn wieder einer dieser Träume mich überfiel und Kokari danebensaß… Ein paar Tropfen bekleckerten den Tisch. Ich nahm mir einen Lappen und wischte sie weg.
 

Als ich erneut die Flasche packte, rutschte sie mir aus den Fingern und schlug hart auf dem Boden auf. Sie zerbrach in tausend Teile. Konzentrier dich, Mädchen!

„Ach, so was dummes…“, murmelte ich und holte ein Kehrblech. Als ich endlich alles beseitigt hatte und die Gläser voll waren, sah ich, dass Kokari an der Treppe wartete. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er. Seine Stimme klang besorgt.

„Mir ist nur die Flasche hingefallen, Entschuldige, dass ich dich erschreckt habe,“, sagte ich. „Lass… Lass uns hochgehen…“

Oben in meinem Zimmer angekommen schaltete ich die Wii ein, schließlich hatte er mir ja vorgeschlagen, Zelda zu spielen… Kokari musterte indes meine Poster.

„Wow…“, meinte er nur. Sein Blick blieb besonders lange auf einem Bild hängen, dass den Wald zeigte. Dann setzte er sich neben mir aufs Sofa.

„Möchtest du anfangen?“, fragte ich ihn und hielt ihm die Fernbedienung hin.

„In Ordnung,“, sagte er und nahm sie mir aus der Hand.

„Sag mal, ist dir kalt?“, fragte er, als ihm aufgefallen war, dass ich leicht zitterte.

„Nein, nein, alles in Ordnung, ich hab nur was von dem kalten Wasser abgekriegt…“, log ich nur und sah auf den kleinen Fernseher. Kokari nahm anstatt des bereits durchgespielten Spielstands einen neuen. „Stört dich das?“, fragte er und sah mich an. „Nein, natürlich, das geht schon klar…“
 

Lange spielten wir uns durch die Legende von Zelda, jedenfalls die von „Twilight Princess“. Zwischendurch stellte Kokari mir immer wieder Fragen, wie ich etwas fände, um die Stille zu unterbrechen, doch fiel ihm wohl auf, dass meine Antworten immer knapper ausfielen. Mein Blick wurde immer leerer, während ich auf das Hyrule auf dem Bildschirm starrte, und als Link dann endlich Epona wiedergefunden hatte, fragte er zögerlich: „Möchtest du vielleicht lieber etwas anderes machen?“

„Nein, spiel nur. Tut mir Leid, dass ich so ruhig bin. Ich… Ich hab' nur ein Bisschen Hunger. Ich mach uns mal etwas zu essen.“, sagte ich und ging wieder runter in die Küche.

„Kann ich dir nicht helfen?“, fragte er, nachdem er mir gefolgt war.

„Ach nein, lass nur, ich mach das schnell…“, sagte ich und wollte gerade ein paar Schnitten Brot herausholen, als ich fast gegen ihn gelaufen wäre.

„Was ist denn bloß los? Du stehst völlig neben dir…“, meinte Kokari besorgt.

„Nun, ich… Ich fühl mich gerade nur nicht besonders gut, Kokari. Mach dir keine Sorgen. Ich bin nur gerade in… Einer Phase…“, sagte ich leise.
 

Es dauerte nur erstaunlich kurze Zeit, bis wir schon in die letzten Dungeons eingetreten waren. Das hieß, Link war es, Kokari und ich saßen aus Strohalmen schlürfend auf dem Sofa und spielten, ohne auch nur einmal mehr als drei Herzen verloren zu haben. Schweigend erledigte Kokari Zanto und jagte sein vituelles Spiegelbild schließlich durch die verzweigten Räume Schloss Hyrules. Und dann kam der Endgegner. Wie jedes mal sah man Ganondorf hämisch grinsend auf dem Thron sitzen. „Im Spiel wirkt er fast menschlich, bedenkt man, was er eigentlich ist...“, meinte Kokari leise und starrte sinnend auf das dunkle Gesicht. Ich sah ihn an.

Still saß er gedankenverloren da und starrte auf den dunklen Dämonen.

„Im Gegensatz zu Ocarina of Time sieht er harmloser aus.“, sagte er dann und lächelte wieder. Schweigend sah ich zurück auf den Bildschirm.

Seltsam, dass er das gerade sagte, denn ich dachte an dieser Stelle immer ganz genau dasselbe. In meinen Träumen wirkte er sehr viel grauenvoller…

„Oder meinst du nicht?“, sagte er und lachte. Ich musste lächeln.

„Du hast vollkommen Recht,“, antwortete ich zustimmend.
 

„Gina, was ist los? Schluchzt du?“, fragte Kokari und sah von dem beendeten Spiel ab.

„Tut mir Leid,“, meinte ich und lachte. „Ich find‘ das Ende nur so schön…“

„Ach, deswegen.“, meinte er und musste auch lachen. Oder lag es einfach auch daran, dass das Spiel nicht weiterging…? Ich war mir unsicher. Mittlerweile gelang es mir, sogar bei Titanic die Tränen zu verkneifen, aber am Ende des Spiels flennte ich immer wie ein Schlosshund.
 

Am Abend ging er schließlich nach Hause. Ich begleitete ihn noch zur Tür, und den ganzen Weg lang winkte er mir noch rückwärts gehend zu, bis er lachend fast über seine eigenen Füße stolperte und in der Dunkelheit der Straße verschwand. Ich war fast ein wenig traurig, dass der Tag so schnell umgegangen war. Lächelnd schloss ich die Tür und lehnte mich dagegen, bevor ich ein Stück daran herrunterrutschte.

Lange hatte ich nicht mehr soviel Spaß mit einem meiner Freunde gehabt, aber vorallem hatte es noch nie jemanden gegeben, mit dem ich mich jemals so gut verstanden hatte. Außerdem…

Ausdruckslos starrte ich nach vorne. Außerdem hatte seine Anwesenheit mich des seltsamen Gefühls beraubt, dass mich befiel, sobald ich nur annäherend an das Spiel dachte. Einzig und allein ein Gedanke an Kokari war schon in der Lage, mich von dem Heimweh zu befreien.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück