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Sky Stage

Welcome to Hell
von

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Eleventh Stage: A new Life

Noch immer saß das Mädchen zitternd auf ihrem Platz, warf nur ab und an einen Blick auf die Seite nachdem die Person, die sie zunächst für einen Mann mit sehr merkwürdiger Frisur gehalten hatte, den Hut vom Kopf gezogen hat. Sehr zu ihrer Verwunderung, zu ihrem Erstaunen und noch sehr viel wichtiger, zu ihrer Erschütterung war es die Sky Stage Queen. Halb abgeschminkt, mit wirrer, ungemachter und unschön gestutzter Frisur und obendrein in einem sehr viel zu großem Anzug. Als Beni sie aus ihrem Zimmer geholt hatte in dem sie versucht hatte sich etwas von den Torturen des Tages zu erholen war sie nicht wirklich schlau aus dem Handeln ihrer Aufpasser geworden. Um ehrlich zu sein war sie in diesem Moment auch nicht viel schlauer. Sie hatte noch immer keinen wirklichen Blick auf den Fahrer, hinter dem sie saß, erhaschen können, sah nur die Augen im Rückspiegel und konnte dennoch nicht sagen, wieso der Mann ihr so bekannt vorkam. Die Queen neben ihr war kreidebleich, zupfte leicht schnaufend und zitternd an den kurzen Haarsträhnen, während sie mit der anderen den Hut in ihrem Schoß knetete, doch sie schien sich langsam zu fangen. War dieses ganze überstürzte Handeln normal wenn man außerhalb gebucht wurde? Sie wusste es nicht, denn sie kam eigentlich kaum aus dem Zimmer. Wenn, dann nur um sich im Gemeinschaftsbad des ersten Stocks zumindest etwas waschen zu können.

„Hey kleines“, drang die Stimme vom Fahrer durch den Wagen und sie saß mit einem verschreckten Zucken aufrecht, blickte in die Augen im Rückspiegel. „Verrätst du uns deinen Namen?“

Die Stimme war eigentlich recht angenehm. Vergleichsweise hoch für einen Mann, aber mit einem angenehm rauchigen Unterton. Sie wurde etwas kleiner auf ihrem Platz.

„Ihr Name…“, begann Beni auf dem Beifahrersitz als sie selbst keinen Ton herausbrachte. Der Mann auf dem Fahrersitz brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen bevor er einen anderen Gang einlegte.

„Dich frage ich nicht.“ Die Augen fixierten sie erneut. „Also?“

Sie schluckte hart.

„Mikkii“, brachte sie dann doch mit heiserer Stimme hervor. „Sie rufen mich Mikkii.“

„Ist das auch dein Name?“

Nach kurzem Zögern nickte das Mädchen dann doch. Es interessierte sich doch sowieso niemand wirklich dafür wie sie wirklich hießen. Der Mann starrte sie im Rückspiegel noch einen Moment an bevor er ein zustimmendes Brummen von sich gab. Er bog um die nächste Ecke.

„Dann habe ich noch eine Frage an dich“, fuhr er fort. „Wie sehr hängst du am Leben?“

Mikkii fühlte Panik in sich aufsteigen. Wenn sie gekonnt hätte, dann hätte sie am liebsten die Tür aufgerissen und wäre raus gesprungen, aber die Angst hielt sie auf der Stelle.

„Ich… ich will nicht sterben“, flüsterte sie leise. Die Berührung an ihrem Arm verleitete sie dazu fast gegen die Tür zu springen.

„Beruhige dich“, sagte die Queen mit beruhigender Stimme. „Keiner tut dir etwas.“ Sie wand sich an den Fahrer. „Warum fragst du?“

„Weil wir ein paar Kleinigkeiten verändern müssen. An euch beiden meine ich.“ Eine kurze Pause und der Fahrer setzte den Blinker. „So, wie ihr jetzt seid würden wir alle sofort auffliegen und nur der Himmel weiß, wo das hinführen würde. Ich möchte möglichst keinen Clankrieg heraufbeschwören.“

„Das hättest du dir vorher überlegen sollen“, sagte Beni und seufzte schwer. Der Fahrer gab dem Guard einen abfälligen Blick.

„Ich habe nicht den Auslöser gedrückt.“

Beni schnaubte und die Queen schaltete sich erneut ein.

„Veränderung?“, sagte sie und beugte sich etwas vor. „In wie fern?“

Der Fahrer trommelte ein paar Male mit den Fingern auf das Lenkrad und fuhr in eine Seitenstraße.

„Wir werden euren kompletten Charakter verändern. Alles an euch, auch euer Aussehen. Ich hoffe, ihr seid gute Schauspieler. Wir werden euch zu Männern machen. So kann ich euch wenigstens mit zu Daddy nehmen ohne, dass er mir den Kopf abreist und die neue Identität wird euch helfen, euch vor Gaichi zu verstecken. Vorerst zumindest.“

Mikkii sah während der Unterhaltung nur von einer Person zur nächsten ohne wirklich zu verstehen, was vor sich ging. Neue Identität? Dann war das gar keine Buchung? Dumm war das Mädchen immerhin nicht.

„Du bist vom Sky Stage abgehauen?“, brach es auf einmal aus ihr heraus, lauter als sie es vielleicht gewollt hatte und sie starrte dabei die Queen an. „Wieso? Gaichi wird…“

„Hast du mir nicht zugehört, Mikkii?“, unterbrach sie der Fahrer und das Mädchen sah wieder nach vorne. „Du hast jetzt noch die Wahl, aber sei dir bewusst, dass du nur zwei hast. Selbst wenn ich dich gehen lasse ist die Gefahr zu groß, dass dich einer der Clans wieder einsackt und egal ob sie dich foltern oder nicht, sie würden dich am Ende töten. Du bist gerade genauso ein Ausreißer wie Sena.“ Mikkii fühlte erneut, wie sie bleich wurde. „Ich biete dir die Chance zu überleben und neu an zu fangen. Sei dir aber bewusst, dass es gerade für dich als Mädchen nicht leicht sein wird. Ich kann dich als Shinko tarnen und dich in den Clan schmuggeln, aber von da an bist du auf dich allein gestellt.“

Sie hatte also keine Wahl. Entweder sie tat, was dieser Mann ihr sagte, oder sie würde sterben. Sie zog etwas am viel zu weiten Oberteil und starrte auf ihre Hand. Sie hatte inzwischen so viel abgenommen, dass ihre Haut lediglich auf den Knochen zu liegen schien.

„Und was ist mit Beni und mir?“, fragte die Queen neben ihr.

„Beni wird bei den Shinkos kein Problem haben.“ Er wand den Blick zum Guard. „Du könntest schnell zum Current werden. Streng genommen sind wir quitt. Du hast mir das Leben gerettet und ich dir. Aber wenn du auch nur einen falschen Schritt tun solltest werde ich nicht zögern dir das Genick zu brechen.“

Mikkii war nicht entgangen, dass er die Frage der Queen nicht ganz beantwortet hatte, aber sie war zu sehr in ihren eigenen Gedanken vertieft als sich darum zu kümmern. Ein Mann zu werden und zu verkörpern… konnte sie das eigentlich? Sie wurde oft für einen Jungen gehalten, hatte eine vergleichsweise tiefe Stimme, aber dies gänzlich zu verkörpern… vielleicht konnte sie es lernen. Es war die größte Freiheit, die sie sich für den Augenblick erhoffen konnte und alles war besser als für Senka Sklave zu sein. Nochmals sah sie auf die Queen. Sie schien sehr viel ruhiger zu sein als vorher, doch sah nicht minder gehetzt aus. Sie ließ sich zurück in den Sitz fallen und schwieg bis der Wagen endlich zum Stehen kam.
 

Asako war nicht so ganz zufrieden mit der Antwort. Ayaki hatte ihre Frage nicht beantwortet und sie selbst war deshalb noch immer im Dunkeln über das, was mit ihr geschehen würde. Sie fürchtete, dass es so sein würde wie bei Osa. Gedankenverloren griff sie sich in die Hosentasche, in der sie in der Eile den Ohrring des Hanagumi-Leads hatte verschwinden lassen, strich kurz über die glatte Oberfläche. Es war nur eine Frage der Zeit bevor Osa merken würde, dass sie nicht mehr da war und Gaichi hatte es sicherlich inzwischen herausgefunden. Sie musste etwas grinsen wenn sie sich das wutverzerrte Gesicht des Stars vorstellte. Der Wagen blieb ruckartig stehen blieb und sie sah nach draußen. Sie waren in einer kleinen, fast gänzlich leeren Straße mit einigen kleineren Hochhäusern im üblichen Grau und mit wenigen Autos, die auf den spärlichen Parkplätzen parkten. Asako drückte sich den Hut auf den Kopf bevor sie ausstieg, den Blick schweifen ließ. Mikkii, Beni und Ayaki verließen ebenfalls das Innere des Wagens und Ayaki selbst verriegelte die Türen.

„Wo sind wir?“, fragte sie und sah zu dem Tsukigumi-Star.

„In Tsukigumi-Gebiet. Bevor ich euch zu Daddy bringen kann müssen wir euch entsprechend herrichten. Ich kenne die entsprechenden Leute dafür. Hoffen wir nur, dass Wataru nicht da ist.“

Stumm folgte die kleine Gruppe dem Star ins Innere des Gebäudes auf der anderen Seite, folgte ihm bis vor den Fahrstuhl, wo sie stoppten und Ayaki nach einem Telefon im Inneren seiner Jacke griff.
 

Saeko konnte sich nicht erinnern jemals in ihrem Leben derartig nervös gewesen zu sein. Selbst bei ihrem allerersten Auftrag, den sie immerhin schon in jungen Jahren gehabt hatte, hatten ihre Finger nicht so stark gezittert wie in dem Moment, an dem sie das Telefon ans Ohr drückte. Sie entschied sich sich an die einzigen Personen zu wenden, denen sie vertraute. Wataru konnte sie nichts sagen. Ihr Bruder hielt nichts von dem, was sie getan hatte, hielt nichts von derart gefühlsgeleiteten Aktionen und hätte sie sicherlich an Daddy verpetzt. Das letzte, was ihr Vater brauchte war der Stress, den ein erneuter Clankrieg mit sich bringen würde. Sicherlich ständen sie besser da als Hoshigumi seinerzeit, aber sie wollte nichts heraufbeschwören. Es war einfacher alle in dem Glauben zu lassen es handelte sich bei den beiden Mädchen um junge Männer, die Anwärter auf Tsukigumi waren anstelle von einer Servant aus dem ersten Stock und der Sky Stage Queen selbst.

„Ist etwas wichtiges?“, klang es vom anderen Ende.

„Ist Wataru in der Nähe?“, fragte sie nach. Ein kurzer Moment des Schweigens in denen der Star gedanklich die Finger kreuzte.

„Nein. Ich bin alleine.“

„Gut. Dann beweg deinen Hintern zum Apartment. Du musst mir unter die Arme greifen.“

„Was hast du dieses Mal verbrochen?“

Sie sah über die Schulter zu Sena, seufzte einmal schwer.

„Wenn ich es dir jetzt erzähle glaubst du es mir sowieso nicht.“

„Na gut. Bin gleich da, Boss.“

Damit legte sie auf, steckte das Telefon zurück in die Tasche und trat in den Fahrstuhl als dieser endlich unten ankam. Sie hatte das Telefonat so kurz wie möglich gehalten, zog im Fahrstuhl selbst den Hut wieder auf den Kopf und ins Gesicht. Wieso hatte sie geglaubt, dass das alles hier so eine gute Idee sei? Es könnte sie ihr Leben kosten wenn Haruno dahinter kam. Er kannte Sena wohl besser als jeder andere, würde sie erkennen wenn die Queen auch nur einen falschen Schritt tat. Sie hoffte einfach, dass Haruno selbst so abgelenkt von allem war, dass er gar nicht erst auf die Idee kam die Identität des Mädchens zu hinterfragen sobald sie tagtäglich in diesen Anzügen steckte. Doch wollte sie das überhaupt? Sie wollte Sena immerhin beschützen und sie nicht ans Messer liefern indem sie sie zum Shinko machte. Noch den ganzen Weg ins obere Stockwerk sah sie verbissen auf die Anzeige, wobei die drei um sie herum totenstill waren. Mit leisem 'Ping' öffnete sich die Tür und Saeko führte die kleine Gruppe durch den kleinen Gang, blieb vor einer Tür stehen und kramte in der Innentasche nach einem Schlüssel. Letztendlich war sie doch froh, sich dieses Apartment irgendwann einmal unter der Hand und unter falschem Namen gekauft zu haben. Es graute sie nur davor zu sehen wie es im Inneren aussah. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann sie das letzte Mal darin gewesen war. Die Wollmäuse würden schon Tango tanzen, was sich nach dem Eintreten nur bestätigte. Die Wohnung war sehr spärlich eingerichtet, gerade gut genug um dort schlafen und etwas kochen zu können, das Badezimmer hatte nur die nötigsten Utensilien, doch wenn sie sich richtig erinnerte hatte sie noch einen Haufen Ersatzanzüge in einem der Schränke. Halb in der Wohnung drehte sie sich um, sah die drei Personen hinter sich nach der Reihe an, blieb an Beni hängen.

„Nimm Mikkii, mit ins Badezimmer. Dort müsste irgendwo eine Schere liegen. Stutz ihr die Haare etwas. Ungefähr bis zum Kinn. Du bekommst gleich Unterstützung und dann bekommt sie eine passende Frisur.“

Beni nickte, nahm das Mädchen an die Hand und zog sie mehr oder minder mit sich durch den kleinen Raum in einen Gang und ins Bad hinein. Erst als die Tür hinter ihnen zufiel sah Saeko wieder zu Asako. Sie sah etwas kritisch drein, aber das war für sie nur zu verständlich. Der Star seufzte leise, senkte die Stimme etwas. Sie wollte nicht, dass Beni oder irgendwer mithörte.

„Du musst das alles nicht machen“, sagte Saeko und trat an die etwas kleinere Frau heran, legte ihr die Hände auf die Oberarme.

„Was meinst du?“, bekam sie nur als Gegenfrage und Sena legte den Kopf schief.

„Shinko werden. Tsukigumi. Ein Mann werden. Du musst das nicht tun, wenn du es nicht willst.“

„Und was soll ich dann bitte machen?“

„Du kannst hier bleiben. Das alles hier...“ Sie sah sich in der Wohnung um. „... ist mein Reich. Keiner, außer meinen engsten Vertrauten weiß davon. Ich kann dich beschützen. Du bist hier sicher.“

Sena sah sie einige Augenblicke an, wobei der Ausdruck in ihren Augen von Kritik zu Traurigkeit bis hin zu einem leicht wütendem Blick wechselte.

„Du klingst wie Osa.“

„Sena...“

„Asako“, sagte sie mit einem Mal und Saeko stockte etwas. „Mein Name. Asako.“

Saeko seufzte.

„Na schön. Asako. Ich will doch nur dein Bestes.“

„Und du glaubst es ist mein Bestes, wenn ich hier drinnen versauere?“

„Das habe ich nicht gesagt. Ich will nur nicht, dass du etwas tust, was du nicht willst oder was gefährlich für dich sein könnte.“

Sie erntete erneut ein paar Momente des Schweigens und Asako richtete den Blick auf den Boden.

„Das weiß ich doch. Ich hätte Nein sagen sollen, als du gesagt hast, dass du mich da raus holen willst.“ Ihr Blick traf den der anderen und Saeko fühlte den Klos im Hals. „Aber du hast es nur gut gemeint. Ich habe zugelassen, dass du mich von einem der gefürchtetsten Männer Japans aus dem gefährlichsten Club der ganzen Stadt entführst. Es gibt keinen Ort an dem ich sicher bin, Ayaki.“

Saeko's Hände glitten an den Armen der anderen hinunter und die jüngere Frau hielt sie schlussendlich an den Händen fest.

„Es... tut mir leid... Ich wünschte, ich könnte etwas tun.“

„Das kannst du.“ Saeko sah auf, blinzelte etwas irritiert. „Zeig mir, wie man kämpft. Ich kann mich durchsetzen, aber das allein wird mir sicherlich nicht helfen.“

„Asako ich bin mir nicht sicher ob...“

„Wenigstens das bist du mir schuldig. Ich will kein Püppchen zum Vorzeigen sein. Ich will nicht irgendwo stehen und angestarrt werden. Ich will wissen, wie man ohne einen zweiten Gedanken den Auslöser ziehen kann anstatt mich der Gnade irgendeines Tyrannen zu ergeben. Lieber würde ich an deiner Seite sterben.“

Abermals sah sie den Ausdruck in den Augen der kleineren. Selten hatte sie etwas derartiges gesehen. In Asako's Augen loderte die pure Entschlossenheit und Saeko's Mundwinkel zuckten zu einem nervösem Lächeln.

„Na schön“, sagte sie schlussendlich resigniert. „Wenn du das so willst, dann zeige ich es dir. Aber du musst mir versprechen vorsichtig zu sein bei dem, was du tust.“ Sie senkte abermals die Stimme. „Ich könnte es nicht ertragen wenn dir etwas passiert.“
 

Asako sah den Tsukigumi-Star intensiv an, legte den Kopf etwas schief. Diese Seite an ihm kannte sie noch gar nicht. Beinahe... zerbrechlich. Vorsichtig legte sie eine Hand an die Wange des Stars, strich sanft darüber und lächelte. Mehr wollte und musste sie eigentlich gar nicht hören. Sie zog Ayaki zu sich, hauchte ihm noch einen Kuss auf die Lippen und schmiegte sich anschließend an den Körper des Stars. Sie hatte noch immer Angst, war noch immer zittrig, aber die Nähe des Stars beruhigte sie ungemein. Das alles war für den Moment zu viel für sie und sie hoffte einfach, dass sie zumindest ein paar Stunden Ruhe finden konnte bevor man sie vor das nächste Problem stellte.

„Du solltest dich vielleicht noch etwas hinlegen“, hörte sie die rauchige Stimme an ihrem Ohr. „Wir haben noch etwas Zeit.“

„Bleib bei mir“, flüsterte sie leise als Antwort und Ayaki führte sie hinüber zu der doch recht ansehnlichen Couch. Eine dünne Staubschicht lag darauf, die Ayaki mit einem Tuch hinunter fegte, dabei ein wenig aufwirbelte und sich dann darauf platzierte. Asako krabbelte zu ihm auf die Couch, legte sich hin und platzierte den Kopf im Schoß des Stars. Nochmals fühlte sie diese Vertrautheit, die sie schläfrig werden ließ. Es war noch etwas anderes, etwas, was so viel tiefer Lag. Doch was genau war es? Auf diese Frage fand sie keine Antwort und doch schien sie an ihrem Hinterkopf zu kratzen und nur darauf zu warten entdeckt zu werden. Sie wurde leicht dösig als die schlanken Finger durch ihre immer noch zerzausten Haare strichen.
 

Im Badezimmer machte sich der ehemalige Senka noch immer an ihren Haaren zu schaffen. Das Badezimmer war wirklich spärlich eingerichtet. Beni hatte eine ganze Weile gebraucht um die leicht eingerostete Schere zu finden, ihr damit die Haare auf etwas kürzer als Kinnlänge zu stutzen. Irgendwie schien der Ex-Guard dafür aber Talent zu haben. Ihr gefiel die Frisur, die sie schließlich hatte, doch sie sah damit erst recht aus wie ein Junge. Sich selbst musste sie dabei eingestehen, dass sie furchtbare Angst hatte. Schon wieder wurde sie in eine Welt geworfen, von der sie nichts wusste, in die sie gar nicht erst rein wollte.

„Wo kommst du her, Kleines?“, fragte Beni, der noch immer an ihren Haaren am Hinterkopf zu schaffen war.

„Von der Straße“, antwortete sie nur trocken, biss etwas die Zähne aufeinander.

„Nur von der Straße? Wie kommts?“

„Ich bin Waisenkind. Als ich alt genug war hat man mich aus dem Waisenhaus geworfen und ich bin auf der Straße gelandet.“

„Und wie kommst du ins Sky Stage?“

„Hanagumi.“

Der ehemalige Senka-Guard schwieg. Hanagumi war die offensichtlichste Antwort für alle Mädchen, die in Gaichi's Bordell landeten. Wenn Gaichi sie nicht selbst fand, dann wurden sie von Hanagumi angekauft. Die Mädchen hatten alle eine relativ gleiche Vorgeschichte. Sie landeten aus irgendeinem Grund auf der Straße, wurden von Haruno unter irgendeinem Vorwand aufgesammelt und anschließend an Gaichi verkauft. Jedoch hielten nur die wenigsten die ersten paar Monate durch. Viele der Mädchen verhungerten, wurden wegen Ungehorsam getötet oder nahmen sich einfach selbst das Leben. Mikkii hatte irgendwann gelernt einfach ab zu schalten, den Kopf gänzlich woanders zu haben wenn sich jemand an ihr vergriff.

„Du hast schöne Augen, Kleine“, kam es mit einem Mal von Beni und sie sah erneut auf, fand den Blick des anderen im Spiegel. „Benutz sie auch.“

„Was?“

„Sie sind traurig, ja, aber ich glaube, dass du durchaus Feuer haben kannst. Mein Ausbilder in Hoshigumi hat mir damals immer gesagt 'Benutz deine Augen und verschaff dir damit einen Vorteil, wenn du gesehen wirst'. Vielleicht solltest du das auch mal versuchen.“

„Du warst in Hoshigumi?“

„Bin hineingeboren worden. Meine halbe Familie gehörte zu Hoshigumi. Als aber dieses Massaker geschehen ist hat Gaichi uns sozusagen Adoptiert. Die, die sich geweigert haben, gibt es nicht mehr. Unter anderem auch ein paar Mitglieder meiner Familie.“

Mikkii senkte den Blick etwas.

„Das... das tut mir leid“, sagte sie mit gedämpfter Stimme. Sie hatte nur am Rande einmal etwas von diesem Massaker gehört.

„Das muss es nicht. Ich frage mich immer noch, wie das geschehen konnte. Ich war mir immer sicher, dass der damalige Star nichts mit der Ermordung des Yukigumi-Stars zu tun hatte.“

„Wieso?“

„Es... es war einfach nicht seine Art. Ich kannte ihn nicht, aber meine Eltern.“ Beni klopfte ihr auf die Schulter und grinste. „Schauen wir einfach mal, wie es so weitergeht. Ich muss zugeben, dass ich mich ein bisschen auf Tsukigumi freue.“

„Wieso?“

„Normalerweise kommt man nicht einfach so da rein. Tsukigumi ist schon ne komische Rasse Mensch. Die echte Ausbildung bekommt man soweit ich weiß nur, wenn man Current ist. Shinkos bekommen das beigebracht, was man auf jeder Polizeischule lernt.“

„Und das wäre?“

„Umgang mit Waffen, Kampfsporttraining, Ausdauer... der ganz Kram.“

„Woher weißt du das?“

„Tsukigumi-Shinkos plappern und prahlen. Von den Currents aufwärts weiß aber kaum jemand was.“

„Ah...“

Es klingelte in der Wohnung und die beiden Abtrünnigen sahen gleichzeitig zur Tür, warfen sich einen flüchtigen Blick zu bevor sie sich beide erhoben und den Kopf aus dem Badezimmer steckten. Das Tsukigumi-Mitglied erhob sich und Sena setzte sich ebenfalls auf. Es schien als hatten sie auf dem Sofa gedöst. Kurz nachdem die Tür geöffnet wurde trat auch schon die nächste Person ein, die Mikkii nur vom Aussehen her kannte.

„Was ist los, Ayaki?“, fragte die eingetretene Person.
 

Eigentlich hatte sie nicht gedacht so schnell schon irgendwo hinbestellt zu werden, aber sie wollte sich mal nicht beschweren. Immerhin wusste Yuuhi genau, dass sie immer auf Abruf bereitstehen und so schnell wie möglich von A nach B kommen musste. Es gehörte zu ihrem Alltag und dennoch hatte der Anruf ihres Stars sie deutlich beunruhigt. Sie hatte diesen Tonfall in Ayaki’s Stimme schon seit Jahren nichtmehr gehört. Doch was sie dann in dem eingestaubten Apartment vorfand hatte sie nicht in ihren kühnsten Träumen glauben wollen. Abwesend starrte sie in das vertraute Gesicht mit den sichtlich gestutzten Haaren.

„S-Sena!“, stammelte der Guard. „W-was… w-wie?“ Ihr Blick fiel auf Ayaki. „Was zur Hölle…?“

Der Star hob die Hand.

„Beruhige dich. Wir sind noch mehr.“ Er deutete hinüber zum Badezimmer, wo gerade Beni und ein Junge kurz danach herauskamen. „Ich denke ihr beide kennt euch.“

Yuuhi fühlte, wie sie bleich wurde, steif durch die Wohnung ging und sich erst einmal setzen musste. Die Sky Stage-Queen und ihr Guard. Obendrein noch ein völlig fremder Junge.

„Ayaki w-was zur Hölle geht hier vor?“

Ein Seufzen und ein müdes Lächeln war alles, was sie vom Tsukigumi-Erben bekam.

„Sagen wir…“, begann er und verschränkte die Arme. „Ich hatte einen kleinen Zwischenfall mit Yurika.“

„Und dafür entführst du die Queen?!“

Eigentlich hatte sie das Mädchen erst auf den zweiten Blick erkannt. Sie trug einen viel zu großen Anzug, an dessen Kragen sogar Blut klebte, ihre Haare waren zerzaust und ihre Make-Up verwischt.

„Ich habe meine Gründe.“

„Aber…“

„Kein Aber!“ Bei dem strengen Tonfall zuckte sie doch zusammen. „Du wirst mir helfen, Yuuhi. Und du wirst keinem davon erzählen. Ist das klar?!“

„… Ja, Boss.“

„Gut.“ Er zeigte hinüber zu Beni und dem Jungen. „Der Kleine heißt Tenju Mitsuki. Er ist der neue Anwärter auf den Shinko-Posten nachdem Shimon letztens einen erschossen hat. Beni stecken wir ebenfalls dazu.“

„Aber wir haben schon drei Anwärter.“

„Dann schließen wir sie halt zu einem Team zusammen. Daddy wollte Wataru sowieso einmal auf die Shinkos ansetzen. Dann macht er wenigstens etwas. Je beschäftigter wir ihn halten, umso besser.“ Ayaki sah hinüber zu der Queen. „Ich nehme Sena unter meine Fittiche. Die meisten kennen sie sowieso nur unter ‚Queen‘. Machen wir es richtig, wird sie keiner bemerken.“

„Du… du willst... du willst die drei zu Tsukigumis machen?“

„Habe ich mich undeutlich ausgedrückt?“

„… Nein. Natürlich nicht. Aber wozu brauchst du mich dafür?“

Ayaki wand sich ihr abermals zu und Yuuhi wurde etwas kleiner auf ihrem Platz.

„Ich will, dass du ein Auge auf sie wirfst. Auf alle drei. Ich will nicht, dass ihnen etwas passiert. Das ist ein Befehl, habe ich mich klar ausgedrückt? Kiriyan werde ich einweihen, wenn ich die Zeit dafür finde. Jetzt sei so freundlich und schneid Sena und Mitsuki die Haare. Du kannst das besser als ich.“
 

Sie kamen nur sehr langsam voran, doch ehe Asako es sich versah steckte sie in einem passenden Anzug, ihre Haare waren gemacht und ihr Make-Up entfernt. Ayaki hatte im Schrank noch einen eingestaubten, schwarzen Anzug gefunden, eine passende Krawatte und das alles in ungefähr ihrer Größe. Es hätte genauso gut Ayakis selbst sein können. Wahrscheinlich war es das auch. Auch Mikkii war hergerichtet worden, doch hatten sie die Hosen nur sporadisch gekürzt, da das Mädchen doch ein wenig kleiner war als Asako selbst. Doch in dem Anzug, den kurzen Haaren und dem unpassend dunkelgrünen Hut sah sie eher aus wie ein Junge als die Queen. Ayaki hatte einige Zeit mit ihr im Badezimmer verbracht, hatte ihr geholfen die Züge ihres Gesichts mit dunklem Make-Up zu manipulieren, wobei Asako nicht um darum herumkam sich zu fragen wieso der Star so etwas wie Make-Up überhaupt gesagt. Dann wieder erklärte es sein immer gutes Aussehen. Auch Männern war das in der heutigen Zeit wichtig und wenn sie eine so hohe Position hatten… warum nicht?

Yuuhi, zumindest hatte sich der Guard dann doch so vorgestellt, hatte sich stattdessen um Mikkii gekümmert. Beni brauchte ja so etwas wie Hilfe bei seinem Auftreten nicht. Stattdessen hatte der Guard nebenbei einige Regeln erklärt, die Ayaki so zugelassen hatte und die sich Asako ebenfalls angehört hatte.

Einige Stunden später, oder wie lange es auch wirklich gedauert hatte, saßen sie zu fünft im Auto, Mikkii zwischen ihr selbst und Beni in der Mitte auf der Rückbank, Yuuhi am Steuer und Ayaki auf dem Beifahrersitz. Nervös tippte Asako auf ihrem Knie herum, sah dabei hinüber zu Beni, der mehr oder minder entspannt auf seinem Platz saß, sich darin sacken lies, streifte dabei Mikkii’s Blick, die wie ein nervöses Mädchen auf ihrem Platz kleiner wurde. Die Queen legte ihre Hand auf den Oberschenkel der kleineren, wobei diese etwas aufschreckte und mit großen Augen zu ihr sah. Mit dem Make-Up sah sie wirklich gänzlich anders aus als sonst und das war auch gut so.

„Hey. Keine Sorge. Alles wird gut.“

„Das hoffe ich“, wisperte Mikkii leise und schluckte hart.

„Schau einfach auf deine Umgebung. Verhalte dich unauffällig aber wie alle anderen. Es ist leichter sich zu verstecken wenn du nicht auffällst.“

Im Augenwinkel sah sie Ayaki nur flüchtig grinsen, da kam der Wagen auch schon zum Stehen. Die kleine Gruppe stieg aus. Sie befanden sich vor einem eher kleinen Gebäude, das an eine Lagerhalle erinnerte. Oder eine Abstellkammer. Von drinnen hörte man schon so etwas wie Kampfschreie. Asako hob die Augenbraue. Wo waren sie hingekommen?

„Kommt mit“, orderte Ayaki und die Gruppe folgte ihm, Yuuhi als letzter. Eigentlich hatte die Halle für ihr Aussehen einen perfekten Standort. Eingekesselt zwischen großen, aber leerstehenden Gebäuden war es unauffällig und wirkte fast baufällig. Erst als sie eintraten sahen sie, dass es alles andere als Baufällig war. Die äußere, kaputte Fassade war von innen mit dickem Stahl und Stahlträgern ausgekleidet, auf dem Boden waren Matten ausgelegt, die Fenster von innen verdunkelt ohne, dass man es von außen sah. In der Halle verteilt standen vereinzelte Leute und Asako erkannte auf Anhieb zwei von ihnen. Der größere, Kozuki Wataru, und sein Guard Kiriya Hiromu. Solche Gesichter vergaß man nicht, auch wenn Wataru sich dazu entschieden hatte mal wieder einen Anzug zu tragen, jedoch mit unverschämt tiefem Ausschnitt. Neben den beiden stand ein weiterer, alter Mann, der von Männern geradezu umzingelt war. Auf den Matten waren ein paar weitere Männer, sehr junge wie es schien, und betrieben so etwas wie Kampfsport. Ein weiterer Mann stand an dessen Rand, brüllte ab und zu Befehle und überwachte das alles streng.

Ayaki hingegen ging strickt an den Matten vorbei, die vier anderen hinter ihm her, wogegen Yuuhi am Eingang stehen blieb. Während Asako jedoch versuchte stur geradeaus zu sehen, aufrecht zu gehen und erst einmal mit den Absätzen klar zu kommen rutschte Mikkii näher an sie heran, sah sich nervös um. Asako schlug ihr nur auf den Oberarm, schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln und bedeutete ihr mit einem Kopfnicken nach vorne zu sehen.

„Sohnemann!“, rief der alte Mann aus und erhob sich aus seinem Stuhl, lächelte herzlich und ging auf Ayaki zu bevor er diesen kurz umarmte. „Ich habe dich nicht hier erwartet. Was bringt dich hier her. Es ist Wataru’s Aufgabe das Training zu übernehmen.“

„Ich weiß, Daddy, ich weiß“, antwortete Ayaki nur und lächelte den Mann an. Das war dann wohl der Vater und Lead von Tsukigumi. Kein Wunder, dass hier so viele Guards herumhingen. Nicht einmal eine Fliege würde hier reinkommen ohne bemerkt zu werden. Das erklärte auch wieso sie so intensiv gemustert wurden.

„Was bringt dich also hierher? Und wer sind diese jungen Männer?“

Ayaki warf einen Blick über die Schulter zu ihnen, doch Asako selbst war zu abgelenkt von dem, was sich auf der Matte abspielte um genau zu verstehen was Ayaki mit seinem Vater tuschelte. Zwei der Männer betrieben dort wohl so etwas wie Kampfsport. Einer davon war der Angreifer, der andere verteidigte sich. Asako konnte allerdings sagen, dass es noch blutige Anfänger waren. Sie hatte damals immer dabei zugesehen und konnte sich noch gut daran erinnern wie es aussehen sollte.
 

Mikkii sah nur im Augenwinkel wie Sena sich die beiden Männer auf der Matte genauer ansah. Ein weiterer saß am Rand und sah sich das Geschehen genauer an, aber die junge Frau selbst war mehr interessiert an dem, was bei Ayaki und seinem Vater los war. Sie schienen in eine hitzige Diskussion gekommen zu sein und auch der größte der drei Männer hatte sich hinzugesellt. Irgendetwas war merkwürdig an dem Mann in dem lila Anzug. Er strahlte eine Aura von Stärke aus, aber hielt sich dennoch zurück. Mit einem Mal sah er auf und ihre Blicke kreuzten sich, wobei Mikkii für eine Weile nur starren konnte. Sie fühlte ihr Herz springen und mit einem Mal fühlte sie Angst. Ihre Hände zitterten und dennoch zwang sie sich ruhig zu bleiben. Der Mann lächelte und beugte sich etwas zu Ayaki’s Vater, mischte sich in die Diskussion mit ein. Schon ein paar endlose Minuten später fiel der älteste Mann ins Schweigen, ging an den beiden anderen Männern vorbei und blieb kurz vor Ende der Matte stehen. Die Männer verschwiegen fast gleichzeitig und sahen zu ihm.

„Wie es scheint“, begann der älteste Mann. „haben wir Zuwachs bekommen. Diese drei hier werden ab sofort mit euch trainieren. Unter Wataru’s Aufsicht. Macht euch miteinander bekannt und macht dann weiter.“

Daraufhin ging der Mann an ihnen allen vorbei, dicht gefolgt von Ayaki. Dieser warf ihnen nur noch einen kurzen Blick zu, doch das Lächeln war eindeutig für Sena bestimmt. Mikkii fühlte wie die Angst nochmals in ihr aufstieg. Ayaki hatte sie immerhin beschützt und jetzt waren sie allein.

„Komm schon“, riss sie Beni’s Stimme aus den Gedanken. Sena war schon auf den Matten, ging ihnen allen voran auf die anderen drei zu, Beni dicht hinter ihr und Mikkii hechtete zuletzt hinterher. „Nur keine falsche Scheu.“

Die drei anderen Männer stellten sich vor ihnen in einer Reihe auf, wobei die beiden, die die ganze Zeit trainiert hatten, heftig am Schwitzen waren unter den Anzügen. Die eng sitzenden Krawatten sahen mehr als unangenehm aus und Mikkii sah sich schon darin keuchen.

„Sena Jun“, sagte Sena zuerst, verbeugte sich leicht. Der Mann ganz links nickte leicht und nacheinander stellten sie sich vor.

„Miya Rurika.“

„Ichijou Azusa.“

„Kisaragi Ren.“

Beni neben ihr nickte leicht.

„Schön euch kennen zu lernen“, begann er. „Kurenai Yuzuru.“

Mikkii fühlte, wie die Blicke kurz darauf auf ihr klebten und sie schluckte erneut hart. Ihr war aufgefallen, dass Sena ihre Stimme gedrückt hatte und sie versuchte es ihr gleich zu tun.

„Ten…“ Sie räusperte sich leicht. „Tenju Mitsuki.“



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