Zum Inhalt der Seite

Hilfe in der Not

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Applejack wusste, dass der Sturm kommen musste.

Es wäre ihr nur lieber gewesen, wäre er später gekommen. Immerhin hingen die Apfelbäume immer noch voller Früchte und die mussten geerntet werden, bevor der Sturm sie beschädigen konnte. Eine Monsteraufgabe für zwei Ponys.

Sie hatte nicht vor, sich davon unterkriegen zu lassen. Entschlossen fasste sie den ersten Baum ins Auge. Oh, ja, sie würde das schaffen! Diese Apfel würden schneller geerntet sein, als Rarity ‚Schminkspiegel‘ sagen konnte – und Rarity war schnell, wenn es um Schminkspiegel ging.

Applejack holte tief Luft. Auf ging-

Ein Apfel fiel.

Irritiert kniff sie die Augen zusammen.

Ein weiterer Apfel fand den Weg in die bereitgestellten Körbe. Und dann – Krach!

Sie blinzelte nur kurz, doch als sie die Augen wieder öffnete, hing keine einzige Frucht mehr am Baum. Stattdessen lagen sie alle, ordentlich gestapelt, in ihren Körben.

„Wie?“

Sie blinzelte. Erlaubte sich Big Macintosh … Nein. Der war mit den Äpfeln einen Hügel weiter beschäftigt. Apple Bloom … nein. Die übernachtete mit ihren Freundinnen bei Fluttershy. Aber wer hatte die Äpfel dann in die Körbe – sie blinzelte erneut.

„War das … ich?“

Neugierig drehte sie sich zum nächsten Baum an dem große, leuchtend rote Früchte hingen, und kniff die Augen zusammen.

Plopp! Plopp! Krach!

Diesmal sah sie, wie dutzende von Äpfeln zeitgleich in den Körben landete. Nur ein Apfel verirrte sich ins Gras daneben. Sie warf ihm einen missbilligenden Blick zu und das reichte vollkommen aus. Mit einem raschen Satz setzte er sich auf die Spitze des nächsten Apfelbergs. Sie schnaubte zufrieden.

Okay. Das war definitiv komisch – aber sie würde sich nicht beschweren, wenn es ihr half. Und apropos helfen. Vielleicht konnte sie damit ja auch … Sie richtete ihren Blick auf einen der Körbe und sah ihn finster an.

„Bring die Äpfel zum Wagen!“

Zugegeben – sie kam sich schon ein bisschen dämlich dabei vor. Immerhin war sie nur ein ganz normales Pony, kein Einhorn wie Twilight Sparkle oder Rarity. Sie hatte keine Horn und sie hatte auch keine Magie Eigentlich sollte nichts passieren. Uneigentlich entwanden sich augenblicklich ein paar Äste dem Korbgeflecht, beugten sich nach unten und hasteten mitsamt Korb Richtung Wagen davon.

„Das ist ja …!“

Für einen Augenblick musterte sie ihre Hufe, doch nicht lange. Sie hatte immer noch eine ganze Menge Äpfel zu ernten. Und genau das würde sie jetzt tun.

„Hiya! Zum Wagen, Körbe!“
 

Die Arbeit war ein Kinderspiel, bis, ja bis …

„Es ist furchtbar!“

Applejack stoppte augenblicklich. Von wo war die Stimme gekommen. Von rechts? Nein, da waren nur leere Äpfelbäume. Von links? Nein, auch da waren nur Bäume. Das war nicht gut – ganz und gar nicht gut. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Langsam, ganz langsam drehte sie sich um. Zu spät. Der Korb bremste nicht mehr.
 

„Urgh“

Das nächste, das sie spürte, war ein schweres Gewicht auf ihrer Brust. Sicher Äpfel? Was auch sonst? Doch als sie langsam die Augen öffnete, sah sie keine Äpfel – sondern ihr Bett, ihr Zimmer, ihr Paar Drachenaugen … Ein Traum. Es war nur ein Tra- Halt! Drachenaugen? Irritiert blickte sie wieder nach vorn und tatsächlich – direkt vor ihr befand sich ein Paar apfelgroßer Drachenaugen, weit aufgerissen und mit Tränen in den Augen.

„Spike? Spike, was machst du hier?“

„Es ist furchtbar! Du musst ihr helfen!“

Reflexartig kniff Applejack die Augen zusammen.

„Wem muss ich helfen?“

Spike schniefte. Seine Augen wurden vielleicht noch größer, vielleicht kam es ihr auch nur so vor, weil der Drache ihrem Gesicht noch näher kam. Schließlich ließ er ein lautes Heulen hören, das sie nur mit viel Phantasie entziffern konnte. Es klang seltsamerweise nach: „Rarity!“
 

Es war nicht eine finstere Wolke am Himmel, als sie mit Hut auf dem Kopf und Spike auf dem Rücken in Richtung Ponyville preschte. Und auch die Apfelbäume trugen keine überreifen Früchte, sondern wunderschöne Blüten – für die sie keinen Blick hatte.

Mit staubend aufwirbelnden Hufen kam sie schließlich vor Raritys Haus zum Stehen. Sogar von draußen konnte sie den Lärm hören. Stimmen schrien durcheinander und über allem tönte ein lautes Jaulen. Das und ein ebenso lautes Giggeln.

„Ist das Pinky Pie?“

Irgendwas war an dem Apfel doch faul. Sie warf Spike einen skeptischen Blick zu, doch der sprang nur von ihrem Rücken.

„Worauf wartest du? Du musst ihr helfen!“, rief er noch, dann war er bereits im Gebäude verschwunden. Ein besonders lautes Jaulen folgte seinem Verschwinden.

„Na schön. Ich werde das noch bereuen.“

Und bereuen tat sie es bereits einen Augenblick später.

Die gute Nachricht war: Sie hatte Rarity gefunden.

Die schlechte Nachricht war: Ihr war anscheinend nicht mehr zu helfen. Niemandem konnte noch geholfen werden, wenn Pinky Pie erst Hufe angelegt hatte und genau das hatte Pinky Pie ganz eindeutig getan. Überall standen Muffins und Cupcakes. Dazu noch Eis, Gebäck und sogar Apfelkuchen. Und natürlich Pinky Pie und Rarity mitten drin. Das hieß – Pinky nicht mitten drin, sondern überall. Einen Moment lang stand sie noch vor dem Schminkspiegel, dann hüpfte sie bereits auf dem Präsentierpodest herum und noch einen Augenblick später nur Zentimeter an Applejacks Nase vorbei.

„Los, einen schaffst du noch!“

Während Pinky Pie augenscheinlich in ihrem Element war, war Rarity definitiv nicht in ihrem. Sie lag auf dem Rücken, das Gesicht von ihnen abgewandt und die Hufe auf dem übervollen Bauch. Das Jaulen, das sie schon vor dem Haus gehört hatte, kam eindeutig von ihr.

„Ich will nicht mehr!“, jammerte sie.

„Aber es hilft. Nur noch einen Rarity! Hier!“

Ein pinker Schemen hüpfte durch den Raum, ein Muffin flog, doch Rarity fing ihn nicht. Stattdessen klatschte er in ihr Gesicht. Rarity schrie auf.

„Nein! Ich will nicht! Es ist nicht fair!“

Jetzt klang sie, als würde sie heulen. Sehen konnte Applejack das allerdings nicht. Sie sah nur einen sehr zermatschten Muffin und eine Rarity, die sie wimmernd auf den Bauch drehte. Erst jetzt bemerkte Applejack, dass Rarity und Pinky nicht die einzigen Ponys im Raum waren. Fluttershy drängte sich und einen Eimer glitschiger Kröten in einen Spalt zwischen zwei mit Muffins gepflasterten Tischen, und Twilight Sparkle kauerte mit Spike unweit der Tür in einer Nische. Kurz huschte ihr Blick zwischen den beiden Ponys hinterher, dann entschied sie sich, die Stimme der Vernunft zu fragen. Die Stimme der Vernunft war in diesem Fall das Pony ohne Kröten. Entschlossen machte sie ein paar Schritte in den Raum.

„Twilight? Was bei Granny Smiths Apfelkuchen ist hier los?“

Twilight zuckte zusammen, als hätte sie sie erst jetzt bemerkt.

„Oh, Applejack! Es ist gut, dass du da bist! Weißt du –“

„Ich bin hässlich!

Dieses Mal zuckte Applejack mit Twilight Sparkle zusammen. Ein Blick in den Raum verkündete ihr nichts Gutes. Rarity hatte ihren Spiegel – kriechend – erreicht. Jetzt wischte sie sich den Muffin aus dem Gesicht. Und heulte.

Applejacks Blick glitt zurück zu ihrer Freundin neben ihr.

„Was ist mit ihr?“

„Sie hat-“

„Und? Und? Und? Ist er weg? Ist er weg? Isterwegisterwegisterweg?“

„Ist wer weg?“

„Der-“

„Nein! Ich bin verunstaltet! Entstellt! Abstoßend!

„Oh nein! Sie ist verunstaltet!“

„Ich bin entstellt!“

„Sie ist entstellt!“

„Ich bin abstoßend!

Sie ist abstoßend!“

Egal, ob es nun die Schuld von Rarity, von Pinky Pie oder von beiden war – jetzt klingelten Applejack bereits zum zweiten Mal an diesem Morgen die Ohren. Sie entschied, dass das zwei Mal zu viel war. Einen Moment lang betastete sie eins ihrer Ohren, nur um festzustellen, dass das Klingeln diesmal hartnäckiger war.

„Okay, das reicht!“

Schnaubend schob sie sich den Hut zurecht und marschierte nun ihrerseits zum Spiegel.

„Okay, Rarity. Was ist los? Es ist nur ein Muffin!“

Einen Augenblick später hatte sie zwei drängende Hufe auf den Schultern. So hatte sie sich das eigentlich nicht vorgestellt.

„Nein ist es nicht! Siehst du das? Und das? Und das?

Ein Huf verschwand von ihrer Schulter, allerdings nur, damit Rarity mit selbigem auf die großen, roten Beulen zeigen konnte, die unter den Muffinkrümeln leuchteten. Applejack spürte ihr Augenlid zucken.

„Pickel?“

„Ja!“

Applejack seufzte und warf Pinky Pie und Twilight Sparkle einen finsteren Blick zu. Oh und Spike. Ganz besonders Spike. Dieser rutschte augenblicklich noch ein wenig weiter hinter Twilights Schweif.

„Ihr macht diesen Aufstand wegen ein paar Pickeln?“

Noch während sie die Frage stellte, wusste sie, dass es die falsche Frage war. Plötzlich war ihr Rarity näher, als ihr lieb war. Sie konnte sogar die hellen Flecken in den blauen Iriden des anderen Ponys zählen, was eindeutig viel zu nah war.

„Es sind nicht nur ein paar Pickel!“, fauchte sie und die Pickel auf ihrer Nase bebten mit ihrer Stimme. „Es sind acht. Acht Pickel! Ich bin entstellt!

Als hätte sie sich nie unterbrochen, wandte Rarity sich ab und begann erneut zu weinen. Applejack schnaufte. Es waren also acht Pickel. Sie kannte wirklich niemanden, der wegen acht Pickeln einen Aufstand machen würde. Nicht einmal Apple Bloom und die beschwerte sich in letzter Zeit über alles. (Und vor allem über ihr ausbleibendes Cutiemark.) Manchmal ging Rarity ihr ganz schön auf die Nerven.

Aber gut. Die acht Pickel waren hier nicht das einzige Problem. Die anderen Probleme türmten sich auf den Tischen auf, an denen normalerweise Raritys Stoff und die Nähutensilien lagen.

„Okay, nun da wir das geklärt haben – was machen die Muffins hier?“

Diese Frage war nicht Raritys Stichwort – sondern Pinky Pies. Erneut fand sich Applejack Auge in Auge mit einem Pony wieder.

„Du willst wissen, was die Muffins hier machen? Und die Cupcakes?“

„Ich will wissen, was die Muffins hier machen, ja. Und die Cupcakes.“

„Und der Apfelkuchen?“

„Und der Apfelkuchen.“

„Und die Sahneschnitten?“

„Und die- Pinky Pie! Sag mir einfach, was die ganzen Süßigkeiten hier machen!“

Pinky Pie sackte in sich zusammen, aber nur ein bisschen, nicht genug, um ernsthaft geknickt zu sein. Die Geste dauerte auch nur einen Moment, dann besann sie sich und richtete ihren Blick erneut auf Applejack. Dieses Mal ungläubig.

„Weißt du das nicht? Sie helfen!“

„Sie helfen?“, fragte Applejack ungläubig zurück „Gegen die Pickel?“

„Natürlich! Hier Rarity, versuch noch einen Cupcake!“

Rarity drehte sich zu dem ihr angebotenen Gebäck um. Ganz langsam. Mittlerweile war sie grün im Gesicht.

„Ich glaube nicht, dass- urgh!“

Sie schlug sich beide Vorderhufe vors Gesicht. Applejack reagierte instinktiv. Sie griff nach dem Mülleimer, der sonst nur Schminktücher auffangen musste und hielt ihn Rarity hin.

„Hier, nimm den!“

Ausnahmsweise zögerte Rarity nicht. Sie griff nach dem Eimer und … Applejack sah nicht hin.

Stattdessen galt ihr Blick Pinky Pie, die kaum, dass sie den Blick bemerkte, grinste. Hastig griff sie nach einem weiteren Cupcake und hielt ihn dieses Mal nicht Rarity sondern ihr hin.

„Willst du auch einen?“

Applejack beäugte erst Pinky Pie, dann den Cupcake und dann wieder Pinky Pie. Die Süßigkeit schließlich vollkommen ignorierend, legte sie ihrer pinken Freundin einen Huf um die Schultern.

„Pinky? Was hältst du davon, wenn du hier aufräumst? Ich glaube nicht, dass Rarity mehr Muffins essen möchte.“

„Aber was ist mit den-“

„Wir kümmern uns darum. Also wie wäre es, wenn du diese Muffins nimmst und woanders eine Party veranstaltet. Du könntest bei den Cutiemark Crusaders vorbeischauen, die freuen sich bestimmt und vielleicht haben sie ja was zu feiern. Ich wette, du findest einen Grund zu feiern. Hier, nimm den Teller mit und den hier auch.“
 

Ein paar Minuten später wankte Pinky Pie, beladen mit Geschirr und Gebäck in Richtung Clubhaus davon. Applejack sah ihr nur kurz nach, dann schloss sie die Tür und hielt auf Twilight Sparkle zu.

„Gut. Jetzt wo das geklärt ist – wo ist Rainbow Dash?“

Twilight holte tief Luft, doch das, was folgte, war keine ausufernde Erklärung.

„Sie schmollt.“

„Rainbow Dash schmollt? Warum … oh, sag nichts. Sie hat versucht, ihr zu helfen, oder?“

„Geschwindigkeitstherapie.“

„Geschwindigkeitstherapie? Nein, ich frage nicht, was das sein soll.“

„Sie hat das während der Flugschule gemacht.“

Applejack nickte. Sie wusste nicht, was eine Geschwindkeitstherapie war oder wie sie aussah, aber sie hatte ein gewisses Bild vor Augen. Rarity auf Rainbows Rücken, wie sie durch die Lüfte flogen. Schnell. Außerdem ruinierte es ihre Frisur.

„Das heißt“, fasste sie schließlich das ganze Dilemma zusammen, „Rarity hat acht Pickel und ihr habt bereits versucht, sie mit Geschwindigkeit und mit Muffins zu kurieren. Was habt ihr als nächstes vor?“

„Also, ähm …“

Twilights Blick glitt weiter zu Fluttershy, die mittlerweile auf Rarity und ihren Spiegel zuschritt, in tapferen Minischritten. In ihren Hufen hielt sie immer noch den Eimer voller Kröten. Moment, sie hatte doch wohl nicht-

„Das ist nicht ihr ernst.“

Doch, das war es.

„Rarity? Ähm Rarity?“

„Geh! Sieh mich nicht an! Ich bin hässlich!“

„Aber – Rarity. Ich … Ich … Ich habe ein Mittel gegen die Pickel. Ich, ähm, vielleicht …“

Raritys Kopf ruckte herum. Hoffnung strahlte in ihren Augen, als sie ihre Hufe auf Fluttershys legte.

„Du hast ein-“

Ganz langsam blickte Rarity tiefer. Applejack wusste, dass sie schreien würde, noch bevor sie es tat. Es war ein lauter und langezogener Ton, der in den Ohren wehtat. Sie schlug sich einen Huf vor die Stirn. Dann polterte es, als Rarity ihren Schminkstuhl umwarf, Parfümfläschchen vom Tisch rollten und Puder sich überall hin verpuderte. Für den Moment interessierte Rarity das nicht. Sie kauerte hinter ihrem Schminktisch und sah nicht so aus, als könnten ein Dutzend Ponys sie dort hervorziehen.

„Nimmsiewegnimmsiewegnimmsieweg!“

Fluttershy indes sackte in sich zusammen.

„Rarity- Ich … ich dachte … Ich, weiß, dass du keine Kröten magst … aber sie helfen …“

„D-Die D-Dinger s-sollen h-h-helfen?“
 

Ein paar Minuten später lag Rarity erneut auf dem Boden. Dieses Mal konnte Applejack ihr Gesicht sehen und was sie sah, hätte sie zu einem anderen Zeitpunkt zweifellos köstlich amüsiert. Um ehrlich zu sein: Es amüsierte sie auch jetzt, aber sie verkniff sich das Lachen.

Rarity hatte ihre Augen fest zusammengekniffen und Fluttershy stand über ihr. Vorsichtig hielt sie eine der Kröten über Raritys Gesicht.

„Keine Angst“, flüsterte Fluttershy, doch Applejack konnte nicht ausmachen, mit wem sie sprach – mit Rarity oder mit der Kröte. Die Kröte jedenfalls sah nicht so aus, als würde sie Zuspruch wollen. Höchstens einen Tümpel. „Es ist gleich vorbei.“

Ein Krötenfuß berührte Raritys Stirn. Für einen Augenblick geschah nichts. Dann schreckte Rarity kreischend hoch. Auf dem Weg nach oben klatschte ihre Stirn gegen den Rest der Kröte. Fluttershy schrie ebenfalls und warf, was sie in Hufen hielt.

Wie in Zeitlupe sah Applejack die Kröte immer höher in die Luft steigen, bis – klatsch! – sie die Decke traf. Kurz sah es so aus, als würde sie dort kleben bleiben, doch dann löste sich erst ein Bein und dann der Rest. Erneut wie in Zeitlupe sah sie die Kröte fallen.

„Hiya!“

Applejack sprang, streckte die Hufe vor und klatschte der Nase lang auf Raritys gut polierten Fußboden. Ein weiteres Klatschen kündete davon, dass die Kröte in ihren Hufen gelandet war.

„Keine Sorge, Mädels, ich hab sie! Äh – Mädels?“

Niemand hörte ihr zu. Rarity klebte am Spiegel, Fluttershy jagte den übrigen Kröten hinterher, deren Eimer bei der letzten Aktion umgekippt sein musste und Twilight Sparkle stand leicht überfordert im Raum, den Blick auf Raritys Schultern geheftet.

„Ja, uns geht es gut, danke der Nachfrage“, verkündete Applejack, wurde allerdings weiter ignoriert. Schnaufend rappelte sie sich auf, die Kröte weiterhin mit einem Huf haltend. Twilight Sparkle sah nicht einmal zu ihr, von den anderen ganz zu schweigen.

„Und? Sind sie weg? … Rarity?“

Rarity schwieg einen langen Moment.

„A“, sagte sie.

„A?“, echote Applejack? „Was heißt ‚A‘?“

„A-A-A-A-A-Ausschlag!“

Augenblicklich verbarg sie das Gesicht in den Hufen, doch Applejack erhaschte noch einen Blick auf ihr Spiegelbild. Und über das zogen sich tatsächlich nicht mehr nur die Pickel. Dort, wo sie die Kröte berührt hatte, hatten sich rote Flecken gebildet – viele rote Flecken.

„Es ist noch schlimmer als vorher! Ich bin ein Monster!“, heulte Rarity.

Das rief Twilight Sparkle auf den Plan. Dieses Mal war sie es, die vorsichtig näher trat.

„Rarity?“

„Sieh mich nicht an!“

Twilight machte noch einen Schritt näher.

„Vielleicht kann ich dir helfen, Rarity.“

Rarity gab kein Zeichen von sich, dass sie Twilight gehört hätte. Sie heulte weiter Sturzbäche.

„Mit Magie. Ich, ich kenne da einen Zauber.“

Ganz langsam drehte Rarity sich dem anderen Pony zu. Erneut keimte Hoffnung in ihr auf.

„E-Einen Zauber?“, echote sie leise.

„Ja. Wenn du möchtest, kann ich es versuchen.“

„Ja! Ja! Erlöse mich! Twilight Sparkle! Ich kann so nicht durch Ponyville laufen! Hilf mir! Es ist so furchtbar!“

Twilight Sparkle nickte. Es war eins dieser enthusiastischen Nicken, bei denen man sich nie ganz sicher sein konnte, ob ihr Zauber wirklich so gelang, wie sie ihn intendierte. Rarity schien das egal zu sein. Sie schloss erneut die Augen – glücklicherweise ohne sich noch einmal auf den Boden zu legen und alle Hufe von sich zu strecken – und wartete. Twilights Horn begann zu leuchten. Und dann – waren sie weg. Die Pickel, der Ausschlag – alles weg.

Das bemerkte auch Rarity, als sie die Augen wieder öffnete.

„Sie sind weg! Oh, danke Twilight Sparkle! Ich bin dir auf ewigen Dank verpflichtet!“

Noch im selben Moment fiel Rarity ihrer Freundin um den Hals. Einen Moment lang tanzten beide jauchzend vor dem Spiegel.

Applejack atmete indes unwillkürlich auf. Vielleicht konnte es doch noch ein ruhiger Tag werden. Sie konnte auf die Farm zurückkehren und nachschauen, ob mittlerweile wirklich alle Apfelbäume blühten. Oder-

„Ah! Was war das?“

Der Tanz der beiden Ponys stoppte. Schneller als sie gucken konnte, stand Rarity erneut vorm Spiegel. Dieses Mal hatte Applejack an ihren Schultern und ihrer Mähne vorbei einen guten Blick auf Raritys weißes, makelloses Ponygesicht.

„Da war nichts!“, rief Applejack, langsam aber sicher frustriert. „Beruhig dich endlich, sie sind weg!“

„Nein! Da war was! Da! Da!“

Im Spiegel sah sie, wie Rarity an ihrem Gesicht herumdrückte.

„Du siehst Gespenster, Sugarcube.“

„Nein! Da war-!“

Plopp!

Ein Pickel erschien auf Raritys Stirn.

Plopp!

Ein weiterer folgte auf der Nase.

Plopp! Plopp! Plopp!

„Nein! Ich bin entstellt!

Es polterte. Twilight Sparkle schrie auf, als Rarity an ihr vorbei stürzte. Kröten flogen durch die Luft. Dann knallte die Schranktür hinter Rarity zu. Applejack seufzte nur. Einen Augenblick lang sah sie Twilight und Fluttershy dabei zu, wie sie beide versuchten, die Schranktür zu öffnen, während nur dumpfe Proteste durch die Tür drangen. Dann schnaubte sie.

„Okay, jetzt reicht‘s.“

Entschieden packte sie sich die Kröte auf den Rücken, ging zur nächsten und tat mit ihr dasselbe, bis ein Haufen glibbriger Kröten auf ihrem Rücken herumquakte. Neben Fluttershys Eimer blieb sie stehen und stellte ihn wieder auf, nur um die Kröten dann, mit einem entschlossenen Sprung in die Luft und anschließend in den Eimer zu befördern, als seien es ein paar Äpfel. Ihr nächster Weg führte sie zum Schrank, aus dem noch immer „Seht mich nicht an!“s und „Ich bin entstellt!“s drangen, während Twilight Sparkle und Fluttershy an den Türen zogen.

„Mädels?“, fragte sie, nachdem sie sich das ganze einen Moment lang angesehen habe. Keine Reaktion.

„Mädels!“

Fluttershy verlor den Griff an der Schranktürklinge und kullerte an ihr vorbei über den Boden.

„Hiya!“

Sie bäumte sich auf und donnerte die Hufe auf den Boden.

„Mädels!“

Endlich blickten beide Ponys zu ihr. Sie atmete tief durch.

„Wie wäre es, wenn ihr einmal nachschaut, ob Pinky Pie die Fete mittlerweile in Gang gebracht hat?“

Twilight sah nicht sehr überzeugt aus.

„Aber was ist –“

Die Frage hatte sie erwartet. Ihre Antwort würde sie vermutlich in die Bredouille bringen, aber sie gab sie trotzdem.

„Ich mach das schon. Wirklich. Ihr habt es versucht und dein Versuch war wirklich gut, Twilight, nur … ich denke, der Fall schreit nach der Applejack-Methode.“
 

Diverse Minuten und viel Überzeugungsarbeit später sah Applejack zum zweiten Mal an diesem Tag jemandem hinterher, nur um dann eilig eine Tür zu schließen.

Ein Problem – genauer drei Probleme – erledigt, blieben noch … acht. Sie seufzte, marschierte dann aber dennoch zu dem Schrank zurückkehren.

„Rarity?“

„Geh weg!“

„Komm da raus.“

„Nein!“

Natürlich nein. Dass dieses verdammte Pony aber auch so verdammt störrisch sein konnte.

„Doch.“

„Nein!“

„Doch!“

„Nein!“

„Rarity? Ich habe hier zwei tolle Hinterbeine, mit denen ich Äpfel von Bäumen treten kann. Möchtest du, dass ich sie an deinem Schrank ausprobiere?“

Schweigen. Schließlich öffnete sich die Schranktür, nur einen Zentimeter breit.

„Sind sie weg?“

„Ja. Komm da raus.“

„Aber-“

„Ich habe die Pickel schon gesehen. Du musst sie nicht mehr vor mir verstecken.“

Anscheinend war das Argument überzeugend genug. Rarity kam tatsächlich aus dem Schrank. Der Aufenthalt hatte ihr nicht gut getan. Ihre Augen waren mittlerweile rot und geschwollen, ihre Mähne völlig durcheinander.

„Was willst du?“

Applejack verdrehte die Augen.

„Dir helfen natürlich, du Dummi. Und nein, bevor du fragst, ich werde dir keine Äpfel auf die Stirn legen oder sowas.“

„Nicht?“

Sie schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Während sie weiter sprach, ging sie nun selbst zum Schrank und begann, darin zu wühlen.

„Warum glaubt eigentlich jedes Pony, alle meine Lösungen würden mit Äpfeln zu tun haben? Gut, ja eigentlich haben sie das, aber – ah hier, perfekt. Komm her.“

Während Rarity sich misstrauisch zu ihr umdrehte, schnappte sie nach dem Schal, der ihr ins Auge gestochen war und zog daran. Ja, vermutlich war dieser Schal längst völlig aus der Mode, doch Applejack war das vollkommen egal. Kaum hatte sie ihn aus seinem Regal befreit, warf sie ihn Rarity um den Hals – die augenblicklich quietschte.

„Irks! Applejack! Es ist Frühling!“

„Ichfeiß. Haltschtil“, antwortete Applejack, ohne sich beirren zu lassen. Einmal, zweimal wickelte sie den Schal um Raritys Gesicht, bis der Schal alle Pickel auf ihrer Nase verdeckte.

„Applejack, dieser Schal wird nicht dafür sorgen dass-“

Sie spuckte das Schalende aus, nur um dann mit den Hufen Raritys Pony zurechtzuzupfen. „Muss er auch nicht, Sugarcube. Muss er auch nicht.“

„Aber du hast gesagt, du würdest mir helfen!“

„Werde ich auch. Und jetzt komm mit.“

„Mit wo- oh Neinneinneinneinnein!“

Zu Raritys Pech war leider nicht nur sie ein ziemlich stures Pony – Applejack stand ihr da in nichts nach. Und so diskutierte sie nicht lange, sondern schob.
 

Der Weg war beschwerlich. Nicht unbedingt, weil sie über irgendetwas klettern mussten oder weil Applejack einen Korb mit sich herumschleppte, sondern vor allem wegen dem Staub auf dem Weg, den Ponys, die sie sehen könnten und dem Schal, der wirklich vollkommen aus der Mode war. Als sie die Apfelbäume der Farm endlich erreichten, atmete Applejack auf.

„Und, was sagst du?“

„Ist das schön! Die Bäume stehen ja alle in voller Blüte!“

„Yep.“

„Aber … Applejack? Was hat das mit meinen Pickeln zu tun?“

„Komm, ich zeig‘s dir.“

Applejack sah kurz nach links, dann nach rechts, nur um schließlich mitten zwischen die Apfelbäume zu laufen. Rarity folgte ihr. Vorsichtig.

Unter einem der Bäume blieb sie schließlich stehen und stellte den Korb ab. Noch bevor Rarity sie erreicht hatte, hatte sie die Picknickdecke ausgebreitet und sich daraufgelegt. Rarity blieb vor der Decke stehen und musterte sie sie mitsamt der Decke.

„Und-?“

„Und? Setz dich. Und nimm diesen Schal ab, der sieht albern aus.“

„Was? Aber was ist mit- Ich bin entstellt!“

Sie seufzte schwer.

„Nein, bist du nicht. Du hast nur Pickel, Rarity. Die verschwinden von selbst wieder. Und bis dahin picknicken wir einfach.“

Für einen Moment blieb Rarity tatsächlich die Luft weg. Es war nur ein kurzer.

„Aber du hast gesagt, du hilfst mir mit ihnen!“

„Und das tue ich auch. Sieh dich doch mal um. Hier sieht dich keiner. Du siehst dich nicht einmal selbst. Als vergiss die Pickel einfach für eine Weile.“

„Aber du siehst mich!“

Applejack seufzte erneut. „Ja. Ich sehe dich. Aber weißt du was? Deine Pickel sind mir egal. Du bist immer noch die gleiche Rarity, ob mit Pickeln oder ohne. Und darauf kommt es doch an, oder?“

Rarity schwieg für einen langen Augenblick. Sie ließ den Blick nach oben gleichen, zu den Apfelblüten und dem klaren, blauen Himmel. Schließlich ließ sie sich sehr elegant auf der Decke nieder.

„Ja. Ja, du hast ja recht.“
 


 

Liebe Prinzessin Celestia,
 

manchmal verursachen die kleinsten Dinge die größten Sorgen. Heute habe ich gelernt, dass man sich nicht durch jedes kleine Problem aus der Ruhe bringen lassen sollte. Manchmal findet man dafür eine ganz einfache Lösung, wenn man nur auf seine Freunde hört.
 

Rarity
 

PS: Twilight Sparkle lässt Euch schöne Grüße ausrichten. Sie hat heute gelernt, dass man vielleicht nicht alle Muffins essen sollte, die einem eine Freundin anbietet.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  _Delacroix_
2013-04-09T22:42:52+00:00 10.04.2013 00:42
Das ich das noch erleben darf! Nix schreibt Ponys und ich bin Schuld daran. XD
Das gefällt mir, auch wenn ich jetzt schon mit Grauen daran denke, was ich dir im August als Gegenleistung schreiben darf, wenn ich mich mit der Revanche verschätzt habe.
Oh je, oh je, oh je....

Aber erstmal zu den Ponys: 
Ich fand sie gut getroffen, besonders Pinky Pie, deren auf und ab man sich gut vorstellen konnte. 
Rarity dagegen kann einem wirklich leid tun und das Schlimme ist, hätte sie mehr Äpfel gegessen, wäre sie vielleicht nie in die Verlegenheit geraten, all diese schrecklichen, noch entstellenderen Dinge ausprobieren zu müssen. Aber man wächst ja bekanntlich an den Herausforderungen und so eine Kröte ist vermutlich eine ziemlich große (und schleimige) für sie. 
Fluttershy war niedlich. sowohl in ihrer Sorge um die Kröten (und um Rarity) als auch mit ihrem Gestotter, das sie ja auch in der Serie an den Tag legt. Auch Twilights Versuch das Ganze mit Magie zu lösen, ist eigentlich ziemlich typisch für sie. (Ebenso wie die Tatsache, dass es letztlich schiefging).

Sehr Seriennah ist auch der Brief an Celestia vom Schluss. Die Moral, wenn man so will. Ich finde es gut, dass du daran gedacht hast sie einzubauen.

Alles in allem also ein schöner One-Shot und ich freue mich drüber.^^
Von:  SnoopFroggyFrog
2013-04-09T22:33:47+00:00 10.04.2013 00:33
Oh, war das süß! :D Du hast die Charaktere klasse getroffen. Gerade Pinkie war so... well, Pinkie. Und Rarity genauso, einfach herrlich! xD
Vielleicht liegt es daran, dass ich seit einer halben Ewigkeit keine Folge mehr gesehen habe, aber deine Apllejack fand ich irgendwie ein bisschen zu vernünftig. Im Allgemeinen passt dieses Verhalten aber zu ihr, denke ich. Fluttershy, Spike und Twilight waren auch sehr gut getroffen. Ich hatte das Gefühl, eine der Folgen zu lesen, statt sie zu sehen. Das einzig Irritierende war da nur die Sprache. xD
Also Alles in Allem: Sehr gut gemacht! Du solltest ruhig noch mehr Pony-FFs schreiben. :)


Zurück