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Sky Stage

Welcome to Hell
von

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Twelfth Stage: One Week, Two weeks...

„Sie ist… weg…“

Die Nachricht war wohl noch nicht so ganz bei Haruno angekommen, aber Gaichi schluckte innerlich dennoch den klebrigen Klos herunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte. Nicht nur hatte sie einen ihrer besten Guards tot aufgefunden, das Häschen war weg. Einfach so und unauffindbar. Gaichi hatte sich gewundert, dass Sena nicht frühzeitig hinter die Bühne gekommen war um sich für den Auftritt fertig zu machen, doch als sie Yurika hatte rufen wollen war er einfach nicht aufgekreuzt. Zuerst hatte sie geglaubt, dass Sena in ihrem Zimmer vielleicht die Zeit verpennt hatte, das hätte sie noch verzeihen können, aber dort war sie auch nicht gewesen. An diesem Punkt hatte Gaichi dann doch Panik bekommen und den Club durchsuchen lassen. Sie war sogar so weit gegangen in den öffentlichen Teil des Clubs zu gehen um zu überprüfen ob Sena nicht vielleicht versehentlich dort hingebracht wurde, doch wieder einmal Fehlanzeige. Die einzige Möglichkeit war noch der dritte Stock, in den der Chef des Sky Stage natürlich sofort gelaufen war nur um ein kleines Horrorszenario vor zu finden. Eine Leiche, Blut, das alles war eigentlich völlig normal, doch den leeren Raum zu sehen schnürte ihr den Hals zu. Der Raum stank nach dem Blut und als sie eingetreten war wusste sie auch wieso. Der tote Körper, den sie schnell als ihren vermissten Guard identifizierte, lag ausgezogen und mit einem Tuch um den Kopf auf dem Boden. Die Blutlache, die den teuren Teppich zierte sprach dabei für sich. Irgendwer hatte sehr gezielt einen Kopfschuss angesetzt. Etwas weiter entfernt im Raum lagen einige braune Haarsträhnen auf dem Boden, die ebenfalls keinen Zweifel zuließen. Gaichi war schlau genug um sich zusammen zu puzzeln was passiert war, hatte es den Guards überlassen die Leiche weg zu schaffen. Dabei war es ihr egal ob sie bemerkten, dass ihre rechte Hand eigentlich ein Mädchen war. Das hatte sie schon gewusst als sie Yurika aufgenommen hatte, aber wie hieß es so schön? Hinter jedem starken Mann stand eine stärkere Frau. Vermutlich würden sie sowieso annehmen, dass es nur ein Mädchen aus dem Bordell war, dass man abgeschossen hatte und Gaichi bezweifelte, dass irgendwer Yurika das Tuch abnehmen würde. Sie hatte dennoch viel größere Sorgen. Das Häschen war weg und das unter ihrer Aufsicht. Keiner hatte sie gesehen, es gab keine Überwachungskameras oder zumindest keine Aufzeichnungen davon, gesehen hatte sie auch keiner. Wie denn auch? Vermutlich hatte man sie für Yurika gehalten wenn das Häschen tatsächlich den Anzug angezogen hatte.

Jetzt stand sie in ihrem Büro, umringt von ihren Guards um sich vor der Wut des Hanagumi-Stars zu schützen. Man konnte ihm geradezu ansehen wie die Information sich durch seinen Kopf fraß, sich dort langsam breit machte und wie der Blutdruck langsam anstieg. Sein Gesicht wurde rot als er Luft holte und die Stimme donnerte daraufhin durch den Raum.

„Sie ist weg?! Und du hast es zugelassen?! Wir hatten eine Vereinbarung, Gaichi!“

„Beruhige dich…“

„Beruhigen?! Sena gehört mir und du hast sie aus den Augen gelassen! UND du willst mir weiß machen, dass man sie einfach weggeschnappt hat ohne, dass du davon etwas gewusst hast?!“

„Ich sage dir die Wahrheit.“

Haruno stand schnaubend auf der Stelle, strich sich mit der Hand übers Gesicht. Er sah aus wie ein Nashorn, das bereit war jeden Moment auf sein Ziel zuzustürmen.

„Ich hoffe sehr für dich…“, begann er kurz daraufhin. „…dass du einen guten Plan hast mir mein Mädchen wieder zu beschaffen. Sonst, und das kannst du mir glauben, werde ich deinen blöden Club den Erdboden gleich machen und dich auf den Meeresgrund verfrachten.“

Gaichi spürte wie sich ihr Hals zuzog. Haruno so wütend zu machen war eigentlich nie eine gute Idee, aber sie wusste, dass sie es nur schlimmer machen musste.

„Ich werde sehen, was ich tun kann.“

„Das ist keine Antwort!“

Der Hanagumi-Lead schnellte einen Schritt nach vorne und prompt zogen die Guards links und rechts neben ihr die Waffen, richteten den Lauf auf den Lead, der glücklicherweise sofort stehen blieb. Gaichi hob beruhigend die Hände.

„Hör mal, Haruno… Ich sage dir ich bringe dir dein Mädchen zurück und dann tue ich das auch. Du kannst dir aber sicherlich denken, dass ich selbst erst einmal herausfinden muss wie man mir das Häschen entwendet hat.“

„Du hast doch Kameras überall! Dann benutz sie auch!“

„Sie hat den Anzug einer meiner Guards angezogen. Ich gehe davon aus, dass man sie für ihn gehalten hat und deshalb hat keiner darauf geachtet.“ Gaichi seufzte etwas. Das würde nochmal ein gehöriges Stück Arbeit werden. „Gib mir ein bisschen Zeit und ich finde heraus wo dein Häschen ist.“

„Ich gebe dir eine Woche um sie zu finden, Gaichi“, zischte der Hanagumi-Star und fletschte wie ein Köter die Zähne. „Solltest du Sena bis dahin nicht gefunden und zu mir zurückgebracht haben werde ich ein paar Kontakte spielen lassen und dich aus dem Verkehr ziehen. Dann kannst du sehen wo du bleibst.“

Damit machte Haruno auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Raum. Erleichtert ließ Gaichi die Schultern fallen. Sie hatte mit etwas Schlimmeren gerechnet. Bekam man ein Zeitlimit so wie sie es gerade von Haruno bekommen hatte, dann hatte sie schon fast den Kopf aus der Schlinge gezogen. Alles, was sie machen musste war Haruno gegen Ende der Frist mit ein paar Informationen zu füttern um noch mehr heraus zu schlagen. Grob überschlagen rechnete sie mit mindestens zwei bis drei Wochen. Jedoch glaubte Gaichi nicht, dass das Häschen das Land verlassen hatte oder überhaupt konnte. So jemand hatte keinen Pass und den bekam man nicht so einfach ohne gewisse Kontakte. Das war normalerweise Hoshigumi-Aufgabe und Aran würde den Teufel tun und dem Hanagumi-Häschen helfen. Zumal der Clan sich das gerade überhaupt nicht leisten konnte. Aran konnte sich ja kaum leisten die Gebühr für den Club zu zahlen und die Mitgliedschaft war schon fast Voraussetzung für einen einigermaßen guten Ruf. Wenn er die Mitgliedschaft nicht halten konnte, dann war der Clan sowieso schon verdammt.

„Und?“, begann Tom, der sich das ganze Szenario schweigend aus der Ecke des Raumes mit angesehen hatte. Haruno hatte ihn gekonnt ignoriert und Tom hatte auch keine Anstalten gemacht irgendwie auf sich aufmerksam zu machen. „Was gedenkst du jetzt zu tun?“

„Warten. Das Häschen ist viel zu tief in dieser ganzen Sache drin. Irgendwann wird sie Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“
 

Wenn sie gewusst hätte was auf sie zukam, dann hätte Asako sich vermutlich niemals darauf eingelassen was die nachfolgende Zeit passierte. Da hatte sie gedacht ihre Tage im Club wären schon kurz gewesen, aber das hier übertraf selbst ihre kühnsten Vorstellungen und sie bekam nur noch weniger Schlaf. Zwar besaß sie die Ausdauer sich von Wataru zusammen mit Beni, Renta, Mikkii, Miyacchi und Shiiran durch die Straßen, über die Sportplätze und am Fluss entlang hetzen zu lassen, aber das mit dem Luftholen musste sie definitiv noch einmal üben. Die Abbinde, die sie in ihrer neuen Rolle gezwungenermaßen tragen musste, drückte auf eine ganz andere Weise auf ihren Oberkörper als die Korsetts es getan hatten und sie rang nach einer Weile nach Luft. Mikkii schien es nicht anders zu gehen, nur dass die Jüngere beim Kampfsporttraining sehr viel mehr Talent aufwies als Asako. Beni war hingegen gar keine Frage. Ihr ehemaliger Guard erledigte die Aufgaben mit Leichtigkeit, auch wenn man ihnen noch keine Waffe in die Hand drückte, so wie sie das eigentlich erwartet hatte. Stattdessen plagte man sie mit Konzentrationsübungen, bei denen besonders Miyacchi zu versagen schien. Eine Waffe drückte man ihnen aber noch nicht in die Hand. Vermutlich fürchtete man noch, dass sie sich gegenseitig erschießen würden falls es soweit kommen sollte.

Nach dem Training brachte man sie und Mikkii in Begleitung von Yuuhi zurück in die Wohnung, die man inzwischen auch abgestaubt und gereinigt hatte. Saeko kam jedoch nur selten zu besuch. Der Tsukigumi-Erbe schien ganz offensichtlich mehr als gestresst zu sein, wobei Asako sich dabei wieder schuldig fühlte. Ihr war durchaus bewusst, dass er den ganzen Stress nur wegen ihr hatte. Saeko blieb auch nie über Nacht, schneite nur kurz für ein oder zwei Stunden hinein um sich nach ihr zu erkundigen und ging dann wieder seiner Arbeit nach.

So zogen sich die Tage, in denen sie immer hin und her pendelten, auch wenn es ihr mit der Zeit leichter fiel sich den Ansprüchen zu stellen. Mikkii hinkte ein wenig hinterher, aber wurde besonders von Miyacchi und Shiiran herzlich in die Gruppe mit einbezogen. Für kaltblütige Killer, die sie werden sollten, waren sie ein durchaus schräges Paar. Beni tat auch weiterhin seine Pflicht und passte auf sie auf, so wie Saeko es ihm befohlen hatte.

Nach einem Dauerlauf nahm Wataru die sechs jedoch auf die Seite und Asako griff nach einem Handtuch, mit dem sie sich den Schweiß von der Stirn tupfte. Sie hatte einige Schläge von Miyacchi kassiert und dabei einen ziemlichen Fleck auf dem Arm davongetragen. Für jemanden seiner Statur hatte der Kerl durchaus Kraft.

„Das sieht doch bisher ganz gut aus“, sagte Wataru und winkte die Gruppe mit sich mit. Sie befanden sich, wie immer fürs Kampftraining, in einer kleinen Halle, dessen Boden mit Matten ausgelegt war. Es war immer eine andere Halle, aber immer gleich aufgebaut. „Daddy meinte ich soll die nächste Stufe mit euch machen. Wollen wir mal sehen wie gut ihr mit Waffen umgehen könnt. Sich im Nahkampf zu verteidigen ist ja schön und gut, aber sehr unsauber.“

Die Gruppe sah sich irritiert an, folgten dem Tsukigumi-Star. Dieser machte vor einem in die Wand eingelassenen Kasten halt, den Asako zunächst für den Sicherungskasten gehalten hatte. Sie warf einen Blick zu Mikkii, die aber genauso fragend zurücksah. Mit zwei Handgriffen öffnete der Star den Kasten nur um darin eine kleine Maschinerie vor zu finden. Die Handfläche drückte er auf eine glatte Fläche und sprach seinen Namen laut aus. Ein leises Piepen ertönte und unweit von ihnen entfernt, Asako traute ihren Augen fast nicht, schob sich die Wand ineinander. Zumindest sah es so aus, aber auf den zweiten Blick sah sie, dass es nur eine dicke Tür war, die flüssig hinter die Wand glitt, die genauso aussah wie die Tür selbst. Ihr war der Unterschied zwischen der grauen Wand und der etwas dunkleren Tür nie aufgefallen, was jedoch an der spärlichen Belichtung lag. Man achtete erst darauf wenn man es wusste. Die kleine Gruppe trabte Wataru hinterher und eine schmale Treppe nach unten.

„Wird ja auch langsam mal Zeit“, sagte Renta an Mikkii gewandt. Der Blonde schien einen kleinen Narren an ihrer Freundin gefressen zu haben, zumindest wenn man davon ausging wie angeregt er immer versuchte sich mit ihr zu unterhalten und jedes Mal versuchte sie als Trainingspartner zu bekommen. Asako zog sie aus der Affäre indem sie Mikkii zu Beni schob und selbst mit Renta trainierte. Es war ihre Art sich zu entschuldigen dafür, dass sie das Mädchen einfach so verschleppt hatten, obwohl es ihr so deutlich besser gehen würde als im Bordell.

Unten angekommen erstreckte sich nur eine weitere, doch sehr viel moderner ausgestattete Halle. Die Wände waren in purem Stahl gekleidet, am Ende der Halle war etwas, was aussah wie Ziele und einige Schränke erstreckten sich an der Wand. In der Ferne hörte Asako, wie die Tür oben klickend zurück ins Schloss fiel. Schon wieder kam sie sich vor wie eine Ratte im Käfig. In einem Käfig, dass mit Dynamit und Schwarzpulver ausgekleidet war. Wataru tänzelte fast hinüber zu den Schränken, nickte sie zu sich hinüber. Sie wurde aus diesem Kerl nicht schlau. In einem Moment verhielt er sich wie der Macker vom Dienst, im nächsten war er ein Mädchen, wie es nur in Geschichtsbüchern stand. Im Moment erinnerte er sie etwas an Rotkäppchen, das mit einem gefüllten Korb zur Großmutter ging und unterwegs ein Liedchen trällerte. Abermals mit einem Fingerabdruck öffnete er einen der Schränke und die kleine Gruppe ging neugierig hinter ihn. Heraus zog er einige Gurte, die er auf dem Tisch direkt hinter ihm verteilte.

„Umschnallen“, befahl er. „Ihr werdet keinen Schritt mehr ohne diese Dinger machen. Denkt aber daran, dass ihr nur begrenzt Schuss habt. Ein Magazin. Mehr bekommt ihr nicht von mir. Das reicht weder um eine Bank aus zu rauben, noch um irgendwen großartig zu ermorden. Diese Dinger dienen einzig und allein dazu euch selbst zu verteidigen.“

Etwas argwöhnisch zog Asako den Gurt näher, der genau vor ihr war. Sie beinhaltete eine Pistole mit verdammt kleinem Kaliber. Wenn sie bei Osa richtig aufgepasst hatte würde das noch nicht einmal reichen um jemanden auch nur ansatzweise tödlich zu verletzen.

„Hier drin werdet ihr im übrigem die nächsten Tage verbringen.“ Er warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr. „Ayaki wird auch auf Herz und Nieren prüfen und herausfinden in welcher Weise man euch einsetzen kann. Ob ihr euch bequem auf ein Dach setzen dürft oder ob ihr Kanonenfutter werdet wird sich dann zeigen. Bis dahin schnallt euch die Gurte um.“

Da Asako sowieso keine Jacke anhatte war es ihr ein leichtes den Gurt so um zu schnallen, dass sie ihn kaum spürte, aber wusste, dass die Waffe an ihrer Seite war. Es war nur unangenehm zu fühlen wie das weite Shirt zusammengequetscht und aufgefaltet wurde und für einen Moment fürchtete sie fasst, dass man zu viel von ihrer Taille sehen würde. Das schien aber nicht der Fall zu sein, glücklicherweise.

Wataru fuhr damit fort einen weiteren Schrank zu öffnen und ein paar weitere Waffen heraus zu ziehen. Eine Pistole mit etwas größerem Kaliber und Schalldämpfer, ein Gewehr, dass fast so groß war wie sie selbst, ein paar kleine Messer und einen Armreif, in dem eine weitere Klinge eingelassen war. Ebenso ein paar kleinere Werkzeuge mit Nadeln und so weiter. Er erklärte sofort, dass sie mit so Dingen wie Gift und Techniken erst später arbeiten würden. Für den Augenblick erklärte er ihnen hauptsächlich den Aufbau des Scharfschützengewehrs, wie man Munition wechselte und die richtige Haltung. Asako saugte das alles in sich auf wie ein Schwamm und da schien sie auch nicht allein zu sein. Mikkii neben ihr stellte das erste Mal seit sie die Kleine mitgenommen hatten stellte sie Fragen, wobei sie gerade das Gewehr zu interessieren schien. Wataru nahm die Fragen mit Begeisterung hin und winkte das Mädchen zu sich hinüber. Es war erstaunlich wie Mikkii trotz der Absätze nur etwas über die Schulter des Mannes kam. Miyacchi und Shiiran beugten sich eher neugierig über die Messer und Asako glaubte zu hören, wie Shiiran einen Kommentar zu der hübschen Verarbeitung abgab. Immer wieder fiel ihr auf wie merkwürdig diese Leute waren, besah sich selbst aber lieber die Pistole mit dem zylinderförmigen Aufsatz bis ein paar weitere Absätze durch den Raum hallten. Wataru nahm es als Stichwort, ging hinüber zu seinem Bruder und klopfte ihm auf die Schulter.

„Wurde auch mal Zeit, dass du hier aufkreuzt. Wenn du mich entschuldigst, Bruderherz, ich bin weg.“

„Pass auf, dass dich diese Einstellung nicht irgendwann das Leben kostet, Wataru“, knurrte Ayaki nur und Wataru verließ den Raum endgültig. Asako hätte am liebsten die Schultern sacken gelassen. Mit Saeko fühlte sie sich sehr viel wohler als mit seinem Bruder, der mit den Augen an einfach allem klebte was sie tat. Noch immer hoffte Asako, dass der Ältere der Tsukigumibrüder sie nicht erkannt hatte, obwohl Saeko ihr versichert hatte, dass man sie unter dem Make-Up nicht erkennen konnte. Eigentlich wusste sie gar nicht wieso sie sich solche Sorgen machte. Manchmal, wenn sie in den Spiegel sah hatte sie selbst Probleme sich selbst wieder zuerkennen mit den kurzen Haaren und den unterstrichen harten Gesichtszügen.

„Sena. Komm zu mir“, sagte Saeko laut und Asako ging wie befohlen zu ihm hinüber. Er hatte sich das Gewehr genommen, an dem Mikkii so großes Interesse gezeigt hatte und stellte sie an eine Linie, die einige Meter entfernt von einer Zielscheibe stand. Da spürte sie eigentlich schon, wie sich das nächste Problem anbahnte.

„Das Scharfschützengewehr ist das, womit die meisten von uns arbeiten. Ihr werdet meistens dabei liegen, aber für den Augenblick wird das vollkommen reichen.“ Saeko brachte das Gewehr an ihr in Position und brachte sie in Haltung. „Ihr müsst mit einberechnen, dass sich die Kugel verziehen wird wenn ihr auf etwas schießt, was weiter entfernt ist. Im Voraus müsst ihr deshalb die Windrichtung in Erfahrung bringen, die Windstärke und ihr müsst sehen von welcher Position aus ihr schießt. Gewöhnlicher Weise zielt ihr ein gutes Stück über das Ziel je weiter ihr davon entfernt seid. Und wenn ihr abdrückt ist es noch wichtig den Körper so weit wie möglich an zu spannen, denn sonst haut euch der Rückstoß das Schultergelenk raus. Versuch es Sena.“

Asako war ein wenig überfordert mit der Fülle an Informationen, aber versuchte es so gut wie möglich um zu setzen. Sie spürte, wie sehr sie wackelte und hielt fast wie aus Reflex den Atem an, was ihr ein wenig mehr half das Ziel zu finden. Also etwas darüber, möglichst stillhalten…

Sie traf dennoch nicht. Dafür aber krachte das Gewehr mit einer Wucht gegen ihre Schulter, dass es ihr die Luft aus den Lungen schlug, sie das Gewehr sinken ließ und sich die Schulter hielt. Sie warf einen Blick zu Saeko, der argwöhnisch zum Ziel blickte. Kurz darauf beäugte er sie und legte den Kopf etwas schief.

„Kann es sein, dass du kurzsichtig bist?“

„Was?“

„Du hast mich gehört. Selbst für einen Anfänger ist das weit daneben.“

„… Ein bisschen.“

„Dann sag das das nächste Mal gleich.“ Saeko warf einen Blick zu Beni bevor er abermals in die Runde sah. „Noch jemand mit Sehproblemen?“

Sowohl Beni als auch Miyacchi hoben zögerlich die Hand.
 

„Habe ich mich eigentlich ungünstig ausgedrückt? Ist es so schwer das zu machen, was ich verlange?“

„Boss… Ich schwöre, dass Mami da seine Finger im Spiel hat.“

Chie fühlte, wie sie unter dem Blicken ihres Chefs ein wenig kleiner wurde.

„Und an welchem Punkt interessiert mich das?“

„Es ist nicht meine Schuld, dass der Computer in die Luft geflogen ist.“

„Dann hoffe ich aber für dich, dass du weißt wie du dennoch an die Informationen kommst.“

„Ja… ich versuchs.“

„Nicht versuchen, sondern machen. Du hast zwei Tage Zeit oder du musst lernen zukünftig mit Neun Fingern zu schreiben.“

Chie schluckte hart, warf einen flüchtigen Blick zu Aran in der Hoffnung, dass sie vom Star zumindest ein wenig Unterstützung bekam. Der ging zum Chef, räusperte sich einmal.

„Boss wie steht es eigentlich mit der neuen Truppe, die du zusammenstellen wolltest? Immerhin ist das schon Wochen her.“

„Sie sind noch nicht soweit. Sie sind alle talentiert, aber noch kein Team. Es wird sich herausstellen wie gut sie wirklich sind, wenn sie den Auftrag in vier Wochen bekommen.“

„Und bleibt der Köder der Selbe?“

„Was hast du denn gedacht? Ich scherze nicht. Sieh du lieber zu, dass du die Unterlagen auftreibst.“ Der Blick traf wieder Chie. „Und du… kümmere dich um Mami. Ich will ihn auf einem Silbertablett mit Garnitur und in ein hübsches Paket verschnürt.“
 

„Es ist wirklich, wirklich schade, dass das Mädchen nicht mehr im Sky Stage ist.“ Mari nahm noch einen Schluck aus ihrer Teetasse, sah gequält drein und zog eine Schmolllippe. „Dabei hatte ich doch so schöne Kleidung für sie. Und ich wollte ihr meinen Zoo zeigen.“

„Jaja. Und dein zweites und drittes Spielzimmer, den Garten, das Tropenhaus…“

„Sei nicht so gemein Wao. Die Papageien hätten ihr sicherlich gefallen.“

Wao wiederstand nur mit Mühe mit den Augen zu rollen und ihre Missgunst dadurch aus zu drücken. Diese Papageien hatten sie einen Haufen Geld gekostet und sie hatten viel zu viel Verlust mit diesen dummen Dingern gemacht. Es wäre vielleicht etwas anderes, wenn Mari sich ab und zu dazu erbarmen würde die Tiere zumindest einmal an zu sehen, aber noch nicht einmal das tat sie regelmäßig. Zwei von den Tieren hatte sie schon austauschen müssen weil sie an Einsamkeit gestorben waren. Wao verstand nicht ganz wieso man Mari nicht einfach einen Hund oder eine Katze, irgendetwas Normales eben, vorsetzen konnte und sie konnte sich damit beschäftigen, aber nein. Laut ihrer Aussage kam das nicht in Frage. Katzen und Hunde haarten und machten ihre Kleider dreckig und die ohne Haare fand sie zu hässlich. Wao hätte zu gerne einen kleinen Hund gehabt, einen Papillon am liebsten, doch, wie sollte es anders sein, Mari verbot es.

„Was meinst du wieso sie weggelaufen ist? Ich hörte Haruno ist deshalb ganz außer sich“, ergänzte der Soragumi-Star und nahm einen Schluck von dem bitteren Tee. Mari ließ sich Zeit mit der Antwort, rührte stattdessen noch ein wenig in ihrer Porzellantasse herum bevor sie das Silberbesteck beiseitelegte. Die braunen Locken hüpften unter dem berüschten Headpiece als sie noch einen weiteren Schluck nahm.

„Vielleicht lag es ja an Haruno selbst. Man sollte das, was man unbedingt haben will immer in der Nähe behalten.“ Sie warf einen Blick auf Wao, den sie schon viel zu gut kannte. „Nicht wahr, Takako? Gerade du von allen Menschen solltest wissen, dass man die geliebte Person nicht für selbstverständlich nehmen kann.“

Wao sah auf die Seite.

„Fang nicht wieder mit diesem Thema an. Ich weiß, dass ich in deiner Schuld stehe.“

„Aber offensichtlich muss ich dich noch einmal daran erinnern.“ Die Tasse landete mit leisem Klacken wieder auf dem Tellerchen. „Dieser Typ, mit dem du dich damals eingelassen hast war nicht gut für dich. Er hat dich bezirzt, verkauft und verraten. Ohne mich wärst du jetzt tot.“

„Ich weiß!“, zischte Wao und warf sich etwas in ihrem Stuhl zurück. „Ich weiß es doch! Ich habe einen Fehler gemacht! Schön!“

„Schrei mich deswegen nicht an!“

Wao schluckte hart, lockerte die Finger, die sie auf dem Tisch zu Fäusten geballt hatte. Sie erinnerte sich nicht gern daran, doch wusste sie genau, was jetzt kam. Es war immer dasselbe. Wie ein Alptraum. Mari nahm den silbernen Spiegel zur Hand und betrachtete sich einen Moment in der blanken Fläche.

„Jetzt erzähl mir noch einmal davon. Ich höre so gerne wie gütig ich bin“, sagte Mari in dem Singsang, den sie auflegte wenn sie kurz davor war jemanden zu töten. Wao schluckte hart, fühlte geradezu wie ihre Stimme monoton wurde.

„Wir waren zusammen in der Shinko-Einheit, in die mich Vater gesteckt hatte. Damals in Yukigumi. Bei einem Deal bin ich bei einer Schießerei verwundet worden und er hat mich gerettet und versorgt. Wir… sind uns näher gekommen.“ Wao schluckte etwas. „Und dann eines Tages sind wir zusammen nach Soragumi. Als Currents. Wir sollten mit einer kleinen Gruppe einen einfachen Deal abhandeln. Er kam nicht mit weil es ihm nicht gut ging und er meinte, er würde die Sache nur behindern. Wir liefen in eine Falle.“

„… Und weiter?“

Wao holte tief Luft.

„Du hast uns ein paar Leute nachgeschickt. Du warst auch selbst dabei. Du hast verhindert, dass er mir die Waffe an die Stirn drückt und den Auslöser zieht.“

Wao starrte auf den Tisch, biss die Zähne fest aufeinander. Den Tag hatte sie nie vergessen. Mari hatte den, den sie einmal geliebt hatte, erschossen bevor er gleiches bei ihr hatte tun können. Es war alles viel zu schnell gegangen, aber sie hatte ihn dennoch erkannt, auch wenn es einzig an dem Ring war, den er am Finger getragen hatte. Sie hatte sich nicht getraut ihm ins Gesicht zu sehen, doch seither hatte sie sich Mari verschrieben. Die Kleinere zog ihren Stuhl zurück und Platzierte sich einfach auf ihrem Schoß, strich über ihre Haare und konnte ihr in dieser Haltung ganz einfach ins Gesicht sehen.

„Siehst du? Auf dieser Welt hast du nur mich, Takako. Deshalb bist du aber auch mein Star und kein anderer. Und ich habe dir alles auf dieser Welt versprochen, oder?“

„Ja“, brummte Wao nur, hob etwas den Blick um Mari besser ansehen zu können. „Aber worauf willst du hinaus? Du fängst nie so etwas an wenn du nichts im Hinterkopf hast.“

Mari kicherte etwas und beugte sich zu ihr, senkte die Stimme ein wenig. Diese Frau verwirrte sie jedes Mal aufs Neue. Dennoch war es eben der Punkt: Mari fing nie an Wao daran zu erinnern wie viel sie ihr eigentlich verdankte wenn sie nicht etwas im Kopf hatte, was diese Loyalität benötigte.

„Dann spitz mal deine hübschen Ohren. Wir haben momentan nämlich einige Geschäfte am Laufen. Unter anderem wirst du demnächst ein bisschen mehr mit Aran Kei zu tun haben.“

Wao hob erstaunt die Augenbrauen. Hoshigumi? Aber die waren doch zu rein gar nichts gut seit der alte Boss sich die Radieschen von unten ansah. Sie hatten ja nicht einmal einen Lead und der Star konnte kaum etwas außer mit der Faust auf den Tisch schlagen.

„Was soll das heißen?“

„Dass wir Hanagumi und Tsukigumi von ihrem hohen Ross stoßen werden. Anfangen werden wir mit Hanagumi und dazu brauchen wir das Hanagumihäschen.“

„Und wie willst du da rankommen? Sie ist weg.“

„Da kommt auch schon Hoshigumi ins Spiel. Sie sind nicht nur Diebe.“

„Informationsbeschaffer. Ja ich weiß. Aber sie haben keinen, der sie koordiniert. Wie sollen sie da auch nur einen Schritt tun ohne auf zu fliegen wie ein Elefant im Porzellanladen?“

„Deshalb werden wir ja dafür sorgen, dass ein wenig Ablenkung im Spiel ist.“ Wao schwieg etwas, kaute sich auf der Innenseite der Wange rum während sie Mari noch immer anstarrte und auf eine Antwort wartete. „Folgendes…“
 

„Asako?“, rief sie in den Raum als sie die Wohnung betrat. Saeko hatte sich etwas Zeit gelassen um nach zu kommen, denn immerhin sollte ja keiner wissen, dass sie Asako zu ihrer eigenen Wohnung brachte. „Asa-…“

Ein gedämpfter Schrei unterbrach sie. Mit zwei Sätzen war der Erbe am Badezimmer, stand darin und sah dabei zu, wie Beni Asako mit Nadel und Faden wieder zusammenflickte. Asako selbst biss auf einen Waschlappen um nicht zu viel Laut von sich zu geben.

„Ach stell dich nicht so an. Das passiert jedem Mal.“

„Fiiran fpielt nift fair“, nuschelte Asako bevor sie abermals fester auf den Waschlappen biss und Beni den letzten Stich setzte. Saeko hob nur schief eine Augenbraue auf die Szenerie. Mikkii hockte neben Asako am Boden und grinste schief während sie die Hand der anderen Frau hielt. Das Mädchen hatte sich in der Zeit, in der sie sich in der kleinen Gruppe zurechtfinden konnte, schon ziemlich verändert. Zumindest riss sie die Klappe viel weiter auf als vorher.

„Nunja…“, begann das Mädchen. „Shiiran ist eben nicht fair. Hättest du das nicht schon merken müssen, als er dich über die Schulter gehoben hat?“

Saeko sah wie Asako mit den Augen rollte, doch bevor sie Antwort stehen konnte drückte Beni einen Wattebausch mit Desinfizierungsflüssigkeit auf die gerade genähte Wunde am Arm. Sie konnte dabei zusehen wie sich das Gesicht der anderen verzerrte und wie sie mit aller Gewalt versuchte keinen Ton von sich zu geben. Zumindest das hatte das Training verbessert. Obendrein konnte Saeko leicht sagen, dass Asako an Muskelmasse zugenommen hatte. Die Arme wirkten unter dem Tanktop viel breiter. Saeko räusperte sich und die drei drehten sich zu ihr um. Beni grinste sie breit an.

„Hey Chef. So spät noch hier?“

Saeko entschied sich dazu den Guard zu ignorieren und sah Asako an, die sich gerade den Lappen aus dem Mund nahm.

„Alles in Ordnung bei dir?“

„Ja, ja. Die Schnittwunde bringt mich jetzt nicht um. Aber ein zweites Mal kommt er mir nicht damit davon.“

„Sei froh, dass er nur den Arm erwischt hat“, sagte Beni ungeniert und fing an den Arm der anderen Frau zu verbinden. „Wenn er deine Seite getroffen hätte war das mit dem Messer übel ausgegangen.“ Er lachte. „Außerdem bist du selbst schuld wenn du dich von ‚Schau mal, ein dreiköpfiger Affe‘ ablenken lässt.“

Saeko trat näher, schüttelte mit dem Kopf.

„Ruhe jetzt ihr beiden“, sagte sie streng zu Mikkii und Beni, nickte in Richtung Tür. „Geht schon. Ich mach den Rest.“

Die beiden angesprochenen gingen mit leisem Kichern nach draußen. Sie glaubte noch so etwas wie ‚Mami und Daddy wollen reden‘ gehört zu haben, aber das ignorierte sie für den Augenblick einfach mal. Sollten sie doch denken was sie wollten. Sie sah noch dabei zu wie Asako den Verband inspizierte und dann aufstand, trat an die Jüngere heran und griff vorsichtig nach deren Hand.

„Es tut mir leid, dass du verletzt worden bist“, sagte sie leise, drückte einen leichten Kuss auf die Fingerknöchel der anderen und ließ die Lippen daran liegen. Sie mochte den Geruch, der jetzt von der anderen ausging unheimlich. Es roch so viel frischer und so viel besser trotz des Schweißes.

„Ach papperlapapp“, lachte Asako leicht, nahm ihre Hand und trat einen Schritt näher, sodass sie die Hand auf ihre Schulter legen konnte. „Bleibt eben nicht aus, oder? Und ich lebe ja auch noch. Es hätte schlimmer kommen können.“

„Es wäre vielleicht nicht so gewesen wenn du mir gleich gesagt hättest, dass du kurzsichtig bist. Dann hätten wir mit dem Schusstraining weitermachen können anstatt gleich auf Nahkampfwaffen um zu steigen.“

„Zu meiner Verteidigung: du hast nie gefragt.“

Saeko konnte nicht anders als etwas daraufhin zu lachen. Sie hatte tatsächlich nie gefragt.

„Noch etwas, dass ich wissen sollte?“

„Ich liebe Hunde und am liebsten hätte ich eine weiße, französische Bulldogge.“

„Wieso?“ Saeko’s Verwunderung wurde nur noch größer.

„Damit ich ihn Blanche nennen kann.“

„… Das ist aber nicht sehr kreativ.“

Asako lachte etwas, legte die Arme um ihren Hals und zog sie ein wenig näher.

„Ich weiß. Aber ich möchte einen weißen Prinzen zu meinem schwarzen.“

Saeko grinste, schlang die Arme um die sanfte Taille und hielt die andere fest.

„So? Bekomme ich jetzt auch noch Kosenamen?“

„Natürlich mein schwarzer Prinz. Ist das etwas Neues?“

Saeko lächelte nur, beugte sich etwas vor um einen Kuss von ihrer Geliebten zu stehlen. Das war in letzter Zeit sowieso viel zu kurz gekommen durch den ganzen Stress, den sie aufgrund der Aktion im Sky Stage gehabt hatte. Die Spuren waren eigentlich so gut es nunmal geht verwischt, aber man konnte nie vorsichtig genug sein. Hinzu kam ja noch, dass sie Asako vor ihrem Bruder geheim halten musste, zumindest was ihre Herkunft anging. Sie konnte es sich nicht leisten, dass Wataru Fragen stellte, aber bisher war ihr Bruder noch ziemlich zutraulich und ruhig geblieben.

„Saeko?“, nuschelte es gegen ihre Lippen. „Bleibst du heute Nacht?“

„… Du weißt, ich kann nicht.“

Nicht nur, weil sie damit Asako in Gefahr bringen würde, sondern weil Asako sie immer noch für einen Mann hielt.

„Ich möchte aber gerne bei dir bleiben.“

„Ich will doch auch bei dir sein, aber es geht einfach nicht. Es wäre viel zu gefährlich.“

„Wenn du nicht bei mir im Bett bleiben willst, dann sag mir das.“

„Das ist es nicht.“

Saeko seufzte leise. Zu spät bemerkte sie wie die Hand gegen ihren Oberkörper drückte.

„Falls es das ist… davon wird keiner erfahren, Sae-chan.“ Sie fühlte, wie sie für einen Augenblick bleich wurde. „Glaubst du wirklich, du könntest das ewig vor mir geheimhalten?“



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