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Creepypasta Special: The Name Lumis

Die wahre Geschichte über Sally
von

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Ein Brief vom Notar

Als Dathan aufwachte und in die Küche ging, lag Jamie noch auf der Couch. Er hatte ein Kissen an sich gedrückt, auf welches er schnarchend sabberte und schlafend sah er so süß aus, dass selbst Dathan schmunzeln musste. Vorsichtig versuchte er, den Hausherrn zu wecken, aber dieser schlief so tief und fest, dass neben ihm ein Heavy Metal Konzert stattfinden konnte, ohne dass er wach wurde. Hauptsächlich lag das an den Schlafmitteln, die Jamie nahm. Da er wohl nicht so schnell aufwachen würde, kochte Dathan erst einmal Kaffee und schaltete den Fernseher ein, um sich die morgendlichen Wiederholungen der Soaps zu anzugucken. Da aber nichts Interessantes lief, wechselte er zum Musikkanal und holte schon mal die Zeitung. Zuerst, bevor er überhaupt rausging, lugte er vorsichtig durch den Türspalt um sicherzugehen, dass da niemand draußen war, der ihn sehen konnte. Er wollte nämlich vermeiden, dass jemand ihn ohne Mundschutz sah. Soweit so gut, es war niemand zu sehen. Schnell öffnete er die Tür und eilte zum Briefkasten, um die Zeitung zu holen, doch leider war er nicht schnell genug, denn da kam Mr. Mitchell vorbei, um sich zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof zu machen. Dathan entwich das Blut aus dem Kopf, als sich ihre Blicke trafen und er war so erstarrt, dass er nicht schnell genug reagieren konnte, um sein Gesicht zu verstecken. Er rechnete mit allem. Dass Mr. Mitchell ihn anstarrte oder sich vor ihm erschreckte. Ja er rechnete sogar damit, dass sein Nachbar ihn dumm anmachen und ihn wegen seinem Aussehen beleidigen würde. Und tatsächlich blieb Mr. Mitchell kurz stehen und starrte Dathan ein wenig erschrocken an. Aber dann setzte er sein freundlichstes Lächeln auf und grüßte ihn „Guten Morgen Dathan, schöner Tag heute, oder?“ Aber Dathan war nicht in der Lage zu antworten. Noch immer war er vor Angst erstarrt und realisierte gar nicht, dass Mr. Mitchell sich gar nicht abweisend ihm gegenüber verhielt. Zwar erschreckte ihn diese Entstellung, aber er versuchte, nicht das Gefühl zu vermitteln, er würde Dathan deswegen verachten. Zögernd hob Dathan die Hand, um Mr. Mitchell grüßend zu winken. Warum nur grüßte Mr. Mitchell ihn, obwohl doch die meisten Menschen bei seinem Aussehen sofort das Weite suchten oder ihn wie einen Aussätzigen behandelten? Dathan begriff es einfach nicht und fassungslos sah er seinem Nachbarn hinterher, der wieder seiner Wege ging und gut gelaunt ein Liedchen summte. Eine ganze Weile blieb er stehen, dann ging er mit der Zeitung wieder rein. Noch immer war er leichenblass im Gesicht und das entging auch nicht Jamie, der gerade eben aufgewacht war. „Hey Dathan, was ist los? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.“

„Ich war draußen, um die Zeitung zu holen. Und… und Mr. Mitchell…“

„Hat er dich etwa wegen deinem Aussehen blöd angemacht?“ Sofort war Jamie hellwach, als er das hörte und schon sprang er auf. Seinem Gesicht konnte er ablesen, dass er Mr. Mitchell an die Gurgel springen würde, sollte dieser Dathan gekränkt haben. Aber schon beruhigte ihn Dathan, indem er erklärte „Er hat mich angesehen und mir einfach gegrüßt, als wäre nichts gewesen.“ Normalerweise hätte jeder normale Mensch „Na und? Wo ist das Problem?“ gefragt, aber Jamie wusste es besser. Er stellte diese Frage nicht, sondern legte seinem Freund aufmunternd ein Arm um die Schultern und sprach ihm gut zu. Dathan war so geschockt über die Reaktion von Mr. Mitchell, weil er es nicht anders kannte. Er war es so gewohnt, dass er überall Ablehnung erfuhr, dass er sehr sensibel auf sein Umfeld reagierte. Inzwischen hatte er eine regelrechte Angst vor Menschen entwickelt, dass er umso erschrockener und verängstigter reagierte, wenn seine Mitmenschen ihm freundlich und mitfühlend begegneten. „Ich verstehe das nicht“, murmelte Dathan und schüttelte den Kopf. „Ich verstehe das einfach nicht. Wie kann das sein? Was hat das zu bedeuten?“

„Jetzt setz dich erst einmal. Ich mach uns erst einmal Frühstück.“ Das Frühstück bestand aus gebratenem Speck, für jeden zwei Spiegeleier und dazu Toastbrot. Dazu gab es ein Obstmüsli mit Milch. Dathan setzte sich an den Tisch, doch er kam nicht zum Essen, da ihm diese Begegnung noch zu schaffen machte. „Ich verstehe das nicht“, wiederholte er und sah Jamie verwirrt an. „Warum hat er mir gegrüßt?“

„Erinnerst du dich noch an den Tag, als du in der Selbsthilfegruppe warst?“ fragte Jamie mit halb vollem Munde, da er nun selbst Hunger bekam und sein Müsli zu essen begann. „Währenddessen hab ich eine Nachbarschaftsversammlung einberufen. Ich dachte es wäre besser, den Leuten zu verstehen zu geben, dass du kein Freak bist. Auch wenn du das von dir behauptest. Ich habe ihnen den Kopf gewaschen und darum zeigen sie endlich mehr Verständnis und Rücksicht. Dathan, du brauchst keine Angst mehr zu haben, dass dich die ganze Welt wie ein Monster behandelt. Es gibt auch Menschen, die dich so akzeptieren, wie du bist. Und sollte einer der Nachbarn dich anders behandeln, dann werde ich das nicht auf sich beruhen lassen. Dann werde ich ihnen schon zeigen, wo der Hammer hängt.“ Das glaubte Dathan aufs Wort. Jamie würde sogar einen Löwen mit bloßen Händen an die Gurgel gehen, wenn es sein müsste. Und als er begriff, wie sehr sich Jamie für ihn bei den Nachbarn eingesetzt hatte, fühlte er sich schon ein wenig beschämt. „Du tust so viel für mich. Ich weiß gar nicht wie…“

„Ich möchte, dass du eines Tages wieder lachen kannst und das ist das Einzige, was ich mir wünsche. Ich will, dass du glücklich wirst, auch wenn es vielleicht noch nicht vorstellbar für dich ist. Und jetzt iss, sonst wirst du noch dünner, als du ohnehin schon bist.“

Nach dem Frühstück begann Jamie damit, das Haus zu putzen, während Dathan einen Termin bei seinem Psychotherapeuten hatte. Dabei trug er Kopfhörer, die nun klassische Musik zu spielen begannen. Darunter waren Mozart, Bach, Händel und sogar Scott Joplin. Als schließlich die Arie der Königin der Nacht gespielt wurde, drehte er die Musik so laut, dass er gar nicht das Telefon hörte. Stattdessen sang er lauthals mit, auch wenn er im Grunde rein gar nichts von dem Text verstand und eigentlich nur nach Gehör mitsang, was er gerade so heraushören konnte. Schließlich klingelte es an der Tür und Mrs. Landon stand vor der Tür. Als er sie sah, nahm er die Kopfhörer ab und sah sie erstaunt an. „Guten Tag Mrs. Landon, kann ich Ihnen helfen?“ „Entschuldige Jamie, aber kann ich mit Dathan sprechen?“

„Sorry, aber der ist gerade bei seinem Therapeuten. Soll ich ihm etwas ausrichten?“

„Nein, nein! Es ist nur so, dass ein Brief für ihn bei mir im Briefkasten gelandet ist und den wollte ich ihm gerne geben. Sag mal, wie geht es ihm? Ich hab gehört, dass gestern der Todestag seiner kleinen Schwester war.“

„Nun, er hat das Ganze noch nicht überwunden, aber er macht inzwischen gute Fortschritte. Ich bin Ihnen und den anderen auch sehr dankbar, dass Sie ihn so gut in der Nachbarschaft aufgenommen haben.“

„Das ist doch selbstverständlich. Ihr könnt auch gerne mal zum Kaffeetrinken vorbeischauen.“

„Auf das Angebot kommen wir sicher noch mal zurück. Danke Mrs. Landon.“ Damit verabschiedete sich die 27-jährige und ging wieder zurück. Neugierig sah sich Jamie den Absender an und stellte fest, dass der Absender ein gewisser Notar namens James Blake war und beim zweiten Adressat handelte es sich um einen Harrison L. Kinsley. Dathan hatte nie erzählt, dass er noch einen Großvater oder anderen alten Verwandten hatte. Wenn er ihn fragte, so sagte dieser stets, dass er keine nächsten Verwandten mehr habe. Ob er gar nichts von diesem Harrison nichts wusste oder ob da ein angespanntes Verhältnis zwischen ihnen bestand? Jamie war schon fast versucht, den Brief zu öffnen, aber er ließ es, denn er hatte Dathan versprochen, ihn weder zu kontrollieren, noch ihm nachzuspionieren. Und dieses Versprechen würde er auch halten, denn ihm war diese Freundschaft wichtig, sehr wichtig sogar. Also legte Jamie den Brief auf den kleinen Schuhschrank im Eingangsbereich, sodass Dathan diesen sofort bemerken würde. Schließlich setzte er wieder seine Kopfhörer auf und stellte fest, dass die Arie längst verstummt war. Stattdessen begann nun „Oltremare“ von Ludovico Einaudi zu spielen. Summend ging er wieder ins Wohnzimmer zurück und wollte gerade die Kissen ausschütteln, da sah er kurz einen Schatten am Fenster. Schnell drehte er den Kopf in diese Richtung und hätte schwören können, für einen Moment jemanden am Fenster stehen und ihn beobachten zu sehen, aber da war nichts. Wahrscheinlich hatte er sich das bloß nur eingebildet. Nachdem er die Haushaltspflichten erledigt hatte, wollte er zum Baumarkt fahren und einen neuen Duschkopf kaufen, da der alte kaputt gegangen war. Außerdem hatte er einen zu starken Strahl gehabt, welcher Dathan sehr unangenehm gewesen war. Jamie träumte von einem Duschkopf mit Regenfunktion. Und es durfte auch mal etwas Luxuriöses sein, was sie für alles Leid und alle Enttäuschungen im Leben entschädigen sollte. Man lebte schließlich nur ein Mal und Jamie legte großen Wert auf ein gemütliches und perfektes Heim. Er ging ins Bad und schraubte das alte Ding ab. An den Düsen hatte sich die Oberfläche leicht verfärbt. Dabei hatte er ihn doch erst letztens ordentlich gesäubert. Na, jetzt ging er sowieso einen neuen kaufen, da konnte es ihm herzlich egal sein, wie dreckig der kaputte war. Fröhlich pfiff Jamie ein Liedchen und betrachtete sich im Spiegel, um seine Frisur noch mal zu kontrollieren. Dabei fiel ihm auf, dass er demnächst den blonden Ansatz nachfärben musste. Außerdem mussten die Spitzen nachgeschnitten werden….

Als Jamie seine Frisur im Spiegel überprüfte, nahm sein Unterbewusstsein etwas im Spiegel wahr, dass er erst gar nicht realisierte. Etwas stand da plötzlich etwas weiter hinter ihm und starrte ihn durch den Spiegel an. Und dann sah er endlich die Gestalt, die da mitten im Bad stand und ihn mit schwarzen Augen, die keine waren sondern dafür pechschwarze leere Höhlen, fuhr er erschrocken zusammen. Er drehte sich um, sah da eine kleine schwarzweiße Gestalt, die ihn angrinste und geriet ins Stolpern. Dabei rutschte er auf dem Badezimmerteppich aus, versuchte vergebens, sich am Handtuchhalter festzuhalten und schlug mit dem Hinterkopf auf dem Waschbecken auf. Der Aufprall war stark genug, dass es ihm das Bewusstsein raubte und er für fast zwei Stunden regungslos liegen blieb.
 

Dathan ahnte von all dem nichts, als er von seinem Gespräch mit Dr. Schwarz nach Hause kam und den Brief auf dem Schrank im Eingangsbereich fand. Er rief nach Jamie und als er keine Antwort erhielt, suchte er ihn schließlich. Im Bad wurde er fündig und fand seinen besten Freund vor dem Waschbecken liegen. Er blutete leicht am Hinterkopf und war nicht ansprechbar. Dathan befürchtete schon das Allerschlimmste, aber er atmete erleichtert auf, als Jamie die Augen öffnete und langsam aufstand. „Jamie, was ist passiert? Bist du gestürzt?“

„Ich hab da jemanden im Spiegel gesehen. Da stand jemand hinter mir und dabei hab ich mich so erschrocken, dass ich auf dem Teppich ausrutschte und dann mit dem Hinterkopf gegen das Waschbecken geknallt bin. Scheiße, tut das weh.“

„Soll ich dich ins Krankenhaus bringen?“

„Nein lass nur, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Hilf mir mal hoch.“ Etwas wankend kam Jamie wieder auf die Beine und ging in die Küche, wo er sich einen Eisbeutel auf die verletzte Stelle drückte. Er hatte fürchterliche Kopfschmerzen, vielleicht eine kleine Gehirnerschütterung, aber mit Sicherheit nichts Ernstes. Auch als Dathan sich die Verletzung ansah, stellte er erleichtert fest, dass es tatsächlich nichts sonderlich war, weshalb er seinen besten Freund ins Krankenhaus bringen musste. Es sah nicht danach aus, als müsse die Wunde unbedingt genäht werden. „Was genau hast du für eine Gestalt gesehen?“

„So genau weiß ich das auch nicht“, murmelte Jamie, als er eine Aspirintablette in sein Glas Wasser warf. „Das alles ging ziemlich schnell. Es war schwarzweiß und hatte keine Augen, sondern nur leere schwarze Höhlen.“

„Hast du vielleicht Eyeless Jack gesehen?“ scherzte Dathan und kassierte dafür ein sehr sarkastisches Lachen von seinem etwas beleidigten Freund. „Nein, Eyeless Jack war es nicht. Es hatte langes schwarzes Haar und sah irgendwie menschlich aus und dann wiederum auch nicht. Ich hab es auch nicht so ganz genau gesehen und auch nur für weniger als zwei oder drei Sekunden.“ Eine schwarzweiße Gestalt mit langem schwarzen Haar und schwarzen Löchern statt Augen? Das klang schon ziemlich bizarr und zuerst musste Dathan an dieses Sally-Syndrom denken, welches sich im letzten Jahr massiv verbreitet hatte. Aber um dieses Syndrom zu kriegen, hätte sich Jamie den Film ansehen müssen. „Eine Frage, hast du „Happy Sally“ gesehen?“

„Nein, überhaupt nicht. Und ich hab auch nicht vorm Spiegel gestanden und drei Mal ihren Namen gesagt, damit sie rausgekrochen kommt, wie diese blöde Kuh aus "The Ring". Ich hab nur davon gehört, warum fragst du?“

„Zuerst hatte ich gedacht, dass du unter dem Syndrom leiden könntest. Oder hat sich dein eigenes Krankheitsbild verschlimmert?“

„So ein Quatsch. Ich nehme regelmäßig meine Pillen und ich leide auch nicht an Paranoia. Und schizophren bin ich auch noch nicht. Vielleicht hab ich mir einfach bloß etwas eingebildet, sicher war da überhaupt nichts.“ Womöglich hatte Jamie Recht und da war gar nichts gewesen. Sicherlich steckte dahinter gar nichts, doch Dathan beschloss, die Sache im Auge zu behalten. Da Jamie Ruhe brauchte, wurde die Fahrt zum Baumarkt verschoben und Dathan begann, das Essen zu kochen. Heute wollten sie allerdings nur eine Kleinigkeit zu sich nehmen und so gab es einen frischen Salat mit Putenstreifen und Pinienkernen. Dathan erzählte von seiner Therapiesitzung, welche neuen Erkenntnisse er gewonnen und was er sich zum Ziel gemacht hatte. Jamie hörte ihm trotz der fürchterlichen Kopfschmerzen aufmerksam zu und lobte seine Fortschritte. Schließlich aber kehrte die Neugier wieder zurück und er erkundigte sich nach dem Brief. Diesen hatte Dathan in der Aufregung beinahe vergessen und holte ihn her. Prüfend sah er den Absender an und schien nicht überrascht, als er unter anderem „Notar“ las. Daraufhin erkundigte sich sein bester Freund, was es mit diesem Schreiben wohl auf sich haben könnte und die Erklärung erwies sich als recht einfach. „Mein Großvater väterlicherseits muss wohl verstorben sein. Er war schon ziemlich alt und lebte in einem Pflegeheim.“

„Wie hieß er denn?“

„Harrison Lumis Kinsley.“

„Du hast deinen zweiten Namen von deinem Großvater?“

„Nein, nicht direkt. Der Name wird schon seit Ewigkeiten weitergegeben. Frag mich nicht warum. Ich war sowieso ziemlich irritiert wegen diesem Namen, weil ich immer „Lewis“ statt „Lumis“ verstanden hatte. Soweit ich weiß, leitet er sich von „Lumen“, das lateinische Wort für „Licht“ ab. Ein ziemlich komischer Name, wenn du mich fragst. Ich hatte sowieso nie wirklich verstanden, warum mich meine Eltern Dathan genannt haben und nicht Nathan.“

„Gewöhnliche Namen zeugen von gewöhnlichen Menschen. Deshalb geben diese Hollywood Promis ihren Kindern ja auch so bescheuerte Namen wie Harper Seven. Ich finde deinen Namen viel origineller als Nathan. Außerdem hieß der Autor von "Penpal" auch Dathan und ich finde die Geschichten echt unheimlich spannend.“ Dathan blieb nichts anderes übrig als zu schmunzeln. Er öffnete den Briefumschlag und holte das Schreiben heraus, welches ihm verriet, dass sein Großvater Harrison Lumis Kinsley im Hospiz liege und Lungenkrebs im Endstadium habe. Die Ärzte gaben ihm nur noch zwei Monate und es wäre sein größtes Anliegen, Dathan noch vor seinem Tod zu sprechen. Es gäbe noch einige familiäre Angelegenheiten zu klären, aber auch äußerst wichtige Punkte bezüglich seines Erbes. Dathan zeigte keinerlei Gefühlsregungen, während er dieses Schreiben vorlas und als er zu Ende gelesen hatte, legte er das Schreiben auf den Tisch, neben dem aufgerissenen Umschlag. Eine Zeit lang herrschte Schweigen, dann schließlich fragte Jamie „Was wirst du tun?“ Diese Frage stellte sich Dathan auch und er war sich seiner Antwort noch nicht so ganz sicher. Immerhin: Was wollte sein Großvater ihm denn bitteschön vererben? Das Hausboot, welches verbrannt war, hatte er schon letztes Jahr von seinen Eltern vererbt bekommen und sein Großvater war auch nicht vermögend. Das letzte bisschen hatte er für teure Therapien ausgegeben, die ihm im Grunde gar nichts gebracht hatten. Und er verspürte auch nicht die geringste Lust, sich um den bevorstehenden Tod dieses alten Mannes zu sorgen, zu dem er seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Die Frage um die Beerdigung und der anderen Dinge waren ihm zuwider und er würde diese Last auch nicht auf sich nehmen. Es war schon schlimm genug, dass er sich um die Beerdigung seiner Cousine und seiner kleinen Schwester kümmern musste. So etwas würde er so schnell nicht mehr durchmachen! Verwandtschaft hin oder her!

Aber er wollte diesen alten Mann, der genauso seine Familie verloren hatte, nicht einfach so abservieren, wenn dieser Krebs im Endstadium hatte und fürchterliche Schmerzen leiden musste. Wenn er in der gleichen Lage wäre, dann würde er sich auch wünschen, sich wenigstens von den letzten Anverwandten zu verabschieden. Also antwortete er knapp „Ich werde ihn besuchen.“

„Glaubst du, du schaffst das?“

„Ich weiß es nicht….“ Da Jamie sehr wohl wusste, wie sehr Dathan noch unter dem Verlust seiner Familie litt, war er umso besorgter, dass alles wieder hochkommen würde, wenn er seinen krebskranken Großvater besuchte. Er war sich nicht sicher, ob sein vom Leben gezeichneter Freund schon bereit war, sich wieder auf den Tod einzulassen. So setzte er sich auf, nahm seine Hand und sah ihm tief in diese roten Augen, in denen eine Höllenglut zu lodern schien. „Dann komm ich mit dir, falls dir das zu viel wird.“

„Danke Jamie, ich werde wohl jede Unterstützung brauchen.“ Dathan lehnte sich zurück und schaute auf seine Hände, die er gefaltet hatte. Jamie selbst legte sich wieder hin und presste den Eisbeutel auf die verletzte Stelle. Schließlich erzählte Dathan, wie es dazu kam, dass er den Kontakt zum Großvater verlor. Dies geschah kurz nach der Säureattacke. Harrison hatte sich fürchterlich mit seinem Sohn gestritten und ihm vorgeworfen, dass er die Gefahr ignoriert und Dathan nicht vor den anderen geschützt hätte. Daraufhin hatte er damit gedroht, den Eltern das Sorgerecht entziehen zu lassen und sich selbst um den Jungen zu kümmern. Sie wüssten sowieso nicht, wie man mit einem Kind wie ihn umzugehen hatte. Der Streit eskalierte darin, dass Harrison das Jugendamt informierte, allerdings war sein Bemühen vergebens geblieben und sein Sohn Brian Lumis hatte den Kontakt abgebrochen. Dathan hatte seinen Großvater seitdem nicht mehr gesehen und irgendwann war dieser auch in Vergessenheit geraten. „Im Grunde hatte er Recht gehabt. Meine Eltern hätten das Ganze verhindern können, aber sie haben die Sache nicht ernst genug genommen und das hat Großvater ihnen niemals verziehen.“

„Und was glaubst du, was er von dir will?“

„Keine Ahnung, vielleicht diesen jahrelangen Streit vor mir erklären und sich selbst zu rechtfertigen, um mit gutem Gewissen abtreten zu können. Aber warten wir es ab.“



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