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An Ghealach Docher

Du kannst ihm nicht entkommen!
von

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Kapitel 10

Unerwarteter Besuch

Cuairt gan choinne

 

Am letzten Abend in diesem Hause kam ein unerwarteter Besuch auf eine ungewöhnliche Weise. Steinchen wurden an mein Fenster geschmissen, zunächst verwirrt, wusste ich nicht wer es war, ging ich im ersten Augenblick nicht hin. Ich redete mir ein das es Olivia, Grace, Emily und die anderen waren, um sich über die arme Allison lustig zu machen, die nun für die Tochter des Bürgermeisters in den Tod gehen musste. Doch nachdem das Klopfen der Steinchen nicht weniger wurde und es mir fast den Verstand zermürbte, ging ich ans Fenster und rief wütend: „Was wollt ihr denn?“

 

Doch wen ich sah hätte ich nie in meinem Leben für möglich gehalten. Erstaunt blickte ich in die, vor tränennassen leuchtenden Augen meiner Mháthair.

 

„Mháthair was tust du hier?“, rief ich ihr verwirrt entgegen. „Allison, mein Kind, bitter verzeih deiner dummen Mháthair“, klagte sie. „Ich hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen, bitte komm mit mir.“

 

„Was ist los mit dir Mháthair, reiß dich doch zusammen“, tadelte ich sie. Es war ein mehr als befremdendes Gefühl, der eigenen, sonst so ernsten Mháthair so gegenüber zu stehen. „Bitte Ally, mein Schatz, komm zu mir zurück, ich wollte dir das nicht antun, das musst du mir glauben.“

 

„Aber … .“

 

„Es war nicht meine Idee dich vor diese Wahl zu stellen, nie hätte ich zugelassen, dass dir mein Bruder weiterhin Schaden zufügt oder dass du gar in den Tod gehst.“

 

„Woher weißt du davon?“, ich verstand nicht was gerade passierte. Bildete ich es mir ein?

 

„Glaubst du wirklich, ich hätte deine Tränen nie gehört oder die Flecke gesehen? Ich kenne meinen Bruder gut, ich weiß was er dir angetan hat.“

„Aber wieso hast du immer so getan als sähest du es nicht, als kümmere es dich nicht?“

 

„Ich musste stark bleiben. Nie hätte ich es ertragen wenn ich deine Wunden offen an mich heran gelassen hätte, ich wusste nicht was ich tun sollte. Nie hätte ich gegen meinen Bruder etwas ausrichten können und er ist doch der beste Freund deines Athairs, was hätte ich tun sollen?“, klagte sie nun mehr.

„Es tut mir Leid, dass ich immer so kalt zu dir gewesen bin, du musst wissen, dass du immer mein kleines Mädchen warst, das ich mehr liebte als alles andere. Von deiner Geburt an wusste ich das du das gleiche Schicksal teilen würdest, wie ich, und wie alle Frauen. Das Leben das uns durch die Dunklen Wächter so erschwert wurde war hart und irgendwann war ich eine leere Hülle, anders hätte ich es nicht durchstehen können. Sieh was mit deiner Tante passierte. Komm Allison, lass uns fliehen, wir laufen weit fort von hier und beginnen ein neues Leben. Ich will nicht das du meinetwegen zu Tode kommst. Viel früher hätte ich mit dir reden sollen, ich verstand warum du nicht heiraten wolltest, ich wollte es damals ebenso wenig, aber wir können es nicht verhindern. Die Männer bestimmen über uns, wie Gott über seine Engel, wir können uns nicht wehren und müssen uns dem fügen. Ich habe mir immer gewünscht, dass es dir besser ergehen würde, darum ließ ich es zu das du alle deine Bewerber abblitzen ließest, aber nun sehe ich meinen Fehler. Nun musst du dein Leben opfern. Bitte, willst du nicht doch lieber mit mir fort gehen? Wir könnten ein neues Leben in der Stadt anfangen, es wird sehr hart sein, aber wir müssten uns wenigstens nicht von Männern beherrschen lassen und du kannst dir zum Mann nehmen wen du willst. Bitte komm mit mir. Tu mir das nicht an, das ertrage ich nicht.“ Nun war Mháthair dabei zusammenzubrechen. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Es rührte mich zu Tränen, denn endlich hörte ich das was ich immer hören wollte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, ich glaubte sogar rauschen in meinen Ohren zu hören. Die Gefühle fielen über mich her, wie Ratten über einen Komposthaufen, alles drehte sich vor meinen Augen, ich schlug mir die Hand vor die Augen, damit es aufhörte.

 

„Warum willst du fortgehen, könntest du es Athair nicht erklären?“

 

„Nein, glaub mir mein Kind, ich habe es versucht, doch es nützte nichts. Lass uns bitte fortgehen.“, sagte sie resigniert. Mit Schrecken erkannte ich durch das Licht meines Fensters und da sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, das Mháthair ein blaues Auge hatte und mehr als Elend aussah. Noch nie in meinem Leben hatte ich sie so gesehen. Nun verstand ich, dass sie fortgehen wolle. Mein Athair wollte ihre Ansicht nicht teilen. Mir brach es das Herz sie so zu sehen, doch leider konnte ich nichts tun. Der Groschen war gefallen, es ließ sich nichts rückgängig machen. Ich wusste, dass der Bürgermeister die Haustüre und das untere Geschoss bewachen ließ, niemals würde ich verschwinden können. Denn dieses Haus zierte keine großen Heuhaufen.

 

„Mháthair, bitte geh. Mach dir keine Sorgen um mich, es war meine eigene Entscheidung. Mach dir das Leben wegen mir nicht unnötig schwer. Geh zurück und kümmere dich um Alan und Douglas. Such für Alan eine gute Frau und gib deiner Schwiegertochter all die Liebe die du mir geben möchtest. Douglas ist noch jung, er braucht seine Mháthair. Du kannst es ihnen nicht antun. Verschwende keine Gedanken mehr an mich, vergiss mich“, sagte ich ihr mit fast tränenerstickter Stimme.

 

Weinend brach sie zusammen. „Verzeih mir mein Kind, bitte verzeih mir“, hörte ich sie noch, als sie schon in der Dunkelheit verschwunden war. Die Leibwächter Fraser und Ronald hatten sie aus dem unteren Stock gehört und hatten sich um das Haus umgesehen. Als sie sie entdeckt hatten, packten die beiden Männer sie unter den Armen und schliffen sie fort. Wie eine Wilde versuchte sie sich zu wehren und schrie, man solle sie zu ihrer geliebten Tochter bringen. Ich war mir sicher dass ich sie niemals wiedersehen würde. Doch mich überkam das starke Gefühl zu wissen, dass der Tod auch nicht lange auf sie warten würde. Athair würde sie gehörig prügeln wenn sie wieder dort hinkäme. Fraser und Ronald werden ihm erzählen was passiert war. Meine arme liebe Mháthair. Mehr und mehr Tränen rannen über meine Wangen, noch nach Stunden weinte ich, denn nun verstand ich die Frau, die mir mein Leben zur Hölle gemacht hatte und ich mich immer wieder fragte ob sie mich denn nicht liebe. Nun verstand ich es. Jetzt verstand ich auch, weshalb sie besonders kalt war wenn ich von Uncail Archie zurückkehrte. Sie kannte den Ekel, die Schmach und den Schmerz. Wie ich musste sie ihn aushalten, bis sie verheiratet war. Nur durch die Kälte, die sie in ihr Herz gelassen hatte, konnte sie das alles Überleben. Mehr und mehr verstand ich, warum es meiner Tante nicht gelungen war. Denn sie war bis zu ihrem Tode, die liebenswerteste Frau die ich kannte, aber keine, der es bestimmt war das Elend der Welt zu ertragen.

 

Noch lange saß ich da, die Tränen waren bald versiegt, denn ich war ausgetrocknet. Wie in Trance starrte ich mit leeren Augen vor mich hin und dachte nichts. Mein Gehirn fühlte sich an wie eine hohle Schale, ich vermochte keinen Gedanken mehr zu denken. Worüber hätte ich auch weiter nachdenken sollen, meine Tage waren gezählt, der morgige würde der letzte sein, warum sich noch unnötige Gedanken machen und sich das Hirn zermartern.

 

Plötzlich erklang eine zaghafte, vom vielen Weinen beanspruchte Stimme.

„Warum bist du nicht mit ihr gegangen? Warum tust du dir das an? Ich will nicht das ihr meinetwegen leidet.“

Sophie stand in einem weißen Nachthemd und mit einem Häubchen auf dem Kopf an meiner Tür und dicke Tränen kullerten über ihre Wangen.

„Komm schnell, zieh dich an, geh fort von hier. Du kannst unauffällig aus dem Fenster des Kellers entfliehen. Es ist von einem großen Busch bedeckt, niemand wird sehen, dass du dort hinaus kletterst, ich könnte sie ablenken während du in der Dunkelheit verschwindest.“

 

„Was nützt es Sophie? Sie werden mich einfangen, ganz gleich wie gut ich mich auch wegschleiche. Und welches Schicksal bliebe mir noch? So oder so würde ich sterben. Rissen mich nicht die Wölfe in den Wäldern, so erwischten mich die Dunklen Wächter, die in der Dunkelheit lauern. Was kümmert es dich eigentlich was mit mir geschieht? Sei doch froh, dass du in Frieden weiter leben kannst. Du kennst mich nicht einmal, was schert es dich.“

 

„Mein Leben ist auch nicht so perfekt wie du es dir vorstellst. Jahrelang lebe ich in diesem Haus, komme kaum hinaus, habe weder Freunde noch Bekannte. Mein Athair versucht mich zu beschützen, aber was nützt die Sicherheit wenn man kein Leben hat? Zudem findet er keinen Mann für mich, weil ich nicht schön genug bin. Jeder hatte bisher abgelehnt. Was bleibt mir da übrig als das, das ich als alte Jungfer sterbe. Nennst du so etwas Leben, da könne ich ja gleich sterben, verpassen würde ich nichts.“

 

„Sophie, du wirst irgendwann einen Mann haben, und glaub mir, ein Mann allein macht das Leben nicht lebenswert, ich habe mich immer vor meiner Heirat gedrückt. Wieso zerbrichst du dir den Kopf, sie wollten ein Mädchen und werden es bekommen und auch wenn dein Athair großzügig tun will und behauptet er hätte dich hingeschickt, es ist nicht deine Schuld“, beruhigte ich sie.

 

„Doch!“

 

„Was? Ich verstehe nicht.“

Verwundert blickte ich Sophie an.Was wollte sie mir nur sagen?

 

„Ich bin schuld. Mein Athair hatte euch angelogen“, schluchzte sie.

 

„Aber.... warum solltest du schuld sein und wann soll dein Athair gelogen haben?“

 

„In dem Brief der Dunklen Wächter stand nicht das sie ein Mädchen haben wollen, sondern mich. Mein Athair wollte das natürlich nicht zulassen, und so hatte er etwas anderes behauptet. Kaum einer in dem Dorf kann lesen, wer wäre ihm denn auf die Schliche gekommen? Darum die Belohnung. Es sollte anlocken, er wusste das alle endlich ihren Frieden vor den Dunklen Wächtern und fast alles dafür tun würden, endlich ein Ende zu finden. Alle sind es leid, alle sind bankrott und wer würde dann nicht darauf anspringen, wenn man Geld, Hengste und sogar eine Kutsche bekommt. Eigentlich hatte er gedacht das die Familie Wallace ihre Tochter bringen würden.“

 

Die schüchterne Rona, deren Familie in der Erzmine arbeitete?

 

„Warum sollten sie das tun?“

 

„Tja, sie hatte sich mit einem Arran ins Heu gelegt und soll schwanger geworden sein.... .“

 

„Bitte? Aber woher weißt du das? Das hätte doch längst die Runde durchs Dorf gemacht.“

 

„Ja aber nur der Pfarrer weiß es und er redet mit meinem Athair. Mein Athair begann vor Jahren damit den Pfarrer zu bezahlen, um alle Geheimnisse seiner Dörfler zu erfahren, um immer zu wissen was sie denken. Jedenfalls kam Rona zum Pfarrer und beichtete unter Tränen was ihr geschehen war. Sie hatte Kräuter genommen um das Kind abzutreiben, doch hatte es nicht funktioniert. Irgendwann erfuhr es ihre Mháthair, natürlich, wie jede Mháthair es tut wurde überwacht ob die Töchter auch regelmäßig ihre Blutungen hatten. Natürlich wollten sie nicht ihrem Ruf schaden, also würden sie behaupten dass das Kind von der Mháthair ist. Aber vielleicht geben sie es auch weg. In den letzten Monaten wurde Rona nicht mehr gesehen, sie sprachen auch davon sie wegzuschicken und zu behaupten sie hätte geheiratet.“

 

„Ich kann dir sagen was mit ihr passiert ist. Das selbe was mit mir passieren würde, würde ich nicht sterben. Als Straßendirne würde ich enden, in den nächstgelegenen Ortschaften.“

 

„Das muss nicht so kommen. Allison bitte, lass mich gehen“, flehte mich Sophie an. Trotz der Tränen in ihren Augen sah ich ihre Entschlossenheit. Noch nie in meinem Leben hatte ich so einen selbstlosen netten Menschen kennengelernt. Mit dem Wissen dass es solche Menschen gibt konnte ich sterben gehen, dachte ich sarkastisch.

 

„Sophie, du weißt dass das nicht geht. Dein Athair würde es nicht zulassen, er würde dich einsperren und mich notgedrungen gefesselt zu ihnen schicken. Akzeptiere es einfach. Außerdem war es meine Entscheidung und hat mit dir nicht das Geringste zu tun“, sagte ich traurig.

 

„Aber.... ich habe nicht mal ein Leben, wie könnte ich dann mein Leben verlieren... .“

 

Das Gesagte zog nicht spurlos an mir vorbei, aber dennoch sagte ich nichts dazu. Für ihr kam das Leben vielleicht grausam vor, doch wusste sie nicht annährend was Grausamkeit bedeutete. Irgendwann ließe sich schon ein Mann für sie finden, und wenn er es nur auf ihr Ansehen und Erbe abgesehen hatte. Was wusste sie schon was Elend war, sie sollte dankbar sein was ich für sie tat.

 

Noch lange blieb sie bei mir, und irgendwann, als die Trance in meinem Kopf nachließ, begannen wir zu reden. Sie war gar nicht so übel, fand ich. Ein nettes, wohlerzogenes, einsames Mädchen war sie, aber zudem sehr belesen. Es mir beizubringen, dazu fehlte die Zeit, das wusste ich, also vergnügte ich mich damit ihr beim Vorlesen zuzuhören.

Viele schöne Gedichte gab es auf der Welt. Auch die Märchen gefielen mir gut, die sie mir vorlas. Märchen über verzauberte Prinzen und Prinzessinnen, die in Türmen gefangen oder mit Zwergen zusammen lebten.

 

Am besten gefiel mir die Geschichte von der Schönen, die gezwungen war mit einem Monster zusammen zu leben, da ihr Athair sie verkauft hatte. Sie freundete sich mit ihm an und lernte es, trotz seiner Hässlichkeit zu lieben und zum Schluss verwandelte er sich in einen schönen Prinzen und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Welche Fantasie manche Menschen doch hatten.

 

Irgendwann waren wir so entspannt und für wenige Stunden vergaßen wir den bevorstehenden Tag. Wir lachten ausgelassen und machten uns über Olivia und diese anderen zänkischen Weiber lustig. Wir alberten herum und verdrehten die Geschichten, die wir zuvor gelesen hatten. Einmal versuchte auch ich mich als Gedichtschreiberin. Es wirkte wieder bedrückend auf uns, doch es war eine fantastische Möglichkeit die brodelnden Gefühle die in mir herrschten zu drosseln. Es hatte dieselbe Wirkung als weine oder schrie man es aus sich heraus. Sophie war so lieb und schrieb es mir auf, damit ich es niemals vergessen konnte. Lesen würde ich es nie können, aber es würde mich immer daran erinnern, dass ich eine gute Freundin gefunden hatte, die mir in einer schwierigen Zeit beigestanden hatte.

 



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