Zum Inhalt der Seite

Herz aus Stein

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Sommersprossen

XXIV. Sommersprossen
 

Kunibert war etwas mulmig. Die Tage flossen dahin, ab und an ließ sich Cedric auf ein weiteres Fernseh-Experiment ein, aber er suchte nicht erneut seine Nähe. Sie saßen nebeneinander durch eine kaum fassbare Spur Distanz in der Luft getrennt, ohne einander zu berühren. Hatte sich Cedric damit doch überfordert? Es hatte ihm keine Angst gemacht… es war nur merkwürdig gewesen. War es ihm peinlich? Vielleicht. Irgendwie wusste Kunibert nicht recht, wie er dazu stehen sollte. Einerseits hatte Cedrics seltsames Drängen nach Nähe ihn berührt, andererseits machte es ihm auch etwas Angst. Er hatte sich darauf eingelassen, Schritt für Schritt, obwohl ihn weiß Gott niemand dazu gezwungen hatte, und jetzt setzte sich Cedric ganz langsam in Bewegung, fort von diesem Ort in seiner Vergangenheit – und dabei auch auf ihn zu. Es gab nichts sonst für Cedric… sein altes Leben war dahin, er wollte es nicht wieder, seine Routinen waren Erstarrung. Es gab hier nur noch ihn selbst und Kunibert. Und Cedric hatte sich nicht wahllos auf ihn gestürzt, er selbst war es gewesen, der sich an ihn geklebt hatte, bis etwas geschehen war. Diese Verantwortung sollte ihm wahrhaft Bammel machen… ein wenig tat sie das auch, auch wenn Cedric nun wirklich kein zartes Püppchen war, das vor einem Drachen gerettet werden wollte… aber was ihn noch mehr erstaunte, war die Tatsache, dass er es wollte. Es mochte Gründe geben… Gründe über Gründe, hier abzuhauen oder wenigstens von sich aus auf Abstand zu gehen… doch sie verwehten irgendwie in dem eisigen Wind, der an diesen Tagen über das Feld brauste. Nein, Cedric war nicht der Einzige, der sich hier bewegte und zwar in eine Richtung, die er nicht erahnt hatte.
 

Er hatte immer Freunde gehabt, ob männlich oder weiblich, denen er sich verbunden gefühlt hatte und noch immer tat, obwohl man sich immer seltener sah – aber in diese Kategorien wollte Cedric nicht recht passen. Cedrics Hand zu halten, über sein Haar zu streichen war nicht so gewesen, wie es mit einem von ihnen gewesen wäre – oder mit Jakob. Es war… gut gewesen, als sei nur noch dieser Moment von Bedeutung, in dem nichts fehlte, alles da war… Auch jetzt, da Cedric unten im Keller an der Waschmaschine rumorte, und er in der Küche Mohrrüben klein schnipselte, war es irgendwie so… nicht ganz so intensiv, aber da. Ein wenig wie in seinem Elternhaus, als er ein Kind gewesen war… doch nicht ganz so.
 

Sie beide bildeten wahrscheinlich die absonderlichste Wohngemeinschaft des Planeten, aber in dieser Hinsicht konnte ihn die Welt auch mal.
 

Auf dem Flur hörte er Cedrics leichten Schritt, dann streckte er die Nase zu Tür rein. „Was wird denn das?“ fragte er mit kritischem Blick auf Kuniberts Werk.
 

„Mohrrübensuppe mit Pinienkernen“, erklärte Kunibert. „Zur Vorspeise…“
 

„Ich dachte schon!“ gab sich Cedric erleichtert und trat ein. „Davon werde ich wahrscheinlich noch rötlicher als sowieso schon. Muss ich nur noch ein kleines Stück schrumpfen, und alle Hasen der Umgebung sind hinter mir her!“ grollte er leise.
 

„Sag ich doch – passe bloß auf deine Zehen auf!“ warnte Kunibert trocken und wühlte nach dem großen Kochtopf.
 

Cedric stieß diesen heiseren Laut aus, der sein seltenes Lachen darstellen sollte, und der gar nicht zu ihm zu passen schien. „Marx und Engels mögen gerne Banane… aber Fleisch lieben sie auch…“, informierte er Kunibert grinsend.
 

„Bäh! Die sollen meinem Monsterbananenfleisch bloß nicht zu nahe kommen!“ gruselte sich Kunibert.
 

„Von den Ratten gefressen zu werden ist doch ein Klassiker mit einem gewissen Stil. Von Hoppelhasen… also, da solltest du dankbar sein!“ kicherte Cedric und goss Wasser in ein Glas.
 

„Hält sich arg in Grenzen“, schauderte der so Besänftigte.
 

„Ich passe schon auf… Ratten darf man nicht verfetten lassen“, schwor Cedric in geheuchelter Ernsthaftigkeit.
 

„Pfft!“ gab sich Kunibert beleidigt. Bevor Cedric es sich zu gemütlich machen konnte, verdonnerte er zu einer weiteren Runde Übung im schlampig Kartoffeln schälen.
 

……………………………………………………………………………………………….
 

Kunibert hockte mal wieder auf dem Boden und tippte vor sich hin. Das Arbeitszimmer, das er ihm zur Verfügung gestellt hatte, nutzte er nur selten, diente wohl eher als Lagerraum. Nein, Kunibert hing lieber hier rum oder in der Küche oder auf dem Feld, wo sie stetig mehr oder minder zusammen waren, und es schien ihn nicht die Bohne zu stören. Es war schon komisch, so eng hatte er noch nie mit einem Menschen zusammen gelebt, nicht mit seinen Eltern und auch nicht Etienne. Etienne und er hatten ständig irgendetwas zu tun gehabt, waren immer auf Achse gewesen, mal zusammen, mal getrennt, und daheim waren sie recht selten gewesen, wozu auch? Das Leben hatte draußen getobt. Das hier war eher wie in einer ziemlich fehlbesetzten Familienserie aus den Sechzigern. Arbeiten, Hausarbeit, Freizeit, immer schön zusammen, und abends jeder keusch ab ins eigene Zimmerchen. Eigentlich absolut perfekt für ihn, wenn er nicht das Gefühl hätte, dass hinter dieser ihm gegen alle einstigen Überzeugungen und Gewohnheiten wohltuenden Harmonie Fieses-Oberarschloch-Cedric lauerte, um sich in bester Monty Python-Manier wie aus dem Nichts zu melden: „Ich bin noch nicht tot! Mir geht es schon viel besser! Ich möchte spazieren gehen!“ Super, jetzt misstraute er nicht mehr Kunibert, sondern sich selbst. Paranoia reloaded. Gut, dass Kunibert so ein Softie war, der anscheinend nie Bekanntschaft mit der lustigen Welt der Ausschweifungen gemacht hatte. Oder der war einfach auch irgendwie gestört, wie auch immer. Nein… das war dieses komische Freundschafts-Ding… Trotzdem komisch.
 

…………………………………………………………………………………………………...
 

Es schien ein strahlender Wintertag werden zu wollen. Der vor ein paar Tagen gefallene Schnee war mittlerweile in dichten Schichten fest gefroren, so dass man arg aufpassen musste, wo man hin trat, aber sie waren beide sehr vorsichtig. Die Sonne ging gerade auf und ließ das gespenstische Panorama des morgendlichen Steinfeldes leuchten, über dem sich gar nichts zu regen schien seit Urzeiten. Kunibert war schon länger wach, eigentlich gegen seine Gewohnheit, da er sich dem Tagesrhythmus angepasst hatte. Wozu in aller Herrgottsfrühe aus den Federn, wenn man doch erst bei Tageslicht arbeiten konnte? Auch der Gang zum Dorf war dann weniger halsbrecherisch, denn die Brötchen, die mussten schon sein. Er hatte komisch geträumt, konnte es nicht mehr recht fassen, irgendetwas mit Pferden und Frida und Star Trek, und danach nicht mehr recht einnicken können. Stattdessen stand er jetzt am Rand des Feldes und blickte entlang des Hauses gen Sonnenaufgang. Er fühlte sich ziemlich benebelt… die ganze Wucht der Natur im Spiegel der sich in den Tiefen der Zeit verlierenden Geschichte, während die ersten Strahlen die vereisten Steine blitzen ließen.
 

Irgendwo rumpelte es, er blickte auf. Cedric musste gleichfalls munter geworden sein und öffnete sein Fenster. Er hatte das Gefühl, plötzlich zu glotzen wie ein Fisch auf dem Trockenen. Himmel… Cedric hatte ihn nicht bemerkt, sondern schien mit dem Fensterhebel zu kämpfen, wahrscheinlich war der Rahmen fest gefroren. Er war nicht allzu weit weg, Kunibert konnte ihn bestens durch das entspiegelte Glas des ersten Stockes sehen. Ein Sonnenstrahl traf ihn. Er schien gerade aus dem Bad zu kommen, sein Haar stand notdürftig trocken gerubbelt in alle Richtungen. Ein vertrauter Anblick. Was jedoch weniger vertraut war, war der Umstand, dass Cedric kein Oberteil anhatte. Wenn Kunibert gedacht hatte, dass Cedric viele Sommersprossen habe, so hatte er bisher nur eine sehr diffuse Ahnung vom ganzen Ausmaß dieser Musterung gehabt. So etwas hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht an einem Menschen gesehen, weder real noch auf Fotos. Cedrics Schultern, Arme, die Brust, der flache Bauch: Punkte! Punkte! Punkte! Von hier aus konnte er die Details nur erahnen, aber es schien sich dort wie in seinem Gesicht zu verhalten, von braun und kräftig bis fast unsichtbar rötlich schien alles dabei zu sein. Das konnte kein Mensch zählen! Das war ja wie auf dem Rummel! Raten Sie, wie viele Bohnen in diesem Tank sind – und gewinnen Sie ein Auto! Raten Sie, wie viele Sommersprossen Cedric Kalteis hat - und gewinnen Sie ein Steinfeld! Der Andrang wäre wahrscheinlich nicht so groß… Tausende? Eine Million? Das war wirklich der nackte Wahnsinn, wortwörtlich. Cedric hämmerte immer noch wütend auf das Fenstern ein und ruckelte verbissen. So würde das nie was werden… Cedric war nicht so schmächtig, wie er in Klamotten immer aussah… und nicht so… neutral…
 

Hey, lass das! Er mag zwar kein Hemd anhaben, aber er ist immer noch Cedric! Du weißt doch, was ist… Trotzdem… das ist so… schön? Das!? Das ist Cedric! Nichts „das“ – der! Ja ja… ich weiß doch… Aber ich darf doch sagen, was ist – und er ist schön… Nicht wie so Typ von einem Magazin-Cover, sondern… etwas Besonderes, Einzigartiges… und ist ja nicht so, als sei ich da der einzige mit dieser Meinung, wenn man Cedrics einstiges Leben berücksichtigt… das ist reine Ästhetik! Aber wie „ästhetisch“ war der Drang, diese irrwitzige Haut einfach staunend zu berühren…? Das ist noch immer völlig unschuldig – und völlig unangebracht! Aber wie unschuldig ist der Gedanke, wie es denn wäre, wenn diese Berührung nicht bloß aus Staunen geboren wäre, sondern aus… Nein! Nein, bloß nicht! Das darf nicht sein! Das… nein…
 

Kunibert hielt die Luft an und zwang sich fort zu sehen und wieder den Sonnenaufgang über dem Feld anzustarren, während Cedric dort oben anscheinend kurz vorm Tobsuchtsanfall stand. Aber irgendwie hatte es es ihm verhagelt. Mit gesenktem Blick schlurfte er zurück zum Haus. Wenn Cedric ihn in seinem Furor jetzt doch entdecken sollte, dann würde er denken, ungesehen geblieben zu sein.
 

Mit schwirrenden Gedanken legte er die Jacke ab, zog seine Schuhe aus und schlüpfte in die Küche, wo er auf einem der Esstischstühle nieder sank. Er durfte Cedric nicht so wahrnehmen! Nicht als… attraktiv. Erstaunlich, ja, sexy – nein!!! Er war nun wirklich nicht jemand, der ganz und gar auf Sex fixiert war, aber ein Eunuch war er nun nicht. Aber daheim wartete jetzt kein Jakob mehr… es gab auch kein „daheim“ mehr… und immer nur mit der eigenen Hand intim zu werden… wahrscheinlich hatte er einfach nur einen kleinen Hormonstau. Das war exakt das, was Cedric fürchtete… oh weia…
 

„Morgen!“ grüßte Cedric, jetzt in Jeans und dicken Pullover, in die Küche tretend.
 

„Morgen, Cedric“, grüßte er zurück.
 

„Nanu? Schon munter? Der Morgen dräut, die Sonne lacht, groß-Kunibert ist aufgewacht?“ wunderte sich Cedric, der sonst immer schon vor ihm munter war.
 

„Habe komisch geträumt“, rechtfertigte sich Kunibert wahrheitsgemäß. Eigentlich bestand kein Grund, sich zu rechtfertigen… aber dennoch fühlte es sich so an…
 

„Schon wieder Pferdehochzeit? Na, komm, die Brötchen werden nicht frischer!“ trieb Cedric ihn an. Wahrscheinlich würde er Entzugserscheinungen bekommen und um sich beißen, wenn er keine Mohnbrötchen bekam… Jetzt war er wieder… ganz normal. Aber unter diesem warmen Winterpullover… Ob er auf der anderen Seite wohl auch… und darunter…
 

Kunibert verbat sich den Gedanken, während er ihm folgte. Allerdings war das leichter gewollt als umgesetzt.
 

…………………………………………………………………………………………………..
 

Kunibert war seltsam schweigsam, während sie vorwärts stapften und schlidderten. Wieder eine Jammer-Attacke wegen Ex-Bankenfritze-Jakob? Nicht schon wieder. Der sollte froh sein, dass er diesen Geld umschippenden Spießer-Fuzzi los war, für so etwas war Kunibert doch viel zu schade! Wenn er denn partout einen auf Liebesglück machen wollte, dann lieber mit… einem Zirkusdirektor! Einem Affentrainer! Einem Frosch-Friseur! Aber doch nicht so etwas… Okay, er war da nicht gerade die höchste Instanz… außerdem würde Kunibert wohl kaum jemanden kennen lernen, wenn er hier rum hing. Aber das würde sich schon noch ändern… Cedric schluckte… Nein, er konnte Kunibert hier kaum fest kleben. Kunibert hatte auch ein Recht auf das, was auch immer ihn glücklich machen mochte. Oder wer. Aber dennoch… bitte noch eine Weile…
 

Aber vielleicht wäre es auch besser so, ehe Oberarschloch-Cedric schon wieder anfing: „Schau dir diesen mega-knackigen Arsch an! Und diese Schenkel! Der vögelt bestimmt wie ein Stier!“ und so weiter… Er war nicht mehr Oberarschloch-Cedric! Er war das nette Arschloch, und Sex… nein… nein… nicht da anfassen… Haare kraulen war okay. Aber mehr…? Nein! Nein… „Komm schon Cedric, das verlernt man doch nicht! Du warst doch der Obermeister im Die-Beine-breit-machen… War das nicht immer total geil?“ Denk an die letzte Nummer… war die etwa geil?!!! Der Hauch der Erinnerung prügelte Oberarschloch-Cedric wieder zurück in sein kaltes Grab, und es war wieder Ruhe, und vor ihm lief Kunibert, sein Freund, nichts weiter.
 

…………………………………………………………………………………………………..
 

Sommersprossen… Sommersprossen… sah nicht echt aus, war es aber… und fühlte sich warm an… Cedrics heiseres Lachen… oh weh…
 

Kunibert starrte in die Dunkelheit. So ging das gar nicht. Sein Körper meldete sich… aber seit einer Woche, seit er Cedric am Fenster gesehen hatte… das… und er konnte nicht… Was für ein Verrat! Nein… was sollte er machen? Logisch denken. Abstand gewinnen… aber er wollte hier nicht weg… das war so armselig… Aber er könnte… zumindest es versuchen… vielleicht wäre es ein Ausweg…
 

Er schaltete die Nachttischlampe an und sprang auf. Es war Freitagabend, kurz nach elf Uhr. Sie hatten Star Wars gesehen und waren dann schlafen gegangen. Cedric blieb auf seiner Seite des Sofas. Aber immer dieser Gedanke… wie eine fixe Idee: Sommersprossen… heiseres Lachen… War das der Schatten dieses Mega-Verführers von einst, der Cedric gewesen sein sollte? Dann hatte er das hier garantiert nicht beabsichtig, es war nur noch da, ein wenig, letzte Bruchstücke… aber wie war Cedric gewesen, dass er so eine Wirkung gehabt hatte? Wenn in seiner Stimme nichts Ruppiges wäre, nichts Ängstliches, sondern… Lust? Kunibert spürte, wie ihm die Haare zu Berge standen, teils aus fassungslosem Begehren, größtenteils aber aus Entsetzen über sich selbst. Wie konnte er nur! Er war auch nur ein Mann… Und er war Single! Er mochte total auf Freundschaft stehen! Und Aufrichtigkeit! Und einen lahmarschigen Prähistoriker-Alltag auf einem Jahrtausende altem Steinfeld in einem Spukschloss von Haus und seinem zickigen, verletzten, verrückten, stinkereichen, faszinierenden, gepunktetem Herren!
 

Kunibert biss die Zähne zusammen. Er wollte das nicht verlieren, nicht jetzt schon, und er wollte Cedric nicht durch irgendetwas Unbedachtes verstören, das ihm hinterher so noch tausend Mal mehr leidtun würde als eine ganze Pinguinart platt getreten zu haben. Die waren putzig und hatten keine Nagezähne… Eine Lösung musste her! Schnell! Bevor sein Untergeschoss ihn noch zu sonst was antrieb. Warum jetzt? Warum so? Er war doch nicht so einer… aber das hier machte nicht nur ihn wirre, sondern war auch eine handfeste Gefahr.
 

Er schnappte sich den Laptop, ein paar Minuten später war er schlauer. Innerlich etwas bibbernd und Kopf schüttelnd strampelte er sich in ein paar halbwegs präsentable Klamotten, schrieb voll schlechten Gewissens einen Zettel an Cedric … er war schließlich ein freier Mann! ... und flitzte zum Auto, bevor er es sich anders überlegen konnte.
 

…………………………………………………………………………………………………
 

Was war das denn? Da draußen startete ein Auto?! Kuniberts Auto, den Klang kannte er doch. Was war los… hatte er irgendetwas verpasst…? Cedric rollte aus dem Bett und spurtete ohne nachzudenken aus dem Zimmer den Gang hinunter, so dass er aus dem hinteren Fenster die sich entfernenden Scheinwerfer in der Dunkelheit sehen konnte. Fassungslos glotzte er, während etwas in ihm schrecklich weh tat.
 

Er rannte davon … es war ihm zu guter Letzt einfach zu viel geworden … er war so armselig mit seiner Klammerei, seiner Macke, der Händchen-Halterei, dem Job, damit er nicht alleine blieb … helfen konnte … Kunibert da war … Quatsch, Kunibert hatte seinen ganzen Krempel hier, also was …?!
 

Cedric eilte erneut den Flur hinunter. Auf dem unteren Absatz der Treppe leuchtete ihm ein Zettel entgegen. Er ging runter und hob ihn herzklopfend auf. „Bin nur noch mal in die Stadt. Bis Morgen. K.“, stand da.
 

Er fühlte Erleichterung wie einen Tsunami durch sich schießen. Das war alles … okay. Er konnte sich schon denken, was das hieß. Kunibert war schließlich nicht so ein mental-Kastrat wie er und wohl doch nicht ganz so irre, wie angenommen. Er mochte anders sein als er im Urzustand, aber sein Schwanz war ihm also doch nicht abgefallen. Aber auch hier löste er es auf Kunibert-Art und erledigte das diskret fern von ihm. Okay, die Szene hier war wohl eher verschnarcht im Vergleich zu Paris, aber Kunibert dürfte wohl keine Probleme haben, etwas Fickwilliges zu finden. Hoffentlich … ach quatsch, Kunibert passierte schon nichts. Aber wenn man ihn niederschlug … Blödsinn! Es würde gar nicht passieren, Kunibert würde eine Nummer schieben und fertig und dann nach Hause kommen. Alles in Ordnung.
 

Trotzdem … irgendwie stieg eine Blase voll Gift in ihm auf und verteilte sich durch seine Adern. Warum konnte der Idiot sich nicht einfach einen von der Palme wedeln, die Wäsche diskret reinigen und fertig? Warum musste er mitten in der Nacht – okay, früher wäre er um diese Uhrzeit nicht mal los gewesen … - aus dem Haus stürzen? Hatte der es plötzlich so nötig? Okay, das war nicht richtig logisch, aber wenn man geil war, war man geil, da machte man schon abstruse Sachen … Etienne war immer sein Puffer gewesen, da hatte er sich richtig gehen lassen können. Die Kerle, die sie gemeinsam vernascht hatten … Er außer Rand und Band unter ihren Stößen, und Etiennes Küsse dazu – und seine wachsamen, gierigen Augen … Etienne hatte es geliebt zu sehen, wie er sich ihnen hingab - und anschließend gemeinsam mit ihm die Kritik zu formulieren … Ihr ureigenes Spielchen … Er war der Boss, weil er geben konnte, wie keiner sonst … der ultimative Bottom, von dem jeder Hengst nur so träumte. Er konnte alles, machte alles – aber zu seinen Regeln und nur zum eigenen Genuss. Nehmt die Brosamen, die für euch dabei abfallen! Ihr seid nur … das Personal.
 

Wenn Kunibert, der so ganz anders zu ihm, mit ihm war, auch mal einen Stich brauchte, weil es ihm allmählich schon aus den Ohren raus geblubbert kam, was sonst deutlich weiter unten ruhte, dann sei es ihm doch gegönnt. Immerhin konnte er es noch richtig fühlen, diese Ekstase, Entgrenzung, den Rausch … Was gab es besseres? Haare kraulen. Für ihn. Verrückt. Aber statt ihm die Haare zu kraulen fickte Kunibert jetzt mit irgendeinem Arsch rum, der Kunibert nichts bedeutete, und dem Kunibert nichts bedeutete. Okay, das war nie das Kriterium gewesen. Aber das hier war Kunibert! Nicht Etienne und er. Kunibert verdiente … mehr. Was für ein beknackter Gedanke! Was gab es schon mehr? War nur ein Bedürfnis, das ultimative Bedürfnis, aber nicht gerade Sartre. Wenn Kunibert aufs Klo musste, dann ging er eben … Wenn Kunibert ficken musste, dann ging er eben …
 

Aber dennoch. Das Haus war komisch ohne ihn. Und was, wenn ihm doch etwas passierte? Wenn er doch in eine Falle ging, oder es nicht safe war? Okay, so beknackt war Kunibert nun gewiss nicht. Aber Logik und Geilheit waren bekanntlich Erzfeinde. Und der Gedanke, dass Kunibert Sex hatte … wie er da wohl war …? Nein … oder …? Kuniberts Götterknabenkörper an irgend so einem niveaulosen Hirni … Na ja, er war ja auch nicht gerade nach intellektuellen Kriterien vorgegangen. Dennoch … Kunibert nicht die Steine – oder ihn – anlächelnd, den Laptop beschimpfend, Essen kochend, Feuer machend, Monopoly spielend, Filme guckend … sondern so? Er wünschte, es wäre unvorstellbar. War es aber nicht, zumindest nicht komplett. Das war beängstigend – aber auch nicht, zumindest ein kleines bisschen. Die Haare zerwuselt, die Muskeln angespannt und zuckend … oh weh …
 

Und das arbeitete der jetzt an irgendeinem Nichtskönner ab. Das hatte Kunibert echt nicht verdient, aber vermutlich kannte er es nicht anders. Cedric konnte sich zumindest nicht vorstellen, dass Kuniberts Erfahrungshorizont da so weit ging nach dem ganzen Monogamie-Kram mit seinem komischen Jakob. Vier Jahre … in der Zeit seines Lebens hatte er ganz andere Dinge getrieben.
 

Trotzdem …
 

Cedric ließ die Schultern hängen, drehte sich um und schlurfte zurück Richtung Bett. Er hatte absolut kein Recht, Kunibert Vorhaltungen zu machen. Er wünschte nur, er würde das eben nicht tun.
 

Er ließ sich auf die Matratze fallen und rollte sich um sein Kissen. Was wäre, wenn das jetzt Kunibert wäre …? Aber er konnte das nicht. Das ging nicht mehr. Das war nur ein Relikt. Aber die warme Haut …
 

Das war nicht dasselbe! Das war absolut nicht dasselbe.
 

Auch wenn es noch so weh tat.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Salix
2012-01-07T20:05:26+00:00 07.01.2012 21:05
Ach ja, Sommersprossen...

ich kann mir Cedric mit seinen Sommersprossen gut vorstellen.
Es kommen beide auf den Geschmack und nehmen Rücksicht, sie sind wirklich knuddelig dadurch.
Mir gefällt das Kapitel jedenfalls.

LG
Von:  chaos-kao
2012-01-06T01:17:57+00:00 06.01.2012 02:17
Da ist wohl einer auf den 'Kunibertgeschmack' gekommen :) Bin ja mal gespannt wie lange die beiden noch brauchen bis sie sich noch etwas näher kommen oder ob einer von ihnen irgendwann die Beherrschung verlieren wird ...
Freu mich schon drauf! ^^
Lg
Kao


Zurück