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STUMME SCHREIE - Cum tacent clamant

Indem sie schweigen, reden sie...
von

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Die Zukunft lag bereits in den Momenten vor mir brach

Er hörte das Wasser und das Stimmengewirr um sich herum.

Doch er konnte die Stimmen nicht mehr unterscheiden. Das einzige was ihn bei Bewusstsein hielt war der stechende Schmerz in seiner Seite, der die dunklen Punkte in seinem Blickfeld immer wieder vertrieb. Wie gerne wäre er einfach ohnmächtig geworden…-

Dann spürte er das kalte Wasser auf seiner Haut und schrie auf, die Hände der Anderen drückten ihn zurück auf die Fliesen, als er sich aufbäumte.

Es gab kein entkommen.

Er stemmte sich gegen die vereinte Macht, doch er konnte nichts ausrichten.

Nichts…

Gurgelnd und hustend, versuchte er Luft zu bekommen, als ihm die Brause direkt ins Gesicht gehalten wurde. Kaltes Wasser schwemmte in seine Augen und raubte ihm die Sicht.

Er hörte das Lachen seiner Peiniger gedämpft. Auch in seinen Ohren war Wasser.

»Waschen wir den schmutzigen Freak mal richtig sauber! Vielleicht wird er ja normal. «, vernahm er die knurrende Stimme dicht neben sich.

Wie Rasierklingen schien die Kälte in seine Haut zu schneiden… es schmerzte…

Hustend wand er sich unter der erbarmungslosen Händen.

Es sollte aufhören.

Dann spürte er wie seine Beine auseinandergezerrt wurden und in seinem Kopf setzte etwas aus.

Die Erinnerungen griffen mit drohenden Händen nach ihm und er hob die Stimme an und schrie.

Kris schrie so laut, dass es selbst in seinen eigenen Ohren klingelte und wehrte sich nun mit Leibeskräften. In ihm hatte die Panik die Resignation wieder verdrängt und brach nun mit voller Intensität hervor. Selbst das Wasser, was daraufhin in sein Gesicht schwabbte konnte diese Angst nicht mehr mindern.

Ächzend versuchte er sich weiter frei zu kämpfen.

Wieder traf ihn ein harter Tritt in die Seite, kurz über dem schon bestehenden Schmerz.

Erneut schrie Kris auf, konnte sich aber wegen der Hände, die ihn immer noch festhielten nicht zusammenkrümmen.

Sein Körper hatte sich verselbstständig.

Er sah zu, wie sein Fuß nach Dominik trat, der versuchte ihn wieder einzufangen.

»Haltet ihn fest, verdammt! «

»Stopft ihm das Maul, sonst hört ihn noch jemand…! «

Der Dunkelhaarige spürte wie sein Bein eingefangen wurde und fühlte die Ohrfeige des Anführers die er für die Gegenwehr bekam.

Vorbei…, gackerte seine innere Stimme. Du hast die Chance verpasst die du hattest, wie immer.

Wieder wurden seine Beine gespreizt.

Es tat fast weh, soweit rissen sie die beiden Jungen auseinander.

Kris wehrte sich nicht mehr, das kleinste bisschen Kämpferinstinkt, war mit der Ohrfeige niedergedrückt worden.

Seine Gedanken schwiegen wieder…

Schamesröte kroch in seine Wangen, als er sah wie alle zwischen seine Beine starrten.

Gedemütigt schloss er die Augen und versuchte alles auszublenden. Er wollte nichts mehr sehen und hören… er wollte nur noch sterben, am besten gleich hier.

Warum er?

Er spürte wie Sascha sich an seiner Seite bewegte. Wahrscheinlich um besser sehen zu können. Dann hörte er wie die Brause wieder angestellt wurde und wie der Anführer seinen linken Arm, den er bis jetzt erbarmungslos zu Boden gedrückt hatte, einem seiner Freunde übergab.

Das hieß er konnte sich jetzt wieder frei bewegen und…

Nein!

Er konnte ihn sehen… alles!

Kris versuchte nicht in Schamesröte zu ertrinken.

Was machte er jetzt?

Was hatten sie vor?

Er wollte seine Augen nicht öffnen. Er wollte nicht sehen, was als nächstes geschah.

Aber er musste es tun.

Die innere Anspannung würde ihn umbringen, wenn er es nicht tat.

Also öffnete er blinzelnd seine Augen…

Nass klebten seine Wimpern aneinander.

Seine Schminke war inzwischen bestimmt vollends verlaufen und er sah jetzt sicher aus wie eine Dramaqueen aus einer Soap Show. Diese Gedanken verdrängte er und versuchte seinen strapazierten Geist auf das Umfeld zu fixieren.

Wo war er?

Kris blieb das Herz für wenige Sekunden stehen, als er sah, dass Sascha sich zwischen seine gespreizten Beine gehockt hatte und dabei war, den Brausekopf von dem Wasserschlauch zu drehen. Ein fieses Grinsen zierte seine Lippen.

Nein!

Oh Gott nein, bitte nicht!

Er würde nicht…

Der Dunkelhaarige spannte unbedacht seinen ganzen Körper an, seine Beine begannen heftig zu zittern, als der Schlauch immer näher geführt wurde.

Er wimmerte.

Jetzt hielt er den Schlauch gerade an seinen Oberschenkel und ließ ihn langsam hinabgleiten. Das Wasser war eiskalt und schaffte eine Gänsehaut auf seinem Körper. Wieder schienen Rasierklingen seine Haut zu attackieren, die eigentlich schon ganz taub war vor Kälte…

Er spannte sich ungeachtet der Schmerzen in seiner Seite immer weiter an.

Und dann wurde plötzlich eine Hand auf seinen Mund gelegt und verwehrte ihm das Atmen ganz. Schwarze Punkte platzten vor seinen Augen und wurden immer größer.

Er fühlte wie seine Beine überdehnt wurden… die Hand an seinem Gesäß… kaltes Wasser streifte seinen Anus.

Kris schrie gedämpft gegen die Hand.

Wieder blitzten die Erinnerungen vor seinen Augen auf…

Nein!

Und dann geschah alles auf einmal.
 

Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubender Knall.

Dann war der Schlauch weg.

Nun ja, weg nicht…- er war schon noch da, doch er war führerlos. Durch den Wasserdruck getrieben zuckte er umher wie eine Schlange. Kurz darauf waren auch alle Hände an seinem Körper verschwunden, endlich konnte er sich wieder zusammenrollen, was er auch sofort tat.

Das Wasser wurde ausgestellt und erst jetzt bemerkte Kris wie sehr sein Körper vor Kälte schmerzte. Taumelnd ging er aus dem gefliesten Bereich, der zum Duschen vorgesehen war, und zog sich in eine Ecke zurück. Beinah wäre er auf dem nassen Boden ausgeglitten.

Er drückte sich dicht an die Wand und betete, dass jetzt alles vorbei war…

Mehr würde er nicht ertragen…

Er hörte aus weiter Ferne Geschrei und Gezeter… doch das berührte ihn nicht mehr. Er verstand den Sinn der Worte nicht, er wollte es auch gar nicht

Unbewusst entzog er sich der Situation und driftete wieder weit weg in die Tiefen seines Geistes.
 

Das nächste Mal als seine Wahrnehmung wieder etwas schärfer wurde, saß er noch immer in der Ecke, in die er sich zurückgezogen hatte. Es schien noch nicht viel Zeit vergangen zu sein…-

Seine Muskeln durchlief ein stetes Zittern. Ihm war so kalt…

Und dann war er da.

Luca…

Was?

Vorsichtig kam der Gothic auf ihn zu.

»Hey Kris, shhhh… ganz ruhig.« sprach Luca ihn sanft an. Seine Stimme klang so wohltuend in seinen Ohren, trotzdem zuckte sein Körper sofort zusammen und er drängte sich näher in die Ecke. Dann meldete sich seine Rippe wieder.

Er stöhnte vor Schmerzen und war schon wieder den Tränen nahe.

Der Dunkelhaarige schnappte verzweifelt nach Luft. Es tat so weh…

Alles schmerzte…

Wieder drohte er wegzutreten. Sein Blick trübte sich bereits wieder und sein Puls rauschte in seinen Ohren.

Dann nahm er eine Bewegung neben sich war und sofort reagierte sein Körper darauf.

Panisch schlug der Dunkelhaarige die Hand des Gothics weg, der diese nach ihm ausgestreckt hatte um ihn zu berühren.

Alles in ihm schrie vor Angst.

Der Rothaarige sah ihn erschrocken an. Er zog die Hand zurück und hockte sich in einem gebührenden Abstand vor ihn hin.

»Kris? «

Er zuckte beim Klang seines Namens zusammen. Was wollte er denn?

Wollte er da weiter machen wo die Anderen aufgehört hatten…?

Nein… es… er hatte ihm doch so oft geholfen… oder?

Wollte er ihn wieder nur beschützen?

Aber…

Seine Gedanken drehten sich… doch die Kälte schien sie einzufrieren… überhaupt schien er nicht mehr weit vom Erfrieren entfernt zu sein. Jedenfalls fühlte es sich so an.

Sein ganzer Körper schlotterte… seine Kiefermuskeln waren schon ganz verkrampft und seine Zähne klapperten leicht… es fühlte sich an, als würde sich alles in ihm zusammen ziehen.

»Lass mich dir helfen, Kleiner-…« sprach ihn der Andere wieder an. »Ich will dir nichts tun…okay? Ich verspreche es dir. Dir wird nichts mehr geschehen. «

Konnte er das glauben?

Wo waren eigentlich seine Peiniger hin?

Kris wand sich innerlich wie eine Schlange. Er fühlte sich innerlich zerrissen, gedemütigt und dumm… wieso konnte er nicht einfach sterben und sich diese Qualen ersparen.

Entfernt bekam er mit, dass er Größere sich langsam wieder auf ihn zubewegte.

Ihm wurde schlagartig wieder bewusst das er nackt war… völlig entblößt und ausgeliefert.

Warum wehrte er sich überhaupt? … er hatte keine Chance gegen Luca.

Er hatte gegen Niemanden eine Chance, schon immer machten alle mit ihm was sie wollten-…

Unbewusst begann er wieder heftiger zu zittern.

»Ganz ruhig, Kleiner. Ich möchte dir nur den Mantel umlegen okay? Danach bringen wir dich ins Krankenhaus…«

Wir?

Der Dunkelhaarige schnappte verzweifelt nach Luft.

Dann spürte er die erste federleichte Berührung. Auch wenn sie noch so sanft war, sie schmerzte. Seine überreizte Haut konnte gute Impulse nicht mehr von schlechten unterscheiden.

Sanfte Hände griffen nach ihm und zogen ihn von der sicheren Wand in seinem Rücken weg.

»Bitte… bitte nicht wehtun…« wimmerte er, sich gar nicht richtig bewusst, warum er eigentlich so bettelte. »Ich kann nicht mehr… bitte…«

»Shhh… ist gut… ganz ruhig, ich tu dir nicht weh…« wiederholte Luca wieder mit ruhiger Stimme. Danach spürte Kris wie ein weicher Stoff um ihn gewickelt wurde. Die Wärme die über ihn schwappte tat gut. Das schmerzende Kribbeln seiner Haut wurde durch das konstante Stechen seines Rippenbogens fast ausgeglichen.

Endlich… endlich war er nicht mehr nackt.

Es fühlte sich so gut an… und der Stoff roch so gut.

Nach Patchouli und noch irgendetwas anderem.

Sie roch nach ihm…

Einen Instinkt folgend, klammerte er sich an den dargebotenen Körper und suchte Wärme und Zuwendung. Zärtlich Finger strichen über seine Wange und endlich konnte er loslassen und ließ sich in den Armen des eigentlich Fremden fallen.

Nur ganz verschwommen nahm er war, wie er hochgehoben wurde.
 

Als er wieder zu sich kam, fand er sich in einem tristen, weißen Zimmer vor. Er kannte diese Umgebung nicht, eine Tatsache die sofort neue Panik verursachte.

Sein Herz schlug augenblicklich wieder auf höchstem Level…

Er war alleine in dem Zimmer!

Aber das durfte nicht sein… was wenn sie zurückkamen…?

Krampfhaft versuchte er sich trotz der immensen Angst daran zu erinnern was als letztes passiert war.

Natürlich… die Umkleide… das Attentat… die Dusche… und… und Luca.

Doch wie war er denn hier her gekommen?

Luca? Wo war der Gothic?

Hatte er ihn hier her gebracht?

Warum hatte er ihn allein gelassen?

Unruhig bewegte er sich, er wollte nicht hilflos hier liegen, wenn Jemand zur Tür herein kam. Doch als er sich aufsetzte, zog ein unbeschreiblicher Schmerz durch seine Seite.

Ihm blieb die Luft weg.

Keuchend versuchte er so flach wie möglich zu atmen, was ihm nur schwer gelang.

Sein vor Angst rasendes Herz machte es ihm nicht unbedingt leichter…

Gerade als er kurz vor dem hyperventilieren stand ging die Tür auf.

Sein Herz blieb stehen und sein Atem stockte ganz…

Aber als Luca hereintrat, erkannte er ihn sofort.

Ja… da war er. Noch immer war der Andere an seiner Seite…-

»Hey, Kleiner. Du bist ja wach, « lächelte er ihn an. Er kam langsam zum Bett.

Anscheinend wollte er ihn mit seiner Nähe nicht erschrecken.

In seiner Hand trug er zwei Becher.

»Ich habe dir Wasser zum trinken mitgebracht. Du wirst doch bestimmt Durst haben oder? « fragte er und hielt ihm den einen Plastikbehälter vor die Nase.

Komischerweise spürte Kris das Brennen seiner ausgetrockneten Kehle erst jetzt, da er das Wasser sah. Schüchtern nahm er ihm das Wasser ab und trank gierig.

Das kalte Nass tat unheimlich gut.

Es war lindernd und ließ ihn seine Angst und die Schmerzen für einige Momente vergessen.

»Trink etwas langsamer… sonst verschluckst du dich noch. Und Husten könnte Schmerzen bedeuten…« wies ihn der Andere sanft zurecht.

Wo er Recht hatte.

»Darf ich mich zu dir setzten? «

Der Dunkelhaarige zögerte einen Moment.

Eigentlich war es dumm… Luca hatte immer nur das Beste für ihn getan… wieso also hatte er immer noch diese Bedenken. Er glaubte irgendwie nicht mehr ganz, dass der Größere ihm schaden wollte. Aber die Zweifel waren nicht verschwunden.

Schließlich mochten ihn viele Menschen einfach nicht.

Er verstand nicht warum, dass bei ihm anderes sein sollte.

Trotzdem nickte er dann letztendlich. Er war schließlich auch der Einzige, den er hier kannte. Und das gab ihm irgendwie Sicherheit.

Der Gothic lächelte ihn liebenswürdig an und setzte sich auf die Kante der Liege, auf der er saß.

Dann herrschte schweigen.

Es war nicht unangenehm, sondern beruhigend.

Kris beobachtete den Anderen, während er ab und zu einen Schluck Wasser aus seinem Becher nahm.

Auch Luca saß schweigend da und trank aus seinem eigenen Becher.

Er hatte sich anscheinend Kaffee gekauft. Kris roch es bis zu sich hinüber.

Der Rothaarige saß bewegungslos da und schaute aus dem Fenster, das hinter der Liege, hinaus in eine Grünanlage zeigte.

Er bewunderte den Anderen für die Gabe so regungslos zu sein. Nicht ein Muskel schien sich zu bewegen, als er da so aus der Scheibe blickte. Nur ab und zu blinzelte er.

Er fand Luca sah irgendwie wütend aus… - beim genaueren Hinsehen, schienen seine Muskeln unter der schneeweißen Haut seiner Wangen zu zucken, so fest schien er die Zähne zusammen zubeißen.

Aber warum?

War er vielleicht doch sauer auf ihn?

Jetzt wo er hier war…

Unsicher versuchte sich Kris zu entsinnen wie er eigentlich hier her gekommen war, doch da waren nur noch Bruchstücke. Er hatte einige völlige Black Outs in seinen Erinnerungen.

Wo war eigentlich David?

War er nicht mit dabei gewesen, als er mit Luca in diesem Auto gesessen hatte, oder spielten ihm seine Erinnerungen da einen Streich?

Unruhig bewegte er sich, was nur zu erneuten Schmerz und zu der Aufmerksamkeit seines Retters führte. Wie oft würde er ihn wohl noch beschützen, bis er die Schnauze voll hatte?

»Hey, was ist denn? « fragte er und sah ihn besorgt an.

Sauer schien er nicht zu sein…

Noch nicht.

Unsicher wich er den musternden Blicken aus. Das war eine Frage auf die man nicht mit bloßen Gesten reagieren konnte. Aber wenn er jetzt was sagte, konnte er doch alles wieder kaputt machen.

Er fühlte in sich hinein.

Es ging ihm gut…

Mal davon abgesehen, dass seine Rippen schmerzten und ihm immer noch kalt war, aber es ging. Er hatte schon schlimmeres erlebt.

»Geht es? Oder hast du starke Schmerzen? « formulierte Luca die Frage noch einmal um, als er merkte, dass die Antwort ausblieb. Der Dunkelhaarige schüttelte, dankbar dafür das er sein Schweigend anscheinend akzeptierte, den Kopf. Aber warum tat er das alles?

»Also nicht. Da bin ich ja beruhigt… « seufzte Luca und wandte sich ihn nun vollkommen zu. Erst jetzt bemerkte Kris, dass er eine Wunde an der Schläfe hatte und die eine Gesichtshälfte wirkte leicht geschwollen. Hatte er sich etwa für ihn mit Sascha und den Anderen geprügelt?

»Als David so aufgelöst zu mir kam und wir dich da haben liegen sehen, habe ich mit dem Schlimmsten gerechnet. « sagte er und wieder malmte er mit seinen Zähnen.

Anscheinend war er wirklich wütend. Jedoch nicht auf ihn sondern auf seine Peiniger.

War das zu fassen?

David war also während seiner Qualen entkommen und hatte Verstärkung holen wollen. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass der Blonde gegangen war.

Alles was aus seiner entrückten Erinnerung zu ihm vordrang waren die Hände, die überall an seinem Körper gewesen waren.

Heftig begann er zu zittern, als sich diese Erinnerungsfetzen seiner bemächtigten.

Er bekam keine Luft mehr…

Es tat so weh…

Ah!

Verzweifelt schnappte er nach Luft, was seine Rippen zum Explodieren brachte.

Er wimmerte und versuchte sich zu beruhigen, was nur dazu führte das er noch mehr zitterte.

Und dann waren da die Hände.

Nicht die widerwärtig, tatschenden Hände, sondern die sanften Hände, die sich auf seine Wange legten, genau wie sie es auch in der Umkleide getan hatten.

Luca!

Unruhig klammerte er sich an die Arme des Gothics, als er in seinen Grauen zu ertrinken drohte.

»Sht. Kris, beruhig dich, alles wird gut… sie sind weg. Hörst du? Sie werden dir nichts mehr tun… okay? Alles wird gut. «

Er ließ sich von den Worten einlullen und genoss die Hände, die seine Verspannungen wegstrichen. Wie konnte das sein?

Wieso war er so sanft zu ihm?

Womit hatte er das denn verdient?

Irgendwann hatte sich sein Körper wieder beruhigt und das Stechen hörte auf. Die Hände verweilten bis das letzte Zittern erlosch, dann waren auch die weg.

Schläfrig schloss Kris seine Augen. Langsam ließ er sich auf die Liege sinken und streckte sich aus. Der Tag hatte ihn so viel Energie gekostet. Er wollte nur noch schlafen…

Er spürte wie ein Stoff, wie eine Decke um ihn gelegt wurde… aber es schien sein Mantel zu sein, denn er hatte Ärmel. Erst jetzt bemerkte er, dass er wieder völlig angezogen war. Irgendjemand musste ihn wieder bekleidet haben.

Die Sachen fühlten sich fast tröstlich auf seiner gereizten Haut an.

Er war so müde.

Die angenehme Wärme um ihn, machte ihn noch träger.

»Ruh dich schön aus. Ich werde mal schauen wie weit die Schwester ist, damit sie mal nach dir sehen kann, okay? « hörte er die angenehme Tenorstimmer. Er fühlte wie die Matratze unter ihm sich hob, als das Gewicht des Anderen weg war.

Er wollte gehen…

Gehen!

Wie ein Blitz fuhr Angst erneut durch seine Eingeweide.

Wenn er ging hieß das, dass er dann hier wieder alleine war…! Was wenn die Gang hier her kam und das beendete was Luca unterbrochen hatte?

Er wollte nicht hier alleine sein!

Luca durfte nicht gehen.

Von diesen Gedanken getrieben, öffnete er abrupt die Augen und hielt den Anderen am Ärmel fest. Der Rothaarige blickte ihn erstaunt an.

»Was hast du denn? Ich will nur kurz nach der Schwester sehen. «

Kris schüttelte den Kopf und klammerte sich weiter verzweifelt in den Stoff des schwarzen Pullis… zog ihn mit aller Kraft die er noch hatte, was wirklich nicht mehr viel war, zu sich zurück. Wieder meldeten sich seine geschwollenen Rippen zu Worte, die diese Position nicht zu befürworten schienen.

»Kleiner, lass mich schon los…«

Wieder schüttelte er den Kopf und blickte nun doch auf, in diese dunklen Augen.

Die Schmerzen wurden schlimmer, lange konnte er den Anderen nicht mehr festhalten. Und dann würde er gehen…- er würde einfach durch diese Tür verschwinden und –

» Ich versteh ja das du ungerne alleine sein willst « unterbrach der Gothic seine Gedanken. Er hatte sich vorgebeugt und entlastete so seine Rippen. Sanft versuchte er die verankerten Finger aus seinen Pullover Ärmel zu lösen. Als er das geschafft hatte, streichelte er den Dunkelhaarigen beruhigend über den Kopf. » Ich muss aber die Schwester von hier holen. Sie muss sich deine Rippen anschauen. Das ist wichtig. Damit wir wissen ob sie gebrochen oder nur geprellt sind. «

Kris ließ es mit sich geschehen.

Aufhalten konnte er ihn ohnehin nicht. Auch wenn er es gewollt hätte…-

Ob er tatsächlich wiederkam musste erst noch bewiesen werden.

Ohne es aufhalten zu können, spürte er die Tränen auf seinen Wangen. Er wollte doch nur nicht mehr allein gelassen werden… er hatte Angst.

»Hey, nicht weinen. Kris… shhh. «

Das Schluchzen brachte den Schmerz wieder zurück und sein Atem stockte.

Ächzend versuchte er sich zu beruhigen und flacher zu atmen, was ihm nur schwer gelang.

Gequält rollte er sich zusammen.

Er bemerkte, dass die Matratze wieder unter dem Gewicht des Gothic einsank, als Dieser sich wieder neben ihn setzte. Mit sanfter Gewalt packte er ihn und setzte ihn auf… bog den Rücken durch.

» Beruhig dich. Atme ganz langsam… es wird gleich besser. «

Zitternd versuchte Kris die Worte umzusetzen. Und merkte wie das Stechen langsam nachließ, als er seinen Atemrhythmus, dem von Luca anpasste.

» So ist es gut. Langsam uns ruhig atmen. « bestätigte der Andere und rieb ihn über den Rücken. »Sehr schön.«

Langsam sank er zurück auf die Liege.

Es war alles so kräftezehrend…

Schläfrig genoss er die kraulende Hand in seinem Nacken und kroch schüchtern näher an den Anderen heran. Es tat so gut…

Er wollte, dass er nie wieder damit aufhörte.

Trotzdem rechnete er immer damit, dass er ihn zurückstieß. Irgendwann hatte er doch bestimmt genug davon so sanft zu ihm zu sein.

Aus halb geöffneten Augen bekam er mit, dass Luca seine freie Hand nach einem Knopf ausstreckte und darauf drückte. Doch seine zärtliche Tätigkeit in seinem Nacken unterbrach er dafür kein einziges Mal.

Langsam trieb Kris wieder in den Schlaf ab…-
 

»Kris…«

Wer rief denn da?

»Kris! Wach auf! «

Der Dunkelhaarige fand langsam wieder in die Wirklichkeit zurück und streckte seine Glieder sachte. Der Schmerz erinnerte ihn unweigerlich an seine verletzte Rippe.

Warum war es denn so dunkel?

Er hörte Geräusche um sich herum. Irgendjemand war hier…

Ach genau er musste die Augen aufmachen.

Blinzelnd hob er seine schweren Lider.

Wie lange hatte er denn geschlafen?

Als sein Blick sich klärte erkannte er den sterilen Raum wider. Anscheinend befanden sie sich also immer noch im Krankenhaus.

Er drehte den Kopf und sah Luca der immer noch neben ihm saß und sich gerade mit einer gestresst aussehende Krankenschwester unterhielt.

Dann schob sich Davids Gesicht in sein Sichtfeld.

»Kris, na endlich! « lächelte er schief und fiel dem Liegenden um den Hals so gut das möglich war. Der Dunkelhaarige zuckte zusammen, als seine Rippe lautstark gegen das Gewicht des Blonden protestierte… aber das hielt ihn nicht davon ab seinen Freund zu umarmen und sich an ihn zu drücken.

Er war so froh darüber das David jetzt wieder bei ihm war, und das es ihm offensichtlich gut ging, und das er nicht sauer war und am meisten, dass das alles jetzt vorbei war.

»Dave…« nuschelte er heiser an dessen Hals.

»Bin ich froh das es dir gut geht… ich hatte solche Angst das sie … das sie dich…« David brach ab und schwieg. Aber es war auch nicht nötig, dass er weitersprach. Kris wusste genau was die Gang mit ihm gemacht hätte… denn er war dabei gewesen. Hautnah.

Als der Andere sich erhob und ihn ansah, bemerkte er, dass auch David nicht verschont geblieben war. Seine Lippe war aufgeplatzt und schien ziemlich geblutet zu haben – das sagte jedenfalls sein mit Blut besudelter Kragen seines T – Shirts. Sein Auge war mit einem blauen Rand verziert und anscheinend war sein Bein mit einem Verband umwickelt worden.

»Es tut mir so leid…« meinte er kleinlaut und biss sich auf die Unterlippe.

Auch er hatte leiden müssen… und nur weil er sich mit ihm abgab…

Nur wegen ihm!

Diese Gedanken taten mehr weh als das Stechen in seiner Seite.

Als konnte er die Gedanken seines Freundes lesen, zwang David ihm mit seinen Fingern unter dem Kinn, ihn anzuschauen.

»Gib dir nicht die Schuld daran. Du hast nichts Falsches gemacht. «

Er sah zur Seite.

»Aber du…-«

»Kris. Hör auf… es geht mir gut, okay? «

Unsicher sah er ihn an und bekam eines dieser umwerfenden Lächeln seines besten Freundes geschenkt. Doch durch die verletzte Lippe viel Dieses wieder reichlich schief aus.

»Könnt ihr das später besprechen? « mischte sich Luca ein. »Das Röntgengerät ist endlich frei. Bringen wir das schnell hinter uns, wenn wir schon so lange warten mussten, hm? «

»Ja klar, du hast recht…« stimmte David sofort zu. »Wir reden später darüber, okay, Kris. Erst einmal musst du mit der Schwester mitgehen, damit sie dich röntgen kann. «

Kris sah sie Dame, die unruhig mit den Fuß wippte, zweifelnd an.

Eigentlich wollte er nur noch hier weg und schlafen…

»Kommen Sie. Es dauert nur ein paar Minuten. «

Kris gehorchte und erhob sich.

Ein letzten Blick auf die Beiden werfend, folgte er der Fremden auf den Flur,… er wünschte einer der Beiden dürfte mitkommen…

Bei ihm sein…-
 

Es ist nicht nötig zu erwähnen, dass die darauf folgenden Minuten für ihn die reinste Qual waren. Aus 10 Minuten war knapp eine halbe Stunde geworden…

Alles nur weil die Krankenschwestern in ihrer Eile einfach nicht verstehen konnten, warum sich Kris so gegen die Fixierung wehrte.

Alles in ihm sträubte sich davor, entblößt und fixiert dazuliegen, während zwei fremde Menschen vor einer Scheibe standen und ihn beobachteten.

Sie brauchten ganze drei Versuche.

Die gnadenlose Angst die er empfand, war der Grund warum er einfach nicht still liegen konnte, während das Gerät über ihn fuhr. Was dazu führte, das die ersten drei Röntgenbilder unbrauchbar waren.

Nach dem dritten Mal, kam David, wahrscheinlich durch das Meckern der aufgebrachten Schwestern alarmiert, herein.

Dann war es leichter.

Er überzeugte die Schwestern, dass er dabeibleiben musste…

Irgendwann stimmten sie zu und auch er bekam diese lächerliche Bleischürze.

Dieses Mal klappte es.

Warum genau es mit der Anwesenheit des Blonden leichter war seine Angst zu kontrollieren, konnte er nicht genau sagen. Aber es war eine Tatsache.

Nachdem diese Prozedur endlich überstanden war, hatte er alle Kraftreserven die er noch gehabt hatte, verbraucht. Angst war ermüdend und einfach grässlich…-
 

Beim Warten fielen ihm immer wieder die Augen zu.

Er war total erschöpft.

Irgendwann kam der Arzt in sein Behandlungszimmer, tastete seine Rippen noch einmal ab und verschrieb ihm Schmerztabletten, noch irgendwelche andere Pillen und Kühlungsgel.

Doch so wirklich bekam er das gar nicht mehr mit.

Er bekam nur mit, als David ihm aufhalf und leise sagte:

»Wir können jetzt gehen…«

Endlich.

Taumelnd erhob er sich und ging mit seinem Freund und Luca aus dem Krankenhaus.

Die frische Luft tat ihm gut… auch wenn er noch immer ziemlich flach atmen musste damit er keine Schmerzen hatte.

Nur entfernt bekam er die Gespräche seiner Begleiter mit… er wollte nur noch ins Bett.

»Soll ich euch noch fahren? «

»Wenn du das tun könntest…- «

»Sonst hätte ich nicht gefragt. «

»Okay… hilf mir mal mit ihm… ich glaube er schläft jeden Moment im Stehen ein. «

Er spürte wie er sacht zum Auto bugsiert wurde und als er auf dem Rücksitz Platz nahm, wusste er, dass es vorbei war.

Endlich war alles vorbei.

Der Blonde schob sich von der anderen Seite auf den Platz neben ihn und Luca nahm hinter dem Steuer Platz und wartete bis alle angeschnallt waren.

Dann fuhr er los.

Kris Kopf rutschte fast von alleine gegen Davids Schulter.

Das Motorengeräusch und die angenehmen, leisen Gespräche waren einfach einschläfernd.

» Wieso hast du überhaupt schon den Führerschein? «

»Ich habe meinen Führerschein mit 17 gemacht…«

»Wie alt bist du denn jetzt? «
 

Langsam schlief er wieder ein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Silverdarshan
2013-04-19T22:59:46+00:00 20.04.2013 00:59
Eine berührende Geschichte.
Ich leide so sehr mit Kris mit, dass ich schon ganz ungedulig am Tisch nage, weil ich unbedingt wissen möchte, wei es weiter geht!
Kris stehen -aufgewühlt durch seine Angst- schwere Zeiten bevor und sein Vater ist mir immernoch nicht geheuer...
Ich hoffe sehr, dass David und vor allem Luca ihm helfen werden.
Mehr noch hoffe ich, dass du diese unglaublich spannende Geschichte noch nicht aufgegeben hast und eine Fortsetzung planst?
Ich werde sie definitiv weiter empfehlen und würde mich über ein weiteres baldiges Kapitel, das meine augebrachten und besorgten Nerven beruhigen -oder weiter strapazieren kann *lach* sehr freuen!^^

In diesem Sinne, bis zum hoffentlich nächsten Kapitel!

LG Silverdarshan
Antwort von:  Silverdarshan
20.04.2013 01:07
Ich korrigiere... Man sollte doch davon absehen übermüdet ein Kommentar zu verfassen, aber mir brannte es unter den Nägeln nach diesem vorletzten, erschreckenden Kapitel!
Nicht geheuer ist das falsche Wort. Herzloser und kranker Bastard trifft es wohl eher. Ob dieser miese Sack, der sich Vater schimpft, bei Kris noch bis zum äußersten gehen kann und wird? Und was ist mit Sascha und Co. passiert? Werden sie weiterhin an Kris herankommen können? Herrje ist das spannend!
Ich frage mich gerade, wie ich es bis zum nächsten Kapitel aushalten soll *lach*


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