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Harvest Moon - The Distance Between Us

Chelsea&Vaughn
von

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Ein ganz normaler Montag

Kapitel 12
 

Ein ganz normaler Montag
 

Am Tag, nach der Pyjamaparty, waren die Mädchen noch total erschlagen. Zwar standen sie erst ab 11 Uhr auf, dennoch fühlte sich keine von ihnen so richtig ausgeschlafen, geschweige denn ausgeruht. An diesem Zustand konnte nur der Horrorfilm verantwortlich sein. Damit waren sich allesamt einig.
 

Daher, fiel es auch niemanden von ihnen sonderlich auf, dass Chelsea abwesender war als sonst. Die Ereignisse der letzten Nacht waren noch längst nicht von ihr verarbeitet wurden. Der Schreck war zum größten Teil verflogen, aber ihre Peinlichkeitsrate, dafür noch recht hoch.

Bestimmt schon, zum tausendsten Mal an diesem späten Morgen, fragte sie sich, warum sie das Pech momentan magisch anzog. Zuerst, blamierte sie sich vor Denny, der sie dabei ertappte, wie sie Selbstgespräche führte. Und letzte Nacht, Vaughn, der sie dummerweise für einen Einbrecher hielt und noch dazu, fast splitternackt gesehen hatte. Im Grunde genommen, war es zwischen den beiden beinahe ausgeglichen gewesen, denn auch er war nur in einer Jogginghose bekleidet vor ihr gestanden. Trotzdem, stimmte diese Tatsache Chelsea keinesfalls wohler.

Sie kannte Vaughn nicht richtig und doch, musste sie zugeben, dass sie nicht schlecht fand, was sie gesehen hatte. Chelsea hatte noch nie, bis auf ihren Vater oder ihren Bruder mit nackter Brust gesehen, doch die gehörten zur Familie, das war nichts Ungewöhnliches. Umgekehrt, hatten sie, sie auch schon öfter im Schlafanzug gesehen, wobei sie meist noch einen Morgenmantel drüber gezogen hatte. Allerdings, hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie ihn benötigen würde und hatte ihn gar nicht erst eingepackt. Hätte sie es vorher geahnt, was letzte Nacht geschah, hätte sie es getan. Jemand Fremden, halbnackt zu sehen, war für ein so vernünftiges Mädchen wie sie eines war, nichts Alltägliches und zudem, unendlich peinlich.
 

Fürs Erste, beschloss Chelsea diese Begegnung für sich zu behalten. Sie war schon heilfroh gewesen, dass sie Vaughn nicht mehr am hell lichten Tag über den Weg gelaufen war. Er musste bereits, früher zu sich nach Hause gegangen sein. Aus Neugierde wollte sie schon Mirabelle fragen, ließ es aber bleiben, da immer eine ihrer Freundinnen anwesend war und sie hätten dann auf der Stelle wissen wollen, warum sie nach ihm fragte.

Also, behielt sie ihr Geheimnis für sich. Dabei konnte sie ein verschmitztes Lächeln nicht unterdrücken. Des Weiteren, fiel ihr absolut nicht auf, dass sie keinen Gedanken an Denny hegte, obwohl sie ihn morgen wieder treffen würde.
 

+++++
 

Das Treffen zwischen Chelsea und Denny war auch nicht wirklich spektakulär. Zumindest, empfand es Chelsea so. Einigen Klassenkameraden von den beiden, war letzten Freitag schon aufgefallen, dass das Mauerblümchen vom Land und der gutaussehende Neue sich unterhalten hatten. Da sie sich am Montag wieder in der Pause auf dem Schulhof trafen, schlossen sie daraus, dass wohl etwas mehr im Spiel sein musste, als sie vorhab annahmen.
 

„Hallo, Chelsea! Du siehst irgendwie müde aus.“, begrüßte Denny sie vom Weiten und kam ihr ein Stück entgegen.
 

„Guten Morgen, Denny. Ja, ich habe nicht viel Schlaf gefunden, die letzten zwei Nächte.“

„War euer Mädelsabend so anstrengend?“

„Woher weißt du davon?“, fragte Chelsea perplex nach.
 

„Nathalie.“, antwortete Denny und lächelte sie an. „Vor der ersten Stunde am Schultor hatte sie das Lukas und den anderen von uns erzählt.“
 

„Ach so. Wundern tut mich das nicht.“, entgegnete Chelsea und sah für einen kurzen Moment zu ihrem Klassenzimmer auf, welches sich direkt über ihnen befand. Von ihrem Klassenzimmerfenster aus, konnte man sehr gut den kompletten Schulhof überblicken.

Es überraschte sie auch keineswegs, dass sie ihre vier Freundinnen am Fenster stehend erwischte. Einzig, Sabrina fühlte sich ertappt und wandte sich verlegen ab, aber die anderen drei grinsten sie frech an und hoben wichtigtuerisch die Daumen.
 

Denny lachte, woraufhin Chelsea sich wieder ihm zuwandte.

„Tut mir Leid. Meine Freundinnen sind eben sehr neugierig.“
 

„Das ist kein Problem. Ich finde es lustig. Aber, sag mal, was ich dich Freitag gefragt hatte.“, lenkte Denny das Thema gekonnt zum eigentlichen Grund ihres Treffen. Sofort, wurde der Brünetten ganz mulmig zumute. Irgendwie, hatte sie gehofft, dass es nicht zur Sprache kommen würde, was von ihr sehr naiv war.
 

„Wie hast du dich entschieden? Gehen wir mal zusammen aus?“
 

Warum musste dieser Typ nur so direkt sein? Können wir nicht einfach übers Wetter reden? Chelsea war ein wenig verzweifelt. Zwar hatte sie mit ihren Freundinnen lang und ausführlich deswegen diskutiert, aber jetzt in diesem Moment, wo es soweit war, wäre sie am liebsten geflüchtet. Allerdings, wäre das Problem damit nicht aus der Welt geschafft, sie würde es nur noch schlimmer machen. Außerdem, würde sie von ihren Freundinnen eine Predigt verpasst bekommen, dass ihr garantiert hinterher die Ohren abfielen.
 

„Nun ja, also, es ist so, von mir aus. Ich meine, ja.“ Mein Gott, bin ich am stottern.
 

„Klasse!“, freute sich Denny, offensichtlich. „Ist aber alles in Ordnung, Chelsea? Fühlst du dich auch wohl dabei?“, hakte er zu allem Überfluss noch nach.

„Wie? Klar, ähm, sicher. Mir geht es gut.“

„Wirklich?“

„Ja, doch.“, versuchte Chelsea ihm mit Nachdruck zu versichern. „Es ist nur, bisher wurde ich noch nie gefragt, ob jemand mit mir ausgehen will. Das ist alles.“
 

Sie versuchte es, locker rüberkommen zu lassen, hatte aber keine Ahnung, ob es funktionierte. Die Hauptsache war, dass Denny nicht weiter nachfragte.
 

„So ist das. Also gut. Dann, was hältst du von diesem Freitag, direkt nach der Schule? Wir können zusammen etwas essen gehen und dann zeigst du mir die Gegend, einverstanden?“
 

Chelsea brachte bloß ein Nicken zustande, doch Denny war damit zufrieden. Nachdem, die Pause vorbei war, machte sich Chelsea einigermaßen erleichtert auf den Weg zurück ins Klassenzimmer. Das Schlimmste stand ihr allerdings noch bevor.

Ihre Freundinnen würden alles haargenau berichtet haben wollen und sie deswegen stundenlang löchern. Eine überaus gewaltige Freude stieg in Chelsea auf…
 

+++++
 

Obwohl, Vaughn von Mirabelle für heute frei bekommen hatte, war er pünktlich zur Arbeit erschienen und hatte seine Vorgesetzte gebeten, ob es nicht möglich wäre, anstatt heute, den kommenden Freitag frei zu bekommen. Alle zwei Wochen, hatte Vaughn ein komplettes Wochenende frei. Dadurch, hätte er dann drei Tage hintereinander frei, was ihm nur sehr gelegen kam. Kurzfristig, hatte er nämlich beschlossen, seinen neuen Wohnort genauer zu erkunden, bzw. anzusehen. Zu seinem Glück, stimmte Mirabelle dem zu.

Auf ihre Frage, was mit ihm los war, erhielt sie jedoch keine Antwort. Es war dem jungen Mann anzusehen, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Außerdem, überraschte es Mirabelle, dass ihr Angestellter zum ersten Mal, seitdem er bei ihr angefangen hatte zu arbeiten, eine Bitte an sie richtete. Bisher, war es noch nie vorgekommen und die Pensionsleiterin wunderte sich sehr darüber.

Natürlich war es nicht anders zu erwarten und Vaughn hüllte sich in Schweigen.
 

Der junge Mann, hatte am Sonntagmorgen, fluchtartig Mirabelles Haus verlassen ohne sich zu verabschieden. Unter allen Umständen, wollte er es vermeiden, Chelsea erneut zu begegnen, nachdem er ihr in der Nacht einen gewaltigen Schrecken eingejagt hatte. Dummerweise, war dies nicht der einzige Grund. Mit dieser Tatsache hätte er sich noch arrangieren können, immerhin hatte er sich mehrmals bei ihr entschuldigt und Chelsea schien zum Glück nicht all zu nachtragend zu sein. Trotzdem, hatte er die Angst in ihren Augen gesehen, und dieses Bild ließ sich nicht so leicht wieder verdrängen. Wie konnte er auch nur so blöd sein, und sie von hinten im Dunkeln attackieren? Es war auch ihm klar, dass man sowas nicht mit ein paar gut gemeinten Worten wieder bereinigen konnte. Nein, dazu gehörte mehr und Vaughn wollte seine Schuld so schnell wie möglich begleichen.
 

Seine guten Motive waren ernst gemeint, dennoch halfen sie ihm im Moment nicht gerade viel. Ständig musste er an dieses Mädchen denken, egal was er gerade tat. Ob er die Tiere fütterte oder das Gehege säuberte, bei jeder Tätigkeit, erschien Chelsea vor seinem inneren Auge und er fluchte deswegen mehrere Male laut vor sich hin, dass sich sämtliche Tiere vor ihm erschreckten.

Selbst in seiner Mittagspause, konnte er nicht zur Ruhe kommen. Er mied jeden Menschenkontakt auf der Arbeit und war einsilbig zu den Kunden, als er am Nachmittag die Kasse bediente.

Was war nur mit ihm los? Nicht nur, dass Chelsea in seinen Gedanken permanent auftrat, nein, zu seinem Leidwesen, stellte er sie jedes Mal dabei in ihrem knappen Schlafanzug vor. Er musste zugeben, dass ihm der Anblick, den sie geboten hatte, gefiel und er sogar in der letzten Nacht von ihr geträumt hatte. Dabei hatte sich Vaughn, hoch und heilig geschworen, sich für die nächste Zeit mit keiner Frau einzulassen oder an eine zu denken. Also, warum ging ihm Chelsea nicht wieder aus dem Kopf?

Wie alt war sie überhaupt? Bestimmt im selben Alter, wie Julia. Demnach, nicht älter als 17 Jahre. Kein großer Altersunterschied zwischen uns beiden.

Moment Mal! Was soll das jetzt schon wieder? Es musste unbedingt wieder aufhören, aber wie?

Dieses Mädchen will mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Vielleicht, sind meine Schuldgefühle so groß, dass ich deswegen dauernd an sie denken muss. Und es hört erst wieder auf, wenn ich es wieder gut gemacht habe. Eine andere Wahl habe ich nicht.
 

Stundenlang, zerbrach sich Vaughn seinen Kopf darüber, warum er ununterbrochen an Chelsea denken musste. Er kam auf viele verschiedene Theorien, doch nicht auf die, dass er sie wahrscheinlich gern hatte, und sie einfach nur wiedersehen wollte.
 

+++++
 

„Eine ganze Woche den Schulhof fegen? Sagt mal, haben Sie die noch alle?“, entrüstete sich Nathalie und warf zugleich ihren Besen zu Seite.
 

Nathalies Ausbruch hatte den Grund, dass an diesem Tag, ihre Strafe fürs Zuspätkommen begann. Jedes der fünf Mädchen, war derselben Meinung, dass dies keine angenehme Strafe war. Es war zwar schon Oktober, aber heute war wieder ein recht warmer Tag und die Sonne hatte es wahrlich in sich.
 

„Wir haben Herbst, verdammt!“, wütete das pinkhaarige Mädchen weiter. „Will die Sonne uns jetzt ebenfalls verarschen? Außerdem, muss ich nachher weiterarbeiten! Was denken Sie sich? Haben alle ihren kleinen Verstand verloren?“
 

„Jetzt, beruhige dich doch, Nathalie.“, wandte sich Sabrina an ihre Freundin. „Dein Gebrüll macht das ganze auch nicht besser.“

„Schon kapiert. Aber man darf sich wohl noch aufregen.“
 

„Lasst uns über Denny reden.“, verkündete Lana in die anstrengende Arbeit. Während dessen, verdrehte Chelsea ihre Augen. Als ob, die zwei letzten Schulpausen, die sie dazu ausgiebig genutzt haben, nicht ausreichend gewesen wären.
 

„Was wollt ihr denn noch wissen?“, fragte sie auch genervt. „Ich habe euch doch schon ALLES erzählt.“

„Das wissen wir.“, erwiderte Lana neunmalklug. „Wir könnten Alternativen durchgehen, über Gesprächsthemen, zum Beispiel.“

„Das ist eine hervorragende Idee.“, klinkte sich Nathalie ins Gespräch mit ein und hob ihren Besen vom Boden auf. „Denny ist ein Sportfanatiker. Wir könnten uns über die wichtigsten Fakten informieren.“
 

„Auf jeden Fall eine Idee. Aber ich dachte eher daran, das Chelsea das Reden mit ihm üben sollte. Quasi, einer von uns tut so, als wäre er Denny und Chelsea muss darauf reagieren.“, offenbarte Lana ihren brillanten Vorschlag.

„Eine noch bessere Idee.“, stimmte Julia diesem Vorschlag begeistert zu und wirbelte eine Menge Staub auf.

„Hör auf damit, Julia. Sonst gelangt von der dreckigen Erde noch etwas in unsere Lungen.“, warnte Sabrina sie, die ihr am nächsten stand und rieb bereits ihre Augen, die angefangen hatten zu Tränen.

„Ups! Sorry, Sabrina.“
 

„Also, Chelsea, was hältst du davon?“, fragte Lana ihre Freundin.

„Ganz ehrlich? Ich halte es völligen Quatsch.“

„Aber wieso denn?“, wollte Nathalie wissen und hörte erneut mit ihrer Arbeit auf. „Chelsea, wir alle wissen, dass du im Umgang mit Jungs immer sehr schüchtern bist. Du solltest die Hilfe annehmen.“

„Genau.“, sprach Lana zu ihr. „Es ist doch nur zu deinem Besten.“
 

„ZU MEINEM BESTEN?“
 

Vor Schreck ließen Lana, Nathalie, Julia und Sabrina fast ihre Besen fallen, was Chelsea zusätzlich zu ihrem Ausbruch getan hatte.
 

„Ihr hört sofort auf damit, mich ÄNDERN zu wollen, verstanden? Bisher, gab es nicht den geringsten Anlass für euch, das zu tun. Also, warum jetzt? Warum ist es für euch so wichtig, dass ich mit Denny ZUSAMMEN KOMME? Was soll das? Und warum glaubt ihr, dass ich nur dann einen Freund abkriege, wenn ich mich komplett ändere? Bin ich denn ein solches Mauerblümchen, dass so unscheinbar ist, dass nie ein männliches Wesen auf die Idee kommen würde, mich haben zu wollen?“
 

Tränen liefen Chelsea über das Gesicht. Mit einem solchen Wutausbruch hatte sie selber ebenso wenig gerechnet, wie ihre Freundinnen, die ohne Ausnahme betreten zu Boden blickten.

Inzwischen, war es Chelsea zu viel geworden. Denny, der Neue an ihrer Schule, Nathalie, die bei ihr vorübergehend wohnte und sie sich mindestens einmal am Tag mit ihrem Vater über sie unterhielt, weil sich Angestellte nach wie vor noch über sie beschwerten, dann Julia und ihre anderen Freundinnen, die sie unbedingt verkuppeln wollten, ihre dämlich Strafarbeit fürs Zuspätkommen, und dann noch Vaughn, der ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf ging. Das alles war zu viel für sie.

Soviel hatte sich mit einem Mal verändert, sie erkannte ihre Freundinnen kaum wieder. Allerdings, verstand sie sich selber auch nicht mehr. Alles hatte gepasst, war in Ordnung für sie gewesen, doch seit einiger Zeit hegte sie Zweifel, die sie nicht nachvollziehen konnte, die sie einfach nicht mehr loslassen wollten.

Sie wollte mit jemanden darüber reden, aber mit wem? Wer würde sie verstehen?

Chelsea dachte, dass ihre Freundinnen, die richtigen dafür wären, aber sie hatten bloß Jungs und noch mal Jungs im Kopf. Etwas Anderes, fand zu Zeit keinen Platz.
 

Chelsea fühlte sich so einsam, wie schon lange nicht mehr. Leider, sah sie daraus noch keinen Ausweg.
 

„Chelsea, wir…“
 

Doch, Chelsea hörte nicht mehr zu. Sie wollte nicht mehr zuhören. Abrupt, drehte sie sich um, und ließ ihre Freundinnen, sprachlos, wie sie waren, alleine auf dem Schulhof zurück.
 

+++++
 

Zum ersten Mal in ihrem Leben, soweit Nathalie zurückdenken konnte, war sie sprachlos und fühlte sich zudem machtlos.

Nachdem Chelsea, nach ihrem Wutausbruch das Weite gesucht hatte, war Nathalie auf Drängen ihrer Freundinnen, ihr hinterhergelaufen. An der Bushaltestelle hatte sie ihre Freundin eingeholt, die noch immer mit ihren Tränen kämpfte. Die Pinkhaarige wollte sie trösten, wusste allerdings nicht wie und stieg stumm hinter ihr in den Bus ein.

Diese Fahrt war die längste gewesen, die sie je mit einem Bus unternommen hatte, obwohl sie seit zwei Wochen täglich mit dieser Linie unterwegs war. Das bedrückte Schweigen zwischen den beiden, machte die Situation auch nicht besser.

Chelsea weigerte sich stur, ihre Freundin anzusehen und starrte pausenlos aus dem Fenster. Während, Nathalie nicht wusste, was sie dagegen unternehmen sollte und beließ es einfach dabei.
 

Dummerweise, wartete bei Chelsea zu Hause die nächste Überraschung auf die Mädchen. Als sie die Küche betraten, fiel Nathalie, überrumpelt wie sie war, die Kinnlade runter, da ihre Mutter und ihr Großvater, zusammen mit Chelseas Vater am Küchentisch saßen und dampfende Kaffeetassen vor sich stehen hatten. Ihren Gesichtern war anzusehen, dass alle nicht unbedingt glänzender Laune waren.

Vorerst, stellte sich Nathalie ahnungslos, obwohl sie vermutete, was der Besuch zu bedeuten hatte.
 

„Na so was, das ist aber eine Überraschung.“, begrüßte Nathalie ihre Mutter und ihren Großvater in einem viel zu hellen Ton. „Was treibt euch denn hierher?“
 

„Jetzt tu nicht so ahnungslos, Nathalie.“, richtete Taro zugleich das Wort an sie ohne sie zu begrüßen. Seine Stimme war mächtig gereizt. „Zwei Wochen hören wir kein Wort von dir. Weigerst dich ans Telefon zu gehen, wenn deine Mutter anruft. Dabei wollten wir schon gerne erfahren, wie es dir hier so geht, wie die Arbeit ist und so weiter. Aber nein! Unser kleines Fräulein ignoriert ihre einzige Familie und hat nur sich selber im Kopf, wie es scheint. Dazu kam heute ein Brief aus eurer Schule an und teilt uns mit, dass fünf junge Damen zu spät zum Unterricht am Freitag erschienen sind!“
 

Damit hatte weder Nathalie noch Chelsea gerechnet. Sie dachten, dass die Sache zwischen ihrem Klassenlehrer und den Mädchen blieb, immerhin waren sie keine kleinen Kinder mehr. Sofort ballte Nathalie unbemerkt ihre Fäuste. Diese verdammten Pauker! Die hielten sich wohl für was Besseres und sahen es als ihre Pflicht an, diesen Vorfall ihren Eltern zu melden. Dabei handelte es sich, um lausige 20 Minuten!

Das teilte Nathalie auch ihrer Mutter und ihrem Großvater mit, doch sie waren davon weniger milde gestimmt.
 

„Trotzdem!“, beharrte Taro weiterhin. „Es kann nicht sein, dass ihr euch stundenlang unterhält und darüber hinaus die Zeit vergisst! Wir wollten dir etwas mehr Verantwortung übertragen, Nathalie. Aber wenn, das hier so weiterläuft, sehen wir schwarz mit dir.“
 

„Auch ich hätte das niemals von dir gedacht, Chelsea.“, wandte sich Andreas an seine Tochter. „Ich habe dich nicht zur Nachlässigkeit erzogen. Dir war so etwas noch nie passiert. Und ich möchte auch nicht, dass sich das wiederholt. Haben wir uns verstanden?“

„Ja, Vater.“
 

„Gut. Felicia, Taro und ich haben uns überlegt, dass es vielleicht am besten wäre, wenn Nathalie wieder zu ihrer Familie geht. Wir hatten eigentlich gedacht, oder besser gesagt, wir sind davon ausgegangen, dass sich dein vorbildliches, verantwortungsbewusstes Verhalten auf Nathalie überträgt. Es hat sich leider gezeigt, dass dem nicht so ist.“
 

„Aber, Vater. Es war bloß einmal. Das kann doch mal passieren. Außerdem, was sind schon 20 Minuten…“
 

„20 Minuten? Ich sage, es dir Chelsea. Jetzt mögen es nur zwanzig Minuten sein, doch was kommt als nächstes? Eine Stunde oder ein ganzer Tag? Ich kenne dich so gar nicht, Chelsea. So hast du früher nie darüber gesprochen. Ich dachte, die Schulbildung sei dir wichtig.“

„Das ist sie auch. Aber…“

„Und außerdem, werden du und dein Bruder diesen Hof übernehmen. Damit du in drei Jahren ebenfalls studieren gehen kannst, darfst du in der Schule nichts verpassen.“
 

Diese Information traf Chelsea völlig unerwartet, doch sie bestätigte, was sie insgeheim bereits befürchtet hatte. Ihr Vater wollte sie ebenso hier behalten, wie ihren Bruder. Zwar, interessierte sich Mark auch dafür und konnte sich für die Landwirtschaft und sein Studium begeistern, aber sie selber, hegte kein all zu großes Interesse daran, dass sie das später auch beruflich weiterverfolgen wollte. Außerdem, was würde ihr dieses Studium nützen? Für die physische Arbeit ist sie als Mädchen nicht geschaffen, an die Maschinen lässt man sie auch nicht ran. Nicht, dass sie es wollte, aber wenn man es mal in Betracht zog.

Auf den Feldern wird sie eingesetzt, wenn Erntezeit ist und der Haushalt war ihre Aufgabe. Sie war vielmehr eine Hausfrau, die die Männer bewirten kann, damit sie die eigentliche Arbeit verrichten können, und nicht vor Hunger dabei umkommen.
 

Neben ihrer Traurigkeit spürte sie immer mehr Wut. Wut und Enttäuschung auf ihr Leben und ihre Stellung, die sie ein Leben lang hier einnehmen soll. Sie wusste nicht wie sie darauf reagieren sollte. Warum wollte nur jeder, sie so haben, wie es den anderen in ihrem Umfeld passte? Sei es ihre Familie oder ihre Freundinnen, jeder von ihnen redete auf sie ein, wie sie zu sein hatte. Das alles war nicht fair.

Wahrscheinlich, würde ihr das alles leichter fallen, wenn sie über mehr Selbstvertrauen verfügen würde und hundertprozentig wüsste, was sie eigentlich von ihrem Leben möchte. Noch viel wichtiger war es, wer sie überhaupt sein wollte.
 

Doch in einem Punkt hatten ihre Freundinnen Recht, sie besaß wahrlich nur wenig Selbstbewusstsein, denn sie wagte es nicht, ihrem Vater zu wiedersprechen. Stattdessen, senkte sie betrübt ihr Haupt.
 

„Gut.“, meldete sich Taro wieder zu Wort. „Nathalie, am Besten gehst du jetzt in dien Zimmer und packst deine Sachen. In einer Stunde werden wir fahren.“

„Aber, das könnt ihr doch nicht machen!“, wütend stampfte Nathalie mit ihrem rechten Fuß auf. „Wegen so einer Kleinigkeit, muss man doch nicht ein solches Drama veranstalten. Ich verspreche, dass sowas nie wieder vorkommt. Außerdem…“
 

„Nathalie, halt sofort deinen Mund!“
 

Entsetzt, hielt die Angesprochene in ihrem Redeschwall inne. Ihre Mutter war von ihrem Stuhl aufgesprungen und blickte ihre Tochter vorwurfsvoll und enttäuscht an.
 

„Vergiss nicht, mit wem du sprichst! Wir sind deine Eltern, auch wenn dein Vater nicht anwesend ist. Er macht sich dieselben Sorgen, wie dein Großvater und ich. Wir entscheiden, was das Beste für dich ist. Du hast uns bereits oft genug enttäuscht, dass wir das nicht mehr länger mit ansehen oder so einfach hinnehmen werden. Deine Entschuldigungen, so Leid es mir tut, dir das als Mutter zu sagen, sind nichts mehr wert. Das hat die Vergangenheit gezeigt.“
 

Mit aufgerissenen Augen stand Nathalie vor ihrer Mutter und sah sie perplex an. Noch nie, hatte sie ihre Mutter, so mit ihr gesprochen. Bisher war sie immer verständnisvoll gewesen, hatte sie vor ihrem Großvater in Schutz genommen, aber jetzt, mit einem Mal, war das nicht mehr vorhanden. Ihre Mutter war sehr enttäuscht von ihr und schien sich sogar für sie zu schämen.
 

Mechanisch bewegte sich Nathalie in ihr Zimmer. Sie sah nicht einmal Chelsea an, die ihre eigenen Probleme hatte. Selbst, nachdem sie ins Auto von ihrem Großvater stieg und den Hof hinter sich ließ, hatte sie sich nicht von ihrer Freundin verabschiedet, die wiederum nicht an der Haustür erschienen war, um ihr zum Abschied zu winken.



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