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Ein Leben wie dieses

von

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Schon wieder Ärger

Montag, 2. Oktober 2006

 

Mit versteinertem Gesicht wartete T.K. am nächsten Morgen im Foyer der Schule auf Hiroshi. Er musste ihn zur Rede stellen und ihn fragen, was es mit diesem Video auf sich hatte, wo es herkam und wer es noch hatte. Noch immer konnte er nicht glauben, was er da gesehen hatte.

Matt und die anderen liefen nach und nach an ihm vorbei, begrüßten ihn, wollten aber zum Glück nicht weiter mit ihm sprechen. Matt und Mimi sahen aus wie immer, als wären sie sich keiner Schuld bewusst. Auch Kari, Yolei und Cody liefen unbekümmert an ihm vorbei und abgesehen davon, dass Kari momentan nicht mit T.K. redete, wirkte sie normal. Davis war wie immer spät dran.

Dann erschien endlich Hiroshi und entschlossen ging T.K. auf ihn zu.

„Wo hast du das Video her?“, raunzte er, ohne eine Begrüßung von sich zu geben.

Hiroshi sah ihn verwirrt an. „Das, was ich dir gestern geschickt habe? Von Mitsuhiko, aber ich glaube, das geht durch die ganze Schule.“

Stöhnend fuhr sich T.K. durch die Haare. Das durfte doch nicht wahr sein.

„Es ist also wirklich dein Bruder, ja?“, fragte Hiroshi, als sie sich gemeinsam auf den Weg in den Klassenraum machten.

„Mhm“, brummte T.K.

„Mit der Amerikanerin. Aber ihr Gesicht hat man ja kurz gesehen“, meinte Hiroshi und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. T.K. hatte das Video nicht komplett gesehen. Die ersten Sekunden hatten ihm gereicht. Er wollte gar nicht wissen, wie es ausging.

Im Klassenraum ging T.K. zu seinem Platz neben Kari, die gerade mit dem Mädchen hinter sich geredet hatte und ihm nun einen heimlichen Blick zuwarf. Er stellte seine Schultasche unsanft auf dem Tisch ab und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Er konnte nicht glauben, was hier passierte. Und wieder einmal war Matt der Mittelpunkt des Geschehens.

 

_

 

Sora hatte keine Ahnung, wie sie sich Tai gegenüber verhalten sollte. Auf einmal erschien ihr die Welt um sie herum nur noch grau und leer. Sie hatte mit Tai nicht nur ihren festen Freund verloren, sondern auch ihren besten Freund und sie hatte keine Ahnung, ob nach allem, was sie getan hatte, eine Freundschaft überhaupt noch möglich war. Er war einfach immer da gewesen, sie hatte immer mit ihm reden können, er hätte stets alles in Bewegung gesetzt, um ihr zu helfen, wo er nur konnte. Nichts war ihm zu schwer und immer hatte er auch noch ein Lächeln dabei auf den Lippen gehabt. Aber jetzt?

Sie hatte geglaubt, sie könnte sich in ihn verlieben, da er doch der perfekte Partner zu sein schien. Sie hatte geglaubt, sie würde durch diese Beziehung über ihre Gefühle für Matt hinwegkommen. Und nun war Tai zutiefst verletzt. Sie hatte ihm das Herz gebrochen.

Als sie sich auf ihren Platz im Klassenraum setzte, war Tai noch nicht da. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum und nahm kaum wahr, dass die Schüler um sie herum alle zu tuscheln schienen. Doch dann sprach sie Sachiko, die vor ihr saß, an.

„Sag mal... weißt du, wie lange das schon mit Matt und der Amerikanerin geht?“

„Hm?“, machte Sora verwirrt und brauchte einige Sekunden, um in der Realität anzukommen. Sie war aus ihren Gedanken gerissen worden.

„Matt und die Amerikanerin. Irgendwie hat gar keiner mitgekriegt, dass da was läuft“, erklärte Sachiko mit großen Augen. „Wie heißt sie eigentlich noch mal? Mimi?“

„Ja... ja. Aber wovon redest du?“, fragte Sora irritiert.

Dem dunkelhaarigen Mädchen huschte ein Grinsen über die Lippen. „Ach, hast du das noch gar nicht gehört? Akiro, gib' mal dein Handy her.“ Sie tippte ihren Banknachbarn an, der ihr sein Handy reichte und sich ebenfalls zu Sora umdrehte.

„Kennst du das Video etwa noch nicht?“

Völlig perplex beobachtete Sora Sachiko dabei, wie sie auf dem Handy herum tippte und schüttelte wie in Zeitlupe den Kopf. Ein Video von Matt und Mimi? Was war hier los? Wieso wusste jeder davon, nur sie nicht?

Sachiko fand, wonach sie gesucht hatte, und hielt Sora das Handy vor die Nase. Vor Schock riss diese die Augen auf.

Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Zu sehen waren eindeutig Matt und Mimi beim Sex auf dem Schulklo. Trotz der schlechten Qualität gab es keinen Zweifel daran, dass es sich um die beiden handelte. Der Junge hatte blonde Haare und das Mädchen legte den Kopf lustvoll in den Nacken und präsentierte somit ihr Gesicht der Kamera. Ihre Augen waren geschlossen, weshalb sie das Handy, das sie anscheinend aus der Nachbarkabine filmte, nicht bemerkte.

Entsetzt starrte Sora die beiden Hauptdarsteller an, beobachtete, wie er immer wieder in sie stieß, die Lippen an ihrem Hals, wie sie aufstöhnte, woraufhin er ihr eine Hand auf den Mund presste, wie ihre schlanken Beine um seine Hüften geschlungen waren, wie sie gegen die Kabinentür gepresst wurde, …

Sora drehte sich beim Anblick dieses Videos der Magen um.

 

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Izzy beobachtete, wie Mimi mit sorglosem Gesicht in den Klassenraum geschlendert kam, als wäre alles beim Alten. Als wäre alles ganz normal.

„Guten Morgen“, begrüßte sie ihn gähnend, als sie an ihrem Platz neben ihm ankam und sich hinsetzte.

„Morgen“, erwiderte er ihren Gruß, hörte jedoch nicht damit auf, sie anzusehen.

„Ist irgendwas?“, fragte sie verwirrt. Als sie den Kopf hob, schienen ihr die verstohlenen Blicke einiger anderer Klassenkameraden aufzufallen. „Was ist denn los?“

Izzy öffnete gerade den Mund, als jemand anderes zu sprechen anfing.

„Hey Tachikawa“, rief Katsuro hinter ihnen und Mimi und Izzy drehten sich genervt um. „Ich wusste gar nicht, dass du so 'ne Schlampe bist.“

Völlig baff aufgrund dieser ungeheuren Anschuldigung hob Mimi eine Augenbraue, während Izzy ihre Reaktion angespannt beobachtete. „Bitte?!“

„Naja mit Ishida auf dem Schulklo vögeln und sich dabei filmen lassen zeugt nicht gerade von Unschuld, oder?“, erwiderte Katsuro grinsend.

Mimi entgleisten die Gesichtszüge. Geschockt riss sie die Augen auf und wurde augenblicklich blass. „F-filmen?“

So ähnlich hatte auch Izzy reagiert, als er vor einigen Minuten das betreffende Video zum ersten Mal gesehen hatte. Wahrscheinlich wusste mittlerweile die ganze Schule Bescheid, was zwischen Matt und Mimi auf dem Schulklo passiert war. Izzy hatte es einfach nicht glauben können. Und er wusste genau, wann das Video entstanden war. Nicht im Traum hätte er daran gedacht, dass sie ihren Klogang mitten im Unterricht dazu genutzt hatte, um es mit Matt zu treiben.

Hilfesuchend sah sie zu Izzy, der ihren Blick beklommen erwiderte. Er wusste nicht, was er von ihr halten sollte.

„Ach, hast du das etwa nicht mitgekriegt? Naja, warst ja anderweitig beschäftigt“, meinte Katsuro schulterzuckend und hielt Mimi sein Handy entgegen. „Da. Du scheinst ja ganz schön abzugehen.“

Mit geweiteten Augen starrte Mimi das Handy an, während das Video abgespielt wurde. Sie schlug sich eine Hand vor den Mund und schüttelte langsam den Kopf.

„Woher hast du das?“, fragte sie und sah Katsuro wütend an.

„Hat mir irgendwer geschickt. Keine Ahnung, woher das kommt, jeder hat es“, antwortete er schulterzuckend.

„Jeder hat es?“ Mimis Stimme war schrill.

Katsuro grinste selbstgefällig. „Naja anscheinend jeder bis auf dich und den Nerd.“

Izzy runzelte die Stirn und wieder warf Mimi ihm einen hilfesuchenden Blick zu.

„Oh Gott, Izzy, ich... das ist alles...“

„Mimi Tachikawa?“

Sie zuckte zusammen und wandte sich, wie alle anderen Schüler auch, zur Tür, wo Herr Watabe stand und mit den Augen den Raum nach Mimi absuchte. Verschreckt wie ein Rehkitz erhob sie sich langsam, die Blicke aller Klassenkameraden auf sich gerichtet.

 

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Angespannt kaute Matt auf seiner Unterlippe herum, als Mimi mit hängendem Kopf aus ihrem Klassenraum getrottet kam und Herr Watabe die Tür hinter ihr schloss. Sie warf Matt einen kurzen Blick zu, als sie ihn bemerkte, dann folgten sie dem Schulleiter schweigend in sein Büro. Dort angekommen bedeutete er ihnen, sich auf die Stühle vor dem Schreibtisch zu setzen, während er selbst sich hinter den Schreibtisch setzte, die Ellbogen auf der Tischplatte abstützte und die beiden musterte.

„Ich schätze, ihr könnt euch denken, warum ihr hier seid?“, begann er das Gespräch und sein Blick huschte zwischen Matt und Mimi hin und her.

Matt zeigte keine Reaktion, während Mimi mit gesenktem Blick nickte.

„Schön. Dann möchte ich gern einmal von euch hören, was ihr zu dem Video sagt, das hier kursiert“, forderte er sie auf.

Matt lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Tja, ich hatte keine Ahnung, dass so ein Video existiert.“

„Ich auch nicht“, nuschelte Mimi, ohne den Kopf zu heben.

„Ihr streitet also nicht ab, dass es sich um euch beide beim Geschlechtsverkehr auf der Schultoilette handelt?“

Matt sah Mimi an, die knallrot anlief und nichts erwiderte. Er wandte sich an Herrn Watabe.

„Ich schätze, es hat keinen Sinn, irgendwas abzustreiten“, sagte er trocken.

„Ihr seid leider einigermaßen gut erkennbar“, bestätigte der Schulleiter Matts Vermutung.

Mimi rieb sich die Stirn, als hätte sie Kopfschmerzen.

„Die Schule ist ein öffentlicher Ort. Ihr wurdet belehrt, dass Geschlechtsverkehr überall auf dem Schulgelände untersagt ist. Auf dieser Schule gibt es ausschließlich minderjährige Schüler, euch eingeschlossen, die es vor solcherlei Dinge zu schützen gilt. Mit eurer Aktion habt ihr deren Schutz gefährdet.“

Abwartend musterte er Matt und Mimi, doch Mimi starrte immer noch auf ihren Schoß und Matt erwiderte Herrn Watabes Blick ausdruckslos.

„Außerdem habt ihr den Unterricht geschwänzt, um anderen Aktivitäten nachzugehen“, fügte er schließlich hinzu. „Eure Eltern werden einen Brief erhalten. Ich werde sie zu einem Gespräch in die Schule einladen, bei dem ich sie über euer Fehlverhalten und die Konsequenzen aufklären werde.“

Nun riss Mimi den Kopf nach oben.

„Nein!“, rief sie entsetzt. „Bitte sagen Sie das nicht meinen Eltern!“

Überrascht hob Herr Watabe die Augenbrauen. „Das hättest du dir vorher überlegen müssen, Mimi. Auch du wurdest über die Regeln dieser Schule in Kenntnis gesetzt und hast sie absichtlich gebrochen.“

„Aber wenn meine Eltern... wenn sie das herausfinden...“ Sie führte den Daumen zum Mund und kaute auf ihrem Fingernagel herum.

„Es ist als Schulleiter meine Pflicht, eure Eltern über euer Fehlverhalten zu unterrichten“, antwortete Herr Watabe und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Und jetzt möchte ich euch bitten, in eure Klassen zurückzukehren.“

Stocksteif erhob Mimi sich von ihrem Stuhl und machte sich auf den Weg zur Tür, während Matt sitzen blieb und den Direktor über den Tisch hinweg ansah. Fragend erwiderte dieser seinen Blick.

„Ich habe noch eine Frage. Was ist eigentlich mit demjenigen, der das Video gemacht und es an die ganze Schule verschickt hat? Ist es etwa rechtens, Schülern auf die Toilette zu folgen, sie dort zu filmen und diese Videos zu verbreiten?“, fragte er. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie Mimi stehen blieb und sich umdrehte.

Überrascht hob Herr Watabe eine Augenbraue und schien einen Augenblick über seine Antwort nachzudenken. „Natürlich ist es das nicht und sobald ich herausfinde, wer der- oder diejenige ist, werden auch dafür Konsequenzen folgen.“

 

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Langsam verließ Tai den Klassenraum, ohne auf Sora zu warten. Bisher hatten sie kein Wort miteinander gewechselt und es fiel ihm wirklich schwer, überhaupt neben ihr zu sitzen im Unterricht. Er hätte nicht gedacht, dass einen Schlussstrich zu ziehen alles so sehr verändern würde. Und dann kamen zusätzlich noch die Geschehnisse des heutigen Tages hinzu.

Matt und Mimi waren das Gesprächsthema der Schule. Natürlich hatte auch Tai mittlerweile das Video gesehen und war mehr als überrascht gewesen. Er fühlte sich verarscht. Verarscht von Mimi, die ihm SMS schrieb, in denen sie ihm erklärte, wie gern sie ihn hatte, sich dann aber wiederum von Matt vögeln ließ. Anders konnte man es nicht beschreiben, was die beiden da auf dem Schulklo getrieben hatten. Nach miteinander schlafen oder gar Liebe machen hatte das ganz und gar nicht ausgesehen. Was sollte das? Was genau war Mimis Ziel?

Und was sollte er von Matt halten? Angeblich in Sora verliebt und dann etwas mit Mimi anfangen?

Die Hände in den Hosentaschen vergraben und auf der Unterlippe herumkauend schlenderte Tai auf den Schulhof. Er erblickte Matt, der von ein paar Jungs umgeben in der Nähe eines Baumes stand. Kurz überlegte Tai, doch dann ging er zu ihm. Als Matt ihn entdeckte, ließ er die Jungsgruppe hinter sich und kam ihm entgegen. Keiner von beiden formulierte eine Begrüßung.

Tai musterte ihn. Er hatte seinen typischen gleichgültigen Blick aufgesetzt, als ginge ihm das ganze Geschehen um seine Person sonstwo vorbei. Und wahrscheinlich war dies auch der Fall.

„Du und Mimi also?“, fragte Tai schließlich betont lässig.

Matt zuckte mit den Schultern. „Nichts Ernstes.“

Dass Matt das so sah, hatte Tai sich schon gedacht. Aber wie sah Mimi das wohl? War es für sie auch „nichts Ernstes“ oder steckte da doch etwas dahinter?

„Nichts Ernstes auf dem Schulklo also“, meinte Tai nickend und hob eine Augenbraue.

Matt schnitt eine Grimasse. „Ja, war vielleicht nicht so die beste Idee.“

„Aber... warum? Also ich meine, warum Mimi? Ich dachte, du liebst Sora“, fragte Tai schließlich.

„Was erwartest du? Dass ich für den Rest meines Lebens keusch bleibe, weil ich Sora nicht haben kann?“, erwiderte Matt stirnrunzelnd.

„Nein, aber...“

„Mimi ist einfach nur eine Lückenbüßerin. Nichts weiter.“

Tai verzog das Gesicht. „Eine... Lückenbüßerin?“

„Ja. Na und? Ich bin das Gleiche für sie, also alles okay. Keine Gefühle, nur Ablenkung“, erklärte Matt gleichgültig.

Wenig überzeugt nickte Tai. Er konnte diese Denkweise nicht verstehen. Niemals würde er mit einem Mädchen etwas anfangen können, in das er nicht verliebt war, nur um seine Gelüste zu stillen. Auch nicht, wenn das Mädchen es genauso sah. Das lag schlichtweg jenseits seiner Vorstellungskraft.

„Und wie geht’s dir?“, fragte Matt nun ruhiger. „Hast du... irgendwie mit Sora geredet oder so?“

„Nein“, antwortete Tai kopfschüttelnd. „Fühlt sich echt komisch an. Aber ich glaube, sie ist ziemlich geschockt wegen des Videos. War ganz schön blass den ganzen Morgen über. Also noch mehr als sonst, meine ich.“

Matt erwiderte nichts, sondern presste nur die Lippen aufeinander.

 

_

 

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch betrat Mimi nach der Schule Nami's Café. Sie musste unbedingt mit Sora reden und sie wusste, dass sie heute wieder arbeiten würde. Den ganzen Tag über war sie damit beschäftigt gewesen, sich hinter Izzys Rücken vor Tai und auch allen anderen zu verstecken und zu versuchen, mit Sora zu reden. Doch Sora hatte die Pausen mit ein paar Mädchen aus ihrer Klasse verbracht und Mimi hatte nicht dazukommen und ihr Gespräch stören wollen. Sie war ohnehin schon das Topthema der Schule. Alle musterten sie mit abwertenden Blicken, sobald sie sie sahen. Jeder wusste, was am Freitag auf dem Schulklo gelaufen war. Jeder hatte das Video gesehen.

Mit weichen Knien betrat sie das Café und sah sich um. Wie immer herrschte hier um diese Tageszeit reger Betrieb. Mimi ließ den Blick auf der Suche nach Sora durch den Raum schweifen und entdeckte sie schließlich hinter dem Tresen. Sie hatte ihr den Rücken zugewandt und bediente anscheinend gerade die Kaffeemaschine.

Mimi presste die Lippen aufeinander, schluckte und schritt dann entschlossen auf sie zu. Sie setzte sich auf einen der Stühle am Tresen und räusperte sich laut, damit Sora sie hörte. Sogleich drehte diese sich tatsächlich um und hielt inne, als sie Mimi entdeckte.

„Hey“, begrüßte Mimi sie lahm.

Auf Soras Stirn erschien eine senkrechte Falte. „Was ist?“

Unwillkürlich zuckte Mimi zusammen. Sie konnte sich nicht erinnern, die warmherzige, geduldige Sora schon einmal so erlebt zu haben. Diese kalte Zurückweisung versetzte Mimi einen Stich ins Herz.

„Können wir... reden?“

Einen Augenblick lang musterte Sora sie, dann widmete sie wortlos ihre Aufmerksamkeit wieder der Kaffeemaschine. Perplex wartete Mimi ab, ob Sora vielleicht nur einen Kaffee fertigmachen wollte, bevor sie mit ihr redete, doch als die Tasse gefüllt war, stellte sie sie auf einem Tablett ab und begann mit der nächsten.

„Okay, es war mies, dass ich was mit Matt am Laufen hatte“, sagte Mimi nun in einem verzweifelten Tonfall. Sora hielt kurz in ihren Bewegungen inne, machte dann aber unbeirrt weiter. „Ich hätte das nicht machen dürfen. Es war respektlos dir gegenüber.“

Sora gab ein leises Schnauben von sich, beachtete sie aber ansonsten nicht weiter.

„Aber hör' mal. Ich dachte, da du und Tai ja jetzt zusammen seid, wäre es dir sowieso egal. Also ich meine, du hast doch jemanden, der dich liebt und da ist doch das zwischen Matt und dir sowieso gegessen. Du hast dich für Tai entschieden und nicht...“

„Tai hat Schluss gemacht“, unterbrach Sora sie knapp.

Mimi blieb vor Überraschung der Mund offen stehen. „Was?“

„Wir sind nicht mehr zusammen. Seit Samstag ist es vorbei“, murmelte Sora, ohne sie anzusehen.

„Aber... wieso?“, fragte Mimi verdattert. All ihre Arbeit, ihre Mühen, die beiden zusammenzubringen. Und nun soll es ausgerechnet Tai gewesen sein, der das zerstört hatte?

„Ist doch egal. Geh' und lass' dich von Matt ficken. Das scheint dir doch eh wichtiger zu sein.“

Vor Überraschung riss Mimi die Augen auf und überlegte, ob sie sich vielleicht verhört hatte. Hatte Sora das tatsächlich gerade zu ihr gesagt?

Bevor sie etwas erwidern konnte, war Sora mit einem Tablett in den Händen unterwegs zu einem Tisch im Gastraum. Mimi war drauf und dran ihr nachzulaufen, doch sie wollte sie nicht vor ihren Gästen blamieren. Dafür legte sie sich ihre Worte für die Rückkehr ihrer Freundin sorgfältig zurecht.

„Entschuldige mal, wie kommst du darauf, dass mir das mit Matt wichtiger ist als du?“, fragte sie, als Sora zurückkam, und zwang sich selbst zu einem ruhigen Ton. „Ja, ich hatte was mit ihm, aber nur, weil du ihn nicht wolltest, weil du mit Tai zusammen warst und Tai sowieso viel besser ist als Matt. Was will man mit Matt, wenn man Tai haben kann?“

„Man schläft nicht mit dem Ex der besten Freundin! Hast du davon noch nie was gehört?“, fauchte Sora und noch immer erkannte Mimi sie nicht wieder.

Mimi krallte die Hände in ihre Schultasche, die auf ihrem Schoß lag. „Ich hab doch gesagt, ich hätte es nicht machen dürfen. Es tut mir Leid.“

„Warum hast du es überhaupt gemacht?“, rief Sora, sodass einige Gäste sich zu ihr umdrehten. Hastig wandte sie sich von Mimi ab, holte Gläser aus einem Schrank hervor und goss Getränke ein.

„Mann, Sora, Matt und ich, wir sind zwei völlig verkorkste Menschen. Wir waren einfach beide verletzt und nutzen uns nur gegenseitig aus, okay? Wir haben beide in der gleichen Situation gesteckt“, versuchte Mimi die Sache zu erklären.

Sora warf ihr einen kurzen Blick zu und hob eine Augenbraue. „Warum genau bist du denn verletzt? Du hast Matt doch jetzt bekommen.“

„Es ging mir nicht um Matt.“

Sora stellte die Wasserflasche, die sie gerade in der Hand hielt, ab und sah sie an. „Tai.“

Mimi nickte langsam.

„Oh mein Gott, ich hätte es wissen müssen“, murmelte Sora, schüttelte den Kopf und kippte Wasser in ein Glas. „Na dann viel Spaß mit ihm. Nimm sie dir einfach alle beide.“

„Was hast du denn bitteschön gemacht?!“, brauste Mimi auf. Ihr war soeben der Kragen geplatzt. Soras Haltung machte sie nahezu aggressiv. „Du bist es doch gewesen, die erst was mit Matt angefangen hat! Dann hat er dich fallen lassen, weil er Tai, seinem besten Freund, nicht im Weg stehen wollte, und was machst du? Fängst prompt was mit Tai an, der dich aufrichtig liebt und alles für dich tun würde und im Gegensatz zu Matt nicht jedes Wochenende eine Andere hat! Was Matt dabei denkt, scheint dir scheißegal gewesen zu sein! Und jetzt? Jetzt hast du es irgendwie geschafft, dass Tai sich von dir trennt, obwohl er dich liebt! Und mich stellst du jetzt als die Schlampe hin?“ Sie war aufgesprungen und starrte Sora wütend an. Mit jedem Satz war sie lauter geworden und hatte die Gespräche im Gastraum verstummen lassen. Aller Augen waren auf sie gerichtet. „Du bist diejenige, die zwei Jungs, die sie lieben, das Herz gebrochen hat, nicht ich! Und du bist diejenige, die Freundschaften einfach wegwirft! Aber wenn das die wahre Sora ist, dann werde ich dieser Freundschaft keine Träne nachweinen!“

 

_

 

Wütend durchquerte Kari das Zimmer ihres Bruders, der mit einem Kissen auf dem Gesicht auf dem Bett lag und sie noch nicht einmal bemerkt hatte, und betätigte einen Knopf an seinem Computer. Als die viel zu laute Metal-Musik, die bis eben noch aus den Lautsprechern gedröhnt war, verstummte, breitete sich eine angenehme Stille im Zimmer aus und Kari entspannte sich. Tai unterdessen nahm das Kissen von seinem Gesicht und setzte sich auf.

„Mach' das wieder an“, knurrte er.

„Ich denk' nicht dran. Wenn ich das noch eine Sekunde länger hören muss, begehe ich Selbstmord“, fauchte Kari und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und außerdem wollte ich mit dir reden, aber das geht nicht, wenn die da dauernd dazwischen kreischen.“

Tai nickte mit finsterer Miene und sah sie abwartend an. Kari ließ sich neben ihn auf sein Bett fallen und strich sich eine lose Haarsträhne hinter das Ohr. „Ich glaube, ich brauche dich nicht zu fragen, wie es dir geht.“

Ihre Blicke trafen sich. Tai war etwas blass und sah außerordentlich genervt aus. „Du hast eine scharfe Beobachtungsgabe, Kari.“

„Hab' ich von Mama“, erwiderte Kari schulterzuckend.

„Das denke ich auch“, meinte Tai gleichgültig. „Und worüber wolltest du reden?“

„Naja also... was hältst du von dem Video, das in der Schule rumgeht?“, fragte Kari langsam.

Tai hob die Augenbrauen, atmete tief ein und aus und fuhr sich durch die Haare. „Keine Ahnung. Ehrlich gesagt überrascht es mich nur, dass sie sich keinen sichereren Ort dafür gesucht haben.“

Verständnislos runzelte Kari die Stirn. „Wusstest du etwa, dass da was läuft?“

„Nein, aber... eigentlich hätte man es sich zumindest bei Matt denken können, wenn ich es mir recht überlege“, antwortete er.

„Und... was denkst du darüber?“, fragte Kari und musterte ihn neugierig.

Tai zuckte mit den Schultern und kratzte sich im Nacken. „Ist irgendwie ein bisschen komisch.“

Kari nickte zustimmend. „Ehrlich gesagt hätte ich gedacht, Mimi steht auf dich. Sie ist so oft bei uns und redet so viel von dir beim Tanzen. Aber anscheinend habe ich mich geirrt.“

„Du denkst also, sie steht auf mich?“, hakte er nach.

„Dachte“, korrigierte sie ihn.

Er starrte auf einen unbestimmten Punkt im Raum und schien über etwas nachzudenken. Kari ließ ihm einen Augenblick, dann kam sie auf ihr eigentliches Thema zu sprechen. „Aber was ich dich fragen wollte: Denkst du, ich sollte mit T.K. darüber reden? Also glaubst du, er könnte vielleicht Hilfe gebrauchen oder so?“

Überrascht sah Tai sie an. „Was fragst du mich das?“

„Naja, du bist doch ein Kerl. Stell dir vor, Matt wäre dein Bruder und du hättest...“

„Nein, Kari, du kannst dich besser in die Situation hineinversetzen, weil du tatsächlich einen Bruder hast“, unterbrach Tai sie schief lächelnd. „Stell' dir vor, ich wäre das da in dem Video.“

„Ich soll mir vorstellen, wie du es mit Mimi auf dem Schulklo treibst? Willst du das wirklich?“, fragte Kari entgeistert und verzog das Gesicht.

Er lief ein klein wenig rot an und schob ihre Bemerkung mit einer Handbewegung von sich. „Du weißt schon, wie ich das meine.“

Kari dachte einen Augenblick darüber nach. Es wäre ihr wohl ziemlich peinlich und sie würde sich sehr für ihren Bruder schämen, wenn er das in dem Video gewesen wäre. Sie hätte sich das Video nicht einmal angucken können. Vermutlich ging es T.K. also ähnlich. Würde sie in so einer Situation jemanden – ihren besten Freund – an ihrer Seite wissen wollen? Jemanden, der zu ihr hielt und sie nicht auf ihren verdorbenen Bruder ansprach?

Ja, würde sie.

„Aber... ich habe seit der Party nicht mehr mit ihm geredet. Wir gucken uns nicht einmal an“, murmelte sie ausweichend.

„Kari, er ist dein bester Freund. Er braucht dich. Du solltest über deinen Schatten springen und ihm zeigen, wie wichtig er dir ist. Lass' Gefühle nicht eure Freundschaft zerstören“, meinte Tai mit dem Hauch eines Lächelns auf den Lippen.

Nachdenklich sah sie ihn an. Sie vermisste T.K. tatsächlich als Freund und sie könnte sich dafür ohrfeigen, dass sie ihm ihre Gefühle gestanden hatte. Was hatte sie nur dazu getrieben? Und dann noch ihr Auftritt am Abend der Party. Peinlich. Doch sie war sich sicher, dass T.K. sie nicht aufgegeben hatte.

„Ich glaube, du hast Recht“, seufzte sie schließlich und stand auf. „Danke, Tai. Ich wünschte, du würdest auf deine eigenen Ratschläge hören.“

Tai schnaubte spöttisch. „Das wünschte ich auch.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hat schon wieder so lang gedauert. Und das, obwohl das Kapitel nicht so schwer zu schreiben war. Gab ja schon wieder genug Dram. :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  UrrSharrador
2016-03-26T01:30:50+00:00 26.03.2016 02:30
Ach du sch... okay, ich war wirklich naiv genug zu glauben, jemand hätte Matt und Mimi einfach dabei gefilmt, wie sie in diesem Club miteinander abhingen. Dass es jetzt ein Video von der Toilettensexszene ist ... Und Sora sieht es jetzt auch noch, meine Güte. Als ob sie nicht schon so komplett am Boden wäre. Also die Person in der Nebenkabine hat wohl gar keine Scham *hust*. Und laut Hiroshi geht das Video durch die ganze Schule ... Matt wird's, denke ich mal, egal sein, aber Mimi, Tai und Sora? Auweh ... Und Izzy?^^
Hm was müssen sich bei solchen Sachen eigentlich immer die Lehrer einmischen? Ist doch schon schlimm genug für die Betreffenden. Die sollen mal lieber ganz diskret so tun, als wüssten sie nichts von dem Video.
Sie wurden belehrt, dass Geschlechtsverkehr auf dem Schulgelände untersagt ist? Ernsthaft jetzt? XD
So, und Matt, der immer cool bleibt, kriegt nun doch ein emotionales Leck oder wie es so schön heißt, als er von Soras Reaktion auf das Video erfährt. Ganz so alles egal ist es ihm wohl doch nicht.
Uh, und Sora hat also wieder genug Energie, um Mimi so richtig zusammenzupfeifen^^ Das kracht ja wirklich ganz scön, was sie ihr da alles entgegenwirft. Ui, und Mimi gibt ihr dann auch ordentlich Zunder ... Iwie kann man sie ja verstehen. Iwie kann man beide verstehen; ganz schön verzwickt also, aber aus irgendeinem Grund bin ich trotzdem mehr auf Mimis Seite. Ihre Tirade zum Schluss des Abschnitts bringt sehr gute Argumente hervor^^ Wobei sie ja trotzdem erst auch versucht hat, Sora mit Tai zu verkuppeln, aber trotzdem, hm.
"Ich wünschte, du würdest auf deine eigenen Ratschläge hören." ^^ Ja, das ist auch ein Ratschlag xD Kari darf jz also T.K. beistehen, ja? Vielleicht hat die ganze Sache dann ja was Gutes und wenigstens die zwei vertragen sich wieder. Warum braucht es da immer erst einen Skandal? xD
Wuah so spät ist es schon, ich muss dringend ins Bett ... Aber der Kommentar hatte einfach noch geschrieben gehört, und ich glaube, das war soweit alles ... <insert Lob über Schreibstil here>^^ Echt, du biegst das so hin, dass es sich total gut und realistisch lesen lässt; hab ich schon tausendmal gesagt, werd ich vermutlich trotzdem immer wieder wiederholen xD
Gute Nacht^^
Von:  dattelpalme11
2015-07-19T16:43:27+00:00 19.07.2015 18:43
Huhu liebste Spinatjule <33
Ach jaa, hier ist wieder einiges passiert, dass ich natürlich nicht unkommentiert lassen kann :O
Bei dir gibt es echt immer nur Ärger -.- Deine armen Charaktere :/
Trotzdem finde ich die Geschichte nach wie vor spannend und bin mal gespannt, wie du die einzelen Charaktere wieder miteinander versöhnen wirst und ob es welche gibt, bei denen eine Versöhnung sogar ausgeschlossen ist.
Fangen wir mal oben an :D

Ach ja, TK tut mir echt leid. Ich glaube niemand möchte ein Sex-Video von seinem eigenen Bruder sehen, dass auch noch die ganze Schule kennt :( Wie ich dir schon mal gesagt habe, könnte ich mir gut vorstellen, dass es zwischen Takeru und Matt, aber auch ihren Eltern zu Konflikten kommen könnte.

Gehen wir weiter zu Sora, die mega geschockt war o.O Damit hatte echt keiner gerechnet, Sora wohl auch am wenigstens. Es ist auf der einen Seite gerade von Mimi echt arschig, etwas mit Matt anzufangen, weil sie ihr Tai ja auch regelrecht aufgeschwatzt hat. Allerdings hat auch Mimi Recht, die später mit ihr das Gespräch sucht.
Sie hat beiden Jungs das Herz gebrochen und kein Recht sie als Schlampe darzustellen.
Im Moment sehe ich für ihre Freundschaft echt schwarz :(

Mimi und Matt sind also nun das Gesprächsthema der Schule. Ich bin wirklich mal gespannt, wann der Übeltäter des Videos rauskommen wird :O Ich schätze mal, dass es Matts komische Stalkerin war, die beide ja auch gemeinsam in dem Club getroffen hatte.
Ich gehe auch mal davon aus, dass man Mimi anders behandeln wird als Matt. Sie wird als die Schlampe dargestellt, die auf dem Schulklo pöppelt, während Matt eher dafür bewundert werden könnte.
Mimi wurde ja bereits von ihrem Klassenkammeraden dumm angegangen und auch Izzy scheint von ihr etwas enttäuscht zu sein.

Tai hingegen scheint etwas verwirrt zu sein xD Erst bekommt er von Mimi eine SMS, in der steht, wie gern sie ihn hat und dann kommt sowas raus. Ich würde mich im ersten Moment auch verarscht vorkommen, aber ich finde es gut, dass er mit Matt redet. Er hat ihm ja auch klar gemacht, dass es nichts ernstes war und beide nur Lückenbüßer waren.
Und ich glaube auch, dass Matt nur so cool tut, es ihn aber schon trifft, wenn er hört, wie verletzt Sora auf das Video reagiert hat.
Süß fand ich auch das Gespräch zwischen Kari und Tai am Ende. Ich hoffe wirklich, dass Kari und TK sich endlich aussprechen werden.
Allerdings will ich immer noch wissen, was Tai gedacht hat, als Kari zu ihm meinte, dass sie vermutet hatte, dass Mimi auf ihn steht! :D Aber vllt bekommen wir ja bald noch ein bisschen mehr Einblick in Tais Innenleben, das wohl wegen Sora immer noch sehr durcheinander ist :D

Sooo, jetzt fällt mir leider nichts mehr ein xD Ich hoffe, es geht bald weiter ;D
Du weißt ja, dass ich die Story echt gerne lese ;)

Liebe Grüße
Tamari <33
Von:  Pst
2015-07-19T09:52:46+00:00 19.07.2015 11:52
Ahh endlich ein neues Kapitel :)
Ich an T.k.s stelke würde mich für meinen Bruder in Grund und Boden schämen ...
Ich finde gut dad Kari auf ihn zugehn will :3

ach wieder schön hier weiter zu lesen :)
Liebe Grüße
Von:  PurpleTaiga
2015-07-18T20:47:25+00:00 18.07.2015 22:47
Hat sich mal wieder super lesen lassen :3
Ich bin gespannt, was für Konsequenzen Mimi und Matt davon tragen und wie es mit Kari und T.K. weiter geht. :3


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