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The lonely detective Manao 2.6

Mord ohne Erinnerung
von

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Im Krankenhaus

"Langweilig! So langweilig!"

Manao schleuderte das kleine Buch, das er in Händen hielt auf das Bett und begann, in seinem Krankenzimmer auf und ab zu spazieren, wie Einer, der im Knast sitzt und die Minuten zählt.

"Wann komm ich endlich hier raus!?"

Ja, er kam sich tatsächlich vor wie in einem Knast. Er starb hier fast an Langeweile, an diesem Ort passierte, außer den täglichen Besuchen seines Vaters, absolut gar nichts. Aber in einem Knast wusste man wenigstens, wann man freikam. Hier nicht.

Manao setzte sich aufs Bett und befühlte seine Brandwunden, die er von seiner letzten Aktion in der U-Bahn davongetragen hatte. Sie waren schon fast verheilt. Wieso also konnte er nicht gehen?

"Wenn ich wenigstens nicht allein hier wäre!", rief er. "Dann hätte ich jemanden zum Reden."

Er fasste sich an den Kopf.

An diesen Tagen, an denen er schon hier im Krankenhaus festsaß, hatte er erkannt, wie wichtig ihm sein Job als Detektiv war. Ohne Fälle, ohne Rätsel, ohne Aufträge fühlte sich Manao...na ja, nicht wie Manao. Er war sich sicher, dass er nur mit seinen Fällen er selbst sein konnte. Ohne sie war er ein Niemand. Wenn er lange keinen Auftrag mehr hatte, wurde er nervös und ungeduldig. Das Detektivdasein war fast wie eine Sucht.

"Mein Gott", dachte er. "Ich rede ja wie ein Junkie. Einer, der ohne Stoff Entzugserscheinungen bekommt..."

Er seufzte.

Auf dem kleinen Tisch neben seinem Bett lag eine halb zerknüllte Zeitung. Er nahm sie in die Hand.

Raschelnd entknüllte er die aus Langeweile zerknüllten Blätter und sah sich die wenigen Seiten an, die er noch nicht gelesen hatte. Er las sich die Überschriften der einzelnen Artikel durch und ließ die Zeitung plötzlich auf den Boden fallen.

Jubelnd riss er die Fäuste in die Luft, wobei er mehr wie ein Fußballfan als wie ein Detektiv aussah. Aber warum freute er sich so?

Nun ja, er hat einen Artikel über einen ungelösten Fall entdeckt.

Bald besann er sich aber wieder. Seinen ernsten Blick aufsetzend, sah er schweigend auf die am Boden liegende Zeitung hinunter, aus der ihm ein schwarz-weißes Bild von einer Lagerhalle entgegenstrahlte.

"Wie tief bin ich doch gesunken", dachte er. "Dass ich mich so über einen einfachen Zeitungsartikel freue! Das ist doch ... krank!"

Er bückte sich nach der Zeitung und legte sich damit aufs Bett, um den Artikel in aller Ruhe zu lesen. Das Buch, das er vorhin auf sein Bett geworfen hatte, fiel auf den Boden, was ihn aber überhaupt nicht interessierte.

Aufmerksam las er sich den Text durch. Es handelte sich um einen Fall, bei dem ein erstochener Mann in einer verlassenen Lagerhalle gefunden wurde. Alle Indizien deuteten auf Mord hin. Die Tatwaffe, ein Küchenmesser, wurde schon in einer nahegelegen Mülltonne gefunden. Auch die Handschuhe, die der Täter bei seiner Tat benutzt hatte.

An sich also ein ganz gewöhnlicher Fall, wie ihn Manao schon oft zu Lösen hatte. Aber das war ja auch nicht alles. Das Interessante an dem Fall war das Opfer: er war Mitglied einer berühmt-berüchtigten Räuberbande, von der vor einigen Jahren viel in den Medien berichtet wurde. Heute stand es weitgehend still um sie. Bis zu dem Mord, natürlich.

"Vom Täter keine Spur."

Sehnsüchtig betrachtete Manao diesen Satz im letzten Absatz. Wenn er doch nur in seiner geliebten Detektei wäre! Dann würde er keine Sekunde zögern...

...und sich auf die Suche nach dem Mörder machen!

Frustriert ließ er einen erneuten Seufzer hören und griff nach dem Telefon neben dem Bett. Er legte die Zeitung auf seinen Bauch und wählte in Gedanken versunken die Nummer seines Kollegen und guten Freundes, Tom Rade. Er konnte jetzt einfach nicht anders, er musste mit jemanden über diesen Fall reden.

"Hallo", meldete sich Tom nach einer Weile. Er klang erschöpft.

"Hallo, Tom. Hast du ein bisschen Zeit um zu reden?"

"Nein, tut mir leid, Manao. Ich steck seit gestern bis zum Hals in Arbeit."

"Oh."

"Mach dir nichts draus, okay? Wenn ich alles fertig hab, ruf ich dich an."

"Hm, na gut. Viel Glück beim Fällelösen!"

"Danke, tschüss!"

"Tschüss."

Langsam ließ Manao den Hörer sinken und nahm wieder die Zeitung in die Hand. Er versuchte, sich Gedanken zum Fall zu machen. Es wurde still in seinem Zimmer. Fast unheimlich still.

Als nach etwa zehn Minuten die Tür zu seinem Krankenzimmer aufging, war er so in Gedanken versunken, dass er aufschrak, so als hätte man ihn aus dem Schlaf gerissen. Verwirrt blickte er zur Tür, durch die gerade ein Bett hineingeschoben wird.

Stumm betrachtete er, wie der Arzt und die Krankenschwester das Bett, in dem ein schalfender Mann lag, an seine linke Seite schoben. War es denn die Möglichkeit? Musste er endlich nicht mehr alleine hier drinnen hocken? Bekam er endlich jemanden zu reden?

"Herr Tajima", wandte sich der Arzt an ihn. "Das ist Ihr neuer Zimmergenosse."

"Das sehe ich", sagte Manao und blickte auf den schlafenden Mann. Eins seiner Arme steckte in einem Gips. "Wie heißt er?"

"Das wissen wir nicht."

"Hä?"

"Er ist wegen einem Unfall hier. Ein Auto hat ihn überfahren, als er die Straße überqueren wollte. Er hat einen gebrochenen Arm davongetragen, aber auch sein Gedächtnis verloren. Deswegen wissen wir nichts über ihn."

"Hatte er denn nichts dabei, was ihn auswies?"

"Nein."

"Merkwürdig."

"Ja, in der Tat. Bald wacht er auf. Bitte überanstrengen Sie ihn nicht. Reden Sie nicht zu viel mit ihm."

"In Ordnung."

Der Arzt und die Schwester verließen das Zimmer. Manao blieb alleine mit dem schlafenden Amnesiepatienten zurück. Er sah ihn an, als erwarte er, dass er jeden Moment aufwachen könnte. Als sich aber nach fünf Minuten nichts tat, wendete er sich wieder der Zeitung zu.

Es wurde wieder unheimlich still im Zimmer.

Manao grübelte weiter über den Fall nach, die Tatsache verfluchend, dass er nicht auf Tätersuche gehen durfte. Aus einem Zeitungsartikel heraus über einen Fall nachzudenken, begeisterte ihn nicht im Mindesten so wie ein Fall, bei dem er direkt dabei war. Nach etwa einer halben Stunde Nachdenken schlief er ein.

Er wachte auf als er ein raschelndes Garäusch direkt neben sich wahrnahm.

Manao öffnete die Augen. Und entdeckte die Quelle des Geräusches.

Neben seinem Bett stand der neue Patient und hielt mit der gesunden Hand Manaos Zeitung, die er ihm offenbar genommen hatte. Er sah ein wenig verwirrt auf die Seite mit dem Mordartikel. Der Mann schien nicht bemerkt zu haben, dass Manao wach war. Der Detektiv richtete sich auf und zog damit die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich.

Stumm blickten sie sich gegenseitig an.

"Tut mir Leid, dass ich Ihre Zeitung genommen hab", brach der Mann schließlich das Schweigen.

"Ach, ist schon gut. Die hab ich sowieso fertiggelesen."

"Wie heißen Sie denn?"

"Manao Tajima. Und Ihren Namen wissen Sie nicht, nicht wahr?"

"Stimmt. Es ist so merkwürdig! Ich weiß überhaupt nicht, wer ich eigentlich bin. Ich bin aufgewacht und alles war weg! Mein Name, mein Beruf, meine Familie, meine Hobbys... Alles weg! Ich komme mir vor wie eine leere Hülle!"

Manao kratzte sich am Kopf. "Ähm, wie soll ich Sie denn nennen?"

"Denken Sie sich was aus."

"Hm, na gut. Darf ich Sie Theo nennen?"

"Wenn Sie wollen."

Von diesem Tag an begann eine neue Freundschaft für Manao. Er war nicht mehr so alleine und konnte endlich mit jemanden reden, was die Zeit im Krankenhaus schneller verstreichen werden ließ.

Sie redeten viel. Da Theo Amnesie und somit nichts zu Erzählen hatte, forderte er den Detektiven auf, etwas von sich zu berichten. Und Manao erzählte ihm von seinen Anfängen als Detektiv, seiner Einsamkeit als Teenager, seinen Kampf mit Leon Weiß. Und von Tetsu.

Theo hörte aufmerksam zu und unterbrach ihn nicht, er fand die Geschichten sehr interessant. Als sie auf das Thema Tetsu kamen, erstaunte ihn der Mann mit einem unglaublichen Fachwissen über Wölfe und allgemein über Tiere.

"Wer ist dieser Mann?", fragte sich Manao in Gedanken. "Vielleicht ein Tierarzt?"

Die Tage vergingen. Manaos Brandwunden heilten, er erhielt die Nachricht, bald nach Hause gehen zu können. Aber er machte sich Gedanken: was würde dann aus Theo? Er war doch der Einzige, von dem dieser Mann sicher wusste, dass er ihm vetrauen konnte. Er machte sich Sorgen.

Von Zeit zu Zeit bekam der Detektiv Besuche von seinem Vater und Anrufe von Tom. Theo besuchte niemand. Er tat Manao leid.

Manaos Einsamkeit und seine Sehnsucht nach seiner Arbeit verschwand. Nein, ehrlich gesagt, letztere verschwand nicht, aber wenigstens wurde seine Sucht nach Fällen schwächer, sodass sie ihn nicht mehr quälte.

Der Arzt, der Theo an jenem Tag in Manaos Zimmer untergebracht hatte, kam jeden Abend vorbei, um nach seinem Patienten zu sehen. Er sagte, Theo sähe seinem verstorbenen Bruder ähnlich und er wolle ihm helfen, sein Gedächtnis wiederzuerlangen. Manao störte das nicht. Im Gegenteil, er freute sich, dass sich jemand außer ihm noch für Theo interessierte. Jedesmal, wenn der Chirurg das Zimmer betrat, zog der Detektiv sich auf sein Bett zurück und las etwas, während der Arzt bei seinem Freund saß.

Als Dr. Jones wieder gegangen war, las Manao weiter oder spielte mit Theo Karten. Er lächelte als er sich daran erinnerte, wie er dem Amnesiepatienten die Spielregeln erneut beibringen musste. Zuerst hatte Theo vorsichtig gespielt, dann wurde er immer besser bis er schließlich genauso gut wie Manao wurde. Als er noch allein im Krankenhaus war, hatte Manao mit sich selbst Karten gespielt. Nicht sehr lustig.

Nach dem Spielen trank Manao ein Glas Wasser, das abends stets neben seinem Bett stand und legte sich hin zum Schlafen. Theo tat es ihm nach. Da er alle seine Gewohnheiten und Vorlieben seit seinem Unfall nicht mehr wusste, tat er seinem Detektivfreund fast alles nach. Manao ließ ihn gewähren. Er versuchte, seinem neuen Freund zu helfen, was sein Gedächtnis betraf, aber was er auch tat, es half nichts: das bisherige Leben dieses netten braunhaarigen Mannes blieb nachwievor ein Rätsel. Der Detektiv gab aber nicht auf. Er musste Theo wieder zu seinem alten Leben verhelfen! Manchmal, wenn er im Bett lag, versuchte er sich vorzustellen, wie es für ihn wäre, seine Identität zu verlieren. Der Horror!

An diesem Dienstagabend verlief alles wie gewohnt:

Der Arzt saß bei Theo und Manao lag, in einen dicken Krimi vertieft, auf seinem Bett.

Als der Chirurg schließlich das Zimmer verließ, stand Manao auf und holte seine Karten um den Abend wieder mal mit Spielen verstreichen zu lassen. Sie spielten etwa zwei Stunden, wobei am Ende unenschieden stand: Manao und Theo hatten die genau gleiche Anzahl von gewonnenen Spielen.

Zufrieden räumten sie die Karten auf und tranken ihr Glas Wasser. Dann legten sie sich schlafen und löschten das Licht.

Normalerweise dachte Manao noch ein wenig nach, bevor er einschlief, aber an diesem Abend fühlte er sich seltsam müde. Hatte er heute etwa zu viel gelesen? Die leisen gleichmäßigen Atemzüge aus Theos Richtung zeigten ihm, dass es seinem Freund gleich erging. Manao dachte nicht darüber nach.

Er schlief wie ein Stein.

Die Nacht im Krankenhaus war still. Es war nichts zu hören, wenigstens nichts, was Einen beunruhigen könnte.

Als das Dunkel der Nacht sich verzog und die Strahlen der Sonne den neuen Morgen ankündigten, schlug Manao die Augen auf und streckte sich. Er war gut ausgeruht und bester Laune.

"Hey, Theo!", rief er zum Nachbarbett rüber. "Hast du auch so gut geschlafen wie ich?"

Keine Antwort.

"Theo?" Manao stand auf. "Schläfst du noch? Steh auf, Schlafmütze!"

Nichts. Kein Laut.

Manao beschlich ein seltsames Gefühl. Leise erhob er sich und tappte auf nackten Füßen zu Theos Bett herüber, um nach seinem neuen Freund zu sehen.

Theos Anblick raubte ihm den Atem. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Als er sich wieder erinnern konnte, wie man Luft holt, versuchte er sich, der Situation bewusstzumachen und raste zum Telefon.

Theo starrte mit glasigen Augen an die Decke ohne etwas zu sehen. Die starren Arme an die Seiten gepresst, lag er auf dem Rücken in seinem Bett, bleich und eiskalt. Sein Pyjamaoberteil war durchtränkt mit Blut. In seinem Herzen steckte ein durch die Bettdecke gestoßenes Skalpell.

Manao rief ohne zu Zögern die Polizei.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Catayane-
2011-11-15T17:27:21+00:00 15.11.2011 18:27
Also die Idee, das vorherige Abenteuer fortzuführen, war spitze. Ein wirklich gelungener Anfang!'
Als Manao sagt "Darf ich dich Theo nennen?", hat mich das an Schweinchen Babe erinnert XD


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