Prolog: Erinnerungen
Mittlerweile war ein ganzes Jahr ins Land gezogen.
Ein Jahr, zwei Monate, dreizehn Stunden, zweiundzwanzig Minuten und fünfundvierzig Sekunden um genau zu sein.
Solange waren wir bereits voneinander getrennt.
Unaufhörlich lief die Zeit weiter davon, sie blieb einfach nicht stehen.
Von Sekunde zu Sekunde rückte sein Tod immer mehr in die Vergangenheit.
„Wie lang würde es wohl dauern, bis er gänzlich in Vergessenheit geriet?“ , ich schüttelte diesen Gedanken ab, wollte nicht, dass man diesen Mann vergaß.
Nein! Ich wollte ihn nicht vergessen.
Es konnte mir doch egal sein, ob die anderen schon vergessen hatten, wie er lachte, lächelte, sprach oder sogar weinte …
Es war einfach nur bitter.
Nie wieder seine Stimme zuhören, ihn nie wieder zu berühren oder einfach nur still ansehen zu können.
Er war einfach nicht mehr hier … hier bei mir.
Jeden verfluchten Tag dachte ich an unsere schöne Zeit zurück.
Nur leider verblassten meine Erinnerungen immer mehr.
Es machte mich wütend, traurig und verängstigte mich, dass ich einfach nicht mehr wusste, wie seine Stimme klang.
„War das denn normal, dass die Erinnerungen mit der Zeit verblassten?
Warum war das so?
Sollte man sich denn nicht alles merken, wenn man einen Menschen so geliebt hatte, wie ich es getan habe?
Und diesen Menschen noch immer über alles liebte, auch wenn man genau wusste, dass diese Person nicht mehr existierte?“
Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr wurde mir bewusst: „Ich war wirklich ein sehr schlechter Mensch!“
Anders konnte ich es mir einfach nicht erklären.
Es war einfach nur erbärmlich, die Stimme seiner ersten, großen und einzigen Liebe nicht mehr zu kennen.
„Verdammt!“ , das konnte doch alles nicht wahr sein.
„Itachi war mein Leben, mein Halt, mein Lächeln … einfach mein ganzes Wesen.“ , das Schicksal und diese kalte, grausame Welt hatten einfach nichts Besseres Zutun gehabt, als mir diesen Menschen zu entreißen.
Mich hatte man einfach zurückgelassen.
Mit meinen Gefühlen: die für mich einfach nur unerträglich waren.
Mit meinem Schmerz: der von niemandem mehr gelindert werden konnte. Da niemand mein Herz berührte, so wie es Itachi getan hatte. Der mich auch einfach nur mal in den Arm nahm, wenn es mir dreckig ging.
Mit meiner Angst: die sich nicht vertreiben ließ, weil ich einfach nichts mehr verlieren wollte, was mir im Leben wichtig war.
Mit meinen wirren Gedanken: die ich nur in meinem Tagebuch hinterließ, denn auf das Mitleid meiner Mitmenschen konnte ich verzichten.
Ich, Naruto Uzumaki, brauchte niemanden.
So konnte ich wenigstens nichts mehr verlieren, was so wertvoll, vergänglich und einfach nur wunderschön zugleich war.
All die Jahre hatte er mir das Gefühl gegeben, geliebt zu werden.
Nur leider reichte diese Liebe nicht aus.
Ich spürte von seiner Liebe rein gar nichts mehr, obwohl er sie stets wie ein zartes Pflänzchen gepflegt und aufgezogen hatte.
Er hatte mich verlassen, dabei meiner Wünsche und Träume beraubt.
In einen tiefen Abgrund gestoßen, aus dem ich mit eigener Kraft nicht mehr herauskam.
Der Strudel der Verzweiflung nagte an mir, ließ mich nicht los, flüsterte unaufhörlich: „Bring dich um … befreie dich von deinem Schmerz.“
Immer lauter wurde diese Stimme in meinem Kopf, ließ mich erschaudern und sorgte dafür, dass ich wirklich darüber nachdachte, mir das Leben zunehmen.
Stumm liefen mir Tränen über die Wangen, konnte sie nicht länger zurückhalten.
Ich war verzweifelt.
Am liebsten hätte ich mir einfach meine Pulsadern aufgeschlitzt, um endlich dieser grausamen Realität entfliehen zu können.
Brachte es aber einfach nicht übers Herz.
„Das ist alles deine Schuld!“, oh Gott, jetzt schrie ich sogar schon einen Toten an.
„War ich denn bekloppt?“
Es war doch nicht seine Schuld, dass ich ihm versprach, weiterzuleben, egal was auch immer passieren würde.
Dennoch war ich sauer auf Itachi, immerhin wusste er, dass er sterben würde.
Sonst hätte er mir niemals dieses Versprechen abverlangt, welches mich nun daran hinderte, bei ihm zu sein.
„Das ist einfach nicht fair …“, schluchzte ich und glaubte, dass ich langsam verrückt wurde.
Immerhin sprach ich gerade mit einem Toten, der mir mit Sicherheit nicht antworten würde.
Aber vielleicht war ich ja auch schon verrückt und habe es einfach nur noch nicht bemerkt.
Ich verschanzte mich ja regelrecht in diesem Haus und ging nur noch auf die Straße, wenn es unbedingt sein musste.
In diesem Haus.
Unserem Haus!
Fühlte ich mich wenigstens noch sicher.
Zumindest ein schwacher Trost, wenn man sich mein restliches Leben vor Augen führte.
Prolog Ende
Fortsetzung folgt.