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An Ghealach Docher

Du kannst ihm nicht entkommen!
von

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Kapitel 22

Eine Feier zu meinem Ehren...?

Ceiliúradh chun ómós mo ...?
 

Das Abendessen bei meiner Aintín war köstlich gewesen. Einen leckeren Hähnchenbraten hatte es gegeben mit Gemüse dazu. Besonders lecker war es allerdings durch das kostbare Salz das es enthalten hatte. Niemals hätte ich erwartet kostbares Weißes Gold hier vorzufinden, oder eher raus zu schmecken, doch hatte ich es schon in Maßen bei allerlei Mahlzeiten in unserem Speisesaal geschmeckt.

Innerhalb dieser Mauern konnte man tatsächlich von Wohlstand reden, wobei es doch das restliche Land es momentan so schwierig hatte. Oft kam ich mir vor wie in einem Paradies, ein kleines Stück Glück mitten in den Highlands. Doch wie kam es dazu? Vielleicht ein Handel mit Mephistophilus? Ein solch Garten Eden, bewohnt von diesen....
 

Inzwischen lagen mir die Worte „Barbaren“ schwerer auf der Zunge, selbst in meinen Gedanken. Seit einigen Momenten war es etwas unangenehm Still am Tisch. Der kleine Tearlach schlürfte und schmatzte laut, eilig seine Portion verdrückend, wo ihm eine Süßigkeit versprochen worden war, wenn er brav seinen Teller leerte.

Der neue Gatte meiner Aintín, mein neuer Uncail Eideard war ein großer, robuster Mann. Seine markanten Züge und sein stoppeliges Gesicht ließen ihn ernster und gröber erscheinen, als er wirklich war. Aber manchmal wenn er seine blauen leuchteten Augen zu mir schweifen ließ, fühlte ich mich etwas unbehaglich. Vor allem war es mir nicht möglich ihm in die Augen zu sehen. Aber das passierte mir bei den gebürtigen Einwohner dieses Ortes immer.
 

Außer bei Kendall. Bei ihm hatte ich das Gefühl gut aufgehoben zu sein, er war sehr lieb und witzig.
 

„Was lächelst du so in dich hinein, Allison?“, fragte meine Aintín neugierig.

„Ähm... nun ja. Ich dachte an die Arbeit in den Ställen...“, erwiderte ich und hoffte inständig das sie mir Glauben schenkte. Die Ausrede war nicht die Beste, aber vielleicht....

„Und darum lächelst du? Es ist eine sehr harte Arbeit, mal abgesehen von den Gerüchen die dich dort umgeben. Möchtest du nicht lieber wo anders arbeiten? Vielleicht könnte ich mich mit Kayla...“

„NEIN!“, rief ich hastig aus. Erschrocken darüber das sie tatsächlich in Betracht zog mit diesem Drachen von Frau zu reden, hatte ich sie sogar zur Bekräftigung meiner Worte am Arm gepackt.

Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah sie mich verständnislos an.

„Es ist wegen Kendall nicht wahr?“, begann sie wissend zu lächeln.
 

„Es ist nur... Eine Sau hat heute einen Wurf Ferkel bekommen. Und die kleinen sind so niedlich. Bitte sprich nicht mit Kayla. Ich habe das Gefühl das sie mich nicht besonders mag“, sagte ich und ließ die Schultern hängen. Wenn sie nun glaubte das ich für Kendall etwas empfand, und natürlich war es nicht so, würde ich vor Scham sterben. Nicht auszudenken wie es wäre, wenn Gerüchte die Runde machten.

Ich hatte schon in unserem Dorf Uaigneas zu spüren bekommen, wie grausam so etwas ist.

Doch die Geschichte die ich ihr aufgetischt hatte, war im Grunde nicht einmal gelogen. Auch wenn es zwei Schafe waren und vor drei Tagen auf die Welt gekommen waren. Aber es war ohnehin hinfällig, da meine Aintín so sehr mit Tearlachs Erziehung und dem Wirtshaus beschäftigt war, das sie mich niemals bei den Ställen aufsuchen würde.

Nach einem durchbohrenden Blick und tiefgründigen Gedanken deren Inhalt mir verborgen blieben, blickte sie mich an und wandte sich nach einem kurzen Augenblick wieder ihrem Eintopf zu.
 

„Ich weiß das Kayla etwas roh ist und ihre Gefühle nicht immer gut unter Kontrolle hat, aber glaube mir, sie hasst dich nicht. Weißt du, sie hat es auch nicht leicht in ihrem Leben und ist über die Jahre vielleicht etwas verbittert. Wenn du lange genug hier bist, wirst du es merken. Aber nun zu angenehmeren Dingen“, sagte sie prompt, nachdem ihr Gatte ihr einen warnenden Blick zugeworfen hatte. „Was wünscht du dir nächste Woche, Allison?“, wechselte sie das Thema.

„Nächste Woche?“, fragte ich sie verständnislos. Was sollte da besonderes sein? Und warum wünschen, ich durfte mir nie etwas wünschen.

„Nun, dein Jahrestag!“, erklärte Iseabail und schien nicht zu verstehen das ich nicht wisse was sie meinte.

„Jahrestag?“, begriff ich noch immer nicht.

„Der Jahrestag deiner Geburt. Dein Geburtstag.“

„Mein Geburtstag“, wiederholte ich die fremden Worte. Ich wusste was es war und glaubte zu wissen, das es in meiner Kindheit etwas schönes an diesem Tag zu erwarten gab. Aber vielleicht war es nur ein Traum gewesen.

„Du bist am siebenten Tag des siebenten Monats geboren worden. Hach, ich weiß es noch als wäre es gestern gewesen. Ich war noch jung gewesen, etwa in deinem Alter und hatte deiner Mutter und der Hebamme geholfen. Es war kurz nach der Verlobung mit deinem Uncail. Mrs. Lindsey die Gattin des Medikus aus unserem Dorf hatte dir aus dem Leib deiner Mutter verholfen. Es war tiefste Nacht gewesen, ich weiß noch wie hell der volle Mond gestrahlt hatte und deine Seammathair hatte in der Ecke gesessen und eine Decke für dich gestrickt.“
 

Meine Aintín hatte wieder diesen Glanz in den Augen, wie sie ihn immer bekam, wenn sie an schöne vergangene Tage dachte. Manchmal glänzten ihre Augen so stark, das der Glanz sich zu Tränen füllte.

„In fünf Tagen hast du Geburtstag und wir werden es feiern.“

Meine Wangen färbten sich auf der Stelle rot vor Scham, noch nie hatte man wegen mir sich die Mühe gemacht eine Feier auszurichten. „Aber nein, das ist doch gar nicht nötig....“, versuchte ich sie davon abzuhalten.

„Doch! Ich will es so. Wir werden unten in der Wirtsstube feiern, Tische sind genug da. Lade ein wen du willst. Du kannst auch Kendall einladen“, sagte sie mit Nachdruck, was mir noch mehr Röte ins Gesicht schießen ließ.

„Es ist doch gar nichts mit Kendall, ich weiß gar nicht wovon du sprichst“, empörte ich mich und hoffte das es nicht zu verzweifelt klang. Aufkeimende Gerüchte musste man sogleich im Keim ersticken. Das hatte ich aus grausamer Erfahrung gelernt.

„Natürlich“, lächelte sie sanft. „Also was glaubst du wie viele Leute kommen? Wie viele Tische soll ich freihalten? Drei?“
 

„WAS? Das sind doch viel zu viele“, warf ich ein und auch Eideard hatte Einwände. „Frau übertreib es doch nicht so.“
 

„Übertreiben? Weshalb? Wegen drei Tischen? Keine Sorge, für dich und deine Saufkumpanen wird es noch genügend freie Tische geben“, grinste sie angriffslustig.
 

Erschrocken blickte ich sie an und flüsterte ein warnendes „Aintín“, doch bevor ich befürchten konnte, das sie Schläge erwarten konnte, begann ihr Gatte lauthals zu lachen an.

„Und das von einer Frau die mich bei unserer dritten Begegnung unter dem Tisch saufte“, brüllte er vor lachen.

„Was?“, fragte ich ungläubig und verwirrt. Meine Aintín trank mit Männern?

„Oh ja, Allison. Dieses Weibsbild hat ein gehörig dickes Fell. Sie trinkt wie ein Mann und beim Kartenspiel zieht sie allen Mitspieler die Hosen aus. Selbst der König hatte es einmal an sie versucht.“

„Er hat gewonnen, Liebster“, erwiderte Iseabail friedlich und mimte die perfekte Gattin, was mich bei dem eben Gehörten nur nur noch mehr für Verwirrungen in meinem Kopf sorgte.

„Du kannst dich verstellen wie du willst, Weib. Ich weiß, du hast ihn gewinnen lassen.“

„Ach, du wieder. Ich habe ihn nicht gewinnen lassen“, versuchte sie es wieder, aber ihr Lachen schien sie zu verraten.

„Lüge nur bis sich die Balken biegen, aber ich weiß es besser“, knurrte er, griff in ihren Nacken um sie zu sich zu ziehen und küsste sie.
 

Etwas beschämt guckte ich weg und stocherte mit meinem Löffel im Eintopf herum.

„Iiiiiih“, rief Tearlach. „Ihr seit so eklig“, schrie er aus und alle begannen wir zu lachen. Ich konnte mich nicht erinnern wann ich das letzte Mal herzhaft gelacht hatte, aber ich glaubte nun eine Last von meinen Schultern rollen zu spüren. Ob ich nun vollends hier angekommen war, und alle Umstände akzeptiert hatte? Egal wie sehr ich manchmal an mein altes Leben denken musste, inzwischen wollte ich nicht mehr dorthin zurück.

Aber da würde mich auch nichts erwarten.

Hier aber, hier, hatte ich eine Familie.
 

********
 

„Eine Feier? Das ist so lieb von deiner Tante. Ich darf natürlich kommen oder?“, grinste Aileen und kämmte meine Haare, während wir gemütlich auf ihrem Bett saßen.

Vor einer halben Stunde war ich von meiner Aintín zurück gekehrt und war sogleich in den Frauenturm gegangen, da ich wusste das Aileen mich erwartete.
 

„Äh...Natürlich“, erwiderte ich, noch immer etwas rot im Gesicht.
 

„Du musst unbedingt dein schönstes Kleid anziehen und ein Bad nehmen. Dein Badetag ist zwar erst zwei Tage später, aber ich gebe dir meinen, wir tauschen einfach. Deine Haare waschen wir dann auch, dann duften sie schön und ich mache dir eine schöne Frisur“, lächelte Aileen und freute sich wie ein kleines Kind auf eine Süßigkeit.

„Wer kommt noch? Hast du schon jemanden eingeladen?“, fragte sie und das war genau die Frage über die ich nicht nachdenken wollte.

In den wenigen Monaten die ich nun hier war, habe ich mich kaum mit jemanden angefreundet. Zu Anfang war ich noch sehr misstrauisch und ängstlich gewesen, aber auch sonst hatte sich inzwischen nicht viel getan. Ich war irgendwie nicht besonders kontaktfreudig. Sicher, die anderen Mädchen sind nett, man spricht miteinander und lebt so neben einander her. Aber als Freundin würde ich nur Aileen bezeichnen. Eigentlich gab es nur sie.
 

Und Kendall, wenn ich bei den Ställen war. Mehr Menschen gab es nicht in meinem Alltag, außer meine Aintín. Schon traurig wenn man darüber nachdachte.
 

„Du könntest Kendall einladen“, sagte Aileen sanft, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
 

„Ach er würde bestimmt nicht kommen wollen“, versuchte ich es, hatte aber mühe meine Stimme beiläufig klingen zu lassen. Ich wusste nicht weshalb ich mich dagegen sträubte Kendall in mein privates Leben hinein zu lassen, doch vielleicht lag es an seinem Geschlecht. Seit der Sache mit Dylan und meinem Uncail hatte ich mir geschworen mich niemals wieder zu verlieben. Es war eine andere Sache jemanden Akzeptables zu ehelichen und süße Kinder zu bekommen, die ich lieben konnte und die mich liebten. Aber mehr hatte ich für mein Leben nie vorgesehen. Nicht mehr.
 

„Ach komm schon Allison. Gib dir einen Ruck. Entweder lädst du ihn ein oder ich werde es tun“, drohte sie.

„Na schön, ich werde ihn morgen fragen“, versprach ich widerwillig.

„Brav“, grinste sie triumphal.
 

„Na ihr beiden, was gibt es da so fröhlich zu quaken?“, fragte Meara, eine gute Freundin von Aileen.

Ich hatte sie auch sehr gern, doch war der Kontakt nur durch Aileen verbunden. Oft redeten sie miteinander und ich saß mit dabei und hörte einfach zu. Zu Anfang hatte sie versucht auch Freundschaft mit ihr anzuknüpfen, aber es war mir zu viel und ich war ihr sicherlich zu anstrengend gewesen mit meiner Melancholie. Aber ich mochte das Mädchen mit dem strohblonden Wellen und den blaugrauen Augen dennoch.
 

„Nächste Woche hat Allison Jahrestag und es wird im Wirtshaus ihrer Aintín gefeiert. Du kommst doch auch oder nicht?“
 

„Oh gerne. Das ist aber nett von deiner Aintín. Endlich mal wieder was anderes. Unsere Geburtstage feiern wir sonst nur unter uns, hier im Frauenflügel des Schlosses. Kommen auch Männer?“, fragte sie neugierig, senkte aber ihre Stimme dabei.

„Au ja, Kendall ist bereits ein Kandidat. Doch unsere Allison tut sich etwas schwer jemanden einzuladen“, tratschte Aileen, was mich peinlich berührt auf den Boden blicken ließ.

„Oh komm schon Allison, es ist nicht so schlimm. Wir kümmern uns darum“, sagte Aileen aufmunternd und tätschelte meine Schulter. „Aber Kendall fragst du selbst!“

„Einverstanden“, nuschelte ich, spürte aber sogleich die flatternde Aufregung als ich an ihn dachte.
 

********
 

Am nächsten Tag schlurfte ich mit einem flauen Gefühl zu den Ställen, was nicht unmittelbar dazu führte das ich mich verspätete. Schon von Weitem sah ich Kendalls Karren vor dem Stall der Ziegen, sein Gaul graste gemütlich am Wegesrand.

Die Stalltür war geöffnet, aber die Klappen an den Fenstern im oberen Teil des Stalles, in dem sich die Tiere befanden nicht. Vorsichtig lugte ich hinein in die Dunkelheit.
 

„Kendall?“

„Guten Morgen, Schönheit“, sprach eine Stimme neben meinem Ohr. Erschrocken drehte ich meinem Kopf direkt zu ihm, stieß mich aber an dem Türpfosten. Der Schmerz war schnell vorbei, aber ich spürte die Schramme an meinem Wangenknochen.

„Oh tut mir leid, das wollte ich nicht“, sagte Kendall und riss mich sofort tröstend in seine Arme, was mich sehr irritierte.

Staunend blickte ich zu ihm auf, sein Gesicht nur ein kurzes Stück von meinem Entfernt, sein warmer Atem streifte meine Wangen. Wie aus dem Nichts hatte er ein sauberes Tuch geholt und tupfte mir die Wange ab. Zischend zog ich die Luft ein, da es mehr brannte als erwartet. „Oh warte du hast ein....“

Ein stechender Schmerz flammte kurz auf, ehe es erlosch und zwischen seinen Fingern sah ich einen Holzsplitter. Den musste ich mir von der Tür zugezogen haben.

„Danke“, sagte ich und sah etwas unsicher zu ihm auf.

Es war ein komisches Gefühl so nahe bei ihm zu stehen. Aber ich konnte nicht beschreiben ob es gut oder schlecht war.

„Du hast dich verspätet, was hat dich aufgehalten?“, brach er die Stille und sah mich mit seinem schiefen Grinsen an.

„Ach.... nichts besonderes“, wich ich aus und beeilte mich ein genuscheltes „tut mir leid“ hervorzubringen. Wieso fiel mir das Reden nur mit ihm so schwer? Reiß dich zusammen Allison.

Noch einmal holte ich tief Luft und überwand mich: „Nächste Woche habe ich Geburtstag und meine Aintín möchte es im Wirtshaus feiern und wenn du ….“

„Ich komme gern“, prasselte es sogleich aus seinem Mund, kaum das ich meine Einladung aussprechen konnte.

„Ähm.... gut. Dann... sehen wir uns da. Es ist am Dienstag. Es beginnt am frühen Abend.“

Puh, geschafft!

„Sag mal, wer kommt eigentlich noch so? Sind noch mehr Männer eingeladen?“, fragte er mit einem anzüglichen Lächeln, welches mir wieder das Herz höher schlagen ließ.

„Äh... nun ja, nicht direkt. Eigentlich bist du ja der einzige mit dem ich wirklich bekannt bin. Aber Aileen wird sich darum kümmern, also... weiß ich nicht wer kommt.“

„Schade, wäre ich der Einzige, bräuchte ich mir keine Gedanken um Konkurrenz zu machen“, sagte er und sein Gesicht kam meines wieder näher.

„Tja nun... du kennst ja Aileen“, wich ich aus, ging hinüber zur Leiter und wollte mit meiner Arbeit beginnen.
 

Ich spürte seinen Blick in meinem Rücken und versuchte es geflissentlich zu ignorieren. Eilig stieg ich die Leiter hinauf, ergriff die Mistgabel und machte mich an die Arbeit. Kendall war mir gefolgt und tat es mir nach, allerdings spürte ich immer wieder seinen fragenden Blick. Als alle Misthaufen aus dem Fenster geworfen waren – auf dem stinkenden Berg hinter dem Stall – wollte ich hinunter steigen um das frische Stroh hinauf zu werfen damit es Kendall verteilen konnte.
 

„Allison?“, hielt er mich zurück.

„Ja?“

„Was ist los? Du wirktest vorhin schon so nervös und als ich... ist es für dich unangenehm wenn ich dir zu nahe komme? Glaube nicht das ich etwas beabsichtige... also wenn du nicht willst....“, stammelte er und kratzte sich unsicher am Hinterkopf.

„Kendall, ich habe nichts gegen dich, nur... ich …. es ist in meinem alten Leben einiges geschehen und ich … auch wenn ich dich sehr gern hab... ich kann die Nähe von Männern nicht wirklich... ertragen. Also wenn sie mir zu nahe kommen. Es tut mir leid...“
 

„Schon gut, du musst dich nicht entschuldigen. Ich verstehe dich, glaub ich“, sagte und er blickte zu einer kleinen meckernden Ziege um meinem Blick zu entwischen. Er wirkte sehr geknickt und bei diesem Anblick des traurigen Kendall, der sonst immer gutgelaunt war und immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hatte, bekam ich ein schlechtes Gewissen.

„Ich brauche etwas Zeit. Nur etwas Zeit“, log ich.
 

Ich hatte in diesem Augenblick nicht das Gefühl das es sich jemals ändern würde, doch wollte ich ihn aufmuntern und wusste mich nicht anders zu helfen. Es ließ sich nur auf ein Wunder hoffen, das er etwas anderes findet das sein Interesse weckt oder ich tatsächlich eines Tages in der Lage bin mich einem Mann wieder romantisch zu nähren.
 

********

„Ich bin so furchtbar nervös. Muss ich denn dieses Kleid tragen? Ich falle doch auf wie ein bunter Hund“, klagte ich und zupfte an diesem blassbklauen Stoff der mich umgab. Aileen schnürrte meinen Mieder während Meara mir die langen Locken bürstete, nachdem sie diese einigermaßen, sorgfältig mit einem Tuch getrocknet hatte.

Aileen umkreiste mich wie eine Katze eine Maus und bedachte mich mit einem nachdenklichen Blick, wobei sie auf ihrer Lippe herum kaute.

„Es fehlt etwas.... du siehst so schmucklos aus.“
 

„Also das würde ich nicht sagen, sieh dir doch dieses prächtige Kleid an. Sie sieht aus wie ein Burgfräulein“, strahlte Meara und begann damit meine Haare zu flechten um sie zu einer Hochsteckfrisur zu verarbeiten.

„Papperlapap! Es ist gleich wie prachtvoll ein Kleid auch sein mag, wenn die Frau die es trägt keinerlei Schmuck trägt, ist es nur halb so schön. …. Moment, da fällt mir etwas ein“, sagte sie und ging hinüber zu ihrem Bett. An ihrem Nachttisch öffnete sie die Schublade, holte eine Schatulle hervor und dieser entnahm sie einen schönen Haarkamm. Er war aus schönem Holz geschnitzt mit reicher Verzierung. Es waren Ranken zu erkennen und eine Rose in der Mitte.
 

„Oh Aileen, die ist ja wundervoll“, sagte ich und nahm sie ehrfürchtig entgegen.

„Na dann. Sie gehört dir, ich trage sie ohnehin nicht. War ein... Geschenk“, seufzte sie plötzlich schwermütig und verfiel in kurze Melancholie, wie ich es nur selten bei ihr erlebt hatte.

„Aileen ist alles in Ordnung?“, fragte ich vorsichtig.

Sogleich wurde sie aus ihrer Trance gerissen und wischte eine aufsteigende Träne fort.

„Natürlich. Was eine unsägliche Erinnerung, wie sie einem manchmal ärgern. Schwamm drüber. Hier Meara, diese Haarspange wird alles abrunden“, sagte sie grinsend und sogleich spürte ich die Spitzen des Kammes über meine Kopfhaut gleiten.

„Sie ist bestimmt schön aber... ich kann sie nicht annehmen“, sagte ich bestimmt und wollte die Haarspange bereits aus meinen Haaren ziehen.

„Finger weg“, sagte sie und schlug auf meinen Handrücken. „Nimm es als Geschenk zu deinem Geburtstag. Ich brauche es nicht mehr, ich habe es ohnehin nie getragen.... Aber es fehlt noch immer etwas!“

„Da kann ich vielleicht weiter helfen“, mischte sich Meara ein und lief ihrerseits zu ihrem Bett um aus ihrer Kleiderkiste ein samtenes Säckchen zu holen. „Ich habe sie einmal von meiner Schwester geerbt, nachdem sie verheiratet wurde und eine neue bekam. Es ist schon zerkratzt und etwas schäbig....“

„Sie ist wunderschön“, sagte ich und nahm es ehrfurchtsvoll in die Hand. Es war eine bronzene Kette mit himmelblauen Steinen.

„Leider sind die Steine keine echten Diamanten, es ist nur Glas, aber....“

„Sie ist unbeschreiblich schön“, strahlte ich und drückte sie an meine Brust. „Vielen Dank!“
 

So war ich denn gerüstet für die erste Feier die je in meinem Leben nur für mich stattfinden sollte. Ein hübsches Kleid, welches aus Sophies Truhe stammte. Natürlich stammten die meisten aus Sophies Kindheit,weshalb mir die Ärmel oft zu kurz waren, denn um mir eine völlig neue Garderobe zu schneidern, dafür war in den drei Tagen keine Zeit gewesen. Doch glücklicherweise hatte mich Aileen bereits vor Tagen dazu aufgefordert die Truhe zu öffnen und zu offenbaren, welche Schätze ich besaß, denn oft trug ich immer das gleiche Kleid, wie ihr aufgefallen war.

Das schlichteste. In dem ich mich eben am wohlsten fühlte.
 

Fleißig hatte sie sich daran gemacht die Ärmel zu kürzen um es sommerlicher zu machen. Zunächst hatte ich Einwände, da ich nicht sicher war ob es sich für eine Frau schickte ihre gesamte Armlänge zu zeigen, doch schien es hier an diesem Ort nicht so weit herzugehen mit der Prüderie. In einen etwas übergroßen, aber zu kurzem Umhang gehüllt, begleiteten sie mich aus dem Frauentrackt und in die Stadt hinein.

Vor der Tür des Wirtshauses blieb ich noch einen Moment stehen und holte tief Luft um meine Schultern zu straffen, ehe ich meine Hand auf die Klinke setzte um sie zu öffnen.
 

Der Duft von herrlichem Essen war das erste das ich wahrnahm und als ich den ersten Schritt hineintrat erblickte ich die lodernden Lichter der metallenen Leuchter an der Decke und den Kerzen auf den Tischen. Kaum das ich unter den bereits anwesenden Menschen ein Gesicht erkennen und zuordnen konnte, wurde ich plötzlich von jemandem in die Arme gerissen und ein mir vertrauter, lieblicher Duft zusammen geflochtener Haare wehte mir um die Nase.

Herzlich drückte mich meine Aintín an ihre Brust und zog mich weiter in die Stube hinein. Nun sah ich das die Tische etwas zur Seite gerückt waren um einer großen freien Fläche in der Mitte platz zu machen und einige der Tische zu einer großen Tafel zusammen geschoben waren. Von dort her stammte der leckere Duft, der mir den Speichel in den Mund trieb.

Auch Aileen und Meara waren entzückt und klatschten begeistert in die Hände.
 

„Aintín das... wäre doch nicht nötig gewesen“, sagte ich kleinlaut und spürte wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Das Gefühl das sich in meinem Körper ausbreitete war überwältigend, was meine Knie weich werden ließ. Noch nie hatte es ein Fest meinetwegen gegeben. Geburtstage wurden bei uns nicht gefeiert, es war kaum der Erwähnung wert. Seither hatten wir an jenem Tag nur Dinge bekommen, die ohnehin längst nötig gewesen wären. Ein neues Kleidungsstück oder vielleicht etwas praktisches um unsere Arbeit besser verrichten zu können. Wir hatten uns nie etwas daraus gemacht. Es gab eine etwas größere Portion zu Essen und ich weiß noch, wie sehr sich Doughlas einmal über seine neue Axt gefreut hatte. Denn die Alte war schon so stumpf und zerschlissen gewesen, das man genau so hätte versuchen können mit einem einfachen Messer Holzscheite aus einem Stamm zu schneiden.
 

„Oh nein Allison, nicht weinen. Wir haben so lange gebraucht um dich so schön herzurichten, bitte versau nicht unser Meisterwerk“, jammerte Aileen, packte mich an den Schultern und sah mich eindringlich an. „Komm schon Süße, lächeln, nicht weinen. Du bist zwar ein Jahr älter und nun eine alte Vettel, aber erfreue dich doch wenigstens des leckeren Essens.“
 

Etwas ungeschickt begann ich zu prusten vor Lachen und verlor etwas Speichel dabei, doch achtete ich nicht weiter drauf. Stürmisch umarmte ich sie und spürte die unsägliche Träne meine Wange hinunter rollen.

„Was habe ich gesagt, keine Tränen“, sagte Aileen und wischte mir zärtlich übers Gesicht.

Nachdem mich alle überschwänglich gratuliert hatten, öffnete sich mit einem lauten Rumps die Tür und es kam kein geringerer herein als Lugus. Prächtig gekleidet wie ich ihn noch nie gesehen hatte, mit einem Kilt aus teurem Stoff, ein weißes Hemd und einen fantastisch Umhang. Auch eine herrliche Brosche an einer langen Kette durfte nicht fehlen. Es kam mir vor als sähe ich ihn zum ersten Mal.

Genauer gesagt, sah ich ihn mir nun direkt das erste und richtige Mal an, von oben bis unten. Lange Zeit war ich wütend auf ihn gewesen, ja selbst gehasst hatte ich ihn. Doch nach einigen Wochen konnte ich es nicht mehr, und die Tatsache das er eigentlich für mich ein völlig Fremder war, hielt mich von ihm fern. Immer hatte ich das Weite gesucht wenn er sich ins gemeine Volk mischte. Doch nun war es ein Fest zu meinem Ehren und musste ihn wie einen Ehrengast willkommen heißen. Ehe mir dieser politische Akt das Herz schwer werden lassen konnte, lief meine Aintín bereits auf ihn zu, verbeugte sich und dankte ihm für sein kommen. Ihr hatte ich es also zu verdanken? Ein zischender Schmerz durchfuhr meiner Brust, doch konnte ich ihr nicht böse sein. Vielleicht hatte sie auch nur befürchtet, das er beleidigt reagieren könnte.
 

„Ich bin der Einladung gerne gefolgt Iseabail. Ich war so frei meinen Sohn ebenfalls mitzubringen, wenn es dir nichts ausmacht?“

„Aber nein. Seid gegrüßt Prinz Radulf, setzen Sie sich. Das Essen ist bereits angerichtet und auch das Geburtstagskind ist bereits anwesend“, sagte meine Aintín aufgeregt und führte die zwei Herrschaften direkt zu mir.

Mein Herz klopfte vor Aufregung wild in meiner Brust und ich sah kurz zu Aileen, die sich ebenfalls verbeugte, als die beiden Neuzugänge näher traten.
 

„Allison, du siehst umwerfend aus, lass dich ansehen. Du hast dich erholt wie ich sehe. Ich hoffe du verzeihst mir mein damaliges Versteckspiel, doch hat es seine Gründe gehabt. Mir ist bewusst das ich dir weh getan habe, aber lass es mich wieder gut machen“, sagte er und holte etwas ledernes hervor. Zunächst wusste ich erst nichts damit anzufangen, doch schien es eine Art Gürtel zu sein.
 

Es war aus schwarzem, feinen Leder und an sich gewöhnlich und schmucklos, wäre da nicht dieser leuchtend weiße Stein gewesen, der durch eine silberne Schnalle an dem Gürtel befestigt worden war.

„Oh ein Mondstein“, sagte Aileen ganz erstaunt und strich ehrfurchtsam darüber.

„Aber er scheint ein wenig kurz zu sein“, überlegte ich und versuchte ihn an meiner Hüfte anzulegen, allerdings war diese zu breit. So entschied ich sie an meiner Taille anzubringen, um Lugus nicht zu enttäuschen.

„Nein, die Länge ist genau richtig. Trage ihn nur immer bei dir, manchmal sind Gürtel sehr nützlich“, lächelte Lugus und Iseabail führte ihn an die Spitze der Tafel, an der er sich gemächlich setzte.

„Sag mal Junge, wie lange willst du noch wie eine Statue dort stehen und wie ein dummes Pony gucken?“, sagte Lugus plötzlich ohne aufzusehen und alle wandten wir uns um.

Natürlich, er hatte ja davon gesprochen das er Radulf mitgebracht hatte.

Dieser stand mit verschränkten Armen vor der Brust am Türrahmen angelehnt und schien zunächst keine Anstalten machen zu wollen sich von der Stelle zu bewegen.

„Nun beweg dich, oder muss ich dir Beine machen“, dröhnte die tiefe Stimme wie Donnerhall durch das Wirtshaus, was uns zusammen zucken ließ.

Zunächst hatte es den Anschein das Radulf sich noch immer nicht bitten lassen wollte, doch ehe Lugus noch ein Wort sagen musste, stieß er sich schwungvoll vom Türrahmen ab und trat ein, während er die Tür laut ins Schloss schlagen ließ.

Je näher er mir kam und mich mit seinem Blick durchbohrte, desto lauter klopfte mein Herz. Diese Gefühlswallungen konnte ich mir selbst nicht erklären, doch war ich ihnen unbewaffnet ausgeliefert. Doch bevor er vor mir stand, machte er einen Bogen und wollte an mir vorbeilaufen.
 

„Radulf“, kam es leise knurrend aus Lugus Richtung, doch seine Stimme war so vibrierend, das es niemand hätte überhören können. Es war als würde es um uns herum kalt und ungemütlich werden, alle standen wir still, hielten den Atem an und warteten gespannt darauf was geschehen würde.

Auch Radulf ließ sich davon beeindrucken und blieb Schulter an Schulter an meiner Seite stehen.
 

Ein tiefes Seufzen kam aus seiner Kehle ehe er sich zu einem „Herzlichen Glückwunsch“, niederringen konnte.

„Danke“, hauchte ich, während ich zu ihm aufsah und von diesem wildem Grün in seinen Augen eingenommen wurde. Unerwartet blieb er noch einen kurzen Moment stehen und sah mir entgegen, während ich glaubte etwas anderes in seinen Augen zu sehen, als Langeweile und Verachtung, doch war es so schnell vorüber das ich es mir auch eingebildet haben konnte.

Mit einem gereiztem Schnauben in meine Richtung trottete er hinüber zur Tafel und setzte sich zur Linken seines Vaters.

Dummes Maultier!
 

„Komm, setz dich zu mir, Kleines. Wir sollten mit dem Essen anfangen, sonst wird es kalt“, sagte Iseabail und klopfte auf den Stuhl neben ihr. Dort saß ich also, mit meiner Familie, meinen zwei Freundinnen, Lugus und diesem Maultier. Kaum hatte ich nach dem Besteck gegriffen, flog die Tür auf und Kendall trat gutgelaunt, wie immer herein.
 

„Ihr wollt doch nicht ohne mich anfangen?“, grinste er. Doch sein Grinsen hielt nicht lange an, nachdem er seinen König entdeckt hatte. Eilig lief er zu ihm, sank auf die Knie, wischte seine Haare aus den Nacken um diesen dem König zu präsentieren. Das war einer der vielen Merkwürdigkeiten die ich hinter diesen Mauern entdeckt hatte. Aber jedes Volk hatte seine Sitten.

„Wie unerwartet Euch beim einfachen Volk zu sehen, Chief“, grinste er sein schiefes Lächeln das er so oft drauf hatte und suchte den Tisch nach mir ab. Bereits in wenigen anderen Momenten hatte ich mitbekommen das er dem König gegenüber nicht gerade den größten Respekt zollte, doch war ich bisher nie dahinter gekommen woran dies lag. Schnell hatte er mich erblickt und blieb für einen Moment ganz starr.

„Bei den Göttern. Schönheit, aus dir ist eine Prinzessin geworden“, sagte er, schnappte meine Hand und zog mich vom meinem Stuhl hoch, wobei es durch die Wucht zu Boden fiel und vergessen liegen blieb. Zwei Mal ließ mich Kendall wie bei einem Tanz mich um meine eigene Achse drehen, bis er mich zu sich zog.

„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Schönheit“, flüsterte er und reichte mir einen Gurt. Mit einer reich verzierten Scheide, in der ein Dolch steckte, an der Spitze des Griffes einen Sichelmond.“Oh Kendall, das ist..... wunderschön, aber...“

„Schhhh“, legte er mir einen Finger auf den Mund. „Jede hübsche Frau braucht eine Waffe um sich vor ihren Verehrern zu schützen“, grinste er.

Wir setzten uns und natürlich setzte er sich direkt neben mir, so das ich zwischen ihm und meiner Aintín saß.

„So meine Lieben, lasst euch das Essen und den Wein schmecken“, sagte Iseabail und sogleich hörte man das Besteck über den Tellern kratzen.
 

Vor lauter Aufregung bekam ich kaum ein Bissen runter. Kendalls starke Präsenz neben mir und die Anwesenheit von Lugus und Radulf ließen mich vollends vor Anspannung versteifen. Was war das nur für ein merkwürdiger Abend, an dem ich mich wie eine verwöhnte Prinzessin aussah und mich wie eine Bettlerin fühlte? Während dem Essen unterhielten sich Iseabail, Eideard und Lugus viel, es war kaum zu erkennen das eine Art König hier an diesem Tisch saß, so entspannt gingen sie miteinander um, aber nicht ohne den nötigen Respekt.
 

„Allison?“, fragte mich Iseabail, nachdem das Essen abgeräumt war und nur noch die Weinkrüge auf dem Tisch standen.

„Ja?“

„Hier, das habe ich für dich gemacht. Ich habe damit angefangen, nachdem wir uns das erste Mal gesehen haben. Deine Seanmathair hatte damit angefangen, doch wie du weißt... verstarb sie plötzlich. Ich habe die Wolle noch einmal auseinander gefädelt und habe ihre Arbeit beendet. Sie wäre stolz dich darin zu sehen“, sagte Iseabail und reichte mir einen roten Wollhaufen.
 

Verwirrt nahm ich es entgegen, stand auf und hielt es vor mir hin. Es war ein schöner, weicher, roter Umhang mit einer Kapuze daran.

„Oh das... das ist so schön“, sagte ich begeistert und Tränen stiegen mir wieder in die Augen.

„Probier es bitte an, ich will sehen wie es dir passt“, sagte meine Aintín, kam auf mich zu und schnürte den Umhang vor meinem Hals.
 

„Du siehst so hübsch darin aus, meine Kleine“, sagte Iseabail und umarmte mich herzlich. „Deine Seanmathair wäre so stolz auf dich, wenn sie sehen würde was für eine hübsche Frau aus dir geworden ist.“

„Danke“, schluchzte ich und drückte mich an sie.
 

„Schluss mit dem Geheule, wo ist die Musik?“, rief Kendall aus und sprang auf.

„Oh... ach ja, die anderen müssten bald kommen“, sagte Iseabail und kaum hatte sie es ausgesprochen ging die Tür auf und einige Männer kamen herein mit verschiedenen Instrumenten. Ein Dudelsack, zwei Geigen, eine Flöte, Trommeln, es versprach aufregend zu werden. Auch einige Stammgäste traten ein, denn nach wie vor, sollte die Wirtsstube ihre Kunden empfangen. Doch da am frühen Abend noch niemand hier anzutreffen war, hatte meine Aintín das Abendessen getrost hier stattfinden lassen können.

Schnell hatte sich der Alltag mit meiner Geburtstagsfeier vermischt. Iseabail und ihr Gatte Eideard sind wieder hinter dem Tresen verschwunden um ihrer Arbeit nachzugehen und die ersten Bestellungen wurden bearbeitet.
 

Die Musik fing zu spielen an und ich stand etwas unbeholfen herum, mit dem roten Umhang, einem Dolch und einem Mondsteingürtel.

„Darf ich um diesen Tanz bitten?“, flüsterte eine Stimme in mein rechtes Ohr und der warme Atem der über meinen Nacken strich verursachte ein Kribbeln in meiner Magengegend.

Ich drehte mich zu Kendall um und war nicht wirklich im Stande ihm direkt in die Augen zu sehen. „Nein danke... ich... habe schon so lange nicht mehr getanzt, ich glaube... ich kann das gar nicht mehr“, stammelte ich. Ich spürte die neugierigen versteckten Blicke in meinen Rücken und fühlte mich schrecklich unwohl. Es war bereits schon zu viel Aufmerksamkeit auf meine Person für diesen Tag. Für dieses Leben.
 

„Allison, bleib ruhig. Sie dir das volle Wirtshaus an. Niemand achtet auf uns. Gib mir den Umhang“, sagte er und hatte prompt diesen aufgeschnürt und legte ihn mir ab. „Achte nicht auf die anderen, es gibt nur uns.“

Er nahm meine Hand und führte mich in die Mitte, in der bereits einige wenige Paare tanzten. Nach einigen unbeholfenen Umdrehungen wurde ich allmählich entspannter und begann an dem Tanz Spaß zu haben.

Die Musik stimmte ein neues Lied ein, ein fröhliches, schnelles Lied. Lachend wirbelten wir umeinander und schon bald fühlte ich mich so wohl und glücklich, das ich glaubte fliegen zu können.
 

Das Lied endete abrupt und ich fand mich schwer atmend in Kendalls Armen wieder.

„Vielleicht sollten wir eine Pause machen“, sagte er und führte mich zu unserem Tisch.
 

Erschöpft aber glücklich, ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen und sah dabei zu wie Aileen mit einem großen gutaussehenden Mann tanzte. Sie hatte einmal durchblicken lassen das es jemandem in ihrem Leben gab und es wurde getuschelt, das sie bald nicht mehr bei uns im Frauenturm wohnen würde. Das musste der Glückliche sein. Doch der Gedanke meine Freundin bald nicht mehr bei mir zu wissen, machte mich traurig.
 

Doch noch immer spürte ich einen starrenden Blick auf mir, wie schon die ganze Zeit. Es war mir im Laufe des Tanzes unwichtig geworden, hatte sich aber wie ein Nebel um die Lichtung gewabert. Als ich es nicht mehr aushielt und meinen Kelch geleert hatte, suchte ich den Raum ab, suchte die Augen die mich auf Schritt und Tritt verfolgten. Grüne Augen starrten mir für einen Augenblick entgegen, ehe sie sich abwandten.
 

Radulf hatte mich beobachtet? Der Gedanke das er meine Existenz nicht nach wenigen Minuten vergaß sobald sich unsere Wege für einen Augenblick gekreuzt hatten - sondern da saß und ich so interessant war, das er mich länger als eine Sekunde beobachtete - löste ein merkwürdiges Gefühl in mir aus.

Während Kendall am Thresen stand und neue Getränke für uns holte, sah ich mir Radulf einmal genau an, was ich die letzten vier Monate nie getan hatte. Er hatte glänzende schwarze Haare, die ihm lang auf die Schultern reichten. Seine grünen Augen glühten im dämmrigen Licht und nun sah ich das er von Narben übersät war. Eine lange dicke Narbe, verunstaltete sogar sein Gesicht und hatte ihm wohl fast ein Auge gekostet, doch dieses war glücklicherweise heil geblieben, auch wenn sein Lid zur Hälfte nur noch eine dünnes, faltiges, etwas rötliches Hautstück war. Mir fiel auch auf das ihm ein Glied am kleinen Finger an seiner Rechten Hand fehlte. Das musste er wohl bei einem Kampf verloren haben, was sich aber schwer sagen ließ, da es ausgebrannt worden war und nur noch ein schwarzer Stumpf übrig war. An seinem linken Unterarm, fand sich auch eine lange feine Narbe.

Wären diese Errungenschaften nicht gewesen, wäre er wohl ein gutaussehender Mann gewesen. Nicht das ich Oberflächlich gewesen wäre, wobei ich gestehen musste das Dylan ein echter Schönling gewesen war. Aber Radulf nun genau betrachtet war er schon eine merkwürdige Erscheinung. Unter all den anderen, großen, meist Muskelbepackten Männern wirkte er körperlich wie ein Jüngling. Nicht das nichts an ihm dran war, doch war er eher sehnig. Auch waren sie wiederum ein guten Kopf größer als er selbst und besaßen breitere Schultern.
 

Wenn ich mich recht erinnere, wie groß er war als er an mir vorbei lief, überragte er mich tatsächlich nur um einen halben Kopf. Und ich selbst gehörte auch nicht gerade zu den größten Frauen. Während Kendall noch einen weiteren größer war als ich, wie die anderen Männer hier. Doch obwohl er in Gegensatz zu den anderen klein geraten und durch seine Narben am meisten von allen verstümmelt, war seine Anwesenheit so.... präsent. Das Erstaunliche war, das er nicht wie ein Jungspunt am Rande der Gruppe saß und gebannt den Geschichten lauschte, die die Älteren zum Besten gaben, sondern saß in der Mitte, umringt von den anderen die ihm.... respektvoll? … lauschten.
 

„Das war vielleicht eine schwere Geburt. Iseabail und Eideard haben ganz schön zu tun, alle sind so in Feierlaune, es wird nicht lange dauern bis es hier keinen freien Platz mehr gibt“, holte mich Kendall aus meinen Gedanken heraus.

Er reichte mir einen Krug Beerenwein, während er begierig sein Bier trank.
 

„Mmh, Iseabail versteht wirklich etwas von Bier, das muss man ihr lassen“, sagte er genüsslich und trank den restlichen Krug fast in einem Zug leer. Ich dagegen nippte hier und da an meinen Wein und versuchte die unaufhaltsamen, starrenden Blicke in meinem Rücken zu ignorieren. Was er wohl damit bezwecken wollte. Ich konnte mir nicht vorstellen das dieser rohe Klotz nur ein Fünkchen Interesse an mir hätte, nicht das es mir wichtig wäre, aber sein Verhalten war schon etwas sonderbar. Wo er mich sonst bisher immer ignorierte oder anplärrte, durchbohrte er nun mein Fleisch mit seinen Augen. Bestimmt wollte er mich nur ärgern, dieser dumme Esel!
 

„Noch ein Tänzchen, Königin der Nacht?“, fragte Kendall grinsend und ergriff bereits meine Hand, ehe ich auch nur eine Bekundung von mir geben konnte. Auf der Tanzfläche begegnete ich dem aufmunternden Blick von Aileen und ihrem vielsagenden Lächeln, ehe sie mir zuzwinkerte und ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Tanzpartner widmete.

Er war ein großer junger Mann, mit braunem, langen, zotteligen Haaren und blauen Augen.
 

„Ich weiß ja das Conan für die Frauen ein Leckerbissen ist, aber ich bin doch auch nicht so übel, als das du mich hier unbemerkt stehen lässt“, flüsterte eine schelmische Stimme an meinem Ohr.

„Was? Nein Kendall, so ist es nicht“, sagte ich eilig und riss mich von dem süßen Pärchen los.

„Nun entspann dich mal, gerate nicht immer gleich in Panik, nur weil ich Unsinn rede“, lachte er.

Ich nickte ihm brav zu und gelobte Besserung.
 

Zufrieden zog er mich wieder an sich, enger als jemals zuvor, so das ich sein Herz klopfen spüren konnte. Ein Kribbeln zog sich durch meine Magengegend, ich spürte wie meine Nippel sich verhärteten und seine Hände an meine Taille ließen meine Knie weich werden. Woher kamen nun die unsäglichen triebhaften Gefühle?

Ich hatte dieses Gefühl bereits kennengelernt, doch nun war es anders. Ich versuchte es nicht über zu bewerten, doch wollte es mir nicht so recht gelingen, vielleicht lag es auch an dem unfassbar schönen Abend oder der Tatsache das ich so viel Wein getrunken hatte, wie noch nie in meinem Leben.

Zuvor hatte mich Alkohol, Dank meines Uncails, immer abgeschreckt und angeekelt. Doch nun fühlte ich mich glücklich, leicht wie eine Feder und wie Kendall mich so schön betitelte, wie die Königin der Nacht.
 

Ich weiß nicht wie lange wir noch tanzten, nur das Aileen und Conan sich bald verabschiedet hatten, um etwas Zweisamkeit zu genießen, wie sie mir verschwörerisch zuzwinkerte. Aileen war eine tolle Frau, niemals würde ich gegen sie etwas schlechtes sagen, doch vor der Hochzeitsnacht seine Jungfräulichkeit herzugeben war eine riskante Angelegenheit. Natürlich war es nicht direkt verboten, wenn die Frau verlobt war und als Zeichen des Versprechens ein Geschenk ihres Verlobten erhielt. Doch war es keine Sicherheit dafür das er es tatsächlich tat und es nicht nur auf das Eine abgesehen hatte. Wenn sie Pech hatte wurde sie am nächsten Morgen von der Bettkannte gestoßen und fände sich als mittellose Frau wieder. Eine wertlose Braut, die niemand heiraten würde.
 

„Wollen wir gehen? Es ist schon spät und du scheinst nicht mehr ganz bei der Sache zu sein“, sagte Kendall und strich mir sanft eine Strähne aus dem Gesicht. Wieder dieser bohrender Blick, der sich wie ein Giftzahn in lebendes Fleisch bohrte und diesen schönen Moment ruinierte.

„Ja lass uns gehen“, sagte ich und ging hinüber zum Tresen um mich von Iseabail zu verabschieden.

„Gute Nacht, mein Kleines. Ich hoffe es war für dich nicht zu anstrengend?“

„Nein, Aintín. Vielen Dank“, hauchte ich, da ich die Tränen unterdrücken musste.

„Gut. Denn du solltest dich ab sofort daran gewöhnen“, lächelte sie.
 

Ich nahm den roten Umhang an mich, zog ihn mir über und folgte Kendall hinaus. Aber nicht ohne den Blick von Radulf für einen kurzen Augenblick erwidern zu müssen. Das was ich sah schlug mir die Luft aus den Lungen. Wut und Zerrissenheit war in seinen Augen zu erkennen, obgleich er bemüht war eine gleichgültige Miene zu zeigen.

Verwirrt und mit pochendem Herzen ließ ich mich von Kendall mitziehen, hinaus in die sommerliche, frische Luft. Wir liefen noch immer Händchen haltend durch die Straßen und während ich versuchte meine wirren Gefühle zu ordnen und zu verstehen was Radulf gegen mich hatte, merkte ich nicht wie schnell wir doch am Frauentor angekommen waren.
 

„Nun, ich denke du bist sehr müde, der Tag war ja sehr aufregend für dich gewesen“, unterbrach er die Stille.

„... Ja. Ja, du hast recht“, sagte ich, plötzlich aus meinen Gedanken gerissen.

„Allison, ich will das du weißt... denke nicht das ich etwas von dir will... also doch... aber nicht so wie du denkst. Ich meine, ich werde warten“, hauchte er und ehe ich verstehen konnte, was er mir da sagte, drückte er mir schon seine Lippen auf den Mund.
 

Mein Herz machte einen riesigen Satz, meine Knie wurden weich und meine Hände begannen zu schwitzen, während sich ein heißkalter Schauer über meinen Rücken zog und Körper von Gänsehaut überwuchert wurde.

Nachdem ich den Schock überwunden hatte, verspürte ich den Wunsch den Kuss zu erwidern, doch überkam mich plötzlich so eine unangenehme Übelkeit. Schnell zog ich mich zurück und hielt mir eine Hand vor dem Mund.
 

„Es tut mir leid, ich... es ist nicht wie du denkst aber... ich fürchte ich habe zu viel getrunken. Ich bin es nicht gewohnt“, erklärte ich mich und wandte mich etwas beschämt ab.
 

„Keine Sorge, ich gehe nicht davon aus das dich mein Kuss zum Kotzen bringt“, lachte er. „Nun gut, dann solltest du dich schlafen legen, ich werde dann auch mal das heimische Bett aufsuchen. Gute Nacht“, sagte er sanft und strich noch eine Strähne hinter mein Ohr, ehe er pfeifend nach Hause schlenderte.
 

Einen kurzen Moment sah ich ihm nach, schlüpfte durchs Tor und lief langsam über den Brunnenhof, noch immer mit meinen verwirrenden Gefühlen beschäftigt. Kurz hatte ich am Brunnen inne gehalten und hinein gesehen. Doch im Mondschein war nicht viel von meiner Gestalt zu erkennen. So lief ich zur Tür des Frauenturms, bereit mich den unzähligen Stufen zu stellen.
 

Doch plötzlich hörte ich furchterregende Geräusche und schreckte kurz kreischend zusammen. Die Ohren zuhaltend, horchte ich widerwillig woher es kam. Da! Vor dem Tor, welches ich glücklicherweise geschlossen hatte, regte sich etwas. Im Schein der Fackeln war etwas zu sehen, wer auch immer es war, warf Schatten an die Mauern. Es klang wie wildes Gerangel, Geknurre, Winseln.... kämpfen zwei Hunde miteinander?

So heftig hatte ich es nie erlebt. Es hörte sich so laut an, so ernst, als ginge es wahrhaft um Leben und Tod. Neugierig machte ich einen Schritt nach dem anderen, lief leise die Mauer entlang, bis ich die Gitter des Tores erreicht hatte. Noch einmal Luft holend und allen Mut zusammen nehmend, sah ich um die Ecke und riss überrascht die Augen auf.
 

Mitten auf dem Platz vor dem Tor kämpfte der große schwarze Wolf, der mir im Stall begegnet und mir im Wald, auf dem Nachhauseweg das Leben gerettet hatte, mit einem anderen. So knurrend und drohend, mit aufgerichtetem Nackenfell wirkte der Wolf noch viel größer und unheimlicher als er es ohnehin schon tat, doch sein Gegenspieler war nicht weniger Furcht einflößend. Er hatte sehr helles Fell, jedoch nicht weiß, es war mehr ein sehr helles Braun oder Beige, eine gesträubte Rute und stechend blaue Augen. Er war ebenfalls unnatürlich groß für einen Wolf, allerdings kleiner als sein schwarzer Gegenüber.
 

Allerdings sollte seine mangelnde Größe kein Problem darstellen, denn er war wendiger und flinker. Unaufhörlich sprangen sie sich an, versuchten die Kehle des anderen zu erreichen, ihn nieder zu ringen um ihn die diese aufzureißen. Sie schenkten sich nichts, kratzten, bissen, als stünde alles auf dem Spiel.
 

„AUSEINANDER!“, rief plötzlich eine laute Stimme wie Donnerhall.

Lugus!

Sogleich sprangen die Wölfe auseinander, ließen es sich aber nicht nehmen den anderen weiter an zu knurren und zu drohen.
 

War ich denn betrunken?

Wie konnte Lugus diesen riesigen Wölfen gebieten?

Oder waren es doch Hunde? Wolfshunde?
 

An sich wäre es nichts ungewöhnlich, des Öfteren paarten sich Hunde mit Wölfen, doch waren sie dennoch so unnatürlich groß.
 

„Allison, ich wünsche das du auf der Stelle hinauf in dein Bett gehst. Keine Diskussionen!“, sagte er scharf, was mich sogleich zusammenfahren ließ.

Wie befohlen eilte ich zum Turm und schloss eilig die Tür hinter mir, blieb jedoch völlig atemlos an der Tür gelehnt stehen und versuchte zu begreifen was eben geschehen war. Doch da ich so erschöpft und an diesem Abend so viel geschehen war, entschied ich hinauf zu gehen um wenigstens zu versuchen etwas Schlaf zu bekommen.

Mit der letzten aufbäumenden Neugier blickte ich aus dem Fenster, nur einige Stufen höher, direkt über der Tür, doch konnte ich nicht viel sehen. Nur den Schatten eines Wolfes, der wie ein kuschender Hund zusammen gesunken war, mit eingezogenem Schwanz.

Ich machte mir etwas vor, es konnten nur Hunde sein. Es musste eine völlig andere Rasse sein, als die, dich ich bisher gesehen habe, und das waren weiß Gott, nicht viele.

 



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