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The 31st Hunger Games - Boys Only

von

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Die Ernte

Die Landschaft fegte an den Zugfenstern vorbei wie ein bizarrer Brei aus Ölfarben. Die Sonne stand tief und läutete das Ende dieses Tages ein. Des Tages, an dem vierundzwanzig Familien ihre Kinder verloren hatten, dreiundzwanzig für immer. Bei den Meisten war die Realisation dieser Tatsache wahrscheinlich noch gar nicht vollkommen angekommen, aber spätestens die Kanonenschüsse in wenigen Tagen würden die grausame Gewissheit bringen.

Aber das alles, die Ölfarben außerhalb des Zuges, die trauernden Familien und die anderen Tribute, die wohl gerade versuchten, nicht in dieses Loch aus stummer Verzweiflung gezogen zu werden, das alles interessierte ihn im Moment einfach nicht. Nicht ihn, einen blassen Jungen mit langen, weißen Haaren, die sich am Ende leicht kräuselten, und Augen so rot wie das Blut, das er zweifelsohne in den nächsten Tagen vergießen würde. Stattdessen gingen in seinem Kopf andere Dinge vor sich, er hatte keine Familie zuhause, an die er mit zugeschnürter Kehle denken konnte, keine Freunde, niemandem, bei dem er einen Funken Traurigkeit verspürt hätte, ihn zurückzulassen. In der Stunde nach der Ernte, in der sich die Lieben der Tribute von ihnen verabschieden sollten, hatte er ganz allein da gesessen, auf der weichen, mit Samt überzogenen Couch. Aber etwas Anderes hatte er auch nicht erwartet. Und trotzdem kreisten seine Gedanken um die verschlossene Tür in dem Raum und wie er sich bis zuletzt an die kindische Hoffnung geklammert hatte, dass irgendjemand zu ihm kommen würde, um sich von ihm zu verabschieden. Aber es war niemand gekommen.
 

Vielleicht, dachte er träge, wenn er die Spiele gewinnen könnte und nach Hause zurückkehrte, vielleicht könnte er dann jemanden finden, der die Tür für ihn öffnen würde. Vielleicht… das leise Surren der sich automatisch öffnenden und schließenden Abteiltür riss ihn aus seinen Gedanken, sein Blick fiel sofort wachsam auf die große, breitschultrige Gestalt. Er kannte den Mann gut. Er war oft im Ausbildungszentrum gewesen um den Fortschritt der Tributsanwärter zu protokollieren. Und natürlich kannte er ihn, weil er vor fünf Jahren die Spiele für ihren Distrikt gewonnen hatte. Sein Name war Haleg, er war der Mentor von Distrikt 4.

Aus irgendeinem Grund schien es Haleg schwer zu fallen, seinen Blick für einen längeren Zeitraum auf die beiden Tribute vor ihm zu richten. Er verbarg sein Gesicht lieber hinter einem Klemmbrett, auf dem höchstwahrscheinlich Notizen zu beiden standen.
 

„Feenien Blakemore“, sagte er schließlich leise und sein Blick schoss nur für einen kurzen Augenblick hinter dem Klemmbrett hervor auf den Jungen mit den langen, weißen Haaren und blutroten Augen.

„16 Jahre, keine Familie, Trainingsergebnisse überdurchschnittlich“, er nickte kurz, was wohl seine Form der Begrüßung war. Feenien erwiderte die Begrüßung nicht, aber sein Blick verdüsterte sich etwas. Er musste sich Mühe geben, das Bild der verschlossenen Tür nicht mehr in sein Bewusstsein vordringen zu lassen.
 

„Heb dir diesen Blick für die Arena auf, Fee“, ertönte eine belustigte Stimme direkt neben ihm und er konnte hören, wie sich ein kleines Lachen aus der Kehle ihres Besitzers lösen wollte. Sein Blick flog zur Seite und durchbohrte den Jungen neben sich, seinen Partnertribut, regelrecht, sodass das Lachen schließlich in einem trockenen Husten endete. Es gab nicht viele, die den Mut aufbrachten, ihn bei diesem degradierenden Spitznamen zu nennen. Dafür hatte er gesorgt.
 

„Achja, und du bist…“, Haleg blätterte eine Seite auf seinem Klemmbrett um: „Jacky Lewis, 17 Jahre. Vater und zwei kleine Brüder, Trainingsergebnisse überdurchschnittlich“, beendete er seinen Report. Dass er hier zwei ausgezeichnet ausgebildete Kämpfer vor sich sitzen hatte, schien ihn nicht weiter zu überraschen. Distrikt 4 sorgte schon dafür, dass bei der Ernte kein Kind gezogen wurde, dessen Trainingsergebnisse nicht überdurchschnittlich waren. Schließlich galt es einen Ruf zu wahren.

„Freut mich“, grinste Jacky und Haleg verbarg seinen Blick schnell wieder hinter seinen Aufzeichnungen. Er schien ein wenig überfordert von der Situation. Nun, als Mentor war er in den letzten Jahren auch nicht sehr erfolgreich gewesen. Nicht einer der Tribute von Distrikt 4 hatte es in den vier Jahren unter die letzten Fünf geschafft.
 

„Nun, ähm… wir sollten uns die Aufzeichnung der Ernten ansehen. Damit ihr wisst, mit wem ihr es zu tun bekommt“, brachte der breitschultrige Mann schließlich etwas gehetzt hervor und beeilte sich, den Fernseher an der gegenüberliegenden Wand einzuschalten.

Fee machte sich nicht die Mühe, ein relativ genervtes Augenrollen zu verbergen. Ihr Mentor sollte ruhig wissen, was er von seiner Unfähigkeit hielt. Sich die Ernten der anderen Distrikte anzusehen, stand auch nicht gerade auf der Liste der Dinge, die er in seinen vielleicht letzten Stunden tun wollte. Er legte keinen großen Wert darauf, die ganzen Jungen zu sehen, die dieses Jahr zum Tode verurteilt worden waren. Nicht etwa, weil er Angst hatte, dass es dadurch schwerer würde, sie umzubringen. Sondern viel mehr, weil es ihn wirklich schlichtweg nicht interessierte.
 

Mit müdem, gelangweiltem Blick starrte er auf den Fernseher, wo das Bild des Präsidenten von Panem erschien. Die schlangenartigen Gesichtszüge, sein unverwechselbares Charakteristikum, waren zu einem unheilvollen Lächeln verzogen. Es war kaum zu übersehen, wie sehr er diese „Feierlichkeiten“ jedes Jahr wieder genoss, denn sie demonstrierten seine Macht. Seine unumstößliche Macht über die Bewohner des Landes. Fee konnte ihn nicht leiden. Und das lag nicht einmal daran, dass Präsident Snow jedes Jahr mit so viel Elan die Spiele einläutete.
 

Der Präsident räusperte sich kurz, sein Blick schweifte über die versammelten Bürger des Kapitols zu seinen Füßen. Anstelle der Bürgermeister in jedem Distrikt, übernahm Snow die feierliche Ansprache. Er rezitierte die kurze und dunkle Geschichte Panems, wie sich das Land aus einem Trümmerhaufen erhoben hatte. Wie es gelungen war, eine Revolution abzuwenden und wie deswegen die Hungerspiele eingeführt worden waren. Alles zum Wohle Panems, und dieses ganze Geseier. Er ließ es beinahe so klingen, als machte er Werbung für Waschmittel. Die Hungerspiele – sie reinigen auch Ihr Volk garantiert von jedem aufständischen Gedankengut.

Anders als in den Distrikten konnte man hören, wie ob der Worte des Präsidenten aufgeregter Jubel und Beifall aufbrandete. Die Bewohner des Kapitols waren ganz verrückt nach den Spielen. Wahrscheinlich waren sie die einzigen Menschen ganz Panems, die man nicht dazu zwingen musste, diese Grausamkeit zu verfolgen.

Nachdem er einige Minuten in der Aufmerksamkeit des Publikums gebadet hatte, erhob Präsident Snow erneut die Stimme, um die kleine Besonderheit anzukündigen, die diese Spiele erstmals von allen anderen unterscheiden sollte.
 

„Aufgrund eines Ungleichgewichts zwischen dem weiblichen und männlichen Teil der Bevölkerung der Distrikte haben wir uns dieses Jahr dazu entschlossen, ausschließlich männliche Tribute um den Sieg kämpfen zu lassen. Schließlich liegt uns das Wohl und die Zukunft Panems sehr am Herzen“, endete Snow schließlich mit einem überlegenen Lächeln auf seinen Schlangenlippen, bevor das Bild zu Distrikt 1 wechselte, um die ersten Ergebnisse der Ernte zu präsentieren.
 

Fee bemühte sich, wenigstens den Tributen der ersten beiden Distrikte seine Aufmerksamkeit zu schenken, weil er unweigerlich mit ihnen zusammenarbeiten würde. Das war sozusagen eine Art Tradition. Die Tribute aus den Karrieredistrikten schlossen sich zusammen, um die übrigen, zumeist viel schwächlicheren Tribute auszurotten, bevor sie sich dann gegenseitig meuchelten. Fee war das nur recht. So konnte er sich am Ende wenigstens die Suche nach ihnen sparen.
 

Distrikt 1 stellte Luxuswaren her. Als der reichste Distrikt unter den Zwölf war es ihm ein Leichtes, auch seine Tribute angemessen auf die Spiele vorzubereiten. Zuerst wurde ein Junge mit dunkelgrünem Haar und einem gutmütigen Lächeln gezogen. Er sah nicht gerade wie ein Kämpfer aus, aber der Schein trog leider viel zu oft, gerade was die Spiele anging. Dennoch entsprach das zweite Tribut schon eher der Vorstellung eines erbarmungslosen Mörders: er war groß und kräftig gebaut, hatte silbergraue Haare und, was vielleicht neben seinem siegessicheren Grinsen am Auffälligsten war, ein ungleiches Paar Augen. Das linke Auge war grau, das rechte rot. Fee überlegte unweigerlich, ob es sich dabei um eine kostspielige Mutation handelte, und ob dieser Junge genetisch so verändert worden war, dass er einen klaren Vorteil in der Arena hatte. So etwas war zwar verboten, aber eigentlich war es auch verboten, Tribute für die Spiele auszubilden. Wenn sich also daran keiner hielt, war es vielleicht gar nicht so unwahrscheinlich.
 

Der erste Name, der in Distrikt 2 gezogen wurde, gehörte zu einem kleinen, schwächlichen Jungen mit tiefschwarzen Haaren. Er zitterte, als er die Stufen der Bühne heraufgeschoben wurde und sofort sammelten sich Tränen in seinen Augen. Ein Raunen ging durch die Menge, als sich daraufhin ein deutlich älterer Junge mit ebenso tiefschwarzem Haar freiwillig meldete, um den Platz des Jüngeren einzunehmen. Es stellte sich heraus, dass sein Name Nathanael war und dass er soeben anstelle seines kleinen Bruders den Weg zum Schafott gewählt hatte. Die Kamera schwenkte auf die Familie des Tributs, eine ältere Frau, umringt von so vielen Kindern, wie man es sich nur in einem Karrieredistrikt erlauben durfte. Sie weinten und hielten sich ganz fest, aber Nathanaels Miene blieb ruhig und neutral.

Dar zweite Tribut des Distrikts hatte ebenfalls dunkelgrüne Haare, aber im Gegensatz zu dem Tribut aus 1 traute man diesem doch durchaus zu, vielleicht schon das ein oder andere Leben auf dem Gewissen zu haben. Also wenigstens zwei halbwegs brauchbare Verbündete, dachte Fee.
 

Die beiden Tribute aus Distrikt 3 waren keine Kämpfer, und noch weniger Mörder. Sie waren zierlich, schwach und unterernährt, so wie der Großteil der restlichen Tribute auch. Wahrscheinlich hätten sie schon Glück, wenn sie den ersten Tag der Spiele überlebten.
 

Dann war Distrikt 4 an der Reihe. Zuerst wurde Jackys Name gezogen und die Kamera fokussierte auf einen Jungen mit kurzen, weißen Haaren, die an den Spitzen blau gefärbt waren. Ein breites Grinsen lag auf seinen Lippen, aber wenn man ihn näher kannte, sah man, dass es nicht echt war. Jacky wandte sich kurz zu seinen Freunden um, erntete einige High-Fives und Schulterklopfer, bevor er schwungvoll auf die Bühne kletterte. Er wusste genau, dass seine Chancen nicht schlecht standen, aber er wusste ebenso, dass das trotzdem noch lange nicht bedeutete, dass er in etwas anderem als einem Sarg zurückkehren würde.
 

Als nächstes wurde Fees Name gezogen und sofort wurden Anfeuerungsrufe laut, auch wenn sich niemand traute, ihm direkt Glück zu wünschen, wie sie es bei Jacky getan hatten. Obwohl Fee weder Freunde noch Familie hatte, sich nicht um Andere kümmerte und am liebsten allein gelassen werden wollte, hatten die Bewohner von Distrikt 4 doch über die Jahre hinweg Notiz von ihm genommen. Das lag natürlich nicht zu letzt an der Tatsache, dass seine Leistungen in der Ausbildungsanstalt kein Geheimnis waren. Aber es lag vor allem auch an seinem Äußeren. Die Worte „schön“ oder „hübsch“ waren viel zu banal um diesen Jungen zu beschreiben. Und Fee wusste um seine Wirkung auf sein Umfeld. Er hatte seinen naturgegebenen Vorteil allerdings nie bewusst ausgenutzt, aber vielleicht war mit den Spielen der richtige Zeitpunkt gekommen, um damit anzufangen. Zumindest war es wahrscheinlich genau das, was sein Mentor ihm in den nächsten Tagen eintrichtern würde. „Es wäre so einfach, sie alle um den Finger zu wickeln“, konnte er ihn beinahe sagen hören. Schließlich wäre Haleg auch nicht der Erste, der ihm etwas Derartiges vorgeschlagen hätte. Aber diese Art von Zwischenmenschlichkeiten war einfach nicht Fees Stärke. Um nicht zu sagen, dass er meisten vollkommen versagte, was die Interaktion mit Anderen anging. Sobald es über handfeste Auseinandersetzungen, Prügeleien und verachtende Blicke hinausging, war er relativ aufgeschmissen. Das war auch einer der Gründe, warum Fee seine Zeit lieber allein verstreichen ließ. Es war so viel einfacher. Wieder schob sich die verschlossene Tür vor sein inneres Auge.
 

Fee schüttelte einmal ganz leicht nur den Kopf, um den Gedanken loszuwerden, während er sich selber dabei beobachtete, wie er die Stufen der Bühne erklomm. Sein Gesicht war eine kalte Maske, einzig der leichte, immer präsente Hauch von Überlegenheit war in seinen Augen erkennbar. Alles andere, was er in diesem Moment gefühlt hatte, hatte er tief in seinem Inneren versteckt. Natürlich hatte sich niemand freiwillig gemeldet, um seinen Platz einzunehmen. Realistisch betrachtet gab es im gesamten Distrikt 4 nur eine Handvoll Leute, die ihm das Wasser reichen konnten. Aber wenigstens die wussten, dass selbst alles überragende Fähigkeiten nicht stärker waren als die Spielmacher.
 

Die Ernten der restlichen Distrikte brachten nur wenige erwähnenswerte Tribute hervor.

Da war ein seltsam katzenartiger Junge aus Distrikt 6, der sich einen Spaß daraus machte, sein Leben aufs Spiel zu setzen, indem er sich über die Autoritäten lustig machte. Wahrscheinlich dachte er sich, dass er ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte. Und das stimmte wohl auch.

Distrikt 7 schickte zur Abwechslung mal einen Tribut in die Arena, welches vielleicht nicht die schlechtesten Chancen hatte: groß, durchtrainiert, gut gebaut und einige Narben an Armen und im Gesicht zeugten von einer belebten Vergangenheit. Dafür schien sein Partnertribut, ein schmalerer Junge mit hellblonden Haaren kaum bemerkenswert, wenn auch ungleich netter anzuschauen.

Dann war da noch ein Tribut aus Distrikt 12, das man wohl besser nicht unterschätzen sollte. Jedenfalls schien sich der Junge nicht viel aus seinem eigenen Leben zu machen und das war meist eine gefährliche Eigenschaft in der Arena.
 

Aber keiner der übrigen Tribute konnte wirklich Fees Interesse erwecken. Bis auf einen.
 

„Fawkes Waters“, las der zweite Zettel, den der Kommentator von Distrikt 8 aus der großen Kugel fischte.
 

Fawkes, ein rothaariger, älterer Junge. Er sah nicht besonders gefährlich aus, nicht, als hätte er in seinem Leben schon einmal übermäßige Gewalt anwenden müssen – oder erfahren. Er sah auch nicht so aus, als wollte er einschüchternd oder besonders siegessicher wirken. Er war einfach nur da. So wie er war, unverfälscht. Und gerade das war es. Die Fähigkeit, sich nicht zu verändern, sobald die Kameras und Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet waren. Nicht irgendeine Mauer oder Wand vor sich hochzuziehen, um sich vor was auch immer zu schützen. Gerade das war der Grund, warum Fee seinen Blick nicht von ihm nehmen konnte. Er sah genau, wie der Rothaarige zögerte, bevor er mit wackeligen Schritten die Treppe hochstieg. Und er sah auch genau, wie die Angst in seinen Augen aufblitzte, wie sein Blick zerstört zu seiner Familie glitt und dort Halt suchte, den sie ihm nicht geben konnte.
 

Schon jetzt konnte Fee ihn lesen wie ein Buch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hatschepueh
2013-06-29T19:37:28+00:00 29.06.2013 21:37
Das erste Kapitel ist recht vielversprechend. Ich würde gerne mehr lesen allerdings hasse ich unbeendete FFs und hier gibts schon länger kein neues Kapitel mehr... Also wenn du die FF beenden oder zumindest weiter führen würdest würde ich gerne die anderen Kapitel auch lesen.


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