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Harvest Moon - The Distance Between Us

Chelsea&Vaughn
von

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Der erste Eindruck

Kapitel 1
 

Der erste Eindruck
 

Sechzehn Jahre waren seit diesem schweren Schicksalsschlag vergangen. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an meine verstorbene Frau denken musste. Die Leere, die sie hinterlassen hatte, konnte nur durch den Anblick unserer kleinen Tochter gefüllt werden. Chelsea war ein reizendes Mädchen. So lebhaft und neugierig, wie sie als kleines Kind war, desto fröhlicher und freundlicher wurde, je weiter die Jahre verstrichen. Sie hatte soviel von ihrer Mutter, dass sich jeder, der meine Frau gekannt hatte, sich gezwungen sah, ebenfalls an sie zu denken, sobald man Chelsea begegnete. Meine Tochter wuchs zu einer verantwortungsbewussten und schönen jungen Frau heran. Mit ihrem Bruder, Mark, verstand sie sich außerordentlich gut. Er hatte ebenfalls eine schwere Trauer zu bewältigen, nachdem er gemerkt hatte, dass seine Mutter nie wieder zurück kommen würde. Doch er schaffte es viel leichter und schneller, im Gegensatz zu mir, seinem eigenen Vater.

Für mich waren die ersten Wochen, nachdem ich meine Tochter aus dem Krankenhaus mit nach Hause nahm, alles andere als leicht gewesen. Von einem Tag auf den anderen musste ich zwei Kinder alleine versorgen und großziehen. Ich war hilflos überfordert, zumal nebenbei ein landwirtschaftlicher Betrieb weiter geführt werden musste, den ich vor einigen Jahren aufgebaut hatte. Demnach hatte ich nicht nur meine zwei Kinder, um die ich mich kümmern musste, sondern auch noch Kühe, Rinder, Schafe, Pferde und einen Hund zu versorgen. Natürlich hatte ich meine Angestellten, Freunde und Verwandte, die mir zur Seite standen, doch die Hauptverantwortung lag dennoch bei mir. Wie ich es geschafft habe, gleichzeitig meine Kinder zu versorgen und den Betrieb am Laufen zu halten, blieb mir bis heute ein Rätsel. An manchen Tagen war ich der Verzweiflung so nahe gewesen, dass ich öfter nicht mehr weiter wusste. In solchen Momenten fehlte mir meine Frau ganz besonders. Abends, bevor ich zu Bett ging, suchte ich bei ihr Rat, wie es ohne sie denn weiter gehen sollte. Wohl wissend, dass ich darauf nie eine Antwort bekommen würde. Sie fehlte mir so unendlich, dass einzig und allein meine Kinder dazu in der Lage waren, ganz besonders Chelsea, meinen und gleichzeitig ihren Verlust zu verdrängen und nach vorne zu blicken. Ich wusste, dass ich für meine Kinder stark sein musste. Sie brauchten mich. Noch einen Elternteil sollten sie nicht verlieren.
 

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Der Morgen begann wie jeder andere, kurz vor 6 Uhr. Der Hahn krähte bereits, gleich nachdem die ersten Sonnenstrahlen am Firmament erschienen waren. Abgesehen davon, war es noch recht ruhig auf dem Hof.

Solche Momente in denen man hautnah miterleben konnte, wie die Natur mit all ihren Bewohnern, egal ob Mensch oder Tier, erwachten, bedeuteten für mich mitunter die harmonischsten Minuten, die mich daran erinnerten, wie herrlich das Leben, um einen herum, sein konnte. Jeder Morgen kündete einen Neuanfang an. Einige Augenblicke genoss ich diesen wunderbaren Anblick, der direkt vor meinem Haus stattfand, ehe ich mich an die Arbeit begab.
 

Nachdem ich meinen morgendlichen Rundgang auf dem Betrieb beendet hatte, kehrte ich ins Haus in die Küche zurück, wo mich ein verführerischer Kaffeeduft empfing.

„Guten Morgen, Vater! Hast du gut geschlafen?“

Und dort stand meine Chelsea, am Herd und bereitete das Frühstück zu. Jedes Mal aufs Neue zauberte mir ihr Anblick ein Lächeln auf die Lippen. Wie schnell sie doch erwachsen geworden ist. Sie wird ihrer Mutter von Tag zu Tag ähnlicher. Ihre langen braunen Haare hatte sie heute zu einem Zopf zusammengebunden, bis auf zwei kürzere Strähnen, die ihr seitlich an ihrem Gesicht herunter fielen. Ihre klaren blauen Augen strahlten, als sie lächelnd auf mich zutrat und mir eine Kaffetasse reichte.

„Mit Milch und etwas Zucker, wie du es gerne magst.“

„Danke, Chelsea. Du siehst hübsch aus heute Morgen.“

„Ach, Vater, übertreib nicht.“

„Es stimmt aber. Deine Mutter wäre stolz auf dich. Hast du deinen Bruder schon gesehen?“

„Er ist gerade im Bad und macht sich für die Uni fertig.“

„Stimmt ja. Hatte ich ganz vergessen. Das neue Semester beginnt heute.“

Wie aufs Stichwort, erschien daraufhin Mark in der Küche. Mark ist 4 Jahre älter als Chelsea und somit schon 20 Jahre alt. Er hat kurzes blondes Haar, welches grundsätzlich zerzaust in allen Himmelsrichtungen abstand. Genau wie seine Schwester hatte er klare blaue Augen. Heute trug er nicht seine übliche Arbeitskleidung, sondern eine schicke blaue Jeans und dazu ein gebügeltes weißes Hemd. Über seiner linken Schulter trug er seine Aktentasche mit allen wichtigen Unterlagen für sein Landwirtschaftsstudium.

Ich kann nicht annähernd sagen, wie stolz ich auf meinen Sohn diesbezüglich bin. Eines Tages würde er den Betrieb erben und weiter führen. Ein Familienbetrieb, der von Generation zu Generation weiter gegeben werden sollte. Genauso hatte ich mir das immer vorgestellt.

„Guten Morgen, Vater, Schwesterherz.“, grüßte Mark uns. „Ich bin etwas spät dran. Wenn ich es noch pünktlich schaffen möchte, muss ich leider schon los. Sorry, aber zum Frühstück kann ich nicht bleiben.“

„Kein Problem.“, antwortete ich. „Das Studium hat oberste Priorität. Beeil dich, damit du noch rechtzeitig ankommst.“

„Bruder!“ Chelsea hielt ihren Bruder noch kurz zurück. „Ich habe dir ein Lunchpaket gemacht. Unterwegs kannst du dann frühstücken.“

„Danke, Schwester. Du bist von allen Mädchen die beste. Also dann, bis nachher!“

Dann war er verschwunden.

„Dein Bruder schafft es abends auch nie zeitig ins Bett zu gehen.“, tadelte ich ihn neckend.

„Aber Vater. Er hat zurzeit echt viel zu tun. Neben dem Studium arbeitet er jeden Tag mit auf dem Hof. Er möchte beides nicht vernachlässigen.“

„Du hast ja Recht. Er hat es momentan wirklich nicht leicht. Lass uns jetzt aber frühstücken. Du musst dann ja auch bald los zur Schule.“
 

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Der Sommer war zwar zur Hälfte bereits vorbei, trotzdem hatte die Sonne noch nichts von ihrer Intensität der Wärme verloren. Erbarmungslos sandte sie ihre Sonnenstrahlen gen Erde. Der Schweiß tropfte nur so von meiner Stirn.

Es war gegen Mittag, als Chen, ein guter Freund von mir, unangemeldet auf dem Hof auftauchte.

„Hallo, Chen! Was führt dich denn hierher?“, begrüßte ich ihn. „Guten Tag, Andreas! Tut mir Leid, dass ich so unangekündigt auftauche, aber ich hatte in der Nähe gerade zu tun gehabt und dachte, ich schaue mal bei meinem alten Freund vorbei und gucke, wie es ihm so geht.“, erklärte Chen sein Erscheinen.

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Wie lange kennen wir uns bereits? Ich meine, dass es fast schon 10 Jahre sind. Folglich, kannst du kommen und gehen, wie es dir gefällt.“

„Dann bin ich aber erleichtert. Seitdem Markt hatten wir uns nicht mehr gesehen.“ „Du kennst es ja, es ist immer viel zu tun, wenn man sein eigenes Gewerbe betreibt. Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass meine Kinder mir tatkräftig zur Hand gehen, wenn sie nicht gerade in der Schule oder Universität sind.“

„Das glaube ich gern. Ich hoffe, dass mein Sohn, Charlie, mir ebenfalls unter die Arme greifen wird, wenn er etwas älter geworden ist.“, seufzte Chen. „Kommt er nicht nächstes Jahr in die Schule?“, harkte ich neugierig nach.

„Ja, nächstes Jahr im Sommer ist es endlich soweit. Unfassbar, wie schnell die Zeit doch vergeht. Allerdings muss ich gestehen, dass ich es kaum noch erwarten kann, wenn er dann für den halben Tag aus dem Haus sein wird. Ein wenig Entspannung ohne Kind muss doch hin und wieder mal sein.“

„Deine Situation kann ich mir sehr gut vorstellen. Charlie ist aber auch ein sehr lebhafter und aufgeweckter kleiner Junge mit einer Menge an Energie. Nimm es mir bitte nicht übel, aber mit dir tauschen wollen, möchte ich garantiert nicht. Selbst, wenn du mich dafür bestechen solltest.“

Wir beide mussten lachen. Chen und ich haben eine ähnliche Vergangenheit. Genauso wie ich, hatte auch er seine Frau verloren, die bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen war. Dieser Unfall liegt bereits einigen Jahre zurück. Charlie konnte damals nicht älter als zwei Jahre gewesen sein. Es ist schon schlimm, mit ansehen zu müssen, wie ein Kind ohne Mutter aufwachsen muss. Meinen Kindern ergeht es dabei nicht anders. Von einem Tag auf den anderen wird man gezwungen Vater und Mutter gleichzeitig zu sein, ohne einen wirklichen Plan zu haben, wie das eigentlich funktioniert.

So gut es ging, und wie es meine Zeit zuließ, habe ich versucht, Chen zu unterstützen, da ich logischerweise seinen Schmerz recht gut nachempfinden konnte. Leider konnte ich nicht, allzu viel Zeit für ihn erübrigen, alleine schon wegen meiner eigenen Kinder. Sie waren zwar nicht mehr ganz so klein gewesen zu diesem Zeitpunkt, aber meinen Betrieb konnte ich ebenfalls nicht lange vernachlässigen.

Doch Chen war ein starker, verantwortungsbewusster Mann, der es sicher geschafft hat, sich in dieser neuen Situation zurechtzufinden. Durch diese Ereignisse, die wir beide erlebt hatten, verband uns eine tiefe Freundschaft. Wir wussten, dass wir uns immer auf den jeweils anderen verlassen konnten.

„Weißt du schon das Neueste?“, fragte mich Chen, nachdem wir uns wieder beruhigt hatten. „Was denn?“

„Mirabelle sucht für ihre Tierpension einen neuen Arbeitnehmer. Ihr letzter Angestellter hatte aus der Einnahmekasse Geld gestohlen, weswegen sie ihn fristlos gekündigt hatte.“

„Wie? Redest du etwa von Lars? Er war mir gegenüber immer recht freundlich und machte einen vertrauenswürdigen Eindruck.“

„Tja, ich hätte das auch nie für möglich gehalten, aber so leicht kann man sich in andere täuschen.“

„Hmm. Dann hoffen wir mal, dass der Neue nicht so unbesonnen sein wird.“, merkte ich an.

„Ja. Ich muss dann auch wieder los. Die Pflicht ruft.“

„Erzähl mir mal was Neues. Dann, mach´ s gut! Wir hören voneinander.“

„Klar. Bis dann, Andreas!“
 

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Seit meinem letzten Gespräch mit Chen war fast eine Woche vergangen. Besorgungen, bezüglich meines Betriebes, trieben mich an diesem Tag in die Stadt. Meine Familie und ich wohnen etwas abseits vom Stadtzentrum, weswegen meine Kinder einen längeren Fahrweg zur Schule oder Universität haben, als andere in ihrem Alter. Trotzdem würde ich das Landleben niemals gegen das Leben in einer Großstadt eintauschen wollen. Auf dem Land hatte man alles, was man benötigte, um stressfrei zu leben und dem Trubel einer Großstadt entgehen zu können. Diese Hektik und das allgemeine Chaos in der Stadt vermisse ich kein bisschen, obwohl ich in einer aufgewachsen war. Damals war es teilweise unerträglich für mich gewesen, mich richtig in dieses Städteleben zu integrieren. Es war mir nie wirklich gelungen. Meine Eltern wohnen nach wie vor noch an so einem geschäftig betriebenen Ort. Was keineswegs verwunderlich ist. Mein Vater hatte dort seinen festen Arbeitsplatz und Wohnsitz gehabt. Das Land war ihm schon immer zu öde und eintönig erschienen. Es hat Jahre gedauert, bis er meinen Entschluss einen landwirtschaftlichen Betrieb aufzubauen, akzeptiert hatte. Seiner Meinung nach, hätte ich lieber ein Rechtsanwalt oder Arzt werden sollen. Er selber war Polizist gewesen, bis er vor fünf Jahren pensioniert wurde.

Doch mit der Zeit überwand mein Vater seine Sturheit und nahm meine Entscheidung, die ich für mein Leben getroffen hatte, an. Ich bin ihm sehr dankbar dafür, denn das war das größte Lob, welches er mir jemals gemacht hatte. Das bedeutet mir, bis heute, unendlich viel. Unsere Beziehung zueinander wurde besser, als sie es vorher gewesen war. Nach jahrelanger Überzeugungsarbeit hatte er mich als Mann akzeptiert und mir Respekt entgegengebracht.
 

Mirabelle zählt mit zu den Leuten, mit denen ich ein gutes Verhältnis pflege. Sie betreibt neben ihrer Tierpension auch ein Geschäft für eine Vielfalt an Tierwaren, die sich nicht ausschließlich auf kleinere Haustiere, wie Hunde, Katzen oder Kaninchen beziehen, sondern auch auf Landtiere, wie ich sie auf meinem Hof halte. In dieser Gegend ist dies ein lukratives Geschäft, welches Mirabelle betreibt. Denn schließlich, ist mein Betrieb nicht der einzige auf dem Land. Dadurch bleibt leider der Konkurrenzkampf nicht aus. Doch mein Betrieb genießt einen wirklich ausgezeichneten Ruf und ich würde alles dafür geben, um den nicht zu verlieren. Verständlicherweise war es nicht leicht gewesen, diesen Ruf zu erwerben. Es kostete mich viel Fleiß und Zeit, die sich mit den Jahren als lohnenswert erwiesen.
 

Somit betrat ich an diesem Vormittag den Laden von Mirabelle, um eine größere Bestellung aufzugeben. Normalerweise erledige ich sowas per Telefon, aber ich dachte mir, dass ein persönlicher Besuch wieder angebracht war, zumal ich auch von Mirabelle hören wollte, wie sich der neue Angestellte macht.

„Na sowas! Das ist aber eine Überraschung! Was machst du denn hier, Andreas?“, fragte mich Mirabelle, nachdem sie mich erblickt hatte und trat zugleich auf mich zu, um mich kurz in die Arme zu schließen. Sie war um einiges kleiner als ich, weswegen es ein eigenartiges Bild abgeben musste. Mit ihrem Kopf reichte sie mir gerade so, knapp bis an die Brust.

„Morgen, Mirabelle. Es freut mich ebenfalls dich mal wieder zu sehen. Ich dachte mir, dass ein kurzer Tapetenwechsel von meinem Hof nicht schaden könnte.“, antwortete ich ihr.

„Und das aus deinem Mund zu hören, hätte ich nie für möglich gehalten. Du liebst doch dein Land über alles. In einer Tour redest du ausschließlich davon und wie schön ruhig es im Gegensatz zu hier ist.“

„Das stimmt auch. Daran wird sich auch niemals etwas ändern, das kannst du mir glauben. Manchmal lässt einem die Pflicht keine andere Wahl, als hin und wieder sein gewohntes Umfeld zu verlassen. Gerade dann, wenn man gute Freunde lange nicht mehr gesehen hatte.“

„Haha! Du wirst dich wohl nie ändern. Du hast schon immer die richtigen Worte im passenden Moment angebracht. Dies war auch eine der Vorlieben, die deine Frau immer an dir bewundert hatte.“

„Ich erinnere mich. Sie hatte mir das mal gesagt.“

Kurz schweiften meine Gedanken zu meiner verstorbenen Frau. Es tat nach wie vor noch ein wenig weh, wenn andere so unvermittelt von ihr anfingen zu reden. Mittlerweile komme ich aber besser damit klar. Anfangs hatte ich mich schnell zurückgezogen, um allein mit meinen Gedanken sein zu können. Der Schmerz über ihren Verlust war einfach zu groß gewesen, weswegen ich die Gesellschaft von Freunden nicht lange ertragen konnte. Auf Dauer wusste ich aber, dass das nicht so weitergehen konnte. Ich musste eben stark sein. Allein schon für meine Kinder. Ob es mir nun schwerfiel oder nicht.

„Na gut! Also, mich führen zum einen eine Bestellung hierher und der andere Grund ist der, dass ich mal hören wollte, wie sich dein neuer Angestellter macht.“

Mirabelle ist wirklich eine sehr gute Freundin. Natürlich hatte sie gesehen, dass ich mit meinen Gedanken bei meiner Frau gewesen war. Sie machte auch kein Geheimnis daraus. Mit einer Selbstverständlichkeit nahm sie es zur Kenntnis und bedeutete mir mit ihrem mitfühlenden Blick, dass sie immer für mich da ist, wenn ich jemanden zum Reden brauchte. Ich wusste, dass ich mich diesbezüglich auf sie verlassen konnte.
 

Wir tauschten gerade die neuesten Informationen aus, als die Tür hinter der Ladentheke aufging und ein junger Mann durch diese in den Laden trat. Er war mir völlig fremd, aber mir war sofort klar, dass er der neue Angestellte sein musste. Im ersten Moment war es schwierig für mich zu sagen, was ich von ihm halten sollte. Ein junger Mann, der kaum älter als 20 Jahre sein konnte, mit weißen Haaren, die ihm nach vorne ins Gesicht fielen und es fast bedeckten. Seine Augen konnte man kaum erkennen. Von dem, was ich sehen konnte, wirkten sie finster, fast sogar bedrohlich. Obwohl…Nein! Nicht bedrohlich, eher ziemlich ernst und gleichgültig. Zudem war er recht hoch gewachsen, etwa so groß wie mein eigener Sohn. Seine Statur wirkte sportlich und demnach gut durchtrainiert. Bestimmt besaß er viel Kraft in den Armen und wusste, was körperliche Arbeit bedeutete.

Jedoch musste ich mich unweigerlich fragen, was Mirabelle dazu bewogen hatte, diesen befremdlichen jungen Mann einzustellen. Seine Kleidung war in Ordnung. Eine schwarze Jeans und ein dunkelblaues Shirt. Nichts Auffälliges. Vom Weiten machte er gewiss einen passablen Eindruck. Allerdings, von der Nähe betrachtet, konnte ich ihn nicht wirklich einordnen. Er wirkte auf mich distanziert, gleichgültig gegenüber seinem Umfeld.

„Oh, Vaughn! Gut, dass du gerade kommst. Dann kann ich dich gleich einem unserer Stammkunden vorstellen. Außerdem ist er ein sehr guter Freund von uns.“

Mirabelle fing freudig an zu reden. Mir fiel auf, dass sie mit ihm sprach, als würde sie ihn bereits länger kennen. Sie lächelte ihn an und zog ihn so selbstverständlich ins Geschehen hinein, was mir auf eine gewisse Weise absurd vorkam.

„Andreas, darf ich vorstellen? Dieser junge Mann hier ist Vaughn. Seit drei Tagen ist er fest bei uns angestellt. Er hat auch eine Wohnung hier in der Nähe. Und Vaughn, dieser nette Herr hier ist Andreas. Er ist der Besitzer des Landwirtschaftsbetriebes, welches sich östlich von hier entfernt befindet.“, stellte uns Mirabelle gegenseitig vor.

„Willkommen, Vaughn. Auf eine gute Zusammenarbeit.“ Ich reichte ihm meine Hand, die er zugleich ergriff.

„Guten Tag. Ganz meinerseits.“

Seine Stimme war tief und ruhig, als er sprach. Selbst meinem Händedruck konnte er problemlos standhalten. Was diesen Punkt betrifft, hatte ich richtig gelegen. Vaughn war harte Arbeit gewohnt und scheute sich nicht mit anzupacken, wenn es gefordert war. Dessen war ich mir sicher. Trotzdem war nicht mehr aus ihm herauszukriegen.

Nachdem wir uns die Hände gereicht hatten, wandte er sich abrupt an Mirabelle und war danach so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war.

„Er macht keinen allzu gesprächigen Eindruck.“, offenbarte ich Mirabelle. Am liebsten hätte ich ihr sämtliche meiner Befürchtungen, was Vaughn betrifft, vorgehalten und sie um eine ausführliche Erklärung gebeten, warum sie ihn unter Vertrag genommen hat. Jedoch war ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirklich in der Lage, mir ein endgültiges Urteil über Vaughn an zu maßen. Es war verdammt schwer ihn richtig einzuschätzen. Trotzdem blieb dieses Gefühl, das er merklich sonderbar auftrat.

„Ich weiß, was du meinst.“, fing Mirabelle an zu reden. „Es mag den Eindruck machen, dass er sich nicht gerne mit anderen unterhält, aber ich denke, dass er sich erstmal richtig eingewöhnen muss, bevor man das endgültig beurteilen kann. Außerdem hat er einen fantastischen Umgang mit Tieren, du solltest ihn mal dabei beobachten. Es scheint so, als ob die Tiere ihm vertrauen würden.“

„Hmm. Ich hoffe du weißt, worauf du dich eingelassen hast.“

„Danke, Andreas. Es ist lieb von dir, dass du dich so um uns sorgst, aber mach dir mal keine unnötigen Gedanken. Ich habe ein gutes Gefühl, was Vaughn betrifft.“
 

Dem konnte ich mich zwar nicht anschließen, aber mir blieb schließlich keine andere Wahl, als es erstmal hinzunehmen. Ich musste Mirabelles Urteilsvermögen vertrauen, doch ein Rest Bedenken blieb.

Ich war nicht konkret in der Lage zu benennen, was mir an Vaughn nicht gefiel. Es war nur ein ungutes Gefühl. Doch ich nahm mir vor, erst einmal abzuwarten, was passieren würde. Vielleicht stellte sich am Ende meine Vermutung als verkehrt heraus und ich hätte mir umsonst Sorgen gemacht.

Die Zeit würde uns die Antwort schon noch liefern.
 

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Hi!
 

Dieses Kapitel ist viel länger geworden, als ich es ursprünglich geplant hatte. Ich hoffe, dass es euch trotzdem gefallen hat. Über zahlreiche Kommentare würde ich mich selbstverständlich freuen.

Auch dieses Kapitel ist aus Andreas Perspektive erzählt wurden. Im Laufe der Fanfiction habe ich vor diesbezüglich zwischen den Protagonisten zu wechseln. Aber keine Sorge, es wird kenntlich gemacht, welche Perspektive es gerade ist.

Also dann, bis zum nächsten Mal!

Gruß, jane-pride



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Marronfan
2013-03-01T11:58:50+00:00 01.03.2013 12:58
Wieder ein schönes Kapitel. Allerdings fand ich Dieses teilweise nicht ganz so schön zu lesen. Manchmal wurde es irgendwie zu förmlich und steif. Daher kamen die Gefühle zwischen Vater und Kindern bzw. Freunden irgendwie befremdlich rüber.
Die Story ist aber toll, ich freue mich wenns weiter geht.
LG
Von:  Dereks_Hexchen
2013-02-26T10:16:29+00:00 26.02.2013 11:16
Auch wieder sehr schön zu lesen^^
und ich finde es nicht zu lang, wenn du jeden Zeitabschnitt in ein eigenen Kapitel gemacht hättest, wären sie verdammt kurz geworden.
Also ist es so, wie es ist gut verpackt ;)
*däumchen hoch*
LG Rena


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