Wandern ist des Trainers Lust
Am nächsten Morgen waren Cheren und Bell bereits aufgebrochen, White hingegen schlummerte noch ruhig und friedlich und bekam von dem Aufbruch ihrer Kindheitsfreunde nicht sonderlich viel mit, um genau zu sein rein gar nichts. Die Brünette schlief ausgiebig, schließlich war der Tag zuvor recht anstrengend gewesen und sie hatte viel erlebt, sodass sich die Trainerin ein wenig erholen musste.
Als sie dann endlich-Stunden später- aufwachte, gähnte die junge Frau genüsslich und streckte sich, ehe sie aus dem Bett kroch. Da der Raum verdunkelt war, musste sich White im Dunkeln die Lichtquelle –entweder in Form eines Lichtschalters oder in Form von Rollläden- ertasten. Doch das war leichter gesagt, als getan. Zum einen kannte sie sich in dem fremden Haus kein bisschen aus und zum anderen war die Brünette im Dunkeln noch orientierungsloser, als im Hellen. So stolperte sie –wie es das Schicksal wollte-, über ihre eigene Tasche und landete beinahe auf dem Boden. Zum Glück wurde sie durch die Wand, gegen welche die junge Frau gestoßen war, daran gehindert. Und da Fortuna scheinbar auf ihrer Seite war, verbarg sich an dieser auch noch der Lichtschalter, den White sogleich betätigte und damit den kleinen Schlafraum erhellte. So konnte sie nun allen morgendlichen Aktivitäten nachgehen.
Als die junge Trainerin dann soweit fertig war, schnappte sie sich ihre Tasche und lief die Treppen hinunter, wo sie auch schon herzlich von Frau Amsel begrüßt wurde. „Guten Morgen, White. Möchtest du nicht vor deinem Aufbruch noch eine Kleinigkeit essen?“, fragte die alte Dame, nachdem sie bemerkt hatte, dass ihr Gast drauf und dran war aufzubrechen. Die Angesprochene hingegen warf zunächst einen Blick auf die Uhr, da sie gefühlsmäßig doch recht lange geschlafen hatte, und ihr Gefühl ließ sie nicht im Stich. Entsetzt stellte sie fest, dass es bereits halb elf morgens-oder bessergesagt vormittags-war. Dankend lehnte sie das Angebot ab, verabschiedetet sich höflich und stürmte aus der Tür. Die Brünette hatte eine ganze Menge aufzuholen, sie wollte unbedingt noch am heutigen Tag in Orion City ankommen.
Das junge Mädel kam ganz gut voran, was auch mitunter an dem schönen Wetter lag. Man merkte, dass sich der Winter allmählich aus Einall verabschiedete und Platz für den Frühling bot. White hoffte innig, dass der Schnee, der sie gestern Abend heimgesucht hatte, der letzte für diesen Winter war.
Einige Stunden lief die noch recht unerfahrene Trainerin durch die Gegend. Zwischendurch hatte sie auch wieder ihr geliebtes Serpifeu aus seinem Pokéball gelassen und es auf ihrer Schulter platziert, sodass das grüne Wesen wieder als eine Art Schal fungierte, da es sich wieder um den Hals seiner Partnerin schlängelte. Die beiden, oder bessergesagt White, hatte sich entschieden ein kleines Päuschen einzulegen, doch daraus wurde nichts. Plötzlich kam ein Trainer aus einem Busch gesprungen und positionierte sich siegessicher vor White. Auch sein Pokémon-ein Nagelotz-kam passend zu seiner Choreografie- wenn man diesen Tumult denn überhaupt als eine solche bezeichnen konnte-aus dem Gebüsch gehoppst und platzierte sich in einer ebenso affigen Pose vor der Brünetten. ‚Fehlt nur noch ein Cape und ein Ganzkörperkondom, dann wären es die perfekten Deppen…‘, dachte die Besitzerin von Serpifeu genervt und betrachtete mit gemischten Gefühlen das Theater.
„Los! Kämpfen! Wir beide!“, schrie der komische Junge euphorisch und fuchtelte hektisch mit seinen Armen in der Luft herum. Die Angesprochene hingegen war drauf und dran den Ort zu verlassen und einfach weiterzureisen, den seltsamen Typen dabei völlig ignorierend, aber daraus wurde nichts, als sie Anstalten machte zu gehen. „Ey! Du da! Du wirst doch wohl nicht kneifen! Ich mach dich alle, du…du…du…Mädchen!“
„Boah, für wen hältst du kleiner Bengel dich eigentlich? Zuerst mir auf die Nerven gehen und dann auch noch das weibliche Geschlecht indirekt beleidigen, du hast ja voll einen an der Klatsche!“, schrie die aufgebrachte Braunhaarige den Teenager an, nachdem sie sich umgedreht hatte und dem Kampf somit zustimme. „Los Serpentin, dem zeigen wir’s!“ Das Pflanzenpokémon gehorchte und sprang elegant von Whites Schulter. Mit einem herablassenden Blick betrachtete das eingebildete Pokémon seinen Gegner und wartete förmlich darauf es zu besiegen.
„Los Nagelotz, setz Tackle ein und mach es platt!“, schrie der Jungspund und sein Normal Pokémon folgte dem Befehl. Es sprang sofort los und peilte Serpentin an, doch es hatte nicht mit der Geschwindigkeit der Grasschlange gerechnet. Der Tackle traf leider nicht sein Ziel und Nagelotz verschwand stattdessen in einem Busch.
„Los Serpentin, setz Rankenhieb auf den Busch ein und versuche Nagelotz herauszufischen!“ Gesagt getan und wenige Sekunden später zerrte Serpentin den Gegner mit Hilfe seiner Ranken aus dem Gebüsch. Dabei umwickelte es förmlich seinen Körper, sodass Nagelotz nahezu bewegungsunfähig war. „Und jetzt Tackle es mit voller Wucht!“ Auch diesem Befehl ging das grüne Wesen nach und rammte das braune Pokémon. Dabei löste Serpentin seine Ranken von dem Normal Pokémon und es schleuderte gegen einen Baum. „Hm…ich würde sagen, dein Pokémon ist K.O., du Lusche!“, stichelte die Brünette, die noch immer leicht gereizt war und verschwand, ehe der dumme Junge wieder zu irgendeinem dummen Spruch ausholte.
Doch zu ihrem Pech war das nicht die einzige seltsame Begegnung mit einem Teenager…
Einige Stunden später rannte White in Richtung Orion City, sie war auf der Flucht. Die komischen Kinder lauerten überall und White kam es langsam so vor, als hätten sie sich untereinander abgesprochen, nur um White zu ärgern. ‚Lästige Plagen!‘, dachte die Brünette verärgert, als sie irgendwo abbog und dort Schutz vor der Invasion der dummen Kinder zu suchen. ‚Und komischerweise wollen die mir alle ihre Nagelotz aufhalsen. Können die sich keine anderen Gegner suchen?!‘
Völlig außer Atem sah sich das Mädchen um und erblickte einen dichten Strauch, hinter dem sich offenbar eine Art Geheimweg verbarg. „Uiii, guck mal Serpentin!“, sagte sie freudig und versuchte irgendwie durch das Gebüsch zu kommen, jedoch ohne Erfolg. „Ach Mist, kannst du das nicht vielleicht irgendwie…zerschneiden?“
Doch das Pflanzenpokémon schüttelte eifrig sein Köpfchen, schließlich kannte es die Attacke namens Zerschneider gar nicht. „Schade…naja, lass uns wieder zurück gehen. Die Kinder müssten mittlerweile verschwunden sein. Hoffentlich begegne ich nicht während meiner gesamten Reise nur solchen kampfeslustigen Spinnern…“, seufzte White genervt und begab sich wieder auf den richtigen Weg, welcher nun frei von kleinen Möchtegern-Trainern war.
„Also, wenn ich die Karte richtig lese, dann müssten wir bald da sein…“, stellte sie fest, nachdem sie die Karte, welche White zuvor aus ihrer Tasche geholt hatte, betrachtete. „Ja, Orion City…>Die Stadtväter schufen nach Vorbild ihrer Heimat Schneeschutzdeppen<…“, las White vor du wunderte sich. „Hä? Deppen? Ach ne, da steht ja Schneeschutztreppen…aber was zum Henker sind Schneeschutztreppen?!“, grübelte sie und lief währenddessen weiter, die Karte dabei noch immer in einer Hand haltend.
Langsam näherte sie sich dem Ende ihrer Reise, zumindest dieser einen, winzig kleinen Etappe. Kurz vor Orion City wurde sie von Bell erwartet, warum auch immer.
„Hey White! Komm, lass uns kämpfen.“ Freudig kam die Blondine auf ihre Freundin zu gerannt und ließ ihr nicht mal eine Minute Zeit, um wenigstens „Hallo“ zu sagen. Stattdessen wurde die Brünette gleich sofort in einen Kampf verwickelt.
„Los Yorkleff!“
„Okay, los Bidoof! Setz Biss ein!“
Whites Pokémon führte sofort die Attacke aus, nachdem es aus seinem Pokéball kam. Mit funkelnden Augen rannte es auf Yorkleff zu und biss den kleinen Hund in den Rücken. Das gegnerische Pokémon fiepte und jaulte vor Schmerzen, auch versuchte es sich krampfhaft von dem Nagelotz loszureißen, doch damit machte der kleine Hund alles nur schlimmer. Bell konnte sich das nicht mehr mit ansehen und rief Yorkleff kurzerhand wieder zurück in seinen Pokéball. Etwas geschockt sah die Blondine Whites Pokémon an und hatte etwas Angst ihren nächsten Freund in den Kampf zu schicken, doch was sein musste, musste eben sein und so schickte sich nach kurzem Zögern ihr nächstes Pokémon in den Kampf.
„Los Ottaro!“
Das kleine blaue Starterpokémon sprang freudig auf und ab, so wie es aussah, hatte es den Ernst der Lage nicht wirklich erkannt. „Ottaro, hör auf damit. Los, setz Aquaknarre ein!“
Das Pokémon vom Typ Wasser führte die Attacke aus und traf sehr zu Bells Verwunderung auch noch das starke Nagelotz, damit hätte sie wirklich nicht mehr gerechnet, schließlich hatte sie gerade einen ihrer Meinung nach starken Gegner vor sich.
„Los Bidoof, setz noch mal Biss ein!“
Kurz schüttelte sich das Normal Pokémon, um die letzten Wasserspritzer aus seinem Fell zu entfernen, ehe es auf Ottaro zu sprintete.
„Oh nein, Ottaro, du musst schnell aus-“ Doch da war es schon zu spät und Nagelotz hatte Ottaros Schweif als Kauknochen zweckentfremdet. Panisch rannte der Otter durch die Gegend und wusste nicht, was nun zu tun war. Irgendwie wollte er das lästige Ding an seinem Schweif loswerden, doch das Späher Pokémon war sehr hartnäckig und ließ sich nicht so leicht abschütteln.
„Super Ottaro, jetzt haben wir es genau da, wo wir es haben wollten!“, stellte die Blondine siegessicher fest und freute sich darüber.
„Ach ja…habt ihr?“, fragte White etwas perplex, schließlich war es Ottaro, der hier gerade eindeutig im Nachteil war.
„Ja, haben wir. Los, setz Rutenschlag ein!“
„Okay, das war clever…“, stellte die Brünette nun-noch immer geschockt, diesmal aber über die Tatsache, dass es Bell war, die eine solche tolle Idee hatte-fest und beobachtete, wie Ottaro mit Hilfe seiner Schweifes Bidoof gegen den nächstbesten Felsen katapultierte.
„Yeah, gewonnen, gewonnen, gewonnen….ich hab ge-„
„Tja, zu früh gefreut, Bell…“, erwiderte White auf das Spektakel ihrer Kindheitsfreundin, nachdem Nagelotz wieder aufgestanden war und offenbar weiter kämpfen wollte.
„Och manno, unfair…“, nörgelte die Blondine empört und verschränkte bockig die Arme vor der Brust. So musste sie nun mit ansehen, wie White den Kampf gewann. Die beiden Freunde riefen ihre Pokémon wieder zurück in die Pokébälle.
„Siehst du, ich hab gewonnen!“, sagte die Brünette nun siegessicher.
„Du solltest vielleicht weniger Zeit mit Cheren verbringen, du wirst schon genauso fies wie er!“, stellte die Blondine bissig fest. Inzwischen waren die beiden schon auf dem Weg nach Orion City, welches direkt vor ihnen lag.
„Ach Quatsch. So viel Zeit verbring ich doch gar nicht mit ihm!“
„Doch, tust du wohl! Auf jeden Fall verbringst du mehr Zeit mit ihm als ich…“
„Was denn, bis du etwa eifersüchtig?“
„Nein!“
„Ach komm schon Bell, jetzt lass uns nicht streiten…“
„Ja, okay…wir beide sind manchmal ganz schön bescheuert…“, stellte Bell nun lachend fest. Auch White musste lachen, denn diese kleine Auseinandersetzung eben war wirklich sehr dämlich.
„Okay, vielleicht kannst du mir eine Frage beantworten…Weißt du, was Schneeschutztreppen sind?“, fragte White ihre Kindheitsfreundin, die sie daraufhin nur verwirrt ansah.
„Nein…keine Ahnung. Bist du sicher, dass es keine Schneeschutzdeppen waren?“
„Ja, da bin ich mir sicher, gucke hier…“, antwortet White und hielt ihrer Freundin die Karte vor die Nase. „Siehst du, da steht Schnee-schutz-treppen…“
„Hä…komisch, ich weiß nicht, was das sein soll…“
„Na dann lass es uns herausfinden! Laut der Karte müssten man ja solche Dinger in Orion City finden…“
„Was stehen wir dann noch hier dumm in der Gegend herum! Los, komm!“, sagte Bell freudig und schnappte sich White, um mir ihr weiterzulaufen.
„Hey, warte kurz. Da vorn ist ein Schild, vielleicht steht da etwas zu den Schneeschutztreppen drauf…“
Pokémon:
Serpentin (Serpifeu) Level 14
Debbie (Yorkleff) Level 13
Bidoof (Nagelotz) Level 13
