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Creepypasta Special: The Name Lumis

Die wahre Geschichte über Sally
von

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Sallys Macht wächst

„Kurz nachdem Sally starb, ereigneten sich mehrere unerklärte Explosionen in der Stadt und Lumis konnte noch rechtzeitig fliehen. Es blieben nicht einmal Leichen zurück. Lumis selbst wuchs schließlich bei seiner Großtante Audrey auf, heiratete und hatte schließlich fünf Kinder. Von da an wurde sein Name und die Geschichte von Sally von Generation zu Generation weitergereicht.“ Nun legte Harrison eine etwas längere Pause ein, da die Geschichte ihn sehr angestrengt und er Mühe mit der Atmung hatte. Er hustete ein paar Male und sagte schließlich „Sally war die mächtigste Nekromantin und ihre Kraft war unvorstellbar groß. Wäre sie kein 12-jähriges Mädchen, sondern eine erwachsene Frau gewesen, dann hätte sie nicht nur Backwater sondern noch viele weitere Städte zerstört und tausende von Menschen getötet. Diese Macht, die sie entfesselt hat, war einfach zu viel für ihren Körper gewesen, es hat sie von innen her zerfressen wie ein Krebsgeschwür. Und als Resultat ist Sally schließlich gestorben.“ Dathan saß schweigend neben ihn und hatte erschüttert über diese unendlich traurige Geschichte den Kopf gesenkt. „Dann ist Sally-Ann also in dem Glauben gestorben, Lumis wäre tot und dann ist sie auch dieselbe Sally wie aus dem Film?“ Harrison brauchte eine Weile, bis er wieder genug Kraft hatte, um weiterzusprechen. Die Erzählung hatte ihn sehr angestrengt und er war sichtlich erschöpft. „Ja, aber die Sally, die jetzt die Welt terrorisiert, hat nicht mehr viel mit dem armen Mädchen gemeinsam, das vor gut zweihundert Jahren gelebt hat. Weißt du, sie hatte eine unfassbare Macht, mit der sie einfach so eine ganze Stadt ausradieren konnte. Aber das kann einen „Entarteten“ auch nicht davon abhalten, ins Jenseits überzugehen. Für gewöhnlich wird er dann wiedergeboren und damit verliert er all seine Erinnerungen an sein früheres Leben. Aber Sallys Zorn war viel zu stark. Ihre Seele wurde zwar in einem neuen Körper wiedergeboren, aber ihr Geist spaltete sich von der Seele ab.“

„Ein Geist?“

„Es ist kein Geist in dem Sinne. Es sind ihre Erinnerungen, ihre Gefühle, die sich zu etwas manifestiert haben, das mit purer negativer Energie zu vergleichen ist. Sie besitzt keinen festen Körper und existiert trotzdem. Das ist auch der Grund, warum sie keine Augen hat. Unsere Augen sind die Spiegel der Seele und da der ruhelose Teil von Sally keine Seele mehr hat, besitzt sie auch keine Augen. Und nun hat sie wieder genug Kraft gesammelt, um einen weiteren Rachefeldzug zu starten. Sie wird erst aufhören, bis der letzte Mensch auf Erden tot ist.“

„Gibt es denn keine Möglichkeit, sie aufzuhalten? Mein Freund Jamie ist bereits vom Sally-Syndrom befallen und wenn niemand sie aufhält, dann wird er sterben, genauso wie viele andere Menschen auch!“

„Eben darum bist du hier, mein Junge.“ Harrisons rasselnder Atem wurde schwerer und schließlich ergriff seine knochige Hand die von Dathan und drückte sie fest. „Es gibt eine Möglichkeit, Sally von ihrem Rachefeldzug abzubringen und ihr zu helfen: Ihr Geist muss wieder mit ihrer Seele eins werden, damit sie endlich ihre Ruhe findet. Von sich aus wird sie es aber niemals machen, weil ihr Hass einfach zu stark ist. Ihre negative Kraft übersteigt alles andere bislang da gewesene. Deshalb muss eine positive Kraft entgegenwirken. Du, mein Junge, bist der Einzige, der zu ihr durchdringen kann. Du kennst ihren Schmerz, weil du in der gleichen Lage warst. Aber dein Herz ist nicht von Hass und Rache zerfressen, das beweist allein die Tatsache, dass du niemals einem Unschuldigen etwas antun könntest. Du hast ein gutes Herz, genau wie Sally eines zu Lebzeiten hatte. Ich bin mir sicher, dass du zu ihr durchdringen und ihren Zorn besänftigen kannst. Sie muss erfahren, dass sie noch eine Familie hat und dass diese bis heute noch auf sie wartet. Sally mag zwar schreckliche Dinge getan haben, aber sie ist ein Kind mit einem gebrochenen Herzen. Sie hat die Menschen, die sie über alles geliebt hat, sterben sehen und das alles nur ihretwegen. Obwohl sie bis heute an ihrem Plan festgehalten hat, alle Menschen zu töten, sehnt sie sich doch nach Liebe und Zuwendung. Ich weiß, ich verlange viel von dir Dathan, aber ich bin nicht mehr in der Lage, es selbst zu tun.“ Dathan nickte und sah seinem Großvater in die trüben und verkrusteten Augen. „Wie kann ich Sally am besten aufhalten? Was muss ich tun?“

„Du musst die wiedergeborene Sally finden. Wenn mich nicht alles täuscht, wird sie äußerlich ihrem alten Ich sehr ähnlich sein und im schlimmsten Falle sogar als Nekromantin wiedergeboren werden. Du musst sie finden und dann wird der Geist der verstorbenen Sally mit Sicherheit versuchen, ihre eigene Reinkarnation zu töten.“

„Warum das denn?“

„Um zu verhindern, dass sie Ruhe findet. In diesem Zustand würde sie jeden angreifen, der ihr im Grunde nur helfen will. Sie kann längst nicht mehr unterscheiden, wer ihr helfen oder schaden will. Du musst aufpassen, das wird nicht ganz ungefährlich.“

„Und was hat es mit dem Film auf sich? Warum hat sie solch einen umständlichen Weg gewählt?“ Harrison begann kräftig zu husten, wobei sich zeigte, dass er deutlich Schmerzen hatte. Er rang für eine Weile nach Luft, so als drohe er zu ersticken, doch dann fing er sich wieder. „Weil pure Energie verfliegt, wenn sie nicht irgendwo eingespeichert wird. Sallys Geist konnte nicht weiter als eigenständige Form existieren, wenn sie nicht einen Wirt oder ein Medium auswählt. Ich weiß nicht, warum sie diesen Film ausgesucht hat. Wahrscheinlich weil sie wusste, dass im 21. Jahrhundert die Menschen abhängig von Internet und Fernsehen sind. Es ist die perfekte Art, sich schnell auf der ganzen Welt zu verbreiten, sie musste nur auf eine passende Gelegenheit warten.“

„Aber Jamie hat das Sally-Syndrom, ohne dass er jemals den Film gesehen hat. Das macht doch keinen Sinn!“ Als Harrison das hörte, wurde er mit einem Schlage sehr ernst. Das war kein gutes Zeichen. „Das bedeutet, dass Sally inzwischen so stark geworden ist, dass sie bald nicht mehr auf den Film angewiesen ist, um Menschen zu töten. Das ist gar nicht gut. Wenn dem so ist, muss ihr jetzt erst recht Einhalt geboten werden.“

„Und wer hat sich diese Story ausgedacht, dass Sally ihre Familie abgeschlachtet hat?“

„Irgendein Spinner, der den Mythos weiter schüren wollte. Genauso wie diese Tonbandaufnahmen aus dem Institut nachträglich gefälscht wurden.“

„Und wer hat die DVD mit dem Film ins Institut geschickt?“

„Das weiß ich nicht. Offenbar hatte noch jemand gewusst gehabt, dass du dort bist. Ich vermute, dass Sally hinter dem Namen Lil_BlackwhiteGirl steckt und ihren Film auf diese Weise verbreitet. Aber sicherlich gibt es noch andere, die diesen Namen angenommen haben und sich als Sally ausgeben.“ Dathan, der nun langsam ein wenig unruhig wurde, stand von seinem Stuhl auf und begann langsam, auf und ab zu laufen. „Um das mal zusammenzufassen“, sagte er schließlich und machte dabei gestikulierende Bewegungen mit den Händen. „Sally ist eine Vorfahrin von mir, die ihre Familie verloren hat und für die Backwater Tragödie verantwortlich ist, die angeblich nie stattfand. Sie ist inzwischen wiedergeboren worden, ihr Geist läuft Amok und will die ganze Menschheit ausradieren. Und meine einzige Chance, sie zu stoppen ist es, ihr ins Gewissen zu reden und sie zu bequatschen, wieder mit der Seele zu verschmelzen. Und wenn ich auch nur einen Fehler mache, dann wird sie meinen Verstand in Wohlgefallen auflösen und mich genauso umbringen wie zig hundert Menschen zuvor. Und da sie, ich zitiere dich mal, wie reine Energie ist, sind sämtliche Waffen gegen sie wirkungslos. Hab ich soweit alles richtig?“

„Sie wird dir nichts tun können“, sagte Harrison beschwichtigend, wobei seine heisere Stimme nicht mal im Entferntesten die von Dathan übertönen konnte. „Auch wenn sie nicht weiß, dass ihr zur selben Familie gehört, kann sie dich gar nicht mit ihrer Kraft töten, weil ein unterbewusster Teil von ihr diese Verbindung zu dir spürt.“

„Na wunderbar, das beruhigt mich wirklich ungemein. Dafür wird Jamie sterben, wenn die Sache schief läuft und dann bin ich für seinen Tod und den von hunderten von Menschen verantwortlich.“ Harrison wollte etwas erwidern, aber er verstand, was Dathan damit sagen wollte. Er hatte arge Selbstzweifel. Immerhin konnte er nicht mal seine kleine Schwester retten, wie sollte er da jemand anderes retten? Im Grunde genommen konnte er seine Fähigkeit nur einsetzen, um Menschen zu töten und nicht dazu, welche zu retten. Dathan hatte Angst zu versagen und alle zu enttäuschen. Und genau diese Angst hätte Harrison ihm gerne erspart. „Wenn du es nicht versuchst, dann wird Jamie so oder so sterben. Ich weiß, dass du Angst hast und ich wünschte mir, ich könnte dir irgendwie helfen. Aber… ich bin alt und schwach, ich werde sehr bald sterben. Das Einzige, was ich dir noch mitgeben kann, ist das hier.“ Damit holte Harrison eine keine Figur heraus, die aussah wie ein kleiner Zinnsoldat. Sie sah ziemlich mitgenommen aus, war aber noch gut als Zinnsoldat erkennbar. „Das hier gehörte einst unserem Vorfahren Lumis. Ich bin mir sicher, dass dies mehr bewirken wird, als eine Waffe. Trag das immer bei dir!“ Dathan steckte die kleine Figur ein und verabschiedete sich schließlich von seinem todkranken Großvater, der noch einmal von Herzen bedauerte, seinem Enkel diese schwere Last aufzubürden. Mit einem Gefühl, als würde die ganze Welt auf seinem Rücken lasten, kehrte der Nekromant nach Hause zurück und fühlte sich mit einem Male kotzübel. Also kurbelte er das Wagenfenster runter, um sich die frische Nachtluft ins Gesicht wehen zu lassen. Fast fünf Stunden hatte sein Großvater geredet gehabt, doch irgendwie hatte Dathan das Gefühl, als wäre die Zeit viel zu schnell vergangen. Die Geschichte mit Sally bedrückte ihn wirklich und am liebsten hätte er geheult. Das arme Mädchen musste so schrecklich einsam und verzweifelt gewesen sein, wie würde es ihr jetzt nach zweihundert Jahren Einsamkeit wohl gehen? Und was war mit Jamie? Ging es ihm gut? Wie lange würde er noch diesen Terror durchstehen, oder kam bereits jede Hilfe zu spät? Dathan hoffte inständig, dass es ihm gut ging und er sich noch nicht das Leben genommen hatte.

Als Dathan endlich zuhause war, war es bereits kurz vor neun und im Haus brannte noch Licht. Jamie war also noch wach. Nachdem der Wagen in die Garage gefahren wurde, kramte Dathan seinen Schlüssel hervor und öffnete die Haustür. „Jamie, ich bin zurück!“ rief er, aber es kam keine Antwort. Das beunruhigte Dathan und so ging er in den Wohnbereich, wo er dann eine unheimliche Entdeckung machte. Die Wände waren mit einem schwarzen Stift bekritzelt und immer war es der eine Satz: „The hell is in our mind“. Wirklich überall war dieser Satz geschrieben worden, die ganzen Wände voll und Dathan wurde klar, dass Jamies Zustand sich dramatisch verschlimmert haben musste. „Jamie!!!“ rief er und eilte die Wendeltreppe hinauf zum Zimmer seines besten Freundes. Dieser kauerte in einer Ecke und hatte seinen Kopf unter den Armen versteckt, wie es Menschen für gewöhnlich bei Erdbeben taten. „Jamie, was ist los? Wie geht es dir?“ Doch Jamie reagierte gar nicht auf Dathans Worte. Er schien zu viel Angst zu haben, oder er schien durch seine Halluzinationen Schwierigkeiten zu haben, unterscheiden zu können, was real war und was nicht. Vorsichtig nahm Dathan seine Hand, doch da fuhr Jamie heftig zusammen. Er schrie laut auf und schlug um sich, doch Dathan hielt ihn fest und versuchte, ihn zu beruhigen. „Jamie, beruhige dich. Ich bin es doch!“ Als Jamie das hörte, sah er endlich, wen er da vor sich hatte und noch nie war er so erleichtert. „Dathan, du bist es wirklich….“

„Na klar bin ich es. Aber sag schon, wie geht es dir?“ Es war zwecklos, etwas von heiler Welt vorzulügen. Die Wände im Haus und der Zustand, in dem sein bester Freund ihn vorgefunden hatte, waren einfach nicht zu leugnen. Außerdem hatte er nicht mehr die Kraft, noch weiterhin stark zu bleiben, denn Sallys Terror war zum blanken Alptraum geworden. „Ich weiß nicht, wie lange ich das noch schaffe, Dathan. Ich kann nicht mehr. Wenn ich nicht dich hätte, hätte ich mir schon längst die Kugel gegeben.“ Dathan brachte ihn ins Wohnzimmer und machte ihm einen Baldriantee und gab ihm ein paar Beruhigungsmittel. In knappen Worten erzählte Dathan von seinem Gespräch mit Harrison und dass es eine Möglichkeit gäbe, Sally aufzuhalten. „Wir müssen Sallys Wiedergeburt finden und diese vor ihrer rachsüchtigen Hälfte beschützen.“

„Das müsste doch irgendwie zu schaffen sein. Fangen wir gleich morgen früh damit an, okay?“

„Das wollte ich auch gerade vorschlagen. Nimm erst mal deine Medikamente, ich bleib noch eine Weile auf. Ich muss mir noch die ganze Sache durch den Kopf gehen lassen.“

„Ich glaub nicht, dass ich jetzt noch schlafen will nach all der ganzen Scheiße.“

„Du musst aber, sonst bist du morgen völlig fertig. Du brauchst keine Angst zu haben. Sally kann dir körperlich nichts anhaben und mit den Schlafmitteln träumst du doch sowieso nicht.“ Jamie sah aus, als würde er jeden Moment völlig erschöpft zusammenbrechen. In Dathans Abwesenheit schien er auch ziemlich geweint zu haben. Der Ärmste musste wirklich die Hölle durchmachen. „Glaubst du, wir finden sie überhaupt?“

„Wir müssen es einfach versuchen. Ich geh heute schon mal die Adressen mit den verschiedenen Waisenhäusern durch. Großvater hat mir den Tipp gegeben, dass unsere neue Sally der alten sehr ähnlich sieht. Wir brauchen also nur zu fragen, ob es ein Mädchen gibt, das der Zeichentrickhorrorfigur Sally sehr ähnlich sieht. Leg du dich erst mal schlafen.“ Da Jamie nicht alleine sein wollte, beschloss er, auf der Couch zu schlafen und nahm schließlich seine Schlaftabletten ein. Knapp eine halbe Stunde später schlief er tief und fest und Dathan setzte sich an seinen Laptop und begann sich sämtliche Adressen von Waisenhäusern der Umgebung herauszusuchen. Es waren zum Glück nicht sehr viele, aber im schlimmsten Falle musste Dathan damit rechnen, alle Staaten der USA abzusuchen. Das konnte noch sehr lange dauern und außerdem noch ziemlich anstrengend werden. Bis drei Uhr morgens blieb er wach, dann schlief er schließlich mitten in der Suche ein.
 

Um halb elf Uhr wachte Dathan schließlich auf und fühlte sich gerädert und hundeelend. Jamie schlief immer noch und hatte ein Kissen an sich gepresst und schnarchte leise. Er sah wirklich friedlich und erholt aus und Dathan beschloss, ihn erst einmal schlafen zu lassen. Jamie brauchte die Ruhe und solange er schlief, konnte Sally ihn nicht terrorisieren. Mit einer Tasse Kaffee setzte er sich auf die Couch und kramte die aufgeschriebenen Nummern und Adressen hervor und begann nach und nach die Waisenhäuser in der Umgebung abzutelefonieren. Es brauchte einiges Geschick und vor allem Redegewandtheit, um Informationen zu erhalten. Dabei musste er ein wenig seine Stimme verstellen, da seine sehr tief und rau klang und diese allein schon manche Menschen abschreckte. In kürzester Zeit hatte er alle Adressen durch und nichts herausgefunden, also begann er nach Artikeln zu suchen, die vielleicht von einem Mädchen berichten könnten, das Sally sehr ähnlich sah. Wenn sie wie er begabt war, dann wäre sie viel leichter zu finden, aber wenn Dathan ehrlich war, wünschte er sich es lieber nicht. Nachdem, was er von seinem Großvater erfahren hatte, wurden alle Begabten (entartet klang zu hart für ihn) Opfer von jahrelanger Misshandlung und starben allesamt unglücklich und voller Hass gegen andere. Ihnen wurde einfach kein glückliches Leben zuteil und lieber wollte sich Dathan doppelte Arbeit machen, wenn er wenigstens wüsste, dass Sally in ihrem neuen Leben nicht so gestraft war. Die Worte seines Großvaters beschäftigten ihn nach wie vor und er ließ sie sich erneut durch den Kopf gehen. Alle Menschen kommen mit der Kraft zur Welt, den Tod zu beeinflussen. Aber nur die wenigsten können sie anwenden, indem sie wieder ins Leben zurückkehren, wenn sie sterben. Und manche sind so mächtig, dass sie wie von einer dunklen Aura umgeben sind. Sie sind sogar in der Lage, den Tod anderer Menschen zu beeinflussen. Die Menschen um sie herum spüren das. Sie haben instinktiv Angst vor diesen Begabten, weil der Tod die Urangst der Menschen darstellt. Ihre Feindseligkeit ist wie eine Schutzreaktion, wie bei Tieren. Wenn sie sich bedroht fühlen, reagieren sie aggressiv und feindselig. Das hat nichts mit Bosheit zu tun, sie wissen selbst nicht, warum sie solch eine Angst vor diesen Begabten haben. Sollte das etwa bedeuten, dass Toby und die anderen, die ihn damals mit Säure entstellt hatten, gar nichts dafür konnten, dass sie so feindselig auf Dathan reagiert hatten? Lag es ganz einfach daran, dass seine verborgene Kraft sie dazu getrieben hatte? Sollte das etwa auch auf seine alte Klasse zutreffen, die seine Schwester, seinen Freund Koishi und seine Cousine getötet hatten und hatte er sie völlig zu Unrecht getötet? Nein, auch wenn sich der ganze Hass immer gegen ihn gerichtet hatte, so hatte niemand das Recht, seine Freunde und seine Familie anzugreifen. Seine Schwester war gerade mal vier Jahre alt gewesen und sie… Dathan zuckte zusammen, als ihm wieder das Bild seiner kleinen Schwester vor Augen schwebte. Du meine Güte, sie hatte auch rote Augen. Sie war auch wie ich begabt. Als Dathan diese Erkenntnis kam, krampfte sich sein Magen zusammen. Seine kleine Schwester… war genau wie er ein geborener Außenseiter. Und sie war gestorben, bevor sie ebenso ein Opfer des Hasses werden konnte wie er. Das Leben konnte wirklich unsagbar grausam sein.

Schließlich machte Dathan Frühstück fertig und nachdem er sich noch eine Tasse Kaffee eingeschüttet hatte, begann er nach weiteren Waisenhäusern zu suchen, dieses Mal aber ausschließlich in den Südstaaten, wo Sally mit ihrer Familie vor zweihundert Jahren gelebt hatte. Schließlich begann er mit einer Internetsuchaktion. Er gab in die Suchmaschine „Sally“, „Mädchen“, „Waisenhaus“ und „rote Augen“ ein. Das Ergebnis war, dass unzählige Artikel über das Sally-Phänomen erschienen, aber keine, die von einem kleinen Waisenkind handelte, dass ihr ähnlich sehe. Drei Stunden durchsuchte er die einzelnen Seiten, begann sogar in Foren zu suchen. Schließlich fragte er auf Seiten nach, ob jemand ein Mädchen kenne, welches genau wie Sally aussah und kehrte dann wieder zur Suchaktion per Telefon zurück. Jamie wachte gegen 13 Uhr auf und schlurfte ins Bad. Er wirkte ziemlich müde, aber zumindest hatte er sich von dem Psychoterror ein wenig erholen können. Als er wieder zurückkam und Dathan sich nach seinem Wohlbefinden erkundigte, lächelte er müde und bemerkte sarkastisch, er könne Bäume ausreißen. „Hast du schon etwas herausfinden können?“

„Leider nein, ich hab bereits 50 verschiedene Waisenhäuser abtelefoniert und auch schon eine Internetsuche gestartet, aber leider bis jetzt kein Erfolg. Ich werde mich mehr auf die Südstaaten konzentrieren, wo Sally vor zweihundert Jahren gelebt hat.“

„Machen wir es doch so: Ich nehme mir den Osten vor und du den Westen. So teilen wir uns die Arbeit. Wir haben ja zum Glück zwei Telefone.“ Jamie ging in die Küche, machte sich Cornflakes zum Essen und kam zurück ins Wohnzimmer. Bevor er allerdings mit der Suche beginnen wollte, schaltete er den Fernseher ein, um die Nachrichten zu sehen. Dort wurde soeben die Mitteilung gemacht, dass sich am gestrigen Tag in South Rickfields dreißig Menschen das Leben genommen hätten, indem sie von verschiedenen Dächern sprangen. Bizarr daran war, dass sie lauthals gelacht hatten, als sie sprangen. Und das waren nicht die einzigen Suizidfälle. In den USA haben sich schätzungsweise 311 weitere Menschen auf diese Weise umgebracht und sie hatten allesamt am Sally-Syndrom gelitten, ohne dass sie jemals den Film gesehen hätten. Der Reporter berichtete, dass alle Selbstmörder die gleichen Symptome gezeigt hätten, doch dann sei ihre Stimmung urplötzlich umgeschlagen. Sie seien völlig euphorisch gewesen und das auch in einem Maße, das fast an Wahnsinn grenze. Als Jamie das hörte, rutschte ihm merklich das Herz in die Hose und sofort schaltete er den Fernseher wieder aus. „Scheiße“, murmelte er und biss sich auf die Unterlippe. „Das sieht nicht gut aus, das sieht gar nicht gut aus.“

„Dann hatte Großvater Recht. Sally braucht den Film jetzt gar nicht mehr, um die Menschen zu töten. Wir müssen uns beeilen, sonst wird es noch eine weitere Backwater Tragödie geben. Nur dieses Mal in einem unvorstellbaren Ausmaß.“



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