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Die Magie der Worte

von

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Akt 7: Von Rebellion und Verrat

Eine Minderheit versucht sich durchzusetzen; einen Kampf vorzubereiten, welcher unter gegebenen Bedingungen einfach aussichtslos erscheint. Genau in diesen Momenten braucht man Freunde an seiner Seite… um mit ihnen zusammen zu kämpfen! Doch was… wenn es jemanden gibt, welcher die Freundschaft nur vortäuscht?

Ein Verrat wiegt schwer und lässt den Getroffenen nur noch schwerer Vertrauen fassen…

Wir erleben, wie eine Einzelgängerin das Gewand wechselt, welches bestand aus karminrotem Gebet. Es waren ihm Gram und Tränen des Volkes anvertraut.

Stolz und Gerechtigkeit verbindet zwei Menschen und der Schwur, an ihrer Liebe festzuhalten.

 

Der nächste Tag neigte sich zur Abendstunde und Curio, Francesco, Juliet und ich befanden uns gerade auf dem Rückweg von Lanzelots Familie.

Wir hatten seiner Frau persönlich die schrecklichen Neuigkeiten überbracht, das war das Mindeste, was wir dem Arzt noch schuldig waren.

Nun saßen wir in einem Boot, da wir so unauffälliger vorankamen und Juliet zudem weinte.

Das musste nicht jeder sehen.

Ich kam mir ein wenig hilflos vor. Ich wusste nicht, wie ich sie trösten konnte, ich hatte einfach keine Worte für das, was gestern passiert war.

„Ich bin an ihrem Unglück schuld. Lanzelot ist meinetwegen gestorben. Wenn ich mich gestellt hätte, dann wäre seine Familie jetzt nicht schutzlos unterwegs“, flüsterte sie schluchzend.

Ich legte mitfühlend einen Arm um ihre Schultern.

„Lanzelot hat für dich gekämpft und dir ein Erbe hinterlassen“, unterbrach Curio das Schluchzen und tauchte das Ruder erneut ins Wasser.

„Und in dem Moment, in dem er gestorben ist, war er der Rote Wirbelwind. Ein richtig guter Roter Wirbelwind“, fügte Francesco noch hinzu.

Das Boot glitt weiter voran, ich lauschte der entspannenden Stille auf dem kleinen Fluss und starrte auf die Wasseroberfläche, bis mich Juliets Stimme aus meinen Gedanken riss:

„Da steht jemand!“

Tatsächlich. Als mein Blick das Ufer streifte, konnte ich eine maskierte Gestalt erkennen.

„Er gehört zu uns“, beruhigte Francesco sie, nachdem der Mann seinen Mantel etwas lüftete und ein Familienwappen zeigte, welches Curio und Francesco anscheinend bekannt war.

Die beiden Männer hielten das Boot an.

„Hast du uns etwas zu berichten?“, fragte der Blondhaarige den vermummten Spion.

„Die Familie von Victorio di Friscobaldi soll ermordet werden“, berichtete er.

„Ist das die Wahrheit?“, stieß Francesco entsetzt aus, auch ich schnappte nach Luft.

William hatte mir einmal erklärt, wer diese Familie war: Es war der Bürgermeister der Stadt mit seiner Frau und seinem Sohn.

„Montague hat vermutlich den Befehl dazu erteilt. Der Kutscher ihres Wagens ist ein gedungener Mörder. Er soll sie zur Ruine außerhalb der Stadt bringen und dort töten. Es soll nach einem Raubüberfall aussehen“, erklärte der Spion.

Wir zögerten nicht lange, zogen uns daheim schnell um und holten unsere Waffen, bevor wir erneut aufbrachen.

Hoffentlich kamen wir noch rechtzeitig, es dämmerte bereits.

„Diesmal werde ich sie retten! Das schwöre ich bei meinem Leben!“, rief Juliet und ich sah sie von der Seite her an.

Als wir bei den Ruinen ankamen, war schon die Nacht hereingebrochen.

„Jetzt lauft doch endlich weg!“, hörte ich die verzweifelte Stimme eines Mannes. Das musste wohl der Bürgermeister sein…

Wir waren gezwungen, die Situation schnell einschätzen.

Die dreiköpfige Familie, bestehend aus den Eltern und dem Sohn, war von den Wachen des Duce umzingelt worden.

„Auch ich werde nicht zulassen, dass wegen des Duce noch einmal eine Familie auseinanderbrechen wird!“, sagte ich und hob entschlossen mein Schwert.

Der Mörder, welcher als Kutscher getarnt war, sprang vom Kutschbock hinunter und kam von hinten auf die Familie zu.

„Wartet! Lasst mich noch etwas sagen!“, bat der Bürgermeister panisch, als die Soldaten ihre Schwerter erhoben und den Kreis um die Familie schlossen.

„Lasst die Waffen fallen!“, schrie Juliet und sprang mitten in das Geschehen hinein, Curio, Francesco und ich hinterher.

Wir mischten uns sofort in den Kampf ein.

Curio und Francesco verwickelten die Soldaten in ein Gefecht, welches sie von uns weglockte, Juliet und ich kümmerten uns mehr um den Schutz der Familie.

„Seid ihr verletzt?“, fragte die als Junge verkleidete Capulet besorgt.

„Nur ein bisschen“, antwortete der Bürgermeister, welcher einen kurzen Schnauzer trug.

„Ich rette euch! Ihr müsst mit mir mitkommen. Los, beeilt euch!“, forderte sie die Familie auf und sie machten auf dem Absatz kehrt.

Ich entschied mich, Curio und Francesco zu helfen, welche ganz allein gegen sechs Soldaten kämpfen mussten.

In der Panik der Situation vergaß ich den Mann hinter uns, der auf die Familie angesetzt war.

„Nicht mit mir. Stirb, du Schuft!“, rief der Auftragsmörder und ich blickte entsetzt über meine Schulter, wo ich den Dolch auf Juliet und die Familie di Friscobaldi zufliegen sah.

„Vorsicht! Passt auf!“, schrie ich ihnen hinterher, ich war bereits zu weit weg, um ihnen mehr helfen zu können.

Juliet warf sich vor den Familienvater, wehrte den Dolchwurf mit ihrem Schwert ab und sprang dabei ins Leere. Sie stürzte folglicherweise, wobei sie ihre Waffe verlor.

„Das Schwert!“, rief Francesco, der offensichtlich alles mitangesehen hatte.

„Odin! Nein!“, rief Curio entsetzt.

Ich hechtete auf Juliet zu und baute mich schützend vor ihr und der Familie auf.

„Wenn du ihr etwas antun willst, dann musst du erst einmal an mir vorbei!“, rief ich mutig.

„Watanuki…“, flüsterte Juliet und sah zu mir auf.

„Das ist unser Ende“, hörte ich die Frau des Bürgermeisters panisch sagen, ihr Sohn versuchte sie leise zu beruhigen.

Der Mörder trat näher und zückte einen weiteren Dolch aus seinem Ärmel.

„Und nun werde ich zuerst einmal dich erledigen. Das war's für dich. Stirb!“, schrie er und ich zitterte. Würde ich jetzt wirklich sterben, mich für jemanden… opfern?

Mein Gegner schien viel mehr Erfahrung mit Waffen zu haben und dazu noch viel begabter mit deren Umgang zu sein als ich.

Plötzlich ertönte der Schrei eines Ryubas.

Federn flogen vor mir zu Boden.

Schwarze Federn.

„Romeo?“, stöhnte Juliet erschöpft und hob den Kopf ein wenig, um in den Himmel zu schauen. „Er ist es“, schloss sie, doch ich schüttelte den Kopf.

„Nein, er ist es nicht!“, entgegnete ich, als das dunkle Ryuba vor uns landete.

„Wer seid Ihr?“, fragte der Mörder, welcher in seiner Bewegung innegehalten hatte.

Ich atmete erleichtert auf.

Gerettet.

„Ich nenne niemandem, der so niederen Rang hat meinen Namen!“, antwortete der Neuankömmling und sprang schützend vor mich.

„Steht auf!“, befahl der dunkelhaarige Mann der am Boden liegenden Juliet.

Ich half der Rothaarigen auf, sie nahm dabei wieder entschlossen ihr Schwert in die Hand.

Unser ominöse Retter schien zu ahnen, was sie vorhatte: „Ich übernehme ab hier!“, stellte er klar und Juliet trat schützend vor die Familie di Friscobaldi.

„Du bist ein elender Bastard – stirb!“, schrie einer der übriggebliebenen Soldaten und gleich drei von ihnen stürzten sich auf den dunkelhaarigen Neuankömmling.

Ich wollte eingreifen, doch Juliet hielt mich zurück. Zu Recht, wie ich feststellte: Dieser Mann war wirklich schnell, er besiegte die Wachen innerhalb weniger Sekunden mithilfe zweier Langdolche, welche er blitzschnell aus seinem Umhang zog.

„Du bist ein Dreckskerl!“, meinte der beauftragte Attentäter, als der junge Kämpfer seinen Dolch nun auf ihn richtete.

„Los, lauf!“, befahl er ihm.

„Aber wieso?!“, fragte sein Gegenüber verwirrt.

„Richte dem Duce Montague Folgendes aus: Der Bürgermeister Vittorio di Friscobaldi und seine Familie sind tot!“

Francesco und Curio überwältigten noch die letzten beiden Soldaten, mit denen sie in einen Kampf verwickelt waren und der Attentäter schien zu wissen, dass er nun allein dastand und gegen uns alle keine Chance hatte.

„Verdammt!“, rief er schließlich verängstigt und rannte davon.

Curio machte Anstalten ihm zu folgen.

„Lasst ihn laufen!“, befahl der Besitzer des pechschwarzen Ryubas.

„Warum denn?“, forderte Curio zu wissen.

„Wenn der Attentäter nicht ins Schloss zurückkehrt, schicken sie uns neue Verfolger auf den Hals!“, kombinierte ich, der Mann mit den kurzen, schwarzen Haaren hatte seine blauen Augen auf mich gerichtet und nickte mir bestätigend zu.

„So ist es!“, stimmte mir auch Francesco zu.

Der Kämpfer mit dem Langdolch wandte sich an Odin: „Ich hab Euch lange nicht gesehen… Ihr seid groß geworden, Juliet Fiammata Asto Capulet!“

„Mein Gott, was sagt Ihr da?“, fragte der Bürgermeister sichtlich geschockt über diese Enttarnung.

„Wartet! Warum habt Ihr mich eben so genannt? Und wer seid Ihr?“, rief Juliet dem Mann hinterher, welcher gerade nach seinem Ryuba gepfiffen hatte und auf die Spitze eines Turms sprang, wo ihn sein Reittier besser finden konnte.

Das schwarze, geflügelte Tier tauchte hinter ihm am Nachthimmel auf.

„Ich heiße Tybalt und wir sehen uns wieder. Schneller als Ihr denkt!“, verabschiedete er sich und sprang nun auf sein Ryuba, welches mit dem Nachthimmel verschmolz und Tybalt einen beinahe majestätischen Abgang verlieh.

Einzig ein paar letzte schwarze Federn erinnerten an seine Existenz.

Ich hatte diesen Mann noch nie gesehen, selbst ein schwarzes Ryuba hatte ich noch nie in dieser Welt gesichtet.

Zum Duce gehörte er ganz offensichtlich nicht, sonst hätte er sich nicht auf unsere Seite geschlagen, das war mir klar.

Dennoch überlegte ich fieberhaft, wer dieser junge Mann nur sein konnte… er erinnerte mich irgendwie an jemanden.

Jedoch gab es zu diesem Zeitpunkt gerade wichtigere Dinge, als sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Schließlich stand hinter uns gerade eine mehr als verängstigte Familie, welche es in Sicherheit zu bringen galt.

Wir brachten die Familie di Friscobaldi in eine leerstehende Wohnung von Shakespeares Theaterhaus, denn wo wir wohnten, wägten wir auch sie in Sicherheit.

Benvolio, der Sohn, wurde dazu verdonnert Cordelia und mir im Haushalt zu helfen, was sich allerdings als nicht allzu leicht herausstellte, denn der Kerl hatte eindeutig zwei linke Hände.

Er hatte wohl noch nie in seinem Leben einen Besen angefasst, geschweige denn einen Kochtopf. Wahrscheinlich wusste er noch nicht einmal um die Funktion dieser Geräte.

Es stellte sich heraus, dass sich meine Vermutung bestätigte…

 

„Und? Wie war dein Tag heute? Ich habe dich ja kaum gesehen… Allerdings waren heute alle etwas spät dran und schienen mir betrübt, was kein Wunder ist nach dem gestrigen Abend.“

„Wir haben heute einen Mord an einer Familie vereitelt“, erzählte Watanuki.

„Das ist doch großartig!“, lobte William, „Dann lief dein Tag heute ja besser als der gestern!“

„Ja, doch…“, sagte sein Konversationspartner eher abwesend.

„Du schaust trotzdem so nachdenklich aus, was ist denn geschehen?“, wollte der Dichter wissen.

„Es ist so ein komischer, junger Kerl aufgetaucht. Irgendwie hat er mich an jemanden erinnert, aber ich weiß gerade partout nicht an wen genau…“

„Aha. Ein junger Mann?“

„Ja, er hieß Tybalt oder so und das Schlimmste ist, dass er Juliet bei ihrem wahren Namen genannt hat!! Er schien wirklich zu wissen, wer sie ist!“

„Das ist ja sehr mysteriös! Ich frage mich, wer das wohl gewesen sein könnte…“

„Ja, das würde ich auch gerne wissen!“, gab Watanuki zu.

„Ich bin mir sicher, dass ihr es noch erfahren werdet. Wahrscheinlich kann er es euch jetzt einfach noch nicht sagen. Vielleicht kommt da noch ein wichtiger Grund zum Tragen.“

„Ein wichtiger Grund? Weißt du etwa mehr als wir?“

„Oh nein, aber wir waren schließlich auch dazu gezwungen, Juliet all die Jahre lang als Junge zu verkleiden und ihr eine andere Identität zu geben.

Vielleicht ist das bei ihm ja so ähnlich?“

„Möglich… ich weiß es nicht.“

„Leg dich schlafen, Watanuki. Du gehst doch morgen auf das Blumenfest, oder nicht?“

„Blumenfest?“, hakte Angesprochener verwirrt nach.

„Jaaaaa! Das Blumenfest! Den normalen Bürgerlichen werden die Tore der Adligen geöffnet und die ganze Stadt ist mit Blumen geschmückt, so läuft das.“

„Aha. Und das ist einmal im Jahr?“

„Korrekt!“

„Ich denke nicht, dass hingehen werde. Allein ist das langweilig“, sagte Watanuki und nach diesem anstrengenden Tag fiel er auch entsprechend müde ins Bett.

 

„Escalus… Der Baum des Lebens… stirbt! Er weint um die Flammen des vorangegangenen Tages und das unschuldig vergossene Blut dieses Tages…

Die Tränen der Göttin können nicht fortgewischt werden… Denn die Göttin weint. Sie weint weiterhin!! Die Welt wird untergehen…“

„Warum… tröstet sie dann keiner?“, fragte ich, „Warum muss denn überhaupt jemand weinen?“

„Weil sie ganz allein zurückgelassen wurde. Das ist alles die Schuld der Menschen! Sie wissen nicht, was das wirklich Wichtige im Leben ist, denn sie haben es vergessen… Vergessen!!!“

 

Ich wachte keuchend auf.

Was war das Wichtigste für die Menschen?

Ich hatte die Augen weit aufgerissen, meine Hand tastete suchend nach meiner Brille.

Ruhm, Reichtum, Macht. Zumindest war das dem Duce am Wichtigsten… oder?

Es klopfte an meiner Tür.

„Watanuki? Hast du verschlafen?“

Oh verdammt, das war Cordelia!

„Ich komme!“, rief ich und zog mich hastig um, doch gerade, als ich meinen Gürtel zuzog, starrte ich wieder nachdenklich zum Fenster hinaus, erstarrte in meiner Eile.

Ich hatte William nichts von diesen Träumen erzählt, ich schämte mich ihrer, fand sie seltsam, unlogisch, verwirrend…

Ich wollte niemanden damit belästigen aus Angst, der Dichter oder jemand von Juliets Freunden könnte mich für verrückt erklären.

Ich wollte ganz normal sein, einfach ich selbst. Kimihiro Watanuki.

Ich half Cordelia dabei, den Brotteig zu kneten, während sie gerade Benvolio zusammenstauchte, der uns fasziniert zusah, anstatt selbst bei irgendetwas mit Hand anzulegen, da tauchte plötzlich Juliet neben mir auf.

„Watanuki, kommst du mit mir auf das Blumenfest?“, fragte sie und ich hielt kurz im Kneten des Teiges inne und strich mit dem Armrücken über die Stirn.

„Hat das noch Zeit, bis ich das Brot im Ofen habe?“

„Aber natürlich! Ich geh mich schon mal umziehen!“, sagte sie und verschwand wieder.

Ich wurde als doch auf das Blumenfest gezwungen. Woher hatte ich das jetzt nur gewusst?

„Wata, jetzt komm endlich!“, rief Juliet wenig später und ich blickte ihr hinterher:

„Wata?“, flüsterte ich mehr entsetzt als begeistert über meinen neuen Spitznamen, dann legte ich meine Schürze ab und sah zu Cordelia.

„Ist es wirklich in Ordnung, wenn ich dich jetzt alleinlasse?“, wollte ich mich vergewissern und sie lächelte mich an.

„Na klar! Geh ruhig mit Juliet und beschütze sie!“

„In Ordnung!“, versprach ich ihr und machte mich mit der Capulet-Tochter auf den Weg in die Stadt.

Wir verbrachten unseren gesamten Tag dort, aßen gemeinsam zu Mittag und betrachteten die wunderschön angelegten Blumenfelder, welche sich über die gesamte Stadt zogen und das Elend vor drei Tagen, als der Rote Wirbelwind den Feuertod gefunden hatte, langsam verblassen ließen.

Es waren allerlei Figuren aus Blumen gesteckt worden, Schwäne und Engel wurden in großen Wägen durch die Stadt gefahren und die Menschen erfreuten sich an den umherfliegenden Blumenblüten.

Ich musste zugeben, der Duft all dieser Varianten war wirklich umwerfend.

„Ich hole uns etwas zu trinken!“, schlug ich vor, als bereits die Sonne unterging und Juliet nickte zustimmend.

Wir wurden teilweise schon etwas seltsam angesehen, weil sich Juliet als Odin verkleidet hatte.

Zwei Männer zusammen auf dem Blumenfest, das war anscheinend nicht gern gesehen.

Ich kaufte an einem Stand zwei Säfte und wollte gerade zu der Überführung zurückkehren, wo Juliet und ich auf den Umzug hinab geschaut hatten, da konnte ich gerade noch erkennen, wie sie davonrannte.

„Odin!“, brüllte ich, „Wo willst du denn hin? Odin!!“

Die Säfte waren vergessen, ich warf sie von mir und eilte ihr hinterher.

Hinter mir hörte ich einen weiteren Ruf, der an Juliet gerichtet war: „Halt! Warte!“

Als ich zurückblickte erkannte ich Romeo, der uns ebenfalls hinterherhetzte.

Vermutlich war er sogar der Grund, warum sie sich aus dem Staub gemacht hatte.

Ihm hatte ich es also zu verdanken, dass ich durch Neo Verona rennen durfte!!

„Warte auf mich! Halt, Juliet! Warte!“, schrie er, doch sie hielt nicht an.

Ich konnte einem Mann vor mir gerade noch so ausweichen, Romeo hinter mir gelang dies nicht mehr, ich kümmerte mich jedoch nicht weiter darum, um Juliet nicht aus den Augen zu verlieren.

Die Fliehende schien gar nicht mitzubekommen, dass ich hinter ihr war.

Romeo hatten wir abgehängt, ich sah ihn nirgends mehr.

Sie rannte und rannte, ich konnte irgendwann nicht mehr die Straßen und Abbiegungen zählen, jedoch konnte ich einen verzweifelten Schrei hören: „Verflixt! Juliet, wo bist du denn? JUUUUUUUUULIEEEET!!“

Es war bereits dunkel, als besagte Rothaarige endlich an einer Brücke stehenblieb.

Ich selbst lehnte mich keuchend an eine Hauswand und wollte gerade zu ihr gehen, da sie selbst total erschöpft auf die Knie gesunken war, als mir jemand zuvor kam, der mindestens ebenso sehr schnaufte wie wir beide: Romeo.

Er hatte sie also tatsächlich eingeholt.

Ich schluckte und versteckte mich etwas.

Er musste mich nicht sofort sehen.

„Hab ich dich doch gefunden, Juliet“, flüsterte er leise, dann trat er langsam näher.

Juliet schien geschockt und wich ein gutes Stück zurück, bevor sie erneut auf dem Absatz kehrtmachte flüchten wollte, doch Romeo schaffte es, sie am Handgelenk zu packen und festzuhalten.

„Lauf nicht weg!“, brüllte er und zog sie danach besitzergreifend an sich.

„Ich kann nicht bleiben!“, rief Juliet, durch die heftige Bewegung des Widerstandes verlor sie ihre Perücke und ihre feuerroten Haare wehten im Wind.

Die junge Frau wehrte sich kurz in seinen Armen, aber Romeo umfasste ihr Gesicht und küsste sie.

In ihren Augen konnte ich Erstaunen, beinahe Entsetzen erkennen, bis sie schließlich entspannt losließ und die Augen schloss.

Alles schien stehenzubleiben für diesen Moment.

Es erschien mir irgendwie alles unwichtig, ich konnte mich nicht mehr bewegen, nicht mehr sprechen, sogar die Blumen auf der Brücke, welche dekorativ in zwei Vasen aufgestellt waren, schienen zu verblassen.

In diesem Moment setzte ein Feuerwerk ein.

Als sich die beiden nach einer schier endlosen Zeit wieder voneinander trennten, sah Romeo sie beinahe stolz an.

„Meine Juliet...“, flüsterte er lächelnd, dann hob er seine linke Hand und ich konnte eine weiße Iris darin erkennen.

„Hier. Es ist nur die, die du hast fallen lassen, aber...“

Juliets Augen waren vor Überraschung geweitet, nach kurzer Zeit jedoch stahl sich so ein gewisser Ausdruck in ihr Gesicht, welchen ich nicht genau beschreiben konnte, sie aber sehr glücklich aussehen ließ.

„Romeo...“, hauchte sie, als sie die Blume annahm. Danach betrachteten sie glücklich das Feuerwerk und mir entging nicht, dass Romeo Juliet dichter an sich heranzog.

Ich war sprachlos.

Diese Szene eben… sie hatte mir bewiesen, wie es war, wenn sich zwei Menschen wirklich liebten. Das war so… gefühlvoll gewesen!

Ich würde mir mit Himawari auch solche Mühe geben!

Doch hatte mir diese Situation gerade ebenfalls gezeigt, wie weit entfernt ich solch einem Kuss noch war.

Im Moment hatte ich das Gefühl, dass die Luft nach weißer Iris roch… süßlich…

Sie ließ die Zeit stillstehen und mein Herz höher schlagen.

„Ich lass dich nie wieder gehen, Juliet…“, sprach Romeo leise, doch ein trauriger Schatten legte sich über das Gesicht der Angesprochenen.

„Versprich mir lieber nichts…“, bat sie enttäuscht.

„Warum sagst du das?“, wollte Romeo getroffen wissen.

„Weil unsere Liebe eine Liebe ist, die nicht sein kann!“, erwiderte sie.

„Weil ich ein Sohn des Fürsten Montague und du die letzte Überlebende der Familie Capulet bist?“, fragte der junge Mann.

„Das hast du gewusst?“, staunte die Rothaarige.

„Ja. Ich hab mich bei meiner Mutter über dich erkundigt. Für mich bist du aber einzig und allein Juliet.“

Ich konnte Erstaunen, aber auch Verletzung in Juliets Gesicht erkennen.

Sie schien zu überlegen, was sie nun tun sollte, dann suchte sie etwas in den Taschen ihres Oberteils und zog etwas daraus hervor.

Ich keuchte erstaunt auf.

Sie hatte ja das selbstgestickte Taschentuch bei sich! Wortlos streckte sie es Romeo entgegen.

„Ist das für mich?“, fragte dieser erstaunt und Juliet blickte rot geworden zur Seite.

„Ich habe in der Hütte dein Hemd anbrennen lassen und dies ist eine kleine Entschädigung dafür. Eine ganz kleine.

Ich habe versucht zu sticken. Aber diese Mädchensachen liegen mir nicht.

Nimm es trotzdem als Liebesbeweis von mir für dich“, sagte sie ohne ihm in die Augen zu sehen.

Dann hob die den Blick und schaute ihm ein letztes Mal in die Augen, während sie ihm das Taschentuch schon beinahe aufzwang, indem sie es ihm an die Brust drückte und er es festhielt.

„Ich darf nicht bleiben, Adieu!“, verabschiedete sie sich hastig und drehte sich um.

„Halt, warte! Ich bitte dich, Juliet!“, rief Romeo, sie blieb noch einmal kurz stehen, drehte sich jedoch nicht mehr zu ihm um, sondern hechtete die Stufen zum Flussufer hinunter.

Ich wartete noch, bis Romeo ihr nicht mehr nachblickte, dann eilte ich ihr hinterher.

 

„Sie haben es getan! Mein lieber, lieber Schwan! Sie haben es getan! Und es war sogar spontan! Tralalalalala!“, sang Shakespeare fröhlich und hüpfte im Zimmer umher.

„Jetzt ist er ganz durchgedreht…“, flüsterte Watanuki kopfschüttelnd.

„Ist das nicht herrlich, Wata??? Sie haben sich geküsst! Wurde aber auch Zeit! Die haben doch die ganze Zeit soooooo verliebt getan!!“

„Du redest ja fast schon so, als wärst du tatsächlich dabei gewesen, Willy!“

Watanuki benutzte nun ebenfalls den Spitznamen des Dichters, wo er doch gerade mit seinem eigenen getriezt wurde.

„Ich bin mir sicher, dass ihr diese Tat geholfen hat, wieder Fuß in der Welt zu fassen!

Sie wird entschlossener sein denn je!! Du wirst schon sehen, Watanuki!!“

„Aha… verstehe…“, meinte der junge Mann und sah dem wild tänzelnden Dichter hinterher, welcher gerade eine Pirouette auf dem Teppich drehte.

„Ich bekomm gerade Angst. Ich geh schlafen!“, sagte der Japaner und wollte sich gerade umdrehen, als er an den Schultern gepackt und zurückgerissen wurde.

„Schön hier geblieben! Ich bestimme, wann du zu gehen hast!“

„Hallo? Nur weil ich dich auf dem Laufenden halte, darf ich mich immer noch dann schlafen legen, wann ich es für richtig erachte!“, widersprach der Bebrillte und Shakespeare schleuderte ihn durch das Zimmer.

„Das ist Liebe, Watanuki! Wahre Liebe! Da schäumen die Gefühle über! Es ist so herzzerreißend, so ehrlich, so nackt! Es ist alles offengelegt, es gibt keine Geheimnisse mehr!!“

„Ich geh dann mal…“, beschloss Watanuki, befreite sich geschickt aus dem Schraubstockgriff des blonden Autoren und flüchtete hastig aus dem Raum, bevor er erneut aufgehalten werden konnte.

„Also heute, Watanuki, hast du der wahren Liebe ins Auge geblickt! Ich bin sehr gespannt, wie es dir weiter ergehen wird!“

 

„Watanuki, darf ich dich kurz sprechen?“, fragte Conrad, er hatte mich wohl gehört, als ich an seinem Zimmer vorbeigegangen war.

Mist. Dabei dachte ich, endlich für heute in Ruhe gelassen zu werden.

„Natürlich, worum geht es denn?“, wollte ich wissen, als ich schlussendlich in seinem Zimmer stand.

Er bot mir einen Stuhl an und ich setzte mich.

„Ich möchte mich sehr bei dir bedanken, Watanuki. Du beschützt Juliet wahrlich sehr gut und alle hier sind sehr zufrieden mit dir. Du setzt dich außerdem sehr für den Haushalt ein und scheinst William auch gewaltig unter die Arme zu greifen, er ist ganz verändert, seit du da bist…“

Ich überlegte scharf. Es hatte für diese Menschen wohl schon eine gewisse Vergangenheit gegeben, bevor wir hier aufgetaucht waren.

„Das ist doch… nicht erwähnenswert!“, erwiderte ich abwinkend, doch der alte Mann schüttelte den Kopf:

„Das ist es wohl. Du machst deine Aufgabe wirklich sehr gut, Watanuki! Wir sind deutlich entspannter, seit wir deine Hilfe haben. Juliet handelt manchmal unvorhersehbar. Und sie ist verdammt stur…“

„Oh ja, das ist sie“, bestätigte ich, in diesem Moment klopfte es an der Tür.

Conrad öffnete sie und in den Raum trat - die letzte Überlebende der Capulets.

Wenn man vom Teufel sprach…

„Was wollt Ihr von mir zu dieser späten Stunde, Juliet?“, fragte der ältere Mann.

„Ich möchte das Schwert meines Vaters sehen. Jetzt gleich“, antwortete Juliet.

„Nun, dann werde ich es holen“, beschloss Conrad und öffnete unter Ehrfurcht ein großes Kästchen, wo die wertvolle Waffe aufbewahrt wurde.

Er hob das Erbstück in seine Hände und überreichte es Juliet, welche es vorsichtig an sich nahm.

„Dieses edle Schwert wurde in Eurer Familie von Generation zu Generation weitervererbt. Allerdings dürfte es etwas zu schwer für Euch sein“, erklärte Conrad.

„Das glaube ich nicht. Und selbst wenn es wirklich zu schwer ist, ich möchte es ab heute tragen“, sagte Juliet entschlossen.

„Was höre ich da? Ihr wollt das Erbe Eures Vaters antreten?“, fragte der alte Mann verwundert.

„Ihr habt richtig gehört. Ich trete das Erbe der Capulets an!“, bestätigte die Tochter des verstorbenen Fürsten.

„Ihr wisst ja gar nicht, wie stolz Ihr mich damit macht! Seit 14 Jahren warte ich auf diesen Moment“, flüsterte Conrad stolz.

Ich starrte Juliet an. Sie wirkte wirklich entschlossener. Dieser Kuss… schien etwas in ihr verändert zu haben.

„Ja, ich bin Juliet Fiammata Asto Capulet…“, murmelte Juliet deutlich, zog die Waffe aus ihrer Scheide heraus und betrachtete ihr eigenes Spiegelbild darin, „…und dieses Schwert ist alles, was ich brauche.“

Ich bekam eine Gänsehaut und die Härchen auf meinen Armen standen senkrecht.

Ihr Erscheinen… war wie das einer Erlöserin. Ich sah in ihr plötzlich eine mutige, rothaarige Capulet, welche die Stadt vor dem Duce retten würde.

Sie war die Entschlossenheit selbst. Eine wunderschöne, junge Frau, welche gerade das Erbe ihrer Familie angetreten hatte.

 

William Shakespeare übte den ganzen Tag über mit Emilia sein Theaterstück ein.

Watanuki unterstützte ihn dabei tatkräftig, weil er von Cordelia nicht mehr allzu sehr eingenommen wurde, schließlich hatte sie Benvolio unter ihre Fittiche genommen.

Der Dichter machte gegen Abend eine Pause und wollte sich diese an der frischen Luft vertreiben, da ging eine Gestalt mit Kapuze an ihm vorbei.

„Jaja… Mal wieder unterwegs für einen kleinen Ausflug im Alleingang?“

Angesprochene schien ihn erst jetzt zu bemerken und gab einen erschrockenen Laut von sich.

„Aber mach dir keine Sorgen, kleine Juliet!“, beruhigte William sie und ihm entging nicht, dass sie ihre Perücke nicht aufhatte und ihre langen, roten Haare etwas aus der Kapuze hervorlugten.

Juliets Augen weiteten sich und sie sog hastig Luft ein.

„Bist du erschreckt weil ich deinen Namen kenne? Keine Sorge. Ich sag ihn nicht weiter“, fuhr der Schriftsteller fort und sein Schützling schüttelte leicht den Kopf, um den ersten Schreck zu überspielen.

„Ihr habt ihn immer gewusst, Willy, stimmt's? Ihr habt Euch nur hinter der Maske der Unwissenheit versteckt“, konfrontierte ihn Juliet mit ihrer Vermutung.

William fing langsam an die Treppe hochzulaufen, welche auf das flache Dach des Hauses führte.

„Hmmm. Das habe ich aus gutem Grund. Ich musste dich unter meine Fittiche nehmen, denn ich wollte eine blutige Tragödie schreiben!“, William tänzelte auf der Treppe herum, „Doch dann hast du dich verliebt, kleine Maus! Es konnte dir jeder an der Nasenspitze ansehen.“

Juliet errötete und druckste verlegen herum.

„Du warst so voller Lebensfreude. Aber ich fürchte, es ist eine schmerzliche Liebe, oder?“

Juliets Blick wurde plötzlich traurig und sie senkte den Kopf.

Die Sonne, welche bereits sehr tief stand, tauchte den Dichter von hinten in ein dezentes dunkelrot.

„Und deswegen denke ich inzwischen, dass ich ein unsterbliches Liebesdrama schöpfen kann. Ich muss dich nur beobachten. Und weil ich dich so lange kenne, kann ich in dein Herz hineinschauen. Viel tiefer, als ein Anderer das könnte und vielleicht…“, Er schloss kurz die Augen, „… kleine Juliet, können wir beide eine Liebesgeschichte verfassen, die für immer und alle Zeit auf der Welt gelesen wird.“

Juliet streifte ihre Kapuze nach hinten, sodass ihr rotes Haar zum Vorschein kam und wandte sich von ihm ab.

„Ich glaube nicht, William, dass ich eine gute Heldin für eine Liebesgeschichte werden kann“, behauptete sie und ihre Haare verschwammen mit der roten Farbe des Sonnenunterganges.

„Nicht zu fassen. Ein Mädchen, das die Liebe aufgegeben hat. Wunderschön! Du wirst die wahre Heldin meiner Tragödie werden!“

Juliet wandte sich zum Gehen.

„Ach, Juliet?“

Sie drehte sich noch einmal zu ihm um.

„Vergiss nicht, immer gut auf dich aufzupassen!“, erinnerte William sie und hielt der letzten Überlebenden der Capulets ihre Perücke hin, welche sie noch hastig aufzog, bevor sie durch eine zweite Tür hinaus in den lauen Abend ging und mit der Sonne verschmolz.

 

Nachdem ich William bei den Proben geholfen hatte, sah ich nach Juliet, konnte sie jedoch auch in ihrem Zimmer nicht finden.

„Juliet ist verschwunden! Ich habe sie heute noch gar nicht gesehen!! Was soll ich denn nur machen?!“, rief ich verzweifelt als ich zu William zurückgekehrt war, welcher gerade über einem halbvoll-geschriebenen Blatt Pergament brütete.

„Bei dem Gejammer kann ja niemand dichten!“, stöhnte er leidend, doch es war mir gerade egal.

„Was ist, wenn sie nun niemals wieder kommt – was wird denn dann? Sie hat sich gestern so seltsam verhalten, beinahe rebellisch…“

„Du hättest ja mitgehen können und aufpassen, du Dummkopf“, antwortete William und versuchte nun zum dritten Mal, seine Feder auf die Schreibunterlage aufzusetzen.

„Das wäre ich ja auch! Aber sie ist doch abgehauen! Nur weil ich dir geholfen habe, konnte sie meinem wachsamen Blick entkommen! So ein Mist…“

„Wie gut ich sie verstehen kann. Erwachsene sind gerne mal allein. Besonders wenn sie was dichten müssen. Da kann man solche Nervensägen wie dich nämlich nicht brauchen!“

„Nervensäge? Ja wie redest du denn mit mir, hä? Ich dachte, ich hätte eine wichtige Aufgabe zu erfüllen in deiner seltsamen Welt hier??“, fragte ich erzürnt und Williams Körper zitterte plötzlich.

„Das wirst du auch irgendwann, aber solange halt den Rand!“

„Ich soll… den Rand halten?“

Das war doch die Höhe! Wie redete dieser Autor denn mit mir?!

„Ich muss hier was schreiben - was Wichtiges. Geh zu Conrad und frag ihn, was du tun sollst!“

Und so… stand ich vor Conrad.

„Geh ihr hinterher!“, befahl die ehemalige Leibwache der Familie Capulet, „Du kannst die braune Ryubastute nehmen, dann wirst du sie schneller finden! In solchen Fällen ist es geschickter aus der Luftperspektive nach ihr zu suchen. Außerdem wird es langsam dunkel, da ist es für dich ganz ohne Begleitung in der Luft sicherer.“

Ich schluckte.

Also sollte ich erneut auf einem Ryuba reiten? Nur ich, ganz allein?

„Ich habe verstanden, ich werde nach ihr suchen“, erwiderte ich und ging direkt in den Stall, wo ich das braune Ryuba fertigmachte und mich mit dem Tier in die Luft erhob.

Die Sonne ging bereits unter, ich musste mich wahrlich beeilen.

Wo könnte sie nur sein?

Die Ryubastute wieherte aufgeregt, sie schien wohl lange nicht mehr bewegt worden zu sein.

Ich musste sie zügeln, da sie viel zu schnell fliegen wollte, vermutlich um sich auszutoben.

Fieberhaft überlegte ich, wo sie sein könnte und irgendein Gefühl führte mich zum Marktplatz, wo Lanzelot vor wenigen Tagen seinen Tod gefunden hatte.

Vielleicht war sie ja dorthin zurückgekehrt, um sich seiner letzten Worte zu erinnern?

Ich lenkte das Ryuba tiefer und tatsächlich, da stand sie: Als Odin verkleidet und in einen braunen Umhang gehüllt.

Sehr gut, ich hatte sie gefunden.

Allerdings sah ich in weiter Ferne ein anderes Ryuba, welches gerade zum Landen ansetzte.

Es war schwarz wie die Nacht.

War das etwa…?

Meine Neugierde ließ mich näher an das fremde Tier heranfliegen, doch ich konnte es nicht mehr sehen, es war zu tief gesunken. Also flog ich zum Marktplatz zurück, wo ich Juliet mit jemandem reden sah.

Ich stellte fest, dass es tatsächlich dieser seltsame Tybalt war.

Die beiden gingen gemeinsam durch die Straßen, ich achtete darauf, in sicherer Entfernung zu bleiben und war froh, dass sich meine Ryubastute während dem Fliegen leise verhielt und nicht anfing freudig zu wiehern als sie Juliet entdeckte.

Plötzlich erblickte ich das schwarze Reittier von Tybalt, welches ruhig in einer Gasse stand.

Juliet setzte sich mit dem jungen Mann auf das Pferd und sie erhoben sich ebenfalls in die Lüfte.

Ich zügelte meine Stute und sank tiefer, damit die beiden uns nicht entdeckten.

Sie flogen an das andere Ende der Stadt, wo sie erneut landeten.

Ich kehrte ebenfalls zum Boden zurück und band meine Stute an, bevor ich den beiden bis zu einer Kneipe folgte.

Ich zog mir meine Kapuze über das Gesicht und trat in den muffigen Schankraum, wo bereits einige Männer saßen und sich schon mehr oder weniger betrunken unterhielten.

„Wo sind wir denn hier?“, fragte Juliet sichtlich unwohl.

„Ich zeige Euch ein Gesicht der Stadt, das Ihr mit Sicherheit noch nicht kennt“, antwortete Tybalt.

„Hey junger Mann, was darf’s denn sein?“, fragte mich der korpulente Wirt, da ich an die Bar getreten war.

„Ich hätte gerne ein Wasser“, antwortete ich abwesend, ich wollte hören, was die beiden zu besprechen hatten… Der Wirt störte!

„Was bist du denn für ein Milchbubi? Keinen Alkohol?“

„Nein, keinen Alkohol!“, murrte ich hastig und versuchte, das verwirrende Tuscheln um mich herum zu ignorieren und mich auf das Gespräch zu konzentrieren, welches mich gerade interessierte.

Juliet bemerkte gerade, dass auf dem Boden zwischen einigen Bierfässern ein Bild des Duce Montague stand und einige Gäste mit Messern darauf warfen.

„Aber das ist ja...“, setzte sie an und Tybalt hob ihr ein Messer hin.

„Wollt Ihr es auch mal versuchen? Ihr hasst den Duce Montague doch auch, oder?“

„Ich verstehe nicht“, widersprach die Tochter der Capulets abweisend.

„Ihr habt mich sehr gut verstanden“, entgegnete Tybalt.

Juliet nahm ihm das Messer ab und schleuderte es zu meinem Überraschen nicht auf den Duce selbst, sondern auf das Familienwappen darunter. Sie traf es genau in die Mitte.

Die Kneipenbesucher schienen von Juliets Treffer beeindruckt und schrien durcheinander.

„Es geht nicht darum, ob ich ihn hasse oder nicht! Ich will doch nur...“

Tybalt unterbrach sie barsch: „Ihr möchtet die Bürger retten, die unter einem despotischen Herrscher leiden. Das ist nichts als Heuchelei.“

Tybalt warf drei Messer auf einmal und traf den Fürsten perfekt im Gesicht, das Bild kippte um.

Die Kneipenbesucher jubelten.

Die beiden machten sich auf den Weg nach draußen, währenddessen sagte Tybalt:

„Jetzt hört mir mal genau zu, Juliet! Ich hasse diesen Montague bis aufs Blut.“

Die Rothaarige erschrak, sie verließen gemeinsam die Bar.

Ich erhob mich, zog meine Kapuze noch tiefer ins Gesicht und folgte ihnen.

„Hey! Was ist mit deinem Wasser?“, rief mir der Wirt hinterher.

„Ich will‘s nicht mehr!“, teilte ich ihm über meine Schulter hinweg mit.

„Komischer Kerl…“, hörte ich den Wirt noch seufzen, dann war ich draußen.

„Und wohin gehen wir jetzt?“, wollte Juliet wissen.

„Ich will Eure Entschlossenheit prüfen. Ich muss wissen, ob Ihr Euch der Bürde bewusst seid, die das Schwert der Capulets mit sich bringt, das Ihr ab jetzt an der Hüfte tragt.“

Ich versteckte mich hinter einer Säule und wartete ab.

Sie schienen in Richtung Innenstadt gehen zu wollen, doch plötzlich flog ein Pfeil an Juliets Hinterkopf und riss ihr die Perücke von den Haaren.

„Wartet doch einen Moment, Tybalt. Eure verkleidete Begleitung finde ich gerade interessant, also bleibt schön stehen!“

Sie wirbelten herum, scheinbar sehr überrascht. Juliets lange, rostrote Haare wehten im Abendwind.

Meine Augen weiteten sich. Da stand ein Mann - und hinter ihm mehrere bewaffnete Soldaten des Duce.

„Camillo!“, rief Tybalt mehr entsetzt als überrascht aus, „Was tut Ihr hier?“

„Ich bin euch gefolgt!“

Er wandte sich nun an die Wachen:

„Und hier haben wir die letzte Überlebende der Capulets! Gut erkennbar an dem Schwert, welches sie an ihrer Hüfte trägt!

Aber jetzt… wird sie euch auch noch auf dem Präsentierteller dargelegt! Also! Nutzt die Chance und verhaftet sie!!“

„Nein! Da müsst ihr zuerst an mir vorbei!“, entgegnete Tybalt und zog seine zwei Langdolche.

„Aber Ihr seid doch… einer der Männer, welche damals auf dem Friedhof waren!“, setzte Juliet erschüttert an und legte eine Hand auf ihren Schwertknauf.

Auch ich erkannte den Mann und meine Augen weiteten sich. Tatsächlich, Juliet hatte Recht!

Wir waren verraten worden… von einem angeblichen Anhänger der Capulet-Familie!

Das war gar nicht gut, genauer gesagt sogar ziemlich schlecht!

Ich musste mich einmischen!

Mit einem lauten Schrei eilte ich an Tybalts Seite, wo ich meine Kapuze abnahm und meine Waffe zog.

„Du schon wieder!“, merkte der Schwarzhaarige neben mir an und ich starrte grimmig in sein Gesicht.

„Ich… wurde also verraten!“, flüsterte Juliet und ich sah zu ihr nach hinten.

„Hab keine Angst, wir sind bei dir! Flieh einfach! Wir werden die Wachen schon aufhalten und dich beschützen!“

„Nein! Ich werde mitkämpfen!“

Sie zog ihre Waffe. Das allererste Mal sah ich sie mit dem Schwert ihres Vaters in einem Kampf.

Aber würde Conrad Recht behalten? Konnte sie es denn wirklich schon führen, oder war es zu schwer für sie?

Ich hatte keinerlei Zeit mehr, um darüber nachzudenken.

Wir wurden augenblicklich angegriffen und Tybalt und ich schlugen zurück.

Ich schoss nach vorne und überraschte eine Wache, welche sich gerade Juliet und nicht mir zugewandt hatte.

Tybalt setzte sofort den ersten Kämpfer außer Gefecht.

Mein Schwert kollidierte mit dem meines Gegners und ich konnte im Augenwinkel erkennen, dass auch Juliet angriff.

Ich stieß mit einem Ruck voran und der Soldat taumelte aufgrund meines dadurch ausgeführten Schwertstreichs nach hinten.

„Juliet, halte dich hier nicht auf! Du müsst fliehen! Nun mach schon!“, rief ich ihr zu, doch sie griff gerade selbst einen Soldaten an. Ich konnte erkennen, dass sie das Schwert nur langsam bewegte.

Ganz offensichtlich war es doch zu schwer für sie.

„Jetzt!“, rief Camillo laut und zwei weitere Soldaten kamen von hinten auf die Prinzessin zu.

„Nein!“, schrie ich laut und stürzte mich auf einen der beiden Wächter, Tybalt auf den anderen.

Ich hatte mehr Glück als Verstand, der Soldat schien so sehr auf Juliet fixiert gewesen zu sein, dass er mich nicht kommen hörte und ich schlug ihm gezielt auf den Hinterkopf, was ihn beinahe sofort zur Seite kippen ließ.

Juliet schaffte es, den Soldat vor ihr nach hinten zu drängen, Tybalt neben mir war mit seinem Kämpfer auch fertig.

„Er hat Recht! Geht, Juliet! Wir schaffen das allein!!“

„Ich kann nicht! Es wird nicht noch einmal jemand wegen mir verletzt!“

„Achtung, hinter dir!“, brüllte ich und stürzte mich bereits auf den nächsten Feind.

Juliet wirbelte erschrocken herum und das scharfe Schwert der Familie Capulet bohrte sich direkt in meinen linken Oberarm.

Ich schlug mit einem schmerzerfüllten Schrei auf dem Boden auf, hörte noch, wie Juliet das Schwert fallen ließ und es klirrend neben mir auf dem Kopfsteinpflaster landete.

„Wenn Ihr so weitermacht, werdet Ihr die grausame Sippe der Montagues nie ausrotten können!!“, schrie Tybalt, welcher plötzlich über mir war und dem Soldaten, gegen welchen ich eben noch gekämpft hatte, wohl gerade den Gar ausgemacht hatte.

Schmerz schoss durch meinen Arm, warmes Blut durchtränkte meinen Ärmel.

Ich hörte hastige Schritte, welche sich entfernten.

„J… Juliet!“, flüsterte ich, dann wurde ich ohnmächtig.

 

„Nun fängt das Drama also langsam an, seinen Lauf zu nehmen. Unsere Juliet ist mit der Gesamtsituation überfordert und flieht“, kommentierte William und trat aus seinem Versteck heraus.

Tybalt hatte die Wachen allesamt erledigt und beugte sich besorgt über Watanuki, dessen Arm er gerade abschnürte.

Juliet rannte weinend durch die Straßen, William konnte sie genau beobachten.

„Kleine Juliet… du musst zuerst verzweifeln, um erlöst zu werden!“, flüsterte er und just in diesem Moment brach die Rothaarige auf der leeren Straße zusammen.

„Zuerst die Rebellion… und dann der Verrat. Doch die Rettung wird kommen, bestimmt!“, philosophierte Shakespeare weiter, in diesem Moment ertönte über ihm ein Wiehern und ein schneeweißes Ryuba landete.

Romeo.

Entsetzt sprang er von seinem Pferd und schüttelte die schluchzende und hilflos weinende Juliet, damit sie wieder einigermaßen zu sich kam.

Danach hob er sie auf sein Pferd und sie flogen davon.

„Sehr gut. Das Schicksal hat seinen Lauf genommen“, stellte Shakespeare fest und ging einige Treppen hinunter auf die Straße, wo er das braune Ryuba von Watanuki losband und zu Tybalt führte.

„Ab hier übernehme ich“, ordnete Shakespeare an und der Schwarzhaarige mit den bläulichen Augen sah zu ihm auf.

„Ich habe dich bereits erwartet“, erwiderte Tybalt und William musste grinsen.

„Das habe ich mir schon gedacht“, sagte der Schriftsteller und Tybalt hob den bewusstlosen Watanuki auf die Ryubastute, welche besorgt unruhige Geräusche von sich gab.

„Einen guten Nachhauseweg. Um Camillo werde ich mich gleich kümmern!“, versprach Tybalt, schnappte sich den wimmernden Verräter am Kragen und zerrte ihn wortlos mit sich fort.

William beugte sich hinunter und hob feierlich das Schwert der Capulets auf, band es sich um die Hüfte und stieg auf das Ryuba, welches sich in die lautlose Nacht erhob, und diese nur mit seinen leisen Flügelschlägen wiederzubeleben schien.

 

Ich schwamm… in einem warmen Schlossteich, auf dem Rücken, konnte die Sterne sehen.

Alles war friedlich und leicht.

Ich hatte keinerlei Sorgen mehr, alles hätte so wunderschön ruhig sein können…

Doch da tauchte neben mir plötzlich etwas leuchtend Grünes aus dem Wasser auf.

Was war das denn?

Ich drehte mich leicht zu dem riesigen Etwas um.

War es ein Flügel? Und wieso leuchtete er?

„Die ersten Anzeichen sind da, dass Escalus stirbt!

Der Lebensbaum verliert bereits seine Blätter!!“

Das waren die Blätter von Escalus? Sie waren riesig…

Ich berührte eines von ihnen, ihr Leuchten verblasste augenblicklich und sie wurden schwarz, tot.

Ihre Kälte schlug mir entgegen, breitete sich im Wasser aus und zog mich plötzlich in die Tiefe.

Ich bekam keine Luft mehr, hatte das Gefühl, tausend Nadeln würden meinen Körper durchstechen.

Ich wollte schreien, aber ich konnte nicht.

Es ging einfach nicht.

Ich war dem Wasser hilflos ausgeliefert.

Und damit auch Escalus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2012-08-08T13:43:11+00:00 08.08.2012 15:43
LISA!!!!!!!!!!!!
*dich antippt*
ICH WILL DAS LIED NOCH GAAAAAAAAAAAANZ OFT VON DIR HÖREN
"Sie haben es geta~n. Mein lieber, lieber Schwa~n. Und es war sogar sponta~n"
*trällert*
*räusper*
Sorry
Musste jetzt sein
Ich liebe dieses Kapi einfach
*_*
Von: Maryhase
2012-07-07T20:39:12+00:00 07.07.2012 22:39
TYBALT!!!!!!!!!!
*////////*
YEEEEEEEEEEEEEEEEEES!!!!!!!
Und noch ein Bonus!!!!
Willys Liedlein!!!!
YIPPIE!!!!!!!!!!


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