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Und er lächelte

von

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Damals VII

Am nächsten Morgen war Anders dann tatsächlich verschwunden, war vom Einen auf den anderen Tag einfach fort gewesen, als hätte es ihn nie gegeben.

An diesem Tag war es still gewesen im Zirkel.

Zu still.

Niemand war durch die langen, nüchternen Korridore des Turms gelaufen oder hatte in der Bibliothek mit dicken, staubigen Wälzern um sich geworfen. Alle Bewohner der Gemächer der Magier hatten ihre Betten zeitig verlassen und keiner von ihnen hatte ein Badezimmer so lange besetzt, bis man die Templer dazu auffordern hatte müssen, die Tür zu dem blockierten Raum aufzubrechen.

Keine lauten Hasstiraden gegen die Kirche, kein warmes und herzliches Lachen hatten die Gänge des Turms mehr erfüllt.
 

Und es war dabei geblieben.
 

Dies war die Zeit gewesen, in der Cullen wieder zu den langen Nachtdiensten angetreten war, in der Hoffnung, die alte, ruhige und ungestörte Zeit, in der er in der Bibliothek stehen und Solona ab und an beobachten durfte, käme zurück.

Doch stand er dann tatsächlich, regungslos wie eine der großen Marmorstatuen an den Wänden, in dem Saal mit den hohen Bücherregalen, so ertappte er sich dabei den geschwätzigen und dümmlichen Heiler an seiner Seite zu missen. Die Arbeitszeit während den nächtlichen Stunden zog sich, ohne jemanden, der einem utopische Geschichten über die fabelhaften Abenteuer irgendwelcher mutierten Katzenwesen oder ähnlich Belangloses und Uninteressantes erzählte, schleppend dahin.
 

Leise resigniert ausatmend schloss Cullen seine Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine stählernen Armschienen und Panzerhandschuhe verursachten dabei ein beiläufiges, metallenes Klackern; der einzige Laut, der seit Stunden durch die Bibliothek drang.

Solona saß an ihrem üblichen Platz an einem der alten und massive Holztische mit den dicken, geschnitzten Tischbeinen und ließ eine weiße Feder über aufgerolltes Pergament tanzen. Wie immer stand ein Armleuchter vor ihr auf dem antiken Tisch, dessen breite, brennende Kerzen ein warmes Orange an die Steinwände und Regale ringsum malten. Die Frau strich sich ab und an verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht mit den zierlichen, beinahe schon puppenhaften Zügen, klemmte sich diese hinter die Ohren und schrieb daraufhin ohne Umschweife weiter oder blätterte in einem ihrer dicken Bücher um.

War es in vergangenen Jahren stets anders herum gewesen, so war es an diesem Abend sie, die immer öfter prüfend in Cullen's Richtung sah, ohne Antwort in Form von Gestik oder Mimik zu erhalten.
 

Mit gesenktem Kopf und vollends in triste Gedanken vertieft, stand der Templer auf seinem Posten und wäre es nicht schon längst zur nachsichtigen Gewohnheit geworden, so hätte er Solona, ob der Nachtruhe im Zirkel, wohl zu Bett geschickt.

Es erschien ihm auf irgendeine Weise betrüblich, doch der Mann hatte keinen Blick mehr für sie übrig, denn sah er sie an, sah er ihn. Anders' aufgewecktes Gesicht, mit dem schiefen Grinsen, das sich über dessen stets plappernde Lippen zog, die flinken Hände, mit der der Heiler seine Robe zu raufen pflegte, um schneller laufen zu können, den goldenen Ohrring... die warmen Finger, die sich sanft an Cullen's Wangen stahlen und ihn so falsch festhielten, wie ihn niemand anders jemals mehr festhalten sollte.
 

Man sagte sich, Anders hätte es, nach seinem letzten und damit angeblich sechsten Fluchtversuch, 'endlich' geschafft dem Netz der Kirche zu entkommen. Mit welchen Methoden und Mitteln war fraglich, manche der Magier sprachen davon, dass er eines der kleinen Boote am Anlegeplatz hinter dem Turm gestohlen und den dichten Nebel zur Flucht genutzt hatte; manche Rekruten der Templer sprachen von Blutmagie und Dämonen.

Andere wiederum glaubten, der Held der rebellierenden Magiebegabten Ferelden's wäre tot, von dem Templerorden auf der Flucht erschlagen worden oder im tiefen Calenhad-See ertrunken.

Und Wenige behaupteten, sie hätten gesehen, wie man Anders Tage nach seiner spektakulären Flucht, unter enormen Kraftaufwänden und gewaltsam unterdrückten Schreien, nachts in den Kerker gezerrt und weggesperrt hatte. Man wolle den aufmüpfigen Blonden dort unten, im Zellentrakt und unter magiebegabten Schwerverbrechern, verrotten lassen, hatten sie vermutet.

Der erste Verzauberer und der Knight-Commander hatten sich bezüglich dieses populären Vorfalles nie eindeutig geäußert und betreten geschwiegen, hatte man sie nach Anders gefragt. Ja, vermutlich war der Magier tatsächlich gestorben.
 

Hirngespinste, Mutmaßungen, Behauptungen über Behauptungen... doch ob eine Geschichte davon mit der Realität konform war, war fraglich.

Wohl nicht.

Und Cullen hatte sich auch nicht besonders lange sinnlos den Kopf darüber zerbrochen. Bis zu einem gewissen Punkt, an einem warmen Sommerabend, kaum ein Jahr nach Anders' mysteriösen Verschwinden, jedenfalls.

Der Templerorden war an diesem Tag in wilder Aufruhr gewesen, sogar der Knight-Commander hatte sich äußerst beunruhigt und aufgebracht gegeben und Magierjäger in alle Richtungen Thedas' entsandt. Ein geistig abnormer Gefangener sei an diesem Abend geflohen, nachdem er die beiden Wachen im Verließ kaltblütig und brutal ermordet hatte. Vermutlich hatten diese Templer keine Vorsicht walten lassen und er hatte sie, durch die dicken Gitterstäbe seiner Zelle hindurch, gepackt und ihnen die ungeschützten Hälse umgedreht.
 

Viele Gerüchte darüber hielten sich auch noch Monate nach dieser Fluchtaktion hartnäckig im Turm des Zirkels, Magielehrlinge erzählten sich sogar fürchterliche Gruselgeschichten über eine Bestie, die in den düsteren Kerkern tief unter dem Turm gewütet hatte.

Und ohne es sich erklären zu können, war es doch völliger Irrsinn, hatte Cullen, kam ihm dieses Märchen in den Sinn, immer an den chaotischen Rebellen, seine vermisste Bekanntschaft Anders, denken müssen.

Doch dieser war kein kaltherziger Mörder, der der Freiheit wegen tötete, er war kein gesuchter Abtrünniger und Verbrecher, keine blutrünstige Bestie, die wütete.
 

Anders war tot.



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