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Kill this Killing Man II

Höhen und Tiefen
von

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Das ist alles nur geklaut

100) Das ist alles nur geklaut
 

„Meisterdieb?“ Der Name sagte ihm nichts.

„Kennst du überhaupt ein Märchen?“

„Natürlich kenne ich Märchen!“, empörte sich Sam.

„Aber wohl nicht die Richtigen!“

Der Winchester verdrehte die Augen. Es war sinnlos mit ihr zu diskutieren. Wahrscheinlich erfand sie diese angeblichen Märchen, nur damit sie ihn versagen sehen konnte.

„Ich verbitte mir diese Unterstellungen!“, giftete sie.

„Was muss ich machen?“, fragte er genervt. Er wollte hier nur noch raus. Und auch wenn das Mal auf seinem Arm wieder dunkel war, es machte ihn fast wahnsinnig, nicht zu wissen, was mit Dean war.

„Das was der Name des Märchens besagt. Stehlen! Du bist der Meisterdieb, der sich alles nimmt, was er will. Der Graf wird dir drei Aufgaben stellen. Für jede gelöste Aufgabe bekommst du einen Schlüssel. Versagst du, gibt es im besten Fall keinen …“

„Und im schlechtesten?“

„Bist du tot!“

„Und wofür sind die Schlüssel? Haben die auch was mit dem Märchen zu tun?“

„Das siehst du dann. Du solltest allerdings nicht zu lange trödeln!“ Sie zeigte auf Sams Arm.

Der Winchester blickte auf das Mal, das plötzlich irgendwie heller zu werden schien. Sicher war er sich allerdings nicht, ob es wirklich so war.

„Dann geh mal essen!“

„Essen?“

„So beginnt das Märchen ja wohl“, lachte sie und verschwand.
 

Sam schaute sich um. Wenige Meter vor ihm stand ein kleines Häuschen. Ein Mann arbeitete im Garten.

Der Winchester trat an den Zaun und schaute dem alten Mann dahinter zu.

„Guten Abend, junger Herr“, grüßte der Alte.

„Guten Abend. Kann ich Euch helfen?“, wollte Sam wissen.

„Ich weiß nicht, ob ihr es könnt. Ihr seht eher wie ein feiner Herr aus, dessen Hände nicht zur Arbeit taugen.“

„Ich kann schon zupacken“, lachte der Winchester und kam in den Garten. Er half dem Alten einen Baum in ein schon fertig gegrabenes Loch zu pflanzen.

„Habt Ihr keinen Sohn der Euch helfen kann?“

„Nein. Meiner Frau und mir wurde kein Kind geschenkt. Aber sagt, wie kann ich Euch für eure Hilfe danken?“

„Wie wäre es mit einem Essen, so wie es bei euch auf den Tisch kommt?“

„Warum nicht?“ Der Alte schüttelte den Kopf. Reiche Leute waren schon komisch.

Gemeinsam pflanzten sie auch noch die restlichen Bäume, rammten Pfähle neben sie und banden sie mit Seilen fest, damit sie schön gerade wuchsen.
 

Als sie später beim Essen saßen, polterte der Graf in die kleine Hütte.

„Wer seid Ihr, dass Ihr meinen Gärtner von der Arbeit abhaltet?“, wollte der schlechtgelaunt von dem Fremden wissen.

„Er hat mir beim Pflanzen geholfen“, verteidigte der Alte Sam.

„Geholfen? Soso. Sucht Ihr Arbeit? Dabei kann ich Euch wohl helfen!“, knurrte der Graf.

„Nein, ich bin gut versorgt“, erklärte Sam.

„Und womit?“

„Ich bin ein Meisterdieb!“, bediente sich Sam der Erklärung der Fee.

„Meisterdieb?“

Sam nickte.

„Ihr rühmt Euch ein Meisterdieb zu sein? Gut, ich werde Eure Kunst auf die Probe stellen. Wenn Ihr nicht besteht, so werdet Ihr bis zum Ende Eurer Tage in meinem Kerker schmoren!“

„So soll es sein“, sagte Sam mit fester Stimme und hoffte schon um Deans Willen, dass er es wirklich schaffen würde.

„Drei Aufgaben!“, bestimmte der Graf. „In meinem Stall steht mein Lieblingspferd. Das sollt Ihr stehlen. Außerdem meiner Gemahlin das Bettlaken unterm Leib weg und ihren Ehering vom Finger und zum Dritten sollt Ihr dem Koch den Braten vom Spieß stehlen.“

Sam nickte nur. Wie sollte er das denn schaffen?
 

~“~
 

Dean schreckte aus dem Schlaf hoch. Etwas tastete über seinen Körper. Er sprang auf, schüttelte sich und sah aus den Augenwinkeln, wie dieses Etwas davon huschte. Hastig suchte er einen Stein und warf ihn diesem Etwas hinterher.

Ein Quicken bestätigte den Treffer. Noch einmal schüttelte er sich, als unwillkürlich das Gefühl von tausenden kleiner, über seinen Körper tippelnder, Rattenfüße seine Nervenbahnen überrannte.

Er lief ein paar Schritte und ließ sich dann wieder neben dem Kuchenkrümel nieder.
 

Er war zu erschöpft zum Sitzen und er wollte sich nicht noch einmal den Kopf anschlagen, fals er doch umkippte, also rollte er sich neben der Platte zusammen. Aber er fand keine Ruhe. Immer wieder fühlte er die tippelnden Füßchen auf seinem Körper.

Unruhig setzte er sich wieder auf, schüttelte sich und kämpfte sich auf die Füße.

Mit der Platte in den Händen schwankte er zu dem Rinnsal. Er ließ sich daneben nieder, bettete die Platte auf seinen Schoß und versuchte seine Arme so darum zu schlingen, dass es für das Nagetier keinen Durchgang mehr gab.

Trotzdem kam er nicht zur Ruhe. Tief in sich abzutauchen wagte er nicht, aus Angst das Tier würde ihm das wenige Essen wegfressen.

Er verhielt sich vollkommen paranoid und er wusste es. Mit dem bisschen Brot würde er nur langsamer sterben. Doch noch war er nicht bereit aufzugeben.

Was für eine beschissene Situation. Er hatte sich noch nie so auf die Hilfe eines anderen Menschen verlassen müssen!
 

Während er darauf wartete, wieder einschlafen zu können, überfielen ihn Erinnerungen an die Zeit, als er dieses nagende Gefühl im Bauch kennengelernt hatte und egal wie sehr er auch versuchte, die wieder dahin zu verbannen, woher sie gekommen waren, es gelang ihm nicht.

Sollte er sich ihnen stellen?

Sie waren wie Dämonen. Je mehr er sie ignorierte, umso mehr bedrängten sie ihn.

Was hatte er schon zu verlieren? Er saß hier fest und solange er seinen Magen nicht wieder beruhigt hatte, konnte er weitere Befreiungsversuche auch vergessen.

Seine Gedanken gingen auf Wanderschaft.

Er musste zehn oder elf gewesen sein. John war zum ersten Mal viel länger weg geblieben, als er angekündigt hatte.

Sammy hatte er vor einer Weile ins Bett gebracht. Jetzt hockte er auf der durchgesessenen Couch und starrte auf den leeren Kühlschrank. Sein Magen krampfte sich immer wieder zusammen. Aber sie hatten nur noch zwei Bananen und etwas Erdnussbutter. Das langte nicht mal für Sams morgige Frühstück, geschweige denn für ihn und dabei hatte er in den vergangenen zwei Tagen lediglich zwei Bananen gegessen.

Er musste sich dringend etwas einfallen lassen, aber was?

Auf der anderen Seite der Straße, etwas weiter stadteinwärts war ein Diner. Die warfen die Reste immer in einen Container. Ob er da mal … Schon alleine bei dem Gedanken schüttelte er sich. Das wollte er erst als allerletzten Ausweg nehmen.

Er zog sich seine Jacke über, schaute noch einmal nach Sam und schlich sich aus dem Zimmer.

Sich in den dunklen Schatten haltend, lief er zum Supermarkt. Im Laden stehlen ging nicht, die hatten in jedem Gang mindestens zwei Kameras und er hatte noch keinen Winkel gefunden, die sie nicht erfassten, aber vielleicht konnte er ja ins Lager einbrechen?

Wieder und wieder schaute er sich um. Verhaftet zu werden konnte er sich nicht leisten. Wer würde sich denn dann um Sammy kümmern? Und Dad? Der wäre wieder enttäuscht von ihm, dabei hatte er sich doch fest vorgenommen, dass das nie wieder passieren sollte.

Er kletterte auf einen Müllcontainer und von da aus über den Zaun, der das Lager einfasste. Mit großen Augen starrte er auf die hier draußen aufgestapelten Kisten, die mit Salat und Toastbrot gefüllt waren. Einige Kühlboxen enthielten sogar Wurstpackungen! Wieso ließen die das draußen stehen? Er konnte sein Glück kaum fassen.

Schnell nahm er eine Packung Toast, eine Packung Wurst und einen Salat. Er fand auch Cornflakes, aber leider so schnell keine Milch, wenn denn überhaupt welche hier stand. Schnell griff er sich noch etwas Käse und eine Tüte Marshmallows, die aus einer Kiste schaute und sah zu, dass er wieder ins Motel kam.

Die Freude in Sammys Augen, als er die am nächsten Tag bekam, ließ ihn sein schlechtes Gewissen, ihn allein gelassen zu haben, vergessen. Dass bei diesen Lebensmitteln das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen und diese deshalb für Hilfsprojekte bestimmt waren, war ihm erst viel später bewusst geworden.

In den nächsten drei Tagen schlich er jede Nacht zu dem Supermarkt und holte Essen für Sam. Mehr zu nehmen traute er sich nicht und so begnügte er sich auch weiterhin mit zwei oder drei Scheiben Toast. Gerade genug, damit er nicht zusammenbrach, aber viel zu wenig um das Hungergefühl wirklich zu vertreiben. Außerdem brachte ihm diese Aktion den ersten blauen Brief ein, da ihm im Unterricht die Augen zufielen weil er den fehlenden Schlaf nachholte.

Und dann endlich kam John wieder. Er war müde und hungrig. Doch der Blick in den Kühlschrank zeigte ihm nur gähnende Leere. Erschrocken schaute er seinen älteren Sohn an. Der senkte beschämt den Blick und schüttelte den Kopf. Es war nichts mehr da und er hatte noch nicht losziehen können, weil Sam noch nicht schlief. Außerdem waren auch noch viel zu viele Menschen auf der Straße.

Doch entgegen seiner Befürchtungen sagte John kein Wort. Sein Dad verschwand im Bad und kam schon bald geduscht und rasiert wieder.

„Los Jungs, lasst uns essen gehen“, hatte er gesagt und Sam war jubelnd vom Sofa gesprungen, denn obwohl er Erdnussbuttertoast mit Banane liebte, hing der ihm inzwischen zum Hals raus.

Gemeinsam gingen sie zu dem Diner, die Straße runter.

„Bestellt was ihr wollt, Jungs“, hatte John sie leise gebeten. Etwas, das sich Dean nicht zweimal sagen lassen musste. Schnell hatte er sich einen Riesenburger mit extra Pommes geordert. Sam wollte Spaghetti und John bestellte sich ein Steak. Sein Dad sagte weder ein Wort zu seiner Bestellung noch zu dem, was die Kellnerin anbrachte, ganz im Gegensatz zu Sam. Der konnte nicht glauben, welche Mengen er verdrücken wollte. Doch das war ihm egal. Er schaufelte, als gelte es sein Leben.

Wenn er jetzt darüber nachdachte, dann wurde ihm bewusst, dass die Blicke die John ihm beim Essen zuwarf schuldbewusst waren. Damals hatte ihn das nicht interessiert. Er hatte diese Blicke zwar gesehen, sie aber nicht deuten können. Und selbst wenn, hatte er sich darüber keine Gedanken gemacht. Er war einfach nur froh gewesen endlich wieder einen vollen Magen zu haben.

Sam hatte seine Fressorgie mit einem irritierten ‚Du bist aber verfressen‘ kommentiert, aber das war ihm egal gewesen.

In der Nacht lernte er dann noch etwas kennen. Das Gefühl, wenn man sich hilflos überfressen hatte. Woher hätte er auch wissen sollen, dass so etwas passieren konnte? Bislang hatte er immer genug und nie das Bedürfnis gehabt, soviel in sich hineinzuschlingen.

Immer wieder musste er hart schlucken, um sich nicht zu übergeben, was wahrscheinlich besser gewesen wäre und er hätte es auch, wenn da nicht die Angst vor der Rückkehr dieses nagenden Hungers gewesen wäre. Er lag die halbe Nacht wach, die Arme fest vor den Bauch gepresst und versuchte weder Sam noch seinen Vater zu wecken.

Im Nachhinein betrachtet war Johns schlechtes Gewissen wohl verdammt groß gewesen, denn er musste am folgenden Tag nicht zu Schule sondern durfte auf dem Sofa liegen und Trickfilme schauen. Außerdem unterschrieb John den blauen Brief wortlos und kam die nächsten Male immer zu ihnen zurück, bevor das Geld alle war. Es hielt allerdings nicht lange, bissich diese Praxis wieder eingeschlich.

Aber egal wie wenig Geld oder Essen sie hatten, wenn John wieder da war, hatte er sich nie wieder so überfressen, auch wenn es ihm manchmal richtig schwer gefallen war sich zu zügeln.

Langsam driftete er in die hungerlose Dunkelheit.
 

~“~
 

Sam hatte sich von dem freundlichen Gärtner verabschiedet und ging in Richtung Schloss, um an ihm vorbei in die nahegelegene Stadt zu gelangen.

Unterwegs überlegte er, wie er diese drei Aufgaben lösen konnte. Zu blöd, dass er das Märchen nicht kannte. Aber wie auch. Es gab so viele davon und sie hatten nicht die Kindheit, in der das Vorlesen von Märchen zum Einschlafritus gehörte. Denn in ihrer Welt waren das eher Tatsachenberichte, als Geschichten, die gut ausgingen und den Kindern die Welt erklärten, wie sich die Menschen sie wünschten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Vanilein
2014-10-20T18:00:29+00:00 20.10.2014 20:00
John gehörte noch viel mehr als ein schlechtes gewissen :(
Das ist ja furchtbar was er Dean damit angetan hat wo er doch genau wusste das der alles für seinen kleinen Bruder geben würde, hatte er ihm das doch selbst so eingetrichtert :(
Ich hoffe Sam überwindet das Märchen das er seinem Bruder endlich helfen kann und der mal wieder was richtiges zu essen bekommt :/


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