Beam me up, Scotty
„Persönliches Logbuch
Sternzeit: 20080120
Es ist elfhundert nach der menschlichen Uhrzeit und…“
„Woah, Tsukasa, halt endlich deinen Rand und nerv nicht. Du solltest echt mal
aufhören, dir ständig dieses Raumschiff Entenscheiß anzusehen!“
Zero war mit den Nerven am Ende. Er, Karyu und Tsukasa warteten auf Hizumi und
der Drummer hatte seit geschlagenen zehn Minuten nichts Besseres zu tun, als sie
mit diesen Filmzitaten zu nerven.
Tsukasa liebte es, Zero auf den Wecker zu gehen und mit so was gelang es ihm
immer wieder.
„Mein Gott, mit was für Idioten arbeite ich zusammen“, murrte Karyu und
rieb sich die Schläfen.
Das war ja alles nicht mehr zu ertragen. Zero dankte Gott als Tsukasa endlich
die Klappe hielt und Hizumi zu ihnen kam.
„Bringen wirs hinter uns!“, murrte dieser. Er wusste jetzt schon, dass das
ganze ein riesen Desaster werden würde, schließlich war es doch immer so.
Die restlichen Drei grinsten sich heimlich an und folgten dem Sänger
schließlich zu dem kleinen Haus seiner Oma, das etwas außerhalb der Stadt lag.
Schon dorthin zu kommen glich einem Abendteuer.
„Schnurzelchen!“
Hizumi schloss die Augen, während eine ältere Frau auf ihn zuging und ihn zu
sich zog, um ihn links und rechts einen Kuss auf die Wangen zu drücken, wobei
roter Lippenstift zurückblieb. Seine Bandkollegen lachten sich hinter ihm ins
Fäustchen. Sie liebten diese Frau. Sie brachte Hizumi ständig so toll in
Verlegenheit.
„Hallo Oma…“, meinte der Schwarzhaarige ruhig und warf den anderen einen
warnenden Blick zu.
Der Rest begrüßte die alte Dame und sie traten dann wieder ins Haus, um sich
an den großen Esstisch zu setzen. Der war schon reichlich gedeckt mit allerlei
Zeug, wofür Karyu nicht mal einen Namen hatte.
Vermutlich war auch einiges davon Eigenkreation. Immerhin sah es danach aus.
Die ältere Dame setzte sich Hizumi gegenüber und lächelte.
„Hizumi...wie geht es dir?“, meinte sie und man konnte ihr schon wieder
ansehen, dass sie getrunken hatte.
„Bestens“, grummelte er.
Doch der Schwarzhaarige sollte es besser wissen. Seine Großmutter legte viel
Wert auf Manieren.
„Man murrt nicht vor sich hin, sondern redet deutlich!“, giftete sie und der
Angesprochene saß sofort kerzengerade am Tisch.
„Ja Oma…“
Karyu hätte fast losgeprustet.
„Lasst uns anfangen zu essen, Kinder!“, meinte sie schließlich.
Und so nahm das Chaos seinen Lauf.
„Karyu, mein Lieber…Sie sehen etwas mitgenommen aus, kann ich etwas tun,
damit es Ihnen besser geht?“, fragte Hizumis Oma und dessen Blick schnellte
sofort auf Karyu.
Was ging hier nur vor sich?
„Oh…“, meinte der Gitarrist und ignorierte den ‚Ich werde dich töten,
wenn du jetzt etwas Falsches sagst’-Blick, den Hizumi ihm schenkte.
„Wir würden uns alle darüber freuen, wenn Sie uns noch etwas über Hizumi
erzählen könnten. Er erzählt so wenig über sich...“
Karyu setzte einen liebevollen Blick auf.
„Aber natürlich, sicher doch! Ich erzähle doch so gerne…“
Hizumi hätte sich am liebsten mit der Tischdecke am Kronleuchter stranguliert.
„Und wissen Sie...sein erstes Mal….das Mädchen war wirklich hässlich. Ich
weiß gar nicht, wieso du dir so ein Mädchen ausgesucht hast, Schnurzelchen. Du
hättest doch so viele haben können. Also wissen Sie...ich glaube mit dem
jungen Ding stimmte etwas nicht. Als Hizumi es zur Tür brachte, hat es nur mehr
gelacht und irgendwas davon gefaselt, dass sie noch nie so etwas Süßes und
Kleines gesehen hätte und dass er sie noch einmal anrufen solle, wenn er etwas
gewachsen sei. Doch dabei warst du um 10 Zentimeter größer als sie. Wenn Sie
mich fragen, hatte sie nicht alle Tassen im Schrank.“
Auf diesen Redeschwall hinauf, schlug sich Hizumi mit der flachen Hand auf die
Stirn und Zero verbiss sich in seiner Serviette, damit er nicht loslachte.
Trotzdem konnte man an seiner ungesunden Hautfarbe erkennen, wie schwer es ihm
viel, sich nicht vor Lachen auf dem Boden zu rollen.
Tsukasa krallte sich seine Finger in den Oberschenkel und zählte innerlich bis
10. Wenn seine Großmutter so etwas über ihn erzählte, hätte er sie schon
längst erschossen.
Karyu lächelte verhalten, warf Hizumi aber einen Blick zu, der dem sagte, dass
er das noch lange zu hören bekommen würde.
Hizumis Großmutter nahm inzwischen einen großen Schluck von dem Wein, den sie
ausgegraben hatte. Sie lallte schon etwas, doch trotzdem erzählte sie fröhlich
weiter.
„Oh Hizumi…“, sie lachte und warf dem Schwarzhaarigen einen Blick zu, der
ihm vermittelte, dass jetzt etwas Oberpeinliches kam und er sollte sich nicht
irren.
„Oh Hizumi…“, wiederholte sie, „Ich kann mir noch ganz genau erinnern.
Als wäre es gestern gewesen. Du hast immer in dein Kissen gewichst und deine
Hose mit Socken ausgestopft.“
Das war’s. Zero konnte sich nicht mehr halten. Er lachte laut los und flog
rücklings vom Stuhl, während Tsukasa verhalten grinste und Karyu seine Zähne
so fest zubiss, damit er nicht loslachte. Allen Anschein konnte sich Zero nicht
mehr beherrschen, denn der lachte bereits Tränen.
„Oh Gott…das ist mein Ende“, raunzte Hizumi und legte seinen Kopf auf die
Tischplatte. Noch schlimmer konnte es nicht mehr werden. Es ging einfach nicht
mehr schlimmer. Sein ganzer Stolz war weg.
Es konnte einfach nicht mehr…
„Und ich hab ihm sogar erklärt, wie er es sich am besten besorgen kann“,
meinte Hizus Oma stolz. Anscheinend hatte sie Erfahrung.
Hizumi schloss die Augen. Anscheinend ging es doch noch schlimmer. Karyu konnte
sich nicht mehr länger zusammenreißen und brach über dem Tisch zusammen.
Tsukasa versuchte inzwischen Zero vor dem Erstickungstod zu retten, während
Hizumi sich wünschte, ein Bus würde ihn überrollen.
„Oma…hast du nicht schon genug erzählt?“, meinte er weinerlich, doch
anscheinend gab es heute keine Gnade. Seine Großmutter schwenkte ihr Glas und
sah ihn an.
„Nein! Deine Freunde und ich amüsieren uns. Sieht man das nicht? Also sei
nicht so egoistisch.“
Hizumi keuchte. Egoistisch? Er? …Was sollte man da schon entgegnen?
Er hatte es schon immer gewusst. Die Welt hasste ihn.
So ging das noch den ganzen Nachmittag, bis Hizumis gesamtes Privat- und
Sexleben aus der Vergangenheit vollkommen ausgeleuchtet war.
Vermutlich wussten seine Bandmitglieder jetzt mehr, als er selbst über sich
gewusst hatte. Doch das war jetzt egal. Seine Großmutter war müde und schickte
sie jetzt nach Hause. Und es ja auch schon dunkel.
Der Weg nach Tokyo war für Hizumi sehr mühsam. Ständig zogen ihn seine
Freunde auf und er war schon ziemlich gereizt. Auf dem Bahnhof reichte es ihm
dann.
„Verzieht euch!“, fauchte er und lief in eine andere Richtung. Eigentlich in
die komplett falsche Richtung, doch das war ihm egal.
Er wollte nur noch weg. Er seufzte und blickte zu Boden. Natürlich war es nur
Spaß, aber trotzdem war es nervtötend.
„Was’n mit dir los?“, tönte es auf einmal neben ihm und er blickte
überrascht zu Karyu. Er hatte ihn gar nicht gehört.
„Nichts.“
„Ja, das sieht man“, meinte der andere sarkastisch und boxte ihn kurz in die
Seite.
„Ich penn bei dir“, grinste der andere und Hizumi blieb stehen.
„Was?“, meinte er fragend. Hatte er sich gerade verhört?
„Ich sagte, ich schlaf bei dir. Hab meinen Schlüssel verlegt.“
Hizumi knurrte.
„Ist mir wurscht, dann pennst du halt auf der Straße bei den restlichen
Ratten.“
Karyu grinste und folgte Hizumi.
Hizumi seufzte. Karyu saß neben ihm auf dem Sofa. Er hatte es doch noch
irgendwie geschafft, dass Hizumi ihn bei sich schlafen ließ.
Vor ihnen stand eine Armee von Flaschen, deren Inhalt sie in den letzten Stunden
vernichtet hatten.
„Weischu Hischu…die Welt…isch nisch gerescht“, meinte Karyu und Hizumi
konnte nur nicken.
„Du un isch…wir schind...die gröschten.“
Hizumi nickte. Sein Kopf tat weh. Er rutschte tiefer in die Kissen.
Irgendwann waren sie dann schließlich eingeschlafen, denn als Hizumi am
nächsten Morgen aufwachte, hatte er irrsinnige Kopfschmerzen. Karyu schien es
nicht besser zu gehen, der sich gerade neben ihm aufsetzte und sich den Kopf
hielt.
„Scheiße...wir haben es etwas übertrieben.“
Hizumi konnte das nur bestätigen.
Obwohl sein Kopf zu platzen drohte, machte er sich daran, die Flaschen
wegzuräumen. Karyu war ihm keine große Hilfe dabei, denn der hatte es sich
wieder auf dem Sofa bequem gemacht.
„Du könntest mir ruhig helfen, Pädo.“
Karyu murrte.
„Ich bin kein Pädo. ..Kein Bock...“
Hizumi verdrehte die Augen.
„Du bringst es auch wirklich gar nicht mehr. So wie du drauf bist, könnte man
sogar meinen, du schläfst beim Vögeln ein.“
Ein bösartiges Grinsen schlich sich in das Gesicht des Sängers. Doch das ließ
Karyu nicht auf sich sitzen.
Der Gitarrist sprang auf, stöhnte und griff sich an den Kopf.
…
Doch dann nahm er die Verfolgung auf und stürmte in die Küche.
„Ich bin halt nicht so ein...’Komm her, ich rammle sowieso alles’-Mensch
wie du“, meinte er.
Hizumi zog seine Augenbrauen hoch.
„Gibs zu...du bist nur eifersüchtig, weil du noch nicht an der Reihe
warst.“
Das wars. Karyus Gesichtszüge entgleisten. Sein Kiefer machte mental den Abflug
und lernte den Boden kennen.
„Was…?!“, keuchte er und schüttelte den Kopf, während er abwehrend die
Hände hob.
„Das ist doch gar nicht wahr!“
„Das sagen sie alle und in Wahrheit wollt ihr es doch!“, sagte Hizumi
selbstbewusst.
„Innerlich, ganz tiiiiiiiiiiiiiiiiiief drin, seid ihr doch nur scharf auf mich
und wollt, dass ich…na ja..du weißt schon…“, grinste er.
Karyu verdrehte die Augen.
„Oh ja…du großer Meister, bitte nimm mich. Ich verzehre mich nach dir“,
erwiderte Karyu gelangweilt und gähnte.
„Ich wette, du treibst es mit jedem.“
Hizumi plusterte seine Backen auf und schüttelte den Kopf.
„Du bist sexsüchtig, Hizumi.“
Noch stärkeres Schütteln.
„Bin ich gar nicht! Und das kann ich dir sogar beweisen!“
Karyu grinste.
„Dann lass uns doch wetten. Ich wette mit dir, dass du es nicht aushältst,
einen Monat lang keinen Sex zu haben. Darunter fallen auch Blowjobs, Küssen und
Masturbation.“
Der Schwarzhaarige riss die Augen auf.
„Aber so war das doch gar nicht gemeint!“
„Kneifst du?“
Der Sänger seufzte frustriert und fuhr sich durch die Haare.
„Nein…die Wette gilt. Was sind die Bedingungen und was der Einsatz?“
Karyu überlegte: „Kein Sex, kein Küssen, keine Blowjobs oder Masturbation
bzw. dergleichen…“
„…und der Einsatz?“, seufzte Hizumi.
„Du.“