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Ein Leben wie dieses

von

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Veränderungen

Dienstag, 1. August 2006

 

Verschlafen öffnete Mimi die Augen, als Sora neben sich rascheln hörte. Im Zelt war es unerträglich heiß, doch trotzdem wollte Mimi gern noch ein bisschen schlafen. Sie griff nach ihrem Handy neben sich, um die Uhrzeit zu erfahren. Es war gerade mal sieben Uhr.

Sora hatte sich aufgesetzt und zog sich gerade an. War sie etwa wirklich schon wach? Mimi erinnerte sich, dass sie in der Nacht für eine ganze Weile nicht im Zelt gewesen war. Sie selbst hatte nämlich auch nicht schlafen können, weil ihr die Luftmatratze trotz zusätzlicher Decken darauf und ihres Kuschelkissens einfach zu unbequem war.

„Sora?“, murmelte sie mit kratziger Stimme.

Halb angezogen und mit fragendem Blick drehte die Angesprochene sich zu ihr um.

„Alles okay?“

„Ja“, antwortete Sora. „Ich wollte dich nicht wecken. Schlaf ruhig weiter.“

„Nein, nein, schon in Ordnung. Aber was ist mit dir? Warum bist du schon wach? Du warst doch die halbe Nacht auf.“

Sora zögerte. „Ach, ich bin nicht müde. Ich werde mich schon mal ums Frühstück kümmern.“

„Warte mal.“ Mimi stützte sich auf den Unterarmen ab, sodass sie Sora besser ansehen konnte. „Wo warst du denn heute Nacht die ganze Zeit?“

Soras wich ihrem Blick aus, doch sie setzte sich auf ihre Luftmatratze und wirkte nicht mehr so, als würde sie jeden Moment das Zelt verlassen wollen.

„Matt“, flüsterte sie, als würde das alles erklären.

„Matt?“, wiederholte Mimi laut und hob die Augenbrauen.

Sora legte einen Zeigefinger auf die Lippen, um ihr zu bedeuten, leiser zu sein. „Wir konnten beide nicht schlafen und dann haben wir geredet.“

Mimi presste die Lippen aufeinander und starrte Sora an. Sie hatten geredet? Was bedeutete das?

„Worüber denn?“, fragte Mimi möglichst beiläufig.

„Über... uns.“

Mimi konnte nicht anders, als Sora mitleidig anzusehen. Ihr Blick sprach von Schmerzen, die man sich wohl nur dann vorstellen konnte, wenn man schon einmal ernsthaft verliebt gewesen war. In Tais Blick hatte sie schon öfter genau den selben Schmerz erkannt.

„Und ich habe einen Fehler gemacht“, redete Sora nach einer Weile weiter. Dann war ihre Stimme kaum noch zu hören. „Ich habe ihn geküsst.“

Einen Augenblick lang starrte Mimi ihre Freundin an, dann ließ sie sich zurück auf die unbequeme Luftmatratze sinken und starrte die Zeltdecke an. Ihr Plan, Sora mit Tai zu verkuppeln, gestaltete sich immer schwieriger. In der letzten Zeit waren Sora und Matt sich ständig aus dem Weg gegangen und zumindest Mimi hatte nicht mitbekommen, dass sie irgendwelchen Kontakt zueinander hatten. Und währenddessen hatten Sora und Tai sich wieder angenähert und Tai hatte Mimi öfter mit SMS auf dem Laufenden gehalten, wie es lief. Oft hatte er euphorisch und optimistisch dabei geklungen, als würde es tatsächlich vorangehen. Es sah einige wenige Wochen lang so aus, als würde Mimis Plan aufgehen. Und nun funkte ihr dieser blonde Herzensbrecher wieder dazwischen und zerstörte in einer Nacht, was Mimi über Wochen hinweg mühevoll aufgebaut hatte.

„Ich glaube, ich liebe ihn“, hauchte Sora.

Oh nein, nun kam auch noch das L-Wort zum Einsatz. Hier musste etwas passieren.

Ruckartig setzte Mimi sich auf. „Ich glaube, das bildest du dir ein.“

„Was?“ Verwirrt blickte Sora sie an.

„Weil du ihn nicht haben kannst. Nur deswegen ist er für dich so interessant. Man will immer das, was man nicht kriegen kann“, sagte Mimi überzeugt und verschränkte die Arme vor der Brust.

Sora runzelte skeptisch die Stirn. „Ich bilde mir das doch nicht ein. Was redest du denn da?“

„Doch, das tust du. Sieh dir doch mal Tai und Matt objektiv an. In welchem Universum ist Matt bitte besser als Tai? Tai ist liebevoll, tut alles für dich und ist ehrlich. Und Matt? Der verarscht dich, hurt sich durch die Gegend, raucht, trinkt und denkt, er wäre Kurt Cobain.“ Sie gestikulierte wild mit den Händen, um ihre Aussagen zu unterstützen. „Und gut aussehen tun sie beide. Daran kann es also nicht liegen.“

„So ist er doch überhaupt nicht“, protestierte Sora. „Er kann sehr sensibel sein und er braucht nur jemanden, der ihn versteht. Dann ist er ganz anders.“

„Du redest, als wäre er ein kleines Kind!“, rief Mimi energisch.

„Warum versuchst du überhaupt, mir Tai einzureden, wenn du selbst in ihn verliebt bist?“, fragte Sora auf einmal und musterte Mimi eindringlich.

Dieser klappte die Kinnlade herunter. „Ich bin... was?!“

„Ja“, antwortete Sora. „Ich sehe doch, dass ihr euch näher gekommen seid, so viel Zeit wie ihr miteinander verbringt. Und Tai glaubt selbst auch schon, dass du dich in ihn verliebt hast.“

„Hat er das gesagt?“, fragte Mimi nach einigem Zögern.

Sora nickte und Mimi biss die Zähne aufeinander. Unwillkürlich ballte sie die Hände zu Fäusten und musste sich bemühen, Sora nicht anzuschreien, um ihr zu verklickern, dass das nicht stimmte und alles nur eine Show war.

„Ich gehe mich jetzt um das Frühstück kümmern“, murmelte Sora und kletterte aus dem Zelt.
 

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„Ich ersticke“, stöhnte Yolei und kroch schwerfällig aus dem Zelt. Es war so unerträglich heiß, dass sie sich fühlte, als würde sie geschmort werden. Vielleicht hätten sie beim Aufbau der Zelte darauf achten sollen, wo am Morgen Schatten war.

Sie genoss die fast schon kühle Luft draußen und beobachtete, wie Mimi mit wutverzerrtem Gesicht an ihr vorbeirauschte und Tais Namen rief. Yolei schüttelte den Kopf, stand auf und ging zu Sora, die gerade dabei war, zwei der Picknicktische mit Plastikgeschirr zu decken. Obwohl es so warm war, trug sie einen Pulli mit langen Ärmeln. Als Yolei ihr einen guten Morgen wünschte, drehte sie sich zu ihr um und Yolei erschrak fast schon darüber, wie ihr Gesicht aussah. Blass und verquollen mit dunklen Schatten unter den Augen. Sie sah aus, als wäre sie krank.

„Guten Morgen“, erwiderte sie lächelnd und Yolei war schon kurz davor, sie zu fragen, ob es ihr nicht gut ging, als sie sich an den vorigen Tag und ihre Reaktion erinnerte.

„Na, hast du gut geschlafen?“, fragte sie also überflüssigerweise.

„Geht so“, murmelte Sora und zuckte mit den Schultern. „Es wurde so heiß im Zelt heute Früh.“

„Wem sagst du das“, stöhnte Yolei und fächelte sich mit der flachen Hand Luft zu. „Ich gehe mal schauen, was wir zum Frühstück essen können und wecke mal die anderen.“

Die anderen zu wecken war jedoch nicht nötig. Die Hitze in den Zelten hatte sie alle schon nach draußen getrieben und so kam es, dass morgens halb acht tatsächlich schon alle wach waren. Und auch die Arbeit mit dem Frühstück hatten T.K. und Kari ihr schon abgenommen. Die beiden hockten vor dem Haufen mitgebrachten Essens und suchten Dinge heraus, die man zum Frühstück essen konnte. Ratlos und arbeitslos sah Yolei sich um. Dann konnte sie ja jetzt in Ruhe die Sanitäranlagen des Campingplatzes ausnutzen und duschen gehen.
 

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„Tai!“, riss Mimis Stimme ihn aus einer Tiefschlafphase. Er war noch zu weggetreten, um irgendetwas wirklich wahrzunehmen, geschweige denn zu antworten.

„Wach sofort auf!“

Er hörte sich selbst grummeln und öffnete langsam die Augen. Er hatte sich aus seinem Schlafsack gekämpft und lag auf seiner Luftmatratze, alle viere von sich gestreckt. Im Zelteingang entdeckte er verschwommen Mimi, die ihn wütend anstarrte. Von Izzy war weit und breit keine Spur.

Er schreckte auf und zog unbeholfen seinen Schlafsack über seinen fast nackten Körper. „Was willst du denn hier? Hau ab!“

„Nein, du kommst sofort mit! Wir müssen reden!“, fauchte sie und rührte sich keinen Zentimeter von der Stelle. Seit wann war sie wieder so ruppig zu ihm? Sie war doch bis gestern noch auf Kuschelkurs gewesen.

„Nö, keine Lust“, murmelte er, drehte sich auf die Seite und schloss die Augen.

Unsanft packte Mimi seinen Unterarm, grub dabei die Fingernägel schmerzhaft in sein Fleisch und zog ihn hoch. „Ey!“

„Du kommst jetzt sofort mit!“, rief sie und sah aus, als würde sie gleich auf ihn losgehen.

„Worüber willst du denn jetzt reden?“, fragte er genervt und machte sich ruckartig von ihr los.

„Das möchte ich auch in deinem Interesse jetzt nicht hier ausbreiten, wo alle zuhören können“, zischte sie.

Tai stöhnte. „Na schön. Darf ich mir wenigstens noch was drüberziehen?“

Mit einem finsteren Blick verschwand Mimi aus dem Zelteingang und ließ die Plane herunterfallen, sodass er geschützt vor neugierigen Blicken war. Er setzte sich auf, zog sich eine kurze Hose an und kletterte aus dem ohnehin viel zu warmen Zelt nach draußen, wo Mimi schon stand und auf ihn wartete. Sie marschierte los und Tai folgte ihr gelangweilt, bis sie außer Hörweite der anderen waren.

Mimi drehte sich mit giftigem Blick zu ihm um und stemmte die Hände in die Hüften. „Sag mal, was fällt dir eigentlich ein, vor Sora zu behaupten, ich wäre in dich verliebt?“

Sora. Die vergangene Nacht. Ohje.

Tai fasste sich mit einer Hand an die Stirn und schloss die Augen. „Was denn? Ich habe mich doch nur an deinem Plan beteiligt.“

„Schön, aber du sollst ihr doch nicht stecken, dass ich in dich verliebt bin! Das stimmt doch überhaupt nicht!“, rief Mimi aufgebracht und gestikulierte wild mit den Händen.

„Na und? Darum ging es doch bei diesem Plan, oder etwa nicht? Dass ich begehrenswert wirken soll und es so aussieht, als würden wir uns einander annähern.“

„Schon, aber jetzt muss ich Sora das verliebte Mädchen vorspielen“, blaffte Mimi und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich denke, du bist eine so tolle Schauspielerin. Da dürfte das doch kein Problem sein“, antwortete er trocken und zuckte mit den Schultern.

„Mann, Tai! Ich...“

„Außerdem hat sich das sowieso erledigt“, unterbrach er ihr Geschimpfe. „Ich hab' sie heute Nacht zusammen gesehen.“

Mimi hielt inne und sah ihn verwirrt an. „Was? Du hast sie gesehen?“

„Sora und Matt. Sie haben sich geküsst und keine Ahnung, ob dann noch mehr passiert ist. Wundern würde es mich nicht“, murmelte er und senkte bei der Erinnerung an diesen Anblick die Lider. Ohne an etwas Böses zu denken hatte er aufs Klo gehen wollen und dann plötzlich sie und ihn dort am Ufer sitzen sehen, sie rittlings auf seinem Schoß, die Hände in seinen Haaren vergraben und ihn leidenschaftlich küssend. Tai hatte sich bei diesem Anblick fast übergeben.

„Oh“, machte Mimi leise und war auf einmal ganz blass geworden. Ihr Gesicht hatte einen mitleidigen Ausdruck angenommen. Sie kam auf ihn zu und legte eine Hand auf seinen Arm. „Tut mir Leid.“

„Ach was“, meinte er gezwungen locker und entfernte sich einen Schritt von ihr, sodass sie die Hand wieder sinken ließ. „Ich find' schon eine andere.“

„Nein, nein, nein!“, widersprach Mimi und hatte anscheinend ihre Energie wiedergefunden. Erneut umklammerte sie seinen Unterarm. „Du darfst doch jetzt nicht aufgeben. Wir müssen halt noch weitergehen und zu anderen Mitteln greifen. Das wird schon. Glaub mir.“

„Es ist vorbei“, entgegnete Tai entschlossen. „Ich werde den beiden sagen, dass sie halt zusammen sein sollen, wenn es sie glücklich macht und fertig. Ich habe verloren.“

„Nein, Tai!“, rief Mimi und wirkte fast schon verzweifelt. „Du hast es verdient, glücklich zu sein. Du hast sie verdient, nicht Matt. Ihr müsst ein Paar werden.“

„Nein, es soll halt nicht sein“, erwiderte Tai.

„Aber Tai...“

„Ich werde mir jetzt mal ein T-Shirt anziehen gehen, sonst verliebst du dich wirklich noch in mich. Ich meine, bei diesem Adoniskörper...“ Er breitete schief grinsend die Arme aus, bevor er sich umdrehte und in Richtung Zelt davonging. Er wollte Mimi nicht zeigen, wie verletzt er in Wirklichkeit war.
 

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„Was fangen wir heute mit dem Tag an?“, fragte Yolei fröhlich in die Runde, als sie alle beim Frühstück saßen und und Toast aßen.

„Lass mich kurz überlegen. Wie wäre es mit... baden?“, antwortete Davis sarkastisch und deutete auf den See. „Ich meine, bei der Hitze kann man sowieso nichts anderes machen.“

„Also wenn ich den ganzen Tag nur hier am See herumliege, kriege ich aber einen Knall“, verkündete Mimi und trank einen Schluck Saft aus einem Plastikbecher.

„Aber Davis hat Recht. Es ist wirklich ziemlich heiß.“

„Danke, Joe“, schmatzte Davis und Yolei warf ihm einen genervten Blick zu.

„Wie wäre es, wenn wir eine Runde wandern gehen?“, schlug Izzy vor, sprang auf, verschwand kurz in seinem Zelt und kam mit einer Karte in der Hand wieder zurück. Er faltete sie auseinander und breitete sie etwas umständlich auf dem Picknicktisch aus, der für zwölf Leute sowieso schon viel zu klein war.

„Schaut mal, hier sind ein paar Wanderwege eingezeichnet“, sagte er und deutete mit dem Zeigefinger auf einen Weg, der einmal um den See herum führte.

„Da schwitzen wir uns doch zu Tode“, meinte Davis. „Ich bin immer noch für baden.“

„Also ich finde, wandern ist eine gute Idee“, mischte Matt sich nun ein und sah Izzy an. „Ist doch besser, als den ganzen Tag hier am Strand zu liegen.“

„Ja, finde ich auch“, stimmte Tai zu und alle sahen Tai überrascht an. Schließlich hatte jeder mitbekommen, dass Tai und Matt derzeit kein Wort miteinander wechselten.

„Warum machen wir es nicht einfach so, dass die, die wandern gehen wollen, wandern gehen und der Rest, der baden will, bleibt eben hier?“, schlug Kari diplomatisch vor.

„Nein, ich bin dagegen“, protestierte Mimi. „Wir sind alle zusammen hierher gefahren und wollten ein paar Tage gemeinsam verbringen, weil es so selten ist, dass wir alle zusammen kommen. Dann bleiben wir jetzt gefälligst auch die ganze Zeit zusammen.“

Tai runzelte die Stirn.

„Das sehe ich auch so“, stimmte Yolei ihr zu und nickte.

„Ich bin auch dafür, dass wir zusammen bleiben“, meinte T.K.

„Dann machen wir es halt demokratisch“, bestimmte Tai. „Wer ist für wandern?“ Er selbst, Matt, Izzy, Mimi und T.K. meldeten sich. „Und wer ist für hier bleiben?“ Nun meldeten sich Davis, Joe und Cody. „Und was ist mit euch?“, fragte er an Ken und die drei Mädchen gewandt, die sich bei keiner Option gemeldet hatten.

„Mir ist es egal, solange wir alle was zusammen machen“, antwortete Yolei schulterzuckend.

Die anderen drei nickten zustimmend.

„Okay. Damit steht es fünf zu drei und wir gehen wandern“, beschloss Tai und Davis verzog das Gesicht.
 

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Es dauerte eine Weile, bis sie den Müll ihres Frühstücks weggeräumt und sich alle geeignete Klamotten zum Wandern angezogen hatten, doch am späten Vormittag standen sie alle abmarschbereit am Startpunkt ihrer Wanderroute.

„Mir ist jetzt schon heiß“, murrte Davis und fächelte sich mit der Wanderkarte Luft zu.

„Hör auf zu jammern“, entgegnete Yolei ihm, als sie sich alle in Bewegung setzten. Sie, Ken und Davis gingen zu dritt nebeneinander her und bildeten das Schlusslicht der Gruppe. Angeführt wurde sie von Tai und Izzy, der dafür verantwortlich war, dass sie auf dem richtigen Weg blieben.

„Bitte lächeln“, sagte Kari fröhlich und schoss ein Foto von Davis, Yolei und Ken, bevor sie weiter nach vorn ging, um noch mehr Fotos zu machen.

„Warte mal!“, rief Davis und rannte ihr hinterher. „Du kannst wenigstens mal zeigen, wie das Foto geworden ist.“

„Dieser Kerl“, seufzte Yolei und sah sich nach Bäumen mit gelben Punkten um, die ihnen anzeigten, dass sie auf dem richtigen Weg waren.

Ken lachte. „So ist er halt.“

„Aber auf die Dauer kann das ganz schön anstrengend sein“, murmelte sie.

Ken verstand, was sie meinte, doch er mochte Davis sehr aufgrund seiner aufgeschlossenen und fröhlichen Art. Dadurch, dass sie beide Probleme mit Mädchen hatten, hatten sie in der letzten Zeit oft über ihre Sorgen gesprochen und waren sich dadurch wieder vertrauter geworden. Davis hatte ihn aufgemuntert, nachdem Ken mit Saki Schluss gemacht hatte. Noch immer hatte er ein schlechtes Gewissen deswegen. Und er selbst war für Davis da gewesen, als dieser Stress mit Kari gehabt hatte.

Es fiel Ken schwer, echte Freundschaften zu schließen, da vielen Leuten seine Talente einfach suspekt waren. Dabei konnte er nichts dafür, dass er in allem gut war, was er anpackte. Außer eben darin, Freundschaften aufzubauen und zu halten.

Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, den diese Tour jetzt schon aus seinen Poren jagte. Yolei sah ihn an.

„Möchtest du was trinken?“, fragte sie hilfsbereit.

„Ja, gern“, antwortete Ken und sie kramte eine große Flasche Wasser aus ihrem Rucksack hervor.

„Ah, gleich viel leichter“, sagte sie und bewegte die Schultern auf und ab.

„Ich trag' sie für dich weiter“, beschloss Ken und packte die Flasche in seinen eigenen Rucksack, nachdem er einen Schluck daraus getrunken hatte.

„Ach was, das brauchst du doch nicht“, erwiderte Yolei verwundert. „So schwach bin ich nun auch wieder nicht.“

„Hab' ich ja auch nicht gesagt“, entgegnete Ken lächelnd. „Trotzdem möchte ich dir gern wenigstens ein bisschen helfen, wenn du dich sonst schon um alles kümmerst. Danke dafür.“

„Oh, ach was.“ Sie lächelte verlegen. „Ist doch nicht der Rede wert. Ich bin froh, dass alle mitgekommen sind.“

„Ja, das ist schön“, stimmte Ken zu.

Dann ertönte plötzlich ein gellender Schrei von vorn.
 

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„Mann, Tai, was brüllst du denn so? Das ist doch nur eine Spinne!“, rief Mimi genervt und sah ihn wütend an.

„Ich hätte fast reingefasst!“, entgegnete er entrüstet und mit einem angewiderten Blick in Richtung der Spinne, die friedlich in ihrem Netz hing.

„Oh ja, davon wärst du ganz sicher gestorben“, antwortete Mimi sarkastisch und gestikulierte mit den Händen.

„Zu deiner Information: Es gibt Spinnen, die einen mit einem einzigen Biss töten können“, knurrte Tai und sah sie feindselig an.

„Ja, in Australien vielleicht. Das ist keine davon“, antwortete Mimi schnippisch. „Echt, du bist so ein Mädchen.“

„Ich hab' mich nur erschrocken“, verteidigte Tai sich selbst.

„Hat Tai Angst vor Spinnen?“, fragte T.K. an Kari gewandt. „Das wusste ich ja gar nicht.“

„Ich möchte es manchmal auch nicht wahrhaben“, murmelte Kari mit einem genervten Blick auf ihren Bruder. Sie selbst mochte Spinnen auch nicht, doch im Vergleich zu Tai war das nichts. Es war schon vorgekommen, dass sie eine Spinne aus seinem Zimmer entfernen musste, weil er nicht so nah rangehen wollte. Dabei passte es überhaupt nicht zu ihm. Sonst war er eher der Typ, dem keine Herausforderung zu groß, kein Risiko zu gefährlich und keine Gefahr zu mächtig war. Aber bei Spinnen wurde er tatsächlich zum Mädchen.

„Hey, was ist denn los da vorn? Warum seid ihr stehen geblieben?“, rief Yolei von hinten.

„Weil Tai ein Mädchen ist“, rief Mimi zurück.

„Ah okay, das erklärt natürlich alles und klingt äußerst logisch“, antwortete Yolei sarkastisch.

Dann setzten sich Tai und Izzy endlich wieder in Bewegung und sie konnten ihre Wanderung fortsetzen. Im Vorbeigehen machte Kari noch ein Foto von der Spinne.

„Willst du ihm das Foto irgendwann mal heimlich unters Kopfkissen legen?“, fragte T.K. und sah sie verwirrt an.

„Nein, aber ich will ein Fotoalbum über diesen Campingausflug basteln und da passt das Spinnenfoto ganz gut rein“, erklärte sie grinsend und T.K. schüttelte lachend den Kopf.
 

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Die Route führte nun schon seit einer ganzen Weile bergauf und sie mussten alle im Gänsemarsch hintereinander gehen, weil der Weg zu schmal war.

„Wie lang geht das denn noch bergauf? Ich kann nicht mehr“, jammerte Mimi, die hinter Izzy lief.

Auch Izzy musste sich den Schweiß von der Stirn wischen und war ziemlich erschöpft. Er war wirklich alles andere als eine Sportskanone, weshalb ihn dieser Ausflug ziemlich plättete, obwohl sie noch nicht einmal die Hälfte des Weges geschafft hatten.

„Ich glaube, ich kann das Ende sehen“, rief Tai euphorisch, der mittlerweile die Führung übernommen hatte und ganz vorn lief. Er klang, als würde ihm das Wandern nicht das Geringste ausmachen.

„Können wir vielleicht mal eine Pause machen? Wir sind doch schon zwei Stunden unterwegs und ich hab' Hunger“, nörgelte Mimi weiter und Izzy verdrehte die Augen.

„Wenn wir oben sind, okay?“, schlug er ihr vor.

„Wenn ich so lange noch durchhalte“, seufzte Mimi theatralisch. „Sora, kann ich mal die Wasserflasche haben? Nanu, geht’s dir gut? Sora!“

Tai und Izzy blieben stehen und drehten sich mit fragenden Blicken um, um den Grund für Mimis Geschrei herauszufinden. Und dort lag Sora auf einmal auf dem Boden und rührte sich nicht. Mimi war schon neben ihr auf die Knie gegangen und rüttelte sie am Arm, als Tai an Izzy vorbeistürmte und an Soras anderer Seite niederkniete.

„Sie ist auf einmal zusammengebrochen“, rief Mimi verzweifelt und ihre Stimme klang ungewöhnlich schrill. „Ich konnte gar nichts machen. Plötzlich lag sie da.“

„Verdammt! Joe, mach was!“, brüllte Tai, der eine Hand auf Soras Schulter gelegt hatte.

Auch die anderen aus der Gruppe waren heran geeilt und versammelten sich mit neugierigen und besorgten Blicken um Sora herum.

„Was hat sie denn? Was ist los?“, fragte Kari ängstlich.

„Wir drehen sie am besten mal um“, bestimmte Joe und schob Mimi beiseite, die sich neben Izzy stellte und sich an seinen Arm klammerte. Joe und Tai drehten Sora vorsichtig auf den Rücken. Matt hatte eine Wasserflasche aus seinem Rucksack hervorgekramt und hockte sich neben Joe. „Kannst du sagen, was sie hat?“

„Ich weiß nicht. Ich tippe mal auf einen Kreislaufzusammenbruch“, antwortete Joe mit gerunzelter Stirn, holte ein Taschentuch aus seinem Rucksack und benetzte es mit Wasser aus Matts Flasche, bevor er Sora damit die schweißnasse Stirn abtupfte. Ihre Lider flatterten und sie öffnete langsam die Augen. Ein erleichtertes Aufatmen ging durch die Gruppe.

„Was... ist...“, stammelte Sora mit schwerer Zunge, stützte sich auf die Unterarme und sah in die Runde.

„Du bist zusammengebrochen“, erklärte Tai und griff fürsorglich nach ihrer Hand. „Das war bestimmt die Hitze.“

„Hier, trink was“, forderte Joe sie auf und reichte ihr Matts Wasserflasche.

Sora setzte sich ganz auf, blinzelte ein paar Mal und trank einen Schluck Wasser.

In den Gesichtern der anderen war Besorgnis abzulesen. Alle schienen sich ziemlich erschrocken zu haben über Soras plötzlichen Schwächeanfall.

„Trink mehr“, sagte Joe bestimmt und Sora setzte die Flasche wieder an.

„Geht es dir schon besser?“, fragte Yolei betreten.

„Ich glaube ja“, murmelte Sora.

„Wir sollten sicherheitshalber einen Arzt rufen“, beschloss Tai mit gerunzelter Stirn.

„Ich will keinen Arzt“, protestierte Sora leise.

„Ich denke, sie braucht auch keinen“, sagte Joe an Tai gewandt. „Es wird ihr besser gehen, wenn sie noch mehr trinkt und etwas isst.“

Als hätte sie auf ihr Stichwort gewartet, wühlte Mimi nun in ihrem Rucksack und fischte eine Banane heraus, um sie Sora zu geben. „Hier.“

„Ich schlage vor, wir machen erst mal eine längere Pause, wenn wir oben sind“, sagte Matt mit einem Blick in ihre aktuelle Laufrichtung. „Es sind nur noch ein paar Meter.“

„Ja, das halte ich auch für das Beste. Aber eine Minute sollten wir noch warten“, stimmte Joe ihm zu, während Sora ein Stück von der Banane abbiss und langsam darauf herumkaute.

„Ich habe ja gleich gesagt, es ist zu heiß zum Wandern. Aber wollte irgendjemand auf mich hören? Nein“, mischte Davis sich ein und breitete die Arme aus. „Warum sollte man auch auf Davis hören? Der erzählt ja sowieso nur Mist.“

„Oh, Davis, wenn wir immer auf dich hören würden...“, begann Yolei, beendete ihren Satz jedoch nicht.

„Ja? Was ist dann? Sprich ruhig zu Ende“, forderte Davis und warf ihr einen bedrohlichen Blick zu.

„Nein, lieber nicht. Ich möchte den Frieden ja nicht stören“, erwiderte Yolei und Sora kicherte ein wenig. Das veranlasste auch die anderen, wieder etwas lockerer zu werden.

„Wenn wir immer auf Davis hören würden, wären wir jetzt wahrscheinlich nicht campen, sondern hätten eine Dauerkarte für irgendein Fußballstadion gekauft“, beendete Cody Yoleis Satz.

„Wenn wir immer auf Davis hören würden, würden wir den ganzen Tag essen und schlafen“, führte Izzy Yoleis Satz in einer anderen Variante fort.

„Und Videospiele spielen“, ergänzte Ken.

„Was, Ken, du etwa auch noch?“, rief Davis entrüstet und starrte seinen besten Freund an und die anderen mussten lachen.
 

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Mit Tais Hilfe hatte Sora es bis nach ganz oben auf den kleinen Berg geschafft und alle ließen sich erschöpft und grüppchenweise ins Gras fallen. Sora war der Zusammenbruch ziemlich peinlich, doch jetzt, nachdem sie etwas gegessen und getrunken hatte, ging es ihr wieder relativ gut. Sie konnte sich auch nicht erklären, woher das auf einmal gekommen war. Plötzlich war ihr schwindelig und schwarz vor Augen geworden.

Sie saß mit Mimi und Tai zusammen und sie packten alle drei den Proviant aus ihren Rucksäcken aus. Obst, Gemüse und Sandwiches.

„Hat irgendjemand zufällig zu viel zu essen dabei?“, rief Davis und sah zwischen den kleinen Grüppchen hin und her. „Ich glaube, ich habe meins im Camp vergessen.“

„Boah, Junge!“, murmelte Tai, griff nach einem seiner Sandwiches und warf es Davis zu.

„Danke“, rief dieser.

„Wie großzügig von dir“, kommentierte Mimi und sah Tai an. „Dass du dein Essen mit jemandem teilst.“

„So bin ich“, erwiderte Tai selbstgefällig und zuckte mit den Schultern.

Sora kicherte. Sie fand es rührend, wie er sich um sie gekümmert hatte, als sie zusammengebrochen war. Und irgendwie war es ihr vor ihm auch nicht peinlich. Vor ihm war ihr eigentlich nichts peinlich, so lange wie sie sich schon kannten und so viel, wie sie schon miteinander erlebt hatten. Er hatte alles mit ihr durchgemacht und wann immer sie ein Problem hatte, hatte sie gewusst, dass er ihr zuhören würde. Und andersherum war es genauso.

„Sag mal, hab' ich was im Gesicht, oder warum starrst du mich so an?“, fragte Tai und hob eine Augenbraue.

„Oh, sorry. Hab' nur vor mich hin geträumt“, antwortete Sora verlegen und wandte den Blick ab.

„Ich gehe mal Joe nach einem Pflaster fragen. Ich habe mich vorhin irgendwo gekratzt“, verkündete Mimi, klopfte Tai leicht auf den Oberschenkel und stand auf. Sora blickte ihr misstrauisch nach, wie sie zu dem Grüppchen von Joe, Izzy und Matt hinüberging.

„Aufgekratzt“, wiederholte Tai und schüttelte verächtlich den Kopf. „Sie ist selber ein Mädchen.“

Sora lächelte und zuckte mit den Schultern.

„Los, du musst was essen“, forderte Tai sie auf und schob ihr ein Sandwich zu.

„Ich habe eigentlich gar keinen Hunger mehr“, gestand Sora. „Die Banane vorhin hat mir gereicht.“

Tais Gesicht wurde auf einmal ziemlich ernst, als er sie nun ansah. „Sora, hör mal. Wahrscheinlich nervt dich das, aber du musst mehr essen. Echt.“

„Nein, das ist nur...“

„Doch.“ Er wirkte unerbittlich. „Ich mache mir echt Sorgen, dass du davon krank werden könntest. Du wirkst in letzter Zeit weder glücklich noch gesund.“

Es war schwierig, seinem durchdringenden Blick standzuhalten und Sora musste wegsehen. Widerwillig griff sie nach dem Sandwich, wickelte es aus und biss ein kleines Stück davon ab.

„Wann hast du eigentlich aufgehört zu essen?“, fragte Tai, der sie beobachtete.

„Ich habe doch gar nicht aufgehört zu essen“, widersprach Sora nun unwirsch.

„Sieht man“, erwiderte Tai sarkastisch. „Ehrlich gesagt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil mir das nicht eher aufgefallen ist.“

Erschrocken sah Sora ihn an. „Was? Nein, nein! Du kannst doch nichts dafür. So dünn bin ich doch auch gar nicht. Mir ist es selbst nicht mal aufgefallen.“

Tai seufzte und rupfte geistesabwesend mit den Händen ein paar Grashalme aus. Er sah aus, als ob er angestrengt über etwas nachdachte.

„Mimi braucht aber lang, um sich ein Pflaster geben zu lassen“, fiel Sora auf und sie sah sich nach Mimi um. Diese saß bei Joe, Matt und Izzy, plauderte mit ihnen und sah nicht aus, als ob sie vorhätte, wieder zurückzukommen. „Tai, sag mal...“

„Ja?“

„Was läuft da eigentlich zwischen dir und ihr?“

Verständnislos sah er sie an. „Zwischen mir und wem?“

Sora lächelte belustigt. „Zwischen dir und Mimi, du Blitzbirne.“

„Mimi?“ Er sah aus, als hätte er keinen blassen Schimmer, wovon Sora da redete, doch dann fiel es ihm schlagartig einzufallen. „Ach, Mimi! Ja also... weiß nicht. Wir sind ähm... Freunde. Und sie will mehr. Denke ich jedenfalls.“ Er kratzte sich nachdenklich am Kopf.

„Und wie sieht's mit dir aus?“, fragte Sora und musterte ihn. Er wirkte auf einmal durcheinander, als ob er nicht wüsste, was er ihr antworten sollte, stotterte ein wenig herum und zuckte mit den Schultern. Sora kam diese Reaktion spanisch vor. Empfand er etwa auch etwas für Mimi? War er etwa gerade dabei, sich in jemand anderen zu verlieben?

Während Tai vor sich hin stammelte, versuchte Sora, sich ihn und Mimi als Paar vorzustellen. Er würde sicher alles für sie tun, sie auf Händen tragen, sich gänzlich ihr widmen und für Sora keine Zeit mehr haben. Mimi würde seine neue Nummer eins werden.

Sora konnte nicht behaupten, dass ihr dieser Gedanke sonderlich gefiel. Er war ihr bester Freund und Mimi zumindest sowas Ähnliches wie ihre beste Freundin. Es wäre schon ziemlich schräg, wenn sie plötzlich ein Paar wären. Aber Sora liebte doch Matt. Was sollte sie also daran stören, dass Tai und Mimi mehr werden könnten als Freunde? War es nicht ein wenig egoistisch von ihr, so zu denken? Eigentlich sollte sie sich doch darüber freuen, weil sie dann vielleicht mit Matt zusammen sein konnte.

Sie seufzte, lehnte ihren Kopf an Tais Schulter und schloss die Augen.
 

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„Es ist so schön hier“, sagte Kari mit leuchtenden Augen und sah sich um.

Yolei konnte ihr nur zustimmen. Sie saßen nebeneinander im Gras und genossen den Ausblick über den See. Auf der gegenüberliegenden Seite konnten sie den Campingplatz erkennen und fern am Horizont schemenhaft sogar ein paar Wolkenkratzer Tokios. Ansonsten gab es hier jedoch nur Wald und Wiesen zu sehen. Etwas völlig anderes, als sie es sonst gewohnt waren.

„Ja. Ich bin froh, dass wir diesen Ausflug hierher gemacht haben“, seufzte Yolei und legte den Kopf auf die Knie. „Jetzt müssen sich nur noch dein Bruder und Matt wieder vertragen und alles ist fast wie früher.“

Kari schnaubte. „Mein Bruder ist ein furchtbarer Sturkopf.“

„Naja, du aber auch“, entgegnete Yolei ehrlich.

Verwundert sah Kari sie an. „Ach, meinst du wegen gestern? Hör mal, das tut mir Leid. Du weißt, ich gehe gern mit dir in ein Zelt. Aber Tai nervt mich so mit seiner Art in letzter Zeit, dass ich gestern einfach darauf bestehen musste, mit T.K. in einem Zelt zu schlafen.“

„Schon gut, ich nehme dir das ja nicht übel“, sagte Yolei abwinkend. „Aber du musst zugeben, dass das ein bisschen kindisch war. Und dass du T.K. ganz schön in Verlegenheit gebracht hast.“

Kari stieß ein nervöses Lachen aus und wandte den Blick ab. „Vielleicht hast du Recht.“

„Und ich glaube auch, dass Tai es nur gut meint. Auch, wenn er ein wenig übertreibt. Aber er liebt dich halt.“

Kari seufzte tief, erwiderte aber nichts. Yolei hatte keine Ahnung, was gerade in ihr vorging.
 

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Über eine Stunde hatten sie auf dem Hügel Pause gemacht, gegessen und getrunken und sich ausgeruht. Als sie ihre Wanderung fortsetzten, blieb Joe die ganze Zeit in Soras Nähe und beobachtete sie nach möglichen Anzeichen eines weiteren Kreislaufzusammenbruchs. Zwar war er sich sicher, dass Tai sich gut um sie gekümmert hatte während ihrer Rast, doch er wollte verhindern, dass das noch einmal passierte.

Auch die anderen fragten Sora hin und wieder nach ihrem Befinden, die davon mittlerweile schon etwas genervt schien. Sie stand einfach nicht gern im Mittelpunkt. Tai wich keinen Millimeter von ihrer Seite und Joe ging an ihrer anderen Seite.

„Wie fühlst du dich?“, fragte Joe.

„Gut“, antwortete Sora einsilbig. „Bitte mach dir keine Sorgen, ja? Ich melde mich.“

Tai schnaubte. „Als ob.“

„Ich verspreche es“, betonte Sora.

„Ich glaube dir“, sagte Joe lächelnd.

Sie sah ihn an. „Nami hat mir übrigens aufgetragen, auf dich aufzupassen. Aber jetzt ist es irgendwie eher andersrum.“

Überrascht zog Joe die Augenbrauen hoch. „Du sollst auf mich aufpassen? Wieso das denn?“

Sie kicherte. „Keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, wovor sie Angst hat.“

„Bestimmt vor Mimi und ihrem umwerfenden Charme, mit dem sie alle Männer in ihren Bann zieht“, sagte Tai sarkastisch.

Mimi, die vor ihnen neben Izzy lief, drehte sich um und funkelte ihn an. „Das habe ich gehört.“

„Solltest du auch“, erwiderte Tai grinsend.

„Blödmann“, murmelte sie und drehte sich wieder um.
 

_
 

Als sie am späten Nachmittag wieder im Camp ankamen, warf Davis sofort all sein Gepäck weg, zog sich bis auf die Unterhose aus und stürmte ins Wasser, als würde er brennen.

„Der Junge macht es richtig“, seufzte Yolei erschöpft. „Ich gehe auch mal meinen Bikini anziehen.“

Und so trafen sich alle eine halbe Stunde, nachdem von ihrer Wanderung zurückgekehrt waren, in Badesachen am Strand vor ihren Zelten und genossen das kühle Wasser des Sees. Tai war schon ein ganzes Stück nach draußen geschwommen, als Kari dazu ansetzte, ihm zu folgen. Sie wollte mit ihm reden und vielleicht war dies die beste Gelegenheit dazu. Yolei hatte sie heute zum Nachdenken gebracht.

„Tai!“, rief sie und schwamm ihm hinterher. Sie hatte jedoch keine Chance ihn mit ihrem zweitklassigen Brustschwimmen einzuholen, weshalb sie hoffte, dass er sie hörte. „Tai, warte mal!“ Er hielt noch immer nicht an. „TAI!“

Endlich hörte er mit seinen Kraulzügen auf und drehte sich um. Als er Kari erblickte, schwamm er ihr entgegen.

„Was brüllst du denn so?“, fragte er und musterte sie argwöhnisch.

„Du hörst mich ja sonst nicht“, grummelte sie und hielt sich an seinen Schultern fest, als sie endlich bei ihm ankam. Schwimmen gehörte einfach nicht zu ihren Stärken.

„Vielleicht hätte dir Mama Schwimmflügel mitgeben sollen“, meinte er und beobachtete belustigt, wie sie mit den Beinen strampelte.

„Ach, sei doch still“, zischte Kari. „Eigentlich wollte ich mit dir reden.“

„Worüber denn?“, fragte er nun ernst.

„Über... dich. Und mich“, antwortete Kari langsam und er hob fragend die Augenbrauen. „Und mich für gestern entschuldigen. Das war irgendwie nicht so cool. Ich glaube, ich wollte dir eigentlich nur eins auswischen mit dieser Zeltsache. Das war blöd und kindisch.“

Tai zuckte mit den Schultern. „Vielleicht solltest du dich lieber bei dem armen T.K. entschuldigen. Immerhin wolltest du mit dem die ganze Nacht Sex haben.“

Beschämt wandte Kari den Blick von ihm ab und ließ ihn los. „Er weiß, dass ich das nur so gesagt habe. Und du weißt das auch.“

„Trotzdem war es ganz schön peinlich für ihn“, erwiderte Tai.

„Ich weiß“, gab Kari kleinlaut zu. „Aber bitte hör endlich auf, so zu tun, als würde er mich ausnutzen und wegwerfen wollen. Das würde er nie machen. Da bin ich mir ganz sicher.“

Tai seufzte. „Ich gebe zu, dass ich vielleicht ein wenig übertrieben habe.“

„Ja. Nur, weil Matt vielleicht so ist, ist T.K. nicht automatisch genauso. Ich bin doch auch nicht wie du“, sagte Kari und sah ihn nun wieder an. „Du bist ganz schön unfair ihm gegenüber, weißt du das? Ich glaube, du merkst das schon gar nicht mehr.“

Er erwiderte ihren Blick einen Moment lang, dann nickte er langsam. „Ich glaube, ich will es einfach nur nicht wahrhaben, dass du langsam erwachsen wirst.“

„Wie auch? Du bist ja selbst noch ein Kind, obwohl du der Ältere von uns bist“, stichelte Kari und sah ihn schief an.

„Werd nicht frech, sonst setze ich dich hier draußen aus“, drohte Tai scherzhaft und bespritzte sie mit Wasser.

„Dann kriegst du einen Riesenärger von Mama und Papa“, entgegnete Kari und streckte ihm die Zunge raus.

„Stimmt, ich sollte besser nicht ohne das kleine Prinzesschen nach Hause kommen.“ Er grinste herausfordernd, sodass Kari die Hände auf seine Schultern legte und ihn einfach nach unten drückte. Dann drehte sie sich blitzschnell um und schwamm Richtung Strand.

„Na warte, das kriegst du wieder!“, hörte sie Tai rufen und lachend und kreischend strampelte sie, als wäre ein Hai hinter ihr her.
 

_
 

Yolei und Mimi hatten sich daran gemacht, für das Abendessen eine riesige Portion Reis im Campingkocher zu kochen. Dazu sollte es Grillreste von gestern geben, um deren Aufwärmen sich Joe und Izzy gerade bemühten. Ken und Cody kümmerten sich um noch ein paar zusätzliche Gemüsespieße und Matt und Sora deckten gemeinsam den Tisch.

Sora warf ihm über den Tisch hinweg immer wieder heimliche Blicke zu. Sie war noch so verwirrt von ihren Gedanken über Tai und Mimi, doch jetzt, wo sie gerade mit Matt mehr oder weniger allein war, rückten diese Gedanken in den Hintergrund. Er trug ein weißes T-Shirt und kurze schwarze Hosen und außerdem ein dünnes Lederarmband. Sein blondes Haar hing ihm ins Gesicht, sodass man seine Augen nicht sehen konnte, wenn er den Kopf senkte. Es leuchtete golden in der Sonne. Als er den Blick hob und sie ansah, fiel ihr wieder einmal auf, wie blau seine Augen waren.

Sora schloss die Augen und rieb sich die Stirn. Was war nur los mit ihr? Verliebt in Matt, eifersüchtig auf Mimi wegen Tai? Das war doch alles total verrückt.

„Hey, was ist los? Geht's dir nicht gut?“, fragte Matt besorgt, kam um den Tisch herum zu ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter.

Sofort brachte Sora wieder einen Schritt Abstand zwischen sie und sah sich um, ob Tai auch ja nichts gesehen hatte. Aber sie konnte ihn nirgends entdecken.

Sie wandte sich an Matt, der sie fragend ansah. „Alles okay.“

„Du kannst dich auch gern hinsetzen gehen. Ich schaff' das hier schon allein“, sagte Matt und deutete mit einem Kopfnicken auf den Tisch.

„Nein, nein, es geht mir gut“, antwortete Sora abwinkend.

„Okay, aber wenn irgendwas ist, dann...“

„Matt!“, unterbrach sie ihn schroff. „Ich bin kein Kind mehr. Lass mich doch einfach.“

Er erwiderte nichts, sondern hob nur eine Augenbraue, während er sie musterte. Dann fuhr er einfach fort, den Tisch zu decken.
 

_
 

Nach dem Abendessen machten sie sich wie auch am Abend davor ein Lagerfeuer, um das sie sich herum setzten. Yolei hatte Teig für Küppelbrot zubereitet und so hielt gerade jeder von ihnen einen Stock in der Hand, an dessen Ende Teig klebte, der im Feuer gegrillt wurde.

„Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte mal Knüppelbrot gegessen habe. Das muss zehn Jahre her sein“, stellte Joe fest und drehte seinen Stock hin und her, damit der Teig nicht anbrannte.

„Ja. Ich fühle mich gerade wie auf einer Klassenfahrt in der Grundschule“, stimmte Tai ihm zu.

„Hat jemand schon einen Vorschlag, wann wir das nächste Mal alle was zusammen machen können?“, fragte Davis in die Runde. „Ich meine, der Campingausflug ist fast schon wieder vorbei. Und irgendwie... wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, ob sich viel geändert hat.“

Darauf erwiderte erst einmal keiner etwas. Alle schwiegen und starrten ins Feuer.

Nein, auch Joe konnte nicht behaupten, dass alle Probleme zwischen ihnen geklärt wären. Er hatte bemerkt, dass Tai und Matt noch immer nicht miteinander redeten. Davis und T.K. gingen sich auch eher aus dem Weg. Sora wirkte unglücklich und auch Mimi schien die ganze Zeit über etwas zu grübeln.

„Naja, wir könnten uns ja vornehmen, wenigstens einmal im Monat einen Nachmittag gemeinsam zu verbringen. Oder einen Tag vom Wochenende“, schlug Izzy diplomatisch vor. „Das wäre doch ein Anfang und sicher finden wir auch einen Tag, an dem alle Zeit haben.“

„Das klingt gut, Izzy“, stimmte Yolei ihm zu. „Jetzt sind ja erst mal Ferien und da finden wir bestimmt noch einen Tag im August.“

Wieder herrschte für einige Augenblicke Schweigen, bis Matt schließlich aufstand, in seinem Zelt verschwand und mit seiner Gitarre zurückkehrte.

„Yeah, Stimmung“, murmelte er und ließ die Hand über die Saiten gleiten.

Mimi kicherte. „Gute Idee. Lasst uns singen, das macht gute Laune.“

Keiner reagierte so wirklich auf diesen Vorschlag. Die Stimmung wirkte gedrückt, während Matt geistesabwesend einige Akkorde spielte und Mimi fragend in die Runde sah.

„Na gut. Los, Matt, hau mal einen raus. Dann singe ich eben allein“, beschloss Mimi und warf Matt einen vielsagenden Blick zu.

Der runzelte nur kurz die Stirn und hielt in seinem Spiel kurz inne, bevor er mit einer schnelleren, fröhlichen Melodie begann. Und Mimi sang.
 

Stop me on the corner

I swear you hit me like a vision

I, I, I wasn't expecting

But who am I to tell fate where it's supposed to go with it

Don't you blink you might miss it

See we got the right to just

Love it or leave it, you find it and keep it

'Cause it ain't everyday you get the chance to say
 

Oh, this is how it starts

Lightning strikes the heart

It goes off like a gun

Brighter than the sun

Oh, we could be the stars

Falling from the sky

Shining how we want

Brighter than the sun
 

Matt warf Mimi einen anerkennenden Blick zu, den sie lächelnd erwiderte. Er wirkte nun etwas lockerer als vorher.
 

I've never seen it

But I found this love, I want to feed it

You better believe I'm gonna treat it

Better than anything I've ever had

'Cause you're so damn beautiful

Read it

It's signed and delivered, let's seal it

Boy, we go together like

Peanuts and paydays and Marley and reggae

And everybody needs to get a chance to say
 

Oh, this is how it starts

Lightning strikes the heart

It goes off like a gun

Brighter than the sun

Oh, we could be the stars,

Falling from the sky

Shining how we want

Brighter than the sun
 

Matt hörte auf zu spielen und die anderen klatschten.

„Das klang echt toll“, sagte Davis begeistert und die anderen stimmten ihm zu.

„Ihr solltet Mimi unbedingt mal für einen eurer Auftritte buchen“, schlug Yolei vor.

„Ach, so gut bin ich doch gar nicht“, erwiderte Mimi abwinkend und kratzte sich verlegen am Kopf.

„Nanu, wird Mimi Tachikawa etwa bescheiden?“ Tai, der neben ihr saß, musterte sie skeptisch von der Seite und die anderen lachten.

„Okay, dann lasst uns jetzt etwas singen, wo wieder alle mitmachen können“, rief Kari in die Runde.

Alle wirkten auf einmal lockerer. Die Stimmung war nicht mehr so gedrückt und das nur dank Matt, seiner Gitarre und Mimi.
 

_
 

Es war schon lange nach Mitternacht, als sie sich endlich nach und nach entschlossen, schlafen zu gehen. Der Abend war doch noch sehr schön geworden und sie hatten viel geredet, gesungen und gelacht, obwohl sie eigentlich alle von ihrer langen Wanderung und der Hitze ziemlich erschöpft waren.

Tai jedoch hatte in den letzten Stunden einen Entschluss gefasst. Er wollte weiter um Sora kämpfen. Er wollte sich nicht so einfach geschlagen geben. Der Tag hatte ihm nur noch einmal gezeigt, wie wichtig sie ihm war und dass sie zusammen gehörten. Und außerdem war er nicht der Typ, der aufgab. Vielleicht würde Mimis bescheuerter Plan ja tatsächlich funktionieren. Zumindest hatte er irgendwie den Eindruck gehabt, dass Sora heute anders mit ihm umgegangen war als sonst.

„Ich gehe jetzt auch pennen“, verkündete er und gähnte demonstrativ. „Gute Nacht, Leute.“

„Gute Nacht“, murmelten die übrig gebliebenen. Mimi, Sora, Matt und Joe.

„Schlaf gut“, fügte Mimi noch hinzu.

„Hm, warte mal.“ Er sah sie kurz nachdenklich an, dann beugte er sich zu ihr und küsste sie auf die Wange. Erschrocken riss sie die Augen auf und starrte ihn an und auch die anderen drei sahen Tai verwirrt an. „Ja, ich glaube, jetzt kann ich gut schlafen.“

Grinsend ging er zu seinem Zelt, holte seine Zahnbürste und machte sich auf den Weg zum Sanitärbereich. Er hatte keine Ahnung, ob dieser Kuss auf die Wange Sora tatsächlich eifersüchtig machen könnte. Er hoffte einfach das Beste. Ihr Blick war zumindest verstört.

„Warte mal!“

Seufzend drehte er sich um. Mimi war ihm nachgeeilt.

„Was sollte das eben?“, fragte sie patzig. „Ich dachte, du willst diese Sache beenden.“

„Ich habe mich umentschieden“, antwortete er schulterzuckend. „Ich habe die Vermutung, dass dein Plan funktionieren könnte.“

Verdutzt sah Mimi ihn an. „Was? Echt? Heute Morgen klang das aber noch ganz anders.“

„Ja. Heute in der Pause habe ich es irgendwie gemerkt. Sora war anders. Ich glaube, irgendwas hat sich verändert. Ich will noch nicht aufgeben, ich will es wenigstens noch ein bisschen versuchen.“

Mimi schien nachzudenken und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Dann nickte sie. „Okay. Aber falls du mit mir rumknutschen willst, sag mir vorher Bescheid.“

Er lachte nur abwinkend. „Keine Angst. Das wird nicht passieren.“
 

_
 

Er fühlte sich wie im Kindergarten.

Was bitte sollte das eben? Tai hasste ihn aus Eifersucht wegen Sora und jetzt küsste er einfach Mimi? Hatte er sich so schnell umentschieden? Was war hier nur los?

Und Sora benahm sich auch seltsam ihm gegenüber.

Allmählich bereute Matt, dass er hierher gefahren war. Zum Glück war dieser Ausflug morgen vorbei. Das konnte doch alles nicht wahr sein.

Er schnappte sich seine Gitarre und stand auf. Ohne ein weiteres Wort Joe und Sora gegenüber zu verlieren ging er in sein Zelt, um seine Zahnbürste zu holen.

Beim Zähneputzen traf er Tai. Man hätte meinen können, alles wäre normal, wie sie da friedlich nebeneinander vor den Waschbecken standen und sich die Zähne putzten. Doch Matt war genervt von dieser Situation. Allmählich fragte er sich, ob Tai überhaupt ein wahrer Freund war. Warum sollte Matt sich jetzt noch aus diesem albernen Kampf heraushalten? Anscheinend hatte Tai ja jetzt jemand anderen.

Seine Gedanken fühlten sich wirr an. Er wusch sich das Gesicht und fuhr sich durch die Haare. Kurz betrachtete er sein Spiegelbild, das ihm genervt entgegenblickte und verließ den Sanitärbereich wieder, wo er Joe in die Arme lief.

„Hey, Matt, ist alles in Ordnung?“, hielt dieser ihn auf.

„Ja“, antwortete Matt kurz angebunden und wollte weitergehen.

„Wenn irgendwas ist... du kannst gern mit mir reden“, sagte Joe langsam.

Matt warf ihm einen kurzen Blick zu. „Danke.“ Dann ging er zurück zu den Zelten.
 

_
 

Mimi lag in ihrem Zelt und starrte an die Decke. Tai hatte sie auf die Wange geküsst. Einfach so. Es hatte sich so seltsam angefühlt. Es hatte sie völlig aus der Bahn geworfen, weil sie damit nicht gerechnet hatte. Eigentlich sollte sie stolz auf ihn sein, weil er so gut in ihrem Plan mitarbeitete, aber irgendetwas störte sie.

Sie berührte die Stelle an ihrer Wange. Für einen kurzen Moment hatte ihr Herz ein wenig schneller geschlagen.

„Du, Mimi“, Sora drehte sich auf die Seite, stützte den Kopf auf der Hand ab und sah sie an. „Sag mal, empfindest du etwas für Tai? Und sei bitte ehrlich.“

Auch Mimi drehte sich auf die Seite, rollte sich zusammen und sah Sora an. „Ich... keine Ahnung. Dass er mich vorhin auf die Wange geküsst hat, hat sich seltsam angefühlt.“

Sora nickte nur langsam.

„Und du?“, hakte Mimi nach. „Und jetzt sei du mal ehrlich.“

Soras Stimme wurde zu einem Flüstern, als sie antwortete. „Ich bin irgendwie verwirrt. Ich dachte, ich liebe Matt, aber seit du und Tai so viel miteinander macht, fühlt es sich irgendwie komisch an.“

Mimi musterte sie nachdenklich. „Also ich glaube, du weißt selbst nicht so richtig, was du willst. Was ist nur los mit dir? Die Sora, die ich früher kannte, wusste immer, was sie wollte. Aber du? Erst erteilst du Tai eine Abfuhr und dann sucht er sich eine andere und du interessierst dich für ihn.“

Sora ließ den Kopf auf ihr Kissen sinken. „Ich weiß ja selbst nicht, was mit mir los ist. Das ist alles so verwirrend. Und Matt gegenüber war ich heute auch unfair.“

„Du solltest dir dringend über deine Gefühle klar werden. Sonst verletzt du Tai noch mehr als sowieso schon“, meinte Mimi ehrlich. „Ich will nicht, dass er noch zu einem psychischen Wrack wird, wenn du ihn noch mal abweist. Das hat er nicht verdient.“
 

_
 

„Pst, nicht so laut“, zischte Kari T.K. zu, als sie aus ihrem Zelt kletterten.

„Ich mach doch gar nichts“, zischte T.K. zurück und kämpfte sich hinter Kari aus dem Zelt.

Auf Zehenspitzen schlichen sie über die Wiese in Richtung Wasser und gingen dann ein Stück am Ufer entlang. Kari hatte unbedingt noch einmal mit ihm raus gehen wollen, obwohl T.K. schon fast geschlafen hatte. Doch sie hatte darauf bestanden.

Sie suchten sich einen Fleck Sand, weit genug weg von den Zelten, sodass sie niemand belauschen konnte und sie auch niemanden am Schlafen hinderten. Sie ließen sich nebeneinander in den Sand fallen und sahen hinaus aufs Wasser und in den Himmel.

„Also, was wolltest du jetzt?“, fragte T.K. nach einer Weile.

„Eigentlich wollte ich nur mit dir hier sitzen. Wir haben noch gar nicht wirklich Zeit zusammen verbracht, seit wir hier sind“, antwortete Kari, ohne ihn anzusehen.

„Erstens sind wir erst seit gestern hier, und zweitens verbringen wir doch auch die ganze Zeit zusammen“, erwiderte T.K. verständnislos und musterte sie von der Seite. Er hatte keine Ahnung, was sie ihm damit sagen wollte.

„Ich meinte allein“, nuschelte sie.

Er runzelte die Stirn.

„Wegen gestern... ich wollte mich noch mal deswegen bei dir entschuldigen. Ich wollte dich nicht blamieren“, murmelte sie schließlich.

„Ach was. Ist doch schon vergessen.“ Er dachte unwillkürlich an all die Sachen, die Matt so trieb. Eigentlich brauchte ihm in der Richtung überhaupt nichts peinlich zu sein vor seinem Bruder.

„Und... dann wollte ich dir noch etwas anderes sagen“, fügte Kari hinzu und wurde auf einmal wieder leiser.

Verwundert sah er sie an. „Was denn?“

Jetzt sah sie ihn auch kurz an. Sie wirkte nervös, kaute auf ihrer Unterlippe herum, spielte mit ihren Fingern, fuhr sich durch die Haare.

„Sag mal, erinnerst du dich noch an den Abend, an dem du mich geküsst hast?“

T.K. hob die Augenbrauen. Darüber hatten sie noch nie wirklich gesprochen und er konnte auch noch immer nicht sagen, was an jenem Abend in ihm vorgegangen war. Er hatte einfach nach seinem Bauchgefühl gehandelt und er wusste bis heute nicht so wirklich, ob es Kari gefallen hatte oder nicht.

„Ja, ich erinnere mich“, antwortete er.

Kari holte tief Luft. „Also ich glaube, ich empfinde seitdem mehr für dich als... als nur Freundschaft.“ Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, als hätte sie seit Jahren darauf gewartet, diesen Satz zu sagen.

Überrascht sah T.K. sie an. „Kari...“

Sie runzelte die Stirn und erwiderte seinen Blick. „Hör mal, ich verstehe, wenn du das nicht so siehst. Ich mache dir keinen Vorwurf, auch wenn man eigentlich niemanden küsst, in den man nicht verliebt ist. Aber ich weiß, dass du mich magst, und wenn das eine einmalige Sache war, dann ist das schon okay. Ich komme damit klar. Ich wollte dir das jetzt nur mal sagen.“

Überrumpelt beobachtete er sie. Er müsste lügen, wenn er behaupten würde, er hätte ihre eindeutigen Anspielungen in der letzten Zeit nicht bemerkt. Er hatte einfach nur nicht gewusst, was er davon halten sollte. Sie war doch seine beste Freundin. Sie schliefen zusammen in einem Bett und er hatte dabei nie irgendwelche Hintergedanken gehabt. Sie standen sich sehr nahe und er glaubte irgendwie nicht, dass sie sich in einer Beziehung noch näher stehen konnten. Ja, vielleicht waren da ein paar Gefühle für sie, doch reichten die aus, um die innige Freundschaft zwischen ihnen aufs Spiel zu setzen?

„Es wäre cool, wenn du irgendwas dazu sagen könntest“, meinte sie, als er eine Weile schwieg, und sah ihn unsicher an.

„Kari, hör mal. Ich finde dich wirklich hübsch und hab' dich sehr gern. Ich meine, du bist meine beste Freundin. Ich kann mit dir über alles reden. Aber ich glaube nicht, dass wir... also... ich finde, wir sollten daraus nicht mehr machen als jetzt“, stammelte er.

Karis Augen weiteten sich. Anscheinend hatte sie mit einer anderen Antwort gerechnet.

„Ich meine doch nur, dass es passieren könnte, dass wir uns vielleicht irgendwann trennen und dann keine Freunde mehr sind. Das wäre es mir nicht wert, verstehst du?“, erklärte T.K. und sah sie entschuldigend an.

„Ja... ja, natürlich“, antwortete sie leise, rutschte ein Stück von ihm weg und schlang die Arme um die angezogenen Knie. „Du hast Recht. War 'ne blöde Idee von mir. Sorry.“

Er hatte sie verletzt. Mehr, als sie jetzt zugab, das war ihr anzusehen. Vorsichtig legte er einen Arm um ihre Schultern und zog sie wieder näher an sich. „Sieh mal, wir sind gerade mal vierzehn. Wir verändern uns doch noch so sehr. Ich glaube irgendwie nicht, dass das gut gehen könnte.“

Sie zuckte nur mit den Schultern und starrte aufs Wasser.

„Vielleicht sieht es ja in ein paar Jahren anders aus“, fügte T.K. noch hinzu.

„Schon okay“, erwiderte sie, machte sich von ihm los und stand auf. „Ich glaube, ich gehe jetzt wieder schlafen. Bin ziemlich müde.“ Sie drehte sich um und ging zurück zum Zelt.

T.K. blieb noch einen Augenblick im Sand sitzen und sah ihr wehmütig nach. Hatte er gerade die richtige Entscheidung getroffen?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Eeeeendlich ein neues Kapitel. Ihr seht, es gibt viele Irrungen und Wirrungen. :D Sora weiß nicht, was sie will, Mimis Plan scheint aufzugehen, Kari hat T.K. ihre Gefühle gestanden, Matt ist genervt und Yolei hat alles im Griff. Ich überlege gerade, wie lang die Story noch werden soll... mal sehen.

Das Lied, das Mimi singt, ist "Brighter than the sun" von Colbie Caillat. Ich liebe es einfach. :> Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  UrrSharrador
2015-08-27T16:03:54+00:00 27.08.2015 18:03
Hab ich da eben echt achteinhalbtausend Wörter gelesen? O.o starke Sache, hab ich iwie gar nicht mitgekriegt^^
Das Kapitel hatte iwie sehr viele amüsante Stellen drin, obwohl es bei den Freunden ja alles andere als friedlich zugeht^^ ZB, da hat sich Mimi am Anfang wohl selbst ein Ei gelegt. Will Sora Tai schmackhaft machen, obwohl sie selbst ja angeblich in ihn verliebt sein sollte - und dann gerät sie langsam selbst ins Verhör^^
Und nun ist sie zornig wegen Tai, obwohl das Schaugehabe ja ihr Einfall war. Und der ist jz auch noch down, weil er Sora und Matt eben doch gesehen hat ... Ein Pech hat der mit dem Zufall, der Gute ;)
Die Wanderung war sehr interessant. Hat einige Sachen aussortiert, andere zerworfen ... sagen wir, im Zwischenmenschlichen ist da die Story ziemlich vorangeschritten :) Yolei und Ken sind echt niedlich^^ Und Tai hat Angst vor Spinnen, haha, das ist echt eine Überraschung XD Ausgewachsene Arachnophobie oder so?^^ Mimi schilt ihn deswegen, fühl mich fast, als wäre ich im falschen Film haha XD Weil Tai ein Mädchen ist. Beste Begründung eher^^
Und Sora bricht tatsächlich in der Hitze zusammen. Wieder etwas, das man erwarten könnte, aber trotzdem nicht erwartet. Ich jedenfalls nicht. Dabei ist es ja fast verpflichtend: Sie isst kaum, sie schläft kaum, es ist heiß und sie wandern. Aber das Gespräch darauf mit Tai scheint ja dann was Positives aus der Sache gemacht zu haben.
Sie hacken aber auch wirklich oft auf Davis rum XD Aber er ist ja auch der richtige Typ dafür. Tai teilt sein Essen mit ihm, das ist nett :)
Zwischen Tai und Kari scheint sich ja wirklich alles schnell wieder einzurenken, das ist doch was Gutes :) Ach ich liebe die Szenen mit den beiden :D
Also am nächsten Tag ist der Ausflug schon vorbei? :o Dann hat es wirklich nicht viel gebracht. Aber naja, es war eben ein Versuch. Immerhin hatten sie dann noch einen schönen Abend.
Und Tai hat seinen Kampfgeist also zurück - und Mimi fühlt sich wegen dem Wangenkuss seltsam^^ Iwie schaffst du es, alle möglichen Pairings iwie zu ermöglichen, und wir Leser haben keinen Plan, was da nicht noch alles kommen würde^^
Stimmt, Matts Sicht hab ich ganz vergessen ... und Tai auch. Wenn er nun angeblich Mimi hat, dann müsste er Matt gegenüber ja nicht so schroff sein. Da verletzt natürlich. Kein Wunder dass Matt sich wie im Kindergarten fühlt.
Mimi redet Klartext mit Sora und muss dabei nicht mal mehr lügen^^ Vielleicht hätte sie ihr einfach von Anfang an ins Gewissen reden sollen, aber naja, man kann nichts erzwingen, auch wenn sie das gerne täte.
Oweh, und Abfuhr von T.K. an Kari. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Aber Kari hat offensichtlich was anderes erwartet^^ Die Arme. Die nächsten beiden haben ihre Probleme ... Also deren Leben wäre echt einfacher, wenn es nur ein Geschlecht gäbe und man sich per Mitose vermehren könnte. Dann gäbe es keinen Grund für Liebe und Partnerschaften und sie alle könnten hübsch befreundet sein XD
Von:  dragonfighter
2014-08-20T18:13:17+00:00 20.08.2014 20:13
einfach super!!!
Ich dachte schon das kommt gar nicht mehr XD
Ich war am Anfang ganz schön geschockt als Tai sagte, er habe verloren und gibt auf...
Aber gut das er es sich doch noch anders überlegt hat. Auf jeden fall war ich baff als er sie so plötzlich auf die Wange geküsst hat.
Einfach der Hammer... Ich musste richtig lachen als Tai herum schrie, nur weil er fast in eine Spinne hinein gegriffen hatte. XD
Und endlich hat Sora angefangen zu grübeln, hoffe sie überlegt sich das noch mal gut. Aber der teil wo sie umfiel... nicht das sie noch Mager süchtig wird ohne es zu bemerken, wie sie es selbst schon sagte.
Ich freue mich schon auf den nächsten teil.. schreib schnell weiter :))
Lg
dragonfighter


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