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Fremde Welten: Das Schloss am Meer (#2)

Crimsons eigene Serie, yay!
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Tag 9 Komplett anzeigen

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Zweifel

Crimson konnte nicht eingreifen. An etwas, das direkt neben ihm stattfand, konnte er nichts ändern – jedenfalls nicht durch körperlichen Einsatz. Und was seine Stimme betraf... er war so entgeistert, dass sie versagte und er nur zuschauen konnte, bis er entschied, was er dazu sagen sollte.

Sorc erhob sich vom Rand des Bettes. Der Chaosmagier überragte den Gegner, doch Kuro, der ihn gerade beschuldigt hatte, Eria bedrängt zu haben, wich keinen Zentimeter. Die Luft in der Umgebung lud sich auf und wurde schwer zu atmen.

„Hast du irgendwelche Beweise außer dem Wort des Mädchens?“ erkundigte Sorc sich. Er sprach leise, doch gerade deshalb hörte man ihn gut.

„Ich brauche keine! Ihre Angst vor dir ist mir Beweis genug!“ zischte Kuro wütend.

Die beiden Männer waren wie zwei Raubtiere, die jeweils den Gegner taxierten, bevor sie aufeinander losgingen. Mit gesträubtem Fell umkreisten sie sich lauernd...

Dark hatte lautlos seine Stuhl verlassen und sich hinter seinem Vater aufgebaut, griff aber nicht in das Geschehen ein. Auch Blacky saß nicht mehr auf dem Bett. Die beiden wirkten etwas unschlüssig, aber wahrscheinlich wollten sie verhindern, dass die Älteren aufeinander losgingen.

Crimson dachte daran, dass Sorc vor nicht ganz einem Jahr Blacky dazu gebracht hatte, seinen eigenen Geliebten anzugreifen. Er hatte sich heimlich in dessen Kopf eingenistet, und nun... nun hatte er auch den Weg in Crimsons Gedankenwelt gefunden. Vielleicht hätte er das nie zugegeben, wenn nicht die Notsituation im Bad aufgetreten wäre. Konnte er auf diesem Wege auch das Schlossherz beeinflussen? Womöglich wartete er nur auf eine Gelegenheit, um sich für die erlittene Niederlage zu rächen. Dazu konnte durchaus gehören, dass er sich beim Schlossherrn beliebt, ja unentbehrlich machte. Die Ärztin hatte er ja schon rumgekriegt. Blacky war jetzt auf seiner Seite. Sogar Olvin hatte zumindest eine neutrale Einstellung zu ihm. Vielleicht beeinflusste er den Necromanten schon länger. Er konnte sogar den Zirkel des Bösen mit seinem würdevollen Getue und seiner Kooperationsbereitschaft um den Finger gewickelt haben...

Crimson war durcheinander. Er hatte wirklich gedacht, dass mit der Zeit alles in Ordnung kommen würde... dass Sorc jetzt auf seiner Seite war, nachdem er geschworen hatte, sein loyaler Chaoshexer zu sein. Konnte er sich so getäuscht haben? Er kam sich so dumm vor... wie hatte er das glauben können? Das Vertrauen war definitiv nicht da, stellte Crimson fest. Er misstraute Sorc so sehr, dass er ihm plötzlich jede Kleinigkeit als Hinterhältigkeit auslegte. Zugleich war der Chaoshexer derjenige, dem er sein Elixier anvertrauen wollte, noch vor Dark. Wie passte das zusammen? Schon schlich sich wieder das Misstrauen ein: Weil er dich beeinflusst! All die Zurückhaltung, die nette Art... das konnte alles Taktik gewesen sein!

Sorc straffte die Schultern, obwohl die rechte vermutlich noch schmerzte. „Dein Beweis hinkt, Kuro. Dieses Mädchen hat keine Angst vor mir. Sie ist die Tochter einer Amazone, eine Kämpferin, die sich auf einen Gegner vorbereitet, bevor sie ihn angreift. Nur durch ihre Unerfahrenheit hat sie gegen mich verloren.“ Er schnaubte verächtlich. „Selbst wenn sie Angst vor mir hätte... das beweist noch gar nichts.“

„Warum sollte Eria denn lügen?“ schrie Kuro aufgebracht. „Ihr Angriff auf dich erfolgte wahrscheinlich, weil sie sich keinen anderen Rat mehr wusste!“

Hinter ihm schien Dark damit zu ringen, ob er seinen Vater zurückhalten sollte, denn Kuro machte den Eindruck, dass er sich gleich auf Sorc stürzen wollte.

Lily hatte sich diesbezüglich schon entschieden. Entschlossen betrat sie die Szene. „Hier wird nicht rumgeschrien!“ wies sie Kuro zurecht. „Bitte lass den Patienten in Ruhe!“

„Halt dich raus!“ sagte der Finsternismagier zu ihr, wobei er sich deutlich bemühte, sich ihr gegenüber nicht im Ton zu vergreifen. „Wir müssen diese Sache jetzt klären!“

„Dann solltest du Eria fragen, warum sie lügt,“ schlug Sorc ihm vor.

Weil sie dich loswerden will, dachte Crimson sogleich. Deswegen hatte sie ja auch versucht, ihn im Bad zu töten, nicht wahr? Weil sie ihn anders nicht loswurde. Sie wollte ihn bestrafen. Das hatte sie ihm selber gesagt... falls Sorc die Traumszene, die Crimson gesehen hatte, nicht manipuliert hatte. Die Zweifel waren schon wieder da!

Crimson dachte fieberhaft nach. Was konnte er noch glauben? War vielleicht sein Urteilsvermögen getrübt? Benutzte Sorc ihn nur, um bei nächster Gelegenheit wieder an die Macht zu kommen? Andererseits hatte er stets den Eindruck, dass Sorc ehrlich mit ihm war... manchmal auf eine geradezu brutale Art ehrlich. Es war leicht, jemandes Verhalten negativ auszulegen, wenn die Vorurteile nur groß genug waren. Das merkte er ja gerade selber. Seit Kuro mit dieser Anschuldigung hereingeplatzt war, ließ Crimson in Gedanken kein gutes Haar mehr an Sorc. Davor war er nicht so kritisch gewesen. Eigentlich sollte er sich dafür schämen, so wankelmütig zu sein.

„Onkel Kuro... bitte hör damit auf,“ bat er schließlich.

Der Ältere drehte sich mit einem überraschten Gesichtsausdruck zu ihm um. „Entschuldige Crimson, wenn ich zu laut war, aber diese Sache duldet keinen Aufschub.“

„Es geht mir nicht um die Lautstärke. Bitte hör auf, Sorc zu beschuldigen. Er ist Eria aus dem Weg gegangen, seit sie sich einmal kurz begegnet sind.“ Crimson bemühte ich um eine feste Stimme.

„Das glaubst du!“ widersprach Kuro. „Anscheinend nicht! Außerdem streitet er nicht einmal ab, dass er ihr etwas angetan hat!“

„Aber er hat es auch nicht zugegeben,“ stellte Crimson klar, und es erschien ihm richtig, das zu sagen. „Wenn Eria wirklich solch eine Anklage vorgebracht hat, werde ich mich darum kümmern. Es ist nicht deine Aufgabe, über Sorc zu richten, Onkel Kuro. Ich bin der Schlossherr, und der Zirkel des Bösen hat Sorc mir unterstellt. Wenn ich ihn für schuldig befinde, werde ich dafür sorgen, dass der Zirkel entsprechend reagiert.“

„Während wir darauf warten, dass der Zirkel des Bösen eingreift, kann er das Schloss in die Luft sprengen!“ regte Kuro sich auf.

„Nein, kann er nicht!“ widersprach Crimson heftig. „Sie haben nicht umsonst einen Magier dafür ausgesucht! Ich werde mit ihm fertig!“

Sorcs rechte Augenbraue zuckte, aber er äußerte sich nicht dazu. Crimson fragte sich, wie es in dem Chaoshexer aussah. Musste er nicht ernsthaft um seine Sicherheit fürchten, wo doch ein kleines Kontaktformular ausreichte, damit man ihn dauerhaft aus dem Verkehr zog? Er wirkte immer so beherrscht...

Dann erinnerte er sich wieder an die Szene im Kellerbad... als Sorc eine neutrale Miene aufgesetzt hatte, sobald weitere Personen den Raum betreten hatten. Das war es. Er trug wieder eine Maske. Immer. Denn er konnte oder wollte sich keine Schwäche erlauben. Fasziniert begriff Crimson, dass er hier einen Mann vor sich hatte, der wahrscheinlich sogar aufrechten Hauptes zu seiner Hinrichtung schreiten würde, wenn es dazu käme.

„Helft mir mal,“ murmelte Crimson. „Lily, bring mir so ein Hemdchen. Dann gib mir irgendwas gegen die Schmerzen.“ Er versuchte, sich die Bettdecke vom Körper zu ziehen, doch sein ganzer Körper wirkte müde und schwer. Sicherlich eine Folge des Heilzaubers, denn zumindest konnte er sich besser bewegen als davor, wenn auch nicht schmerzfrei. Wie viele Stufen war er heruntergefallen? Jede einzelne hatte anscheinend eine Erinnerung hinterlassen.

„Direktor, bist du verrückt?“ rief Sorc und wollte ihm zu Hilfe eilen, doch Lily schubste ihn zurück aufs Bett, bevor Kuro sich ihm in den Weg stellen konnte.

„Du bist hier selber Patient, also bleib, wo du bist!“ Die Fee wandte sich dem anderen Bett zu. „Und du! Was denkst du, was du da tust, Crimson? Du kriegst ja kaum die Beine auf den Boden!“

„Ich will zu Eria,“ setzte er fest. „Wenn ich jetzt nicht gehe, schaffe ich es nicht mehr. Ich muss zu ihr, bevor ich sie mit Schattenfieber anstecken kann...“

Kuro warf Sorc noch einen finsteren Blick zu. „Ja, von mir aus fragen wir Eria, aber du solltest liegen bleiben, Junge. Eria kann zu dir kommen.“

„Ich möchte nicht, dass sie mit Sorc im selben Raum ist,“ widersprach Crimson.

„Wieso nicht?“ meldete sich erstmals Blacky zu Wort. „Wenn sie ihm etwas vorzuwerfen hat, kann sie das in seiner Gegenwart tun, oder befürchtest du, dass er sie zu sehr einschüchtert? Dass er sie vor unseren Augen anfällt?“

„Das... ist nicht der Grund...!“ Crimson fühlte sich genötigt, seine Entscheidung zu rechtfertigen, denn irgendwie wurde er falsch verstanden. „Ich wollte nur erstmal mit ihr alleine reden... ganz in Ruhe...“

„Alternativ könnten wir Sorc in den Kerker umsiedeln,“ grinste Kuro gehässig.

„Es war Malice, der in deinem Gehirn herumgepfuscht hat, nicht Sorc!“ sagte Blacky. „Du solltest also endlich aufhören, ihn immerzu...“

„Nicht, Kay,“ unterbrach Sorc ihn. „Mach dich nicht um meinetwillen unbeliebt.“

Die Situation war denkbar ungünstig, wie immer, wenn die Väter Feinde und die Kinder Verliebte waren. Crimson nahm sich vor, dieses Problem irgendwie zu lösen, bevor es zu einem Konflickt kam, der Blackys Position als Darks Partner verkomplizierte. Umso dringender wollte er Erias Anklage überprüfen. Er fand es sehr wahrscheinlich, dass sie log – und das gefiel ihm nicht. Sie war seine Schülerin; von ihr angelogen zu werden, war einfach undenkbar. Andererseits... sie hätte in dem Fall nicht wirklich ihn angelogen, sondern Kuro. Er würde abwarten, wie sie sich ihm selbst gegenüber verhielt.

„Bring mir jetzt endlich was zum Anziehen, Lily, oder ich gehe nackt!“ verlangte Crimson nachdrücklich. „Ich könnte den Weg schon längst geschafft haben!“

„Ich als deine Ärztin kann das nicht befürworten und ich weigere mich, das auch noch zu unterstützen!“ erklärte die Fee und verschränkte trotzig die Arme.

Crimson schob mühsam zentimeterweise die Beine aus dem Bett. „Fein! Onkel Kuro, gib mir deine Schürze!“

„Was? Jetzt übertreib es mal nicht!“

„Er ist der Schlossherr. Ihr solltet seine Entscheidungen befolgen,“ sagte Dark, der plötzlich mit einem der Krankenhemdchen bei ihm auftauchte. „Auch wenn seine Wünsche euch nicht logisch erscheinen... er muss sich nicht dafür rechtfertigen. Das solltest du wissen, Vater.“

Kuros Gesicht lief rot an. „Ich... hmpf!“

Auch Lily war das wohl etwas peinlich. „Na wie du meinst... ich hole dir ein Schmerzmittel. Aber beschwer dich nicht!“

Das tat Crimson dann auch nicht, obwohl Lily natürlich mit einer ihrer Injektionsampullen zurückkehrte. Was sie ihm verabreichte, hatte nicht er hergestellt, deshalb mochte er es nicht. Und er mochte die Nadeln nicht. Aber im Moment war es ihm egal, also ließ er sie machen.

„Es wird einen Moment dauern, bis es wirkt,“ teilte Lily ihm sachlich mit.

Während er darauf wartete, dass die Wirkung eintrat, ließ er sich von Dark in das Hemdchen helfen. Es war wirklich bedauerlich, dass Dark noch keine Gelegenheit gehabt hatte, ihm eine vernünftige Robe zu holen, aber es musste auch so gehen. Hoffentlich war das Zimmer, in dem sich Eria jetzt befand, nicht zu weit weg. Crimson fand schon das, was er bisher erreicht hatte, sehr anstrengend und schweißtreibend.

„Ähm... Entschuldigung...“

Alle sahen zur Tür, die unbemerkt aufgeschoben worden war.

„Uhm... Meister, du musst nicht zu mir kommen,“ sagte Eria. „Cathy hat mir erzählt, was hier vorgeht, deshalb bin ich hergekommen.“ Sie schloss die Tür hinter sich und wandte sich den Anwesenden zu, wobei sie Haltung annahm und das Nachthemd glatt strich, das sie trug.

Cathy materialisierte sich. „Entschuldigt, Meister, ich weiß, dass Ihr andere Wünsche hattet, aber wir befinden uns im Quaranthänemodus. Dieser erlaubt es mir, medizinische Belange vorrangig zu behandeln, wenn das für das Schloss besser ist. Zur Zeit kann ich Euch nicht gestatten, Eure Kraft unnötig zu verbrauchen.“

Crimson wollte protestieren, besann sich aber eines Besseren vor all den Leuten. „Ich wollte dich eigentlich nicht dieser Situation aussetzen, Eria,“ sagte er statt dessen.

„Aber ich kann auch nicht zulassen, dass du in deinem Zustand den Weg zu mir auf dich nimmst,“ lächelte das Mädchen zaghaft. „Es ist schon gut so... ich will etwas sagen, das alle angeht. Sorc, wie geht es dir?“

Der Chaosmagier wurde anscheinend völlig von ihrer Frage überrascht, denn man sah das deutlich auf seinem Gesicht. „Ähm... ganz gut, würde ich sagen.“

Eria behielt ihr Lächeln bei, aber es nahm einen bösen Zug an. „Das ist... bedauerlich.“ Sie kam näher, bis auch sie bei den beiden Betten stand. „Du hättest wenigstens den Anstand haben können, einige Tage lang Schmerzen zu leiden... vielleicht ein bisschen Wundfieber dazu? Dann hättest du vielleicht ansatzweise verstanden, was du uns angetan hast!“

„E-Eria...“ Crimson war entsetzt, so kannte er sie gar nicht. Sie hatte zumindest in Gegenwart weiterer Personen keine Angst vor Sorc.

Sie sah ihn an, und der gehässige Gesichtsausdruck wich einem bedauernden. „Es tut mir Leid, Crimson, ich wollte dich nicht hintergehen. Aber jemand von uns musste etwas unternehmen! Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, mit dem Kerl unter einem Dach zu leben... dich mit ihm unter einem Dach zu wissen! Du hast so blind darauf vertraut, dass Lord Genesis weiß, was er tut. Hast du mal überlegt, dass er Sorc vielleicht hergeschickt hat, damit du dich rächen kannst?“

„Was? Nein... das würde er nie tun, ohne es mir zu sagen!“ Allerdings wäre es dem Vampir zuzutrauen. Wenn wirklich jemand Crimsons Anmeldung gefälscht hatte, wusste Genesis es vermutlich nicht und dachte vielleicht, dass der Schlossherr sich genau diese Chance erhoffte.

„Am Anfang... habe ich noch gar nicht so weit gedacht...“ fuhr Eria fort. „Ich war nur schockiert, als ich ins Schloss zurückkehrte und feststellen musste, dass auch Sorc hier ist. Von dir geduldet! Ich suchte verzweifelt nach einem Weg, ihn loszuwerden... da erschien mir Cathy und berichtete mir alles über dein Gespräch mit Sorc, das ihr über seine Gerichtsverhandlung und das Rehabilitationsprogramm hattet... und das Kontaktformular... Ich habe es aus deinem Zimmer gestohlen und deine Schrift imitiert. Cathy konnte mir dabei helfen. Er fand Dokumente, die du besonders sauber handschriftlich verfasst hast, und ich malte die Buchstaben sorgfältig ab. Natürlich hoffte ich auch, dass die vom Zirkel deine Handschrift nicht so gut kennen. Sobald die Unterschrift auf dem Formular war, löste es sich auf – anscheinend haben diese Zettel einen Teleportzauber auf sich, schließlich sind sie ja auch für Notrufe gedacht.“

„Also warst das wirklich du,“ murmelte Crimson betroffen.

Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Ja... ich habe mich gewundert, warum du mich nie gefragt hast. Wahrscheinlich wäre ich nicht in der Lage gewesen, dich anzulügen. Aber du hast nie gefragt. Und du hast leider auch nicht die Gelegenheit genutzt. Mir war ja klar, dass du darauf kommen würdest, dass jemand das Formular gefälscht hat, aber du hättest die Gelegenheit nutzen können! Zack, wir wären Sorc losgewesen. Diesmal für immer.“

„Also hast du dann beschlossen, dich selbst darum zu kümmern...“ schlussfolgerte Crimson. „Und Cathy hat dir wieder geholfen, weil er dachte, dass es insgeheim mein Wunsch ist.“

„Ja... es war nicht ganz einfach für mich, aber ich konnte mich mit ihm verbinden und mir Kraft von ihm leihen. So wurde meine Angriffskraft vervielfacht. Cathy wartete auf eine Gelegenheit und sagte mir Bescheid. Sorc war im Bad, umgeben von Wasser, meinem Element, und du hast geschlafen. Das war ideal. Ein unbewaffneter Gegner, der mich unterschätzt.“ Eria seufzte. Ihre Haltung sank frustriert in sich zusammen. „Es lief so gut... fast hätte ich ihn gehabt. Ich kann mich nur nicht mehr ganz klar erinnern... Als ich in einem Bett wieder zu mir kam, hat Cathy mir erzählt, dass du aufgewacht bist und eingegriffen hast. Und auch, dass er mir nicht mehr helfen kann, weil du es verboten hast. Ich war verzweifelt.“

Kuro räusperte sich. „Also hast du mir erzählt, dass Sorc dich bedroht hat, damit ich das Problem für dich beseitige?“

Sie nickte. „Ja, das sah ich als meine letzte Chance. Ich wollte das sowieso sagen, wenn man mich fragt, warum ich Sorc angegriffen habe. Ich wollte ihn töten und behaupten, es war Notwehr. Wer hätte das schon bezweifelt? Und ich war überzeugt, dass auch du nicht nachfragen würdest, Crimson. Schließlich... war es ja irgendwie doch dein Wunsch, dass Sorc stirbt. Da es so nicht geklappt hatte, sah ich meine Chance, als Kuro vorhin reinkam. Jeder weiß ja, dass er Sorc auch loswerden will. Er war leicht zu überzeugen. Ich musste nur kurz erwähnen, dass Sorc mir in eindeutiger Absicht auf die Pelle gerückt ist. Schon stürmte er wutentbrannt raus, um den Kerl zu erledigen. Ich habe leider nicht berechnet, dass er vielleicht nicht alleine ist...“

Es blieb für einige Sekunden ganz still im Raum. Eria stellte sich wieder ganz gerade hin und hob das Kinn. „Denkt nicht, dass es mir Leid tut. Ich bedaure, dass ich gegen dich arbeiten musste, Crimson... aber ich wollte dir nur helfen.“

„Indem du seinen Onkel zu mir schickst?“ Sorc erhob sich mit einem spöttischen Grinsen im Gesicht. „Stell dir vor, Kuro wäre allein auf mich gestoßen. Stell dir vor, er hätte mich angegriffen, und ich hätte mich gewehrt. Hast du daran gedacht, dass du ihn in Gefahr bringst?“

„Unterschätz Kuro nicht! Er hätte dich überraschend angreifen und mit einem Schlag erledigen können!“ beharrte das Mädchen.

„Nicht so, wie er hier reingestürmt kam,“ bemerkte Dark. „Mein Vater ist leider nicht besonders gut darin, Leute überraschend anzugreifen, wenn er sauer ist.“

„Überraschend und mit einem Schlag ist allerdings ein gutes Stichwort,“ bemerkte Sorc. „Das hättest du im Bad auch tun sollen.“ Er ging zwei Schritte auf sie zu, so dass er sie direkt konfrontieren konnte.

Sie blitzte ihn aggressiv an und machte ihrerseits einen Ausfallschritt in seine Richtung. „Ich hatte dich in dieser Wasserblase!“

„Aber du hast mich entkommen lassen. Und ich hatte den Eindruck, dass dich die Herausforderung gefreut hat...“

„Ja. So konnte ich dir noch etwas mehr wehtun.“

„Ach. Hat dir noch niemand beigebracht, dass ein verletzter Gegner viel gefährlicher ist?“

Eria lachte spöttisch auf. „Ach ja? Ein paar Sekunden mehr, und ich hätte dir mit meinen Eissplittern die Haut von den Knochen geraspelt!“

„Das glaubst auch nur du.“ Sorcs Stimme nahm wieder diesen Tonfall an, der einem eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

Crimson hatte das Phänomen mittlerweile mehrmals beobachtet. Etwas veränderte sich, wenn Sorc sehr ernst wurde. Er konnte es nicht genau definieren... es musste mit der Stimme zusammenhängen und mit seinem ganzen Auftreten in solchen Momenten. Auch jetzt sorgte dieser Effekt für ein paar Sekunden der Stille, während derer niemand das Wort zu ergreifen wagte.

Sorc nutzte die Gelegenheit, um seine Aussage weiter zu erörtern, wobei er seine Argumentation an den Fingern der linken Hand abzählte: „Erstens: Nicht ich habe dich unterschätzt, sondern du mich. Du dachtest, mit der Macht des Schlosses hinter dir kannst du alles schaffen, was? Aber du warst zu ungeschickt, um zu verbergen, dass du Hilfe hast. Ein Magier mit meiner Berufserfahrung merkt das sofort!

Zweitens: Ich hatte mehrere Gelegenheiten, dich zu erledigen. Aber ich habe mich darauf beschränkt, deine Attacken abzuwehren und dich zu schubsen. Das führte dazu, dass du mich noch weiter unterschätzt hast.

Drittens: Deine Strategie war eine Katastrophe! Du hattest praktisch keine Verteidigung und hast dich völlig auf deine Angriffe verlassen. Eis in einem beheizten Raum ist außerdem suboptimal, Wasserdampf wäre besser gewesen.

Und viertens: Kein Sohn von Lady Charoselle Jagerillia der Unerschrockenen von den Eisigen Inseln würde es jemals wagen, sich von einer Schülerin umbringen zu lassen!“

„Ach wirklich.“ Zwischen ihnen waren nur noch etwa zwei Meter Entfernung, wenn überhaupt. Eria überwand die Strecke und wuchtete ihre Rechte nach vorne. An ihrer Handkante befand sich eine Klinge aus Eis, mit der sie auf Sorcs Unterleib zielte.

Der Chaoshexer hielt noch immer die linke Hand mit vier erhobenen Fingern vor sich. Er reagierte überhaupt nicht! Crimson sprang beinahe von seinem Bett und wäre gefallen, wenn Dark ihn nicht gehalten hätte.

„Sorc!“ schrie Lily entsetzt.

Kuro tat nichts, sah aber angespannt aus, während Blacky mit einem wachsamen Gesichtsausdruck seinen Platz neben Sorcs Bett beibehielt.

Erias Eisklinge prallte gegen einen Widerstand in der Luft und zerbarst in kleine Splitter. Es geschah genau auf Höhe von Sorcs Hand.

„Du hast gelogen,“ stellte der Blauhäutige fest. „Deine falschen Beschuldigungen waren nicht dein letzter Versuch, nicht wahr? Du bist hergekommen, um alles auf eine Karte zu setzen. Sogar vor all diesen Zeugen. Oder fühltest du dich mit Zeugen sicherer?“

Er drehte die Hand und wuchtete sie vor. Das Mädchen stolperte zurück und landete mit einem Aufschrei auf dem Hintern. In der nächsten Sekunde war Sorc über ihr, ein Knie drückte auf ihre Rippen, die rechte Hand war an ihrem Hals und die linke mit klauenförmig gebogenen Fingern, die eine dunkel leuchtende Kugel hielten, drohend über ihr erhoben.

„Lass einen Feind, der dich töten will, niemals wieder aufstehen,“ belehrte der Chaoshexer sie.

Kuro wollte Eria zu Hilfe eilen, doch Blacky stellte sich ihm in den Weg. „Nicht, ist schon in Ordnung.“

Darauf ließ Kuro sich nur widerwillig ein.

Mit Darks Hilfe kam Crimson auf die Füße und näherte sich langsam der Szene. Diese einfache Tätigkeit trieb ihm den Schweiß aus den Poren, und er war froh, dass sein Cousin ihn stützte, auch wenn das die Situation ziemlich peinlich machte. Als er seine Schülerin erreichte und neben ihr auf die Knie sank, ließ Sorc von ihr ab und wich mehrere Schritte zurück.

Eria blieb liegen und machte ein Gesicht, als wäre sie den Tränen nahe. „Crimson... ich hab's nicht geschafft, ich... konnte keine Rache für uns nehmen...“

Er strich ihr verständnisvoll über's Haar. „Jetzt muss aber auch mal Schluss sein, Eria. Ich bin der Schlossherr und verantwortlich für alle hier, auch für dich und Sorc. Es ist meine Entscheidung, ob wir ihn loswerden, nicht deine. Schon allein zu deiner Sicherheit muss ich verlangen, dass du aufhörst mit diesen Angriffen auf ihn.“

Sie hatte sich die ganze Zeit beherrscht, doch jetzt kamen ihr die Tränen. „Warum darf er nach all seinen Untaten hier wohnen, als wäre nichts gewesen? Warum haben sie ihn nicht wenigstens zu diesem Programm Vier verurteilt, wo den Leuten die Magie weggenommen wird? Das ist voll unfair! Der macht sich doch hier ein schönes Leben!“

„Weil der Zirkel beschlossen hat, dass er mit Magie nützlicher ist,“ sagte Crimson. „Und ich glaube das nebenbei bemerkt auch.“

„Er ist so vor allem gefährlicher!“

„Das stimmt allerdings, aber deswegen ist er ja hier bei mir.“ Crimson hatte nach wie vor keine Ahnung, wer seine Bewerbung an den Zirkel geschickt hatte, aber er erinnerte sich gut an Darks Worte... dass man einen Magier gesucht hatte, der Sorc unter Kontrolle halten und sein Wissen nutzen konnte. Momentan fühlte er sich nicht so geeignet, aber das stand auf einem anderen Blatt.

Eria richtete sich zum Sitzen auf und ließ sich von ihm umarmen. Vielleicht brachte ihr das eine Infektion mit Schattenfieber ein, aber der Gedanke beruhigte ihn fast. Wenn sie krank war, konnte sie nicht versuchen, Sorc umzubringen, und das war wesentlich ungefährlicher für sie. Sie kuschelte sich schniefend an ihn, und Crimson dachte wieder an Sorcs Worte... dass er es niemals wagen würde, sich von einer Schülerin umbringen zu lassen...

Moment. Hatte er denn nicht während seines Kampfes mit Eria gefragt, ob es Crimsons Wunsch war, dass er durch ihre Hand starb? Das passte doch nicht zusammen... oder? Hatte Sorc nur versucht, das Mädchen einzuschüchtern, oder... hatte Crimson seine Frage zu jener Gelegenheit falsch interpretiert?

Er sah auf und begegnete Sorcs Blick. Der Chaosmagier hatte wieder seine neutrale Miene aufgesetzt, aber einer seiner Mundwinkel verzog sich zu einem einseitigen ironischen Grinsen.

Bloß gut, dass ich die Frage mit einem Nein beantwortet habe, dachte Crimson.

Während er noch versuchte, seine Erkenntnis völlig zu begreifen, schwebte Cathy herbei. „Meister, ich kann einige Drachen ausmachen, die sich auf das Schloss zubewegen.“

„Sind es Drachen mit Reitern?“

„Ja, teilweise mit mehreren.“ Das Schlossherz projizierte ein Bild in seinen Kopf.

„Einige Drachen?“ rief Crimson. „Das sind... mindestens zwanzig! Haben wir die Quarantäneflagge oben?“ Was hatte das jetzt nur wieder zu bedeuten? Wurden sie angegriffen – vielleicht von Leuten, die sich etwas Beute von einem Schloss mit einer Epidemie erhofften?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  jyorie
2013-08-05T16:51:58+00:00 05.08.2013 18:51
Hey ^_^

Das war ein tolles und spannendes Kapitel. Was da alles für Ränke und Hintergründe aufgetaucht sind. Und die Äbten Überlegungen und die Zweifel von crimson waren auch überaus logisch. Ich bin selbst ins grübeln gekommen.

Toll wie ruhig sorc geblieben ist und sich nicht aus der Ruhe hat bringen lassen und das sich dann alles so "einfach" geklärt hat. Außerdem mag ich die stelle, an der du gezeigt (erinnert) hast, das sorc durchaus gefährlich sein kann!

Oh weh und jetzt noch ein neuer Angriff? Na im schloss kommt aber auch keine Ruhe auf ;)

CuCu Jyorie


Antwort von:  Purple_Moon
05.08.2013 20:27
Ha! Für mich ist das ein sehr schöner Kommentar, denn ich wollte Sorc immer als jemanden darstellen, der gute Nerfen hat und sein Potential ein bisschen hinter einer ruhigen Fassade verbirgt. Scheint geklappt zu haben.^^
Jetzt konnte ich auch endlich mal die ganzen Hintergründe offenlegen. Das Kapitel hat beim Schreiben ein bisschen gehakt, bis Eria auftauchte und all die Wahrheiten ans Licht kamen.
Und dann haben wir einen Cliffhanger... damit ihr auch ja alle weiterlest. *g*
Danke schön und wir lesen uns bald wieder.
Von:  Hikari-Yumi
2013-08-04T10:32:56+00:00 04.08.2013 12:32
Zuerst:
WAS ZUM HELL IST DAS FÜR EIN ENDE?
Ich raste ab, das kannst du doch nicht machen!

Andererseits bin ih mit lesen spät dran, also geht es bald schon weiter xD


„Unterschätz Kuro nicht! Er hätte dich überraschend angreifen und mit einem Schlag erledigen können!“ beharrte das Mädchen.
„Nicht so, wie er hier reingestürmt kam,“ bemerkte Dark. „Mein Vater ist leider nicht besonders gut darin, Leute überraschend anzugreifen, wenn er sauer ist.“ <~ ich lag an Boden! Das ging so nicht klar! Ich hab mg weggeschmissen.

Ich mag Zitate ^^

By the way auch die heulende Eria am Ende trägt nicht dazu bei, das ich sie lieber mag...

Sorc ist nett, Blacky, dark und Crimson auch.... Kuro... Genieße ich mit Vorsicht ^.^

Ich bin Gespannt auf den "Angriff"....
Und wie es weitergeht....
Vielleicht ist das die seuchenbehörde? Oder der Zirkel des Bösen? Oder der friedenslichtorden? Oder seto und Anhang?
Okay jetzt wird's lächerlich :3
Weiter so!
Antwort von:  Purple_Moon
04.08.2013 12:47
Hahahaaa die Seuchenbehörde, das ist gut! "Guten Tag. Wir haben den Auftrag, dieses Schloss samt Bewohnern zum Schutz Ihrer Schattenreich-Mitbewohner einzuäschern und dem Erdboden gleichzumachen. Danke für Ihr Verständnis." *lach*
Das ist ein Cliffhanger, der nur dazu dient, am Ende Spannung aufzubauen.^^

Eigentlich wollte ich Eria gar nicht so unsympatisch machen, aber einer muss halt dran glauben... naja man kann sie irgendwie noch verstehen... Sorc ist jedenfalls nicht sonderlich nachtragend, zumal er diesbezüglich nichts zu melden hat. Der kann froh sein, wenn man ihm nicht so viel nachträgt. Außerdem kann ich in Zukunft zahlreiche Szenen einbauen, Leute versuchen, sich zu vertragen.^^


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