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Und er lächelte

von

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Ein Fremder

Wie lange hatte der Knight-Captain Kirkwalls nun dagestanden, während seine ungläubig-gedankenverlorenen Augen den blonden Abtrünnigen am anderen Ende des Marktes verfolgt hatten?
 

Noch immer unterhielt sich Anders mit der jungen Händlerin, die ihm mit kritischer Miene und einem abwehrenden Kopfschütteln gegenüberstand, er schien die blonde Frau von irgendetwas überzeugen zu wollen.

Der kalte Wind, der über den Platz fegte und abertausende Schneeflocken mit sich zerrte, bauschte den fleckigen Mantel des Magiers auf, strich dem Fröstelnden durch die unordentlich zurück gebundenen Haare und trieb klirrende Kälte unter Rüstung und Kleider.

Anders war unbewaffnet, wie es schien. Er war wohl nicht töricht genug seinen Magierstab, insofern er denn einen besaß, offen bei sich zu tragen und sich dem Templerorden gegenüber somit als das auszuzeichnen, was er war.
 

Ein Gesuchter.
 

Ein ungesund klingendes Husten schüttelte den schmalen Körper des Heilers, als er damit anfing mit fahrigen Fingern in seinem Geldbeutel nach Silbermünzen zu klauben. An einem seiner dunklen Stoffhandschuhe war die Naht zwischen Daumen und Zeigefinger aufgegangen, schleißige Bandagen an seinen Armen und Handgelenken hatten die hübschen, dekorativen Goldreifen von damals ersetzt und breite Flicken zierten die pelzbesetzte Jacke, die er unter seinem schweren Umhang trug.
 

Was war bloß aus ihm geworden?
 

Wo war der eitle, laute Anders, der die Welt zu seiner Bühne machte und dabei über das ganze Gesicht strahlte, in diesem Moment? Der, den Cullen, in den stillsten Stunden der letzten Jahre, heimlich in seine flehenden Stoßgebete an den Erbauer mit eingebunden hatte?

Wo waren diese ungestüme Heiterkeit, der erhobene, wache Blick und das dümmliche Lächeln hin verschwunden?

Wer war dieser, viel zu dünn gewordene, Mann dort am Marktplatz? Der, über dessen blassen Gesicht ein Schatten zu liegen schien und der seine Schultern, über die er sich einen schäbigen Wollmantel geworfen hatte, hängen ließ?
 

Cullen presste seine Kiefer in einer, ihm grotesk erscheinenden und tiefen, Verbitterung aufeinander.

Waren es Mitleid und Empathie, die sich über all sein Pflichtbewusstsein und den soldatischen Ehrgeiz, die es ihm befahlen gefährliche Abtrünnige unschädlich zu machen, legten?

Oder war es eine gewisse Art der Enttäuschung über Anders' erloschenes Feuer, die er diesem gegenüber nun so plötzlich empfand?

Er wusste es nicht.

Und obgleich er das Verlangen danach verspürte, auf den Blonden zuzugehen, um ihn anzusprechen und ihm all das, was ihm die letzten Jahre über durch den schmerzenden Kopf geschlichen war, zu sagen, verharrte er in seiner starren Position, unfähig dazu sich auch nur wenige Zentimeter zu rühren.

Was hätte er Anders gesagt, hätte er die Fassung gefunden, die es ihm erlaubt hätte, zu ihm zu gehen?

Hätte er ihn nach dessen Motiv für sein Handeln, vor vielen Jahren im kühlen Eingangsbereich des Zirkels in Ferelden, gefragt? Danach, wie er heute dazu stand?

Hätte er ihn mit vorwurfsvoller Miene dafür gestraft, dass er Cullen 'aus Spaß' an die harte Steinwand gepresst, geküsst und zu Dingen aufgefordert hatte, die dem Templer heute noch strikt verboten waren und ihm schwere Gewissensbisse bereiteten?

Hätte er ihn, hier und jetzt, dafür angeschrien und geschlagen oder hätte er den Magier dazu gebeten ihn noch einmal so zu fest zu umarmen, wie er es damals getan hatte?
 

Cullen wusste es nicht.

Und er würde es vermutlich auch nie herausfinden.
 

„Knight-Captain?“ einer der Templer, die ihn begleitet hatten, war an den, wie zur Eissäule erstarrten, Mann herangetreten und folgte dessen Blick über den dreckigen Markt der Unterstadt.

Cullen schien es in diesem Moment so, als hätte die Zeit bis zu diesem Augenblick stillgestanden und als würde sie nun wieder allmählich anfangen zu laufen.

Ob genau dieser Tatsache, die ihn dazu brachte, sich selbst einen Narren zu schelten, brauchte Cullen ein paar tiefe Atemzüge, um seinem Ordensbruder antworten zu können. Innerlich nach Fassung ringend, wand er dem anderen Templer seinen Kopf zu und schaffte sich ein unnötiges und deplatziertes 'Was?' zu verkneifen.

Stattdessen räusperte sich der Knight-Captain nur kurz und leise und holte schließlich Luft, um zu einer Anordnung anzusetzen.

„Fehlalarm. Wir kehren in unsere Quartiere zurück.“ kam es in einer knappen, befehlenden Trockenheit über die Lippen des Mannes, woraufhin er einen kritisch-fragenden Blick seitens seines Soldaten erntete „Dieser Bettler ist nicht unsere Zielperson. Ich habe mich geirrt.“.
 

Ja, dieser Mann dort war nicht 'Anders'.
 

Cullen legte eine seiner behandschuhten Hände auf die Schulter seines Kameraden und deutete ihm mit leichtem Druck in die Richtung der restlichen sechs wartenden Templer an, zu gehen. Auch er selbst wand sich zögerlich ab, nachdem er sich noch einmal flüchtig und mit zusammengepressten Lippen zu dem blonden Heiler am Marktplatz umgesehen hatte. Das, um noch einen letzten Blick auf den Magier zu erhaschen, der ihm seinen ersten – und wohl letzten - Kuss gestohlen hatte.

Auf den, der ihm so viel und doch nichts bedeutete... oder bedeutet hatte.
 

Bereits in diesem Moment, in dem er sein Haupt um einen Deut sinken ließ und dabei tief durchatmete, wusste Cullen, dass er die schwere Entscheidung, die er hier soeben getroffen hatte, eines Tages noch zutiefst bereuen würde.

Doch er revidierte sie nicht, war, als sich Anders am schneebedeckten Markt der Unterstadt mit einem prüfenden Blick in seinen suchenden Augen nach ihm umwand, bereits verschwunden.



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