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Herz aus Stein

von

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Lord Grummel will Mohnbrötchen

XIV. Lord Grummel will Mohnbrötchen
 

Kunibert blickte entlang der Steinreihen. Cedric hockte in eine Luxus-Decke gewickelt auf seinem Stein, beziehungsweise dem Stein, auf dem er, lädiert, wie er war, aktuell zu thronen pflegte, und las. Charles Dickens, wie Kunibert beim Vorbeigehen aufgeschnappt hatte, Geschichten von verlorenen Kindern, die dennoch aufgrund der Anständigkeit einiger Leute ihr Glück fanden. Sah er sich selbst in diesen Geschichten, oder war das Zufall? Um ihm bei den Messungen zu helfen, war Cedric nach wie vor zu angeschlagen, aber er schien inzwischen wirklich auf dem Weg der Besserung zu sein. Von Seiten seiner Mutter war nichts mehr erfolgt, nachdem ihre Sendboten nicht das Szenario vorgefunden hatte, dass sie ihnen anscheinend weisgemacht hatte – vielleicht auch ein wenig sich selbst. Aber Cedric schien nicht zu vermuten, dass sie langfristig Ruhe geben werde, da seine Anwesenheit und sein Lebensstil hier offensichtlich nicht ins familiäre Konzept passten. Dennoch dürfte er, gesundheitlich wiederhergestellt, damit klar kommen.
 

Momentan verlustierte Kunibert sich damit, Fotografien zu machen und diese systematisch in ein Computerprogramm einzuordnen, dass er eventuell so das Feld virtuell würde rekonstruieren können, wenn er wieder daheim war. Ewig lange würde er nicht mehr bleiben können, obwohl noch so viel zu tun war. Der freundliche Teil des Herbstes verrann langsam, bald würde das Wetter umschlagen. Es war sowieso schon ein rechtes Wunder, dass es hier zu dieser Jahreszeit noch so viel Sonnenschein hatte. Daheim in Kiel erwartete ihn der übliche graue Nieselregen, seine Familie, seine Freunde – und Jakob. Innerlich seufzte er. Er hatte sich Zeit erbeten für sie beide, aber zu einer rechten Schlussfolgerung mochte er einfach nicht kommen. Jakob war sein Freund, sein Vertrauter, so sehr Teil seines Alltags, dass er kaum wegzudenken war. Andererseits hatte er ihn belogen und betrogen, was das Ganze doch ziemlich ins Wanken brachte. Aber die Menschen waren nun einmal nicht so einfach gestrickt, wie es irgendwelche Daily Soaps darstellten, vielleicht war das nur eine Phase, etwas, das Jakob durchmachen musste – wäre es übertrieben kleinkariert, da nicht ein wenig Toleranz aufzubringen? Wenn er wenigstens nicht gelogen hätte… dann vielleicht. Aber der Gedanke, dass jemand mit seinem Liebsten schlief, während er daheim die Spülmaschine ausräumte, behagte ihm ganz und gar nicht. Das wollte er definitiv gar nicht wissen – den Gefallen hatte Jakob ihm ja getan. Und das war auch wieder falsch. Und Jakob… er war gerne mit ihm zusammen… es war schön, mit jemandem gemeinsam zu leben, Pläne zu machen, über Kleinigkeiten zu lachen und zu lästern und manchmal auch ein wenig zu streiten… Jakob war ein Teil seines Zuhauses, nicht nur, weil sie eine Wohnung teilten. Okay, Jakob konnte manchmal auch ein wenig jammerig sein, aber jeder hatte so seine Macken. Und er sah gut aus in Kuniberts Augen, roch so vertraut nachts im Bett neben ihm… Alles schön und gut, aber liebte er ihn denn noch? War das überhaupt so wichtig? Und was war Liebe überhaupt? Nicht der Rausch der Verliebtheit, aber der echote darin nach… Vertrauen? Heimat? Ließ sich das wieder kitten…? Ach, verdammter Mist, er wusste es einfach nicht. Vielleicht würde er klarer sehen, wenn er ihm einfach wieder gegenüber säße, nachdem jetzt ein wenig Wasser den Bach hinab gelaufen war…
 

Derweil hatte er hier noch einiges wegzuschaffen. Ob Cedric einverstanden wäre, wenn er im Frühjahr wieder käme, um den Rest zu erledigen…? Irgendwie gewöhnte man sich an fast alles, Daumenschrauben eventuell ausgenommen, selbst an Cedric Kalteis. Und dem schien es auch nicht anders zu gehen, kroch er doch ein wenig aus seinem Schneckenhaus. War wahrscheinlich ein ziemlicher Schritt gewesen für ihn, so viel Vertrauen aufzubringen, ihm von seiner Vergangenheit zu erzählen und dann wild entschlossen seine Hand zu fordern. Schon eine komische Sache, Cedrics Hand gehalten zu haben, während der stumm einfach da gesessen hatte und immer wieder dorthin gestarrt hatte, wo sie sich berührten. Aber das war kein Händchenhalten wie im Kino, sondern eher der Griff nach jemandem, der bis zum Hals im Treibsand steckte. Im Rauszerren war er gut, das hatte er bereits mehrfach beweisen können… Karotten, Papas Wagen aus dem Schlamm… und nun eben ein wenig den Herrn der Steine.
 

Cedric legte gerade das Buch zur Seite, wurstelte ein wenig herum, dann saß er mit angewinkelten Knien, das Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne zugewandt. Im Herbstlich leuchtete sein Haar in der Farbe des Ahorns, kurz bevor die Blätter fielen, nur das Pflaster stach ein wenig ab. Komisch, er hatte immer gedacht, alle Rothaarigen seien irgendwie mit Pumuckl verwandt, aber an den erinnerte Cedric irgendwie gar nicht. Aber sein Haar hatte auch nicht dieses klassische Feuermelderrot, vielleicht lag es daran – oder daran, dass Cedric Pumuckl wahrscheinlich mit der Plattschaufel erledigen würde, wenn der unvermutet in seiner Küche auftauchen würde. Okay, das war schon ein wenig fies zu denken, aber Cedric war nicht gerade der friedlichste Vertreter. Andererseits konnte man auch nicht gerade behaupten, dass es öde mit ihm war. Wenn er Cedric richtig verstanden hatte, war er ein ziemlicher Despot gewesen, bevor er niedergestreckt worden war, ein wenig klang das durchaus noch durch… Aber das war gewiss nicht alles, was dran war an Cedric Kalteis.
 

Kunibert nahm einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche, dann ging er ohne Eile zu seinem Gastgeber hinüber. Cedric blickte ihm ungerührt entgegen.
 

„Na“, wurde er begrüßt, „Steinegucken langweilig?“
 

„Das wird mir nie langweilig“, stellte Kunibert klar. „Aber ich hänge ein wenig und mir läuft die Zeit davon.“
 

„Sitzt dein Bescheißer-Freund dir im Nacken?“ fragte Cedric mit diesem gelangweilten Gesichtsausdruck, von dem sich Kunibert nicht mehr beirren ließ. Cedric mochte so tun, als gehe ihm alles am Arsch vorbei, tat es aber nicht, sonst würde er kaum fragen. Die Neugierde machte wohl auch vor ihm nicht halt.
 

„Auch“, gestand Kunibert. „Aber ich muss auch an der Uni antanzen. Ich studiere zwar nicht mehr, aber einige Verpflichtungen habe ich da schon noch. Außerdem erwarten meine Eltern, dass ich mich mal wieder blicken lasse.“
 

„Ja ja, die liebe Familie“, nuschelte Cedric. „Wann haust du denn wieder ab?“
 

„Schätze zwei Wochen habe ich noch, aber dann ist Ende. Kommst du klar?“ fragte er und ließ sich, nach seiner Zwischendurch-Stulle kramend, auf dem benachbarten Menhir nieder. War eher ein Menhirlein, ging ihm gerade bis zum Knie und gab einen prima Hocker ab.
 

Cedric verdrehte die Augen. „Du bist nicht mein Kindergärtner. Sicher komm ich klar, wenn sich mir nicht gerade ein Stein in den Weg wirft. Ich komme seit zwei Jahren hier klar – und ich werde eventuell auch ohne deine Kochkünste weiterhin überleben.“
 

„Entschuldigung“, murmelte Kunibert.
 

„Aber…“, hob Cedric überraschend an. „Solange du hier sowieso noch rumhängst…“
 

Kunibert riskierte einen misstrauischen Blick. Was kam denn nun? Eine dieser als Kommando servierten Bitten garantiert. Aber wenn man sich das vor Augen führte, kam man damit zurecht. „Was willst du?“ holte Kunibert ihm lieber gleich die Butter vom Brot.
 

Cedric seufzte. „Ich… mmm… naja, das machst du doch eh… und…“, druckste er herum.
 

„Raus mit der Sprache, Cedric – und erspar uns beiden die Umschreibungen“, forderte Kunibert.
 

Cedric runzelte die Stirn, dann sah er ihn an und sagte: „Ich will raus.“
 

Irritiert sah Kunibert ihn an. „Raus? Aus dem Buchclub? Aus den Socken? Aus Europa?“
 

„Nein!!! Ich bin in keinem Buchclub, meine Socken bleiben bei mir, und ich in der Bretagne! Ich… dachte nur… vom Feld…“, irrlichterte Cedric fröhlich weiter.
 

„Okay – dann kannst du dich ja in deinen Wald, deinen Vorgarten oder auf deine Straße stellen. Ist das eigentlich deine Straße?“ fragte Kunibert scheinheilig.
 

„Äh.. der Grund ja, die Straße nein, die ist öffentlich… Nein. Runter vom Grundstück. Nicht zum Arzt. Ich… wir… könnten…“, murmelte Cedric und fixierte eine ihn hektisch umkreisende Biene.
 

„Zum Mond fliegen? Kanaster spielen? Die Steine doch pink anmalen?“ blieb Kunibert am Ball.
 

„Untersteh dich! Nein… öh… einkaufen“, brachte Cedric schließlich hervor.
 

„Du lässt doch sonst alles liefern?“ fragte Kunibert, dem die Zielsetzung allmählich ziemlich klar wurde. Ein zynischer Geist würde behaupten, dass Cedric versuchte, ihn vor seinen Karren zu spannen. Aber er war kein zynischer Geist. Cedric bat von sich aus um Hilfe, das war schon ein dickes Ding.
 

„Ja… aber du hast schon Recht, das Instant-Brot schmeckt scheiße. Und bis zum Bäcker sind es nur zehn Minuten von der Grundstücksgrenze aus“, wand sich Cedric.
 

„Klingt einleuchtend. Sag Bescheid, wenn du dich fit genug fühlst, dann gehen wir Brötchen holen, alles klar“, nickte Kunibert und erhob sich wieder, um die Arbeit erneut aufzunehmen.
 

„Morgen früh? Halb acht?“ schlug Cedric vor.
 

„Okay, obwohl du dich gerade eher nach High Noon anhörst… Aber dann sind die Brötchen weg oder hart. Bis später“, sagte er und setzte sich in Bewegung. Innerlich schüttelte er verwundert den Kopf. Vor etwa zwei Wochen war Cedric prinzipiell vor fast jedem davon gelaufen, nicht bloß aus Angst, sondern weil die Welt ihn mal konnte. Hervorgekommen war er nur, um zu verscheuchen. Und jetzt wollte er plötzlich zum Bäcker?! Das waren ja radikale Sinnesänderungen?!
 

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Okay, war doch ganz einfach… immer nur einen Fuß vor den anderen setzen, das nannte man wohl gemeinhin „laufen“, obwohl das, was Kunibert da neben ihm trieb, eher in die Kategorie „latschen“ fiel. Es war schon trübe hell, die Vöglein sangen, der Tag brach an… und er schritt über die Grundstücksgrenze. Nun, so eine Weltpremiere war das auch nicht, früher war er häufig den Weg ins Dorf hinab gelaufen, wenn er seinen Großvater besucht hatte. Er erinnerte sich an die Sommer seiner Kindheit, in denen man ihn hierher abgeschoben… äh… auf Besuch geschickt hatte. Aber ihm war’s nur recht gewesen, mit seinem Großvater war es immer spaßig gewesen. Sie hatten immer ziemlich viel Blödsinn getrieben, der daheim in der schicken Pariser Wohnung seiner Eltern absolut nicht drin gewesen war… Pfützenspringen… Kartoffelkanonen bauen… und zu lernen, wie das mit den Bienen ging… Ab und an hatte ihm sein Großvater ein paar Münzen in die Hand gedrückt, damit er ihm eine Zeitung und sich ein paar Süßigkeiten holen konnte… das reinste Rügenwalder Mühlenfest war das gewesen, zumindest in seiner Erinnerung. Aber sein Großvater war tot, schlussendlich doch seiner Dauerqualmerei erlegen, Zigarillos auf Lunge waren in hohen Dosen nun mal nicht unbedingt gesundheitsfördernd, aber darauf hatte Alain Kalteis geschissen. Beratungsresistent wäre geschmeichelt, sein Großvater war stur wie tausend Rinder gewesen. Eventuell hatte es ihm daher hier so gut gefallen, hier hatte ihm nicht ständig jemand rein gequatscht. Das konnte Cedric bestens nachvollziehen. Aber statt seines Opas lief jetzt Kunibert Lerchenfels neben ihm – dessen Klamotten auch mal wieder nicht von Einsicht zeugten, aber naja. Immerhin war er nicht so eine Gucci-Prada-Armani-Schwucke, das Format wollte er in diesem Leben nie wieder sehen. Da lieber einer in ziemlich mitgenommener no name-Jeans und mit einem T-Shirt am Leibe, auf dem auf Deutsch stand: „Mutterns Bester“ – das konnte hier hoffnungsweise eh keiner entziffern. Immerhin war es blau, man sollte ja auch für die kleinen Dinge dankbar sein. Dennoch war das schon an der Grenze zu gesundheitsgefährdend.
 

Der Bäcker befand sich direkt am kleinen Platz in der Mitte des Dorfes, was so viel bedeutete, dass man ihn eine Minute nach Betreten der Ortschaft bereits erreicht hatte. In der Mitte des Platzes stand eine hohe Eiche, unter der ein paar säuberlich polierte Parkbänke gruppiert waren, als sei sie der Spannungshöhepunkt dieses Kaffes. War sie wohl auch… gewesen. Er atmete tief durch, doch er spürte mehr als deutlich, dass die paar Leute, die hier durch die Gegend wuselten, ihn angafften. Er blickte nicht hoch, sondern konzentrierte sich darauf, einfach weiter hinter Kunibert her zu dackeln, doch aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass er ein paar von ihnen durchaus von früher kannte. Bauer Beauchamps, einer seiner übernommenen Pächter… dem auch seine Scheiß-Chloe ausgebüchst war… mit seiner Tochter hatte er als Grundschulkind gespielt. Nadine, genau, war die auch noch hier? Wenn sie nicht völlig bescheuert war, dann wahrscheinlich nicht. Noch ein paar andere… die hielten ihn wohl für eine Erscheinung… aber sie wirkten nicht so, als ob sie gleich die Pechfackeln und Mistgabeln rausholen würden. Aber da gab es ja auch noch Kunibert… dem kam keiner so schnell mit einer Mistfackel oder Pechgabel… den konnten sie notfalls stattdessen grüßen… und der konnte ihn hier wieder wegbugsieren oder schleppen, wenn er einen zu viel bekam… aber hinter Kunibert konnte man sich notfalls auch gut verstecken, funktionierte fast wie mit den Steinen… denen war das auch egal… Die Leute hier konnten es wahrscheinlich schlichtweg nicht fassen, dass der irre Kalteis aus seiner Gruselfeste hervorgekrochen gekommen war. Sie waren viel zu perplex, um zu grüßen, auch Kunibert, den sie ja durchaus auch kennen dürften, war Luft für sie. Doch das war schon gut so, er zog hier ja auch nicht gerade mit einem kecken Grinsen ein und winkte zu allen Seiten wie ein amerikanischer Präsident auf Stimmenfang. Zivilisation… huhu… mich gibt’s auch noch… Na ja, von „Zivilisation“ zu sprechen wäre hier wohl übertrieben, seinen Rückmarsch gen Paris bereitete er nun nicht gerade vor, er war schließlich nicht Napoleon. Aber zumindest bis hier her, Brötchen kaufen… dann würde ihm seine Mutter nicht mehr so leicht krumm kommen können, wenn er nachweislich auch mal so etwas tat. Mit denen hier abhängen – nein danke. Aber das müsste doch irgendwie… dennoch stellten sich ihm die Härchen auf. Das war keine Panikattacke, dazu war ihm dieser lahme Haufen, dieser erbärmliche Ort viel zu vertraut – sondern Widerwillen. Ich scheiß auf euch alle… Konnte er ja weiterhin, solange es ihm gelang, dennoch ab und an hier her zu schlurfen, um zu zeigen, dass er nicht bereits tagsüber kopfüber an einen Balken gekrallt schlief… Seinethalben konnten die das gerne denken, aber bloß keine Angriffsfläche bieten. Verrückt, nun gut – lebensunfähig – nein, ätsch! Wenn er langfristig seine Ruhe haben wollte, müsste er das doch irgendwie hin bekommen… Und wenn er das nächste Mal gegen einen Stein wummerte, dann würde das eventuell jemandem auffallen, bevor die Zombie-Hasen ihn zerlegt hatten – Problem gelöst! Jetzt musste er nur noch die Brötchen…
 

Für hiesige Verhältnisse waren sie spät dran, so war auch der Plan gewesen – keine Schlange. Die Bäckereiverkäuferin schaute auch mit offenem Mund, als er in Kuniberts Windschatten eintrat, ein affiges Windspiel auslösend. Die kannte er doch auch… aber der Name wollte ihm nicht einfallen. Pausbackige Bäckereiverkäuferinnen weit jenseits ihrer besten Jahre waren auch nicht gerade das, was jemals im Zentrum seines Interesses gestanden hatte.
 

„Morgen!“ grüßte Kunibert fröhlich.
 

„Morgen“, erwiderte sie dumpf, Cedric anstarrend.
 

Cedric biss die Zähne zusammen. Fast wie früher, wenn er mit seinem Großvater… „Morgen“, quetschte er heraus und hörte sich dabei an wie eine Nebelkrähe mit Asthma.
 

„Mann, sieht das hier alles wieder lecker aus!“ plapperte Kunibert unverdrossen los, offensichtlich bemüht, die ganze Sache ganz locker flockig und total normal erscheinen zu lassen. Aber sein Blick in die Auslage war ziemlich hungrig… oder gierig, wie man’s nahm.
 

„Äh… ja…“, murmelte die Verkäuferin. „Cedr… Monsieur Kalteis…?“ verbesserte sie sich gerade noch. Klar, die hatte ihn immer noch als Kind vor Augen, aber Gnade ihr, wenn sie ihn jetzt auch noch duzte!
 

„Zwei Mohnbrötchen… bitte“, versuchte er sich in Etikette.
 

„Ganz wie früher, Monsieur Kalteis!“ fing die auch noch an. „Da wollten Sie auch immer die Mohnbrötchen!“ Wer zum Geier merkte sich denn sowas?! Jemand, der nichts Besseres zu tun hatte, wahrscheinlich.
 

Er beschränkte sich auf ein „Mmpf“, während sie ihm eifrig die Brötchen in eine Tüte stopfte. Wenn die ihm jetzt gleich noch einen Traubenzuckerlutscher „so wie früher“ hinhielt, wäre sie dran… Aber sie ließ es, ihn immer noch ein wenig ungläubig anstarrend, aber dabei breit lächelnd, und gab ihm sein Backwerk. Er zahlte, dann war Kunibert an der Reihe, der sich nicht gerade mit zwei Brötchen beschied und auch mit dem Erwerb eines Viertel Apfelkuchens noch eins draufsetzte.
 

„Schönen Tag Ihnen beiden noch!“ rief ihnen die Verkäuferin hinterher, was von Kunibert mit einem heiteren: „Bis Morgen!“ und von ihm mit einem weiteren „Mmpf, Wiedersehen“ erwidert wurde.
 

Die Tüte unter dem Arm machte er sich in Kuniberts Schlepptau wieder auf den Rückmarsch, sehr wohl dessen sehnsüchtige Blicke Richtung Wurst und Käse-Geschäft bemerkend. Aber das konnte der ruhig alleine machen, er hatte genug für heute. Er hätte darauf wetten können, dass die Passanten mittlerweile ihre gesamten Sippen informiert hatten, dass der Wiedergänger unterwegs war, und die jetzt alle durch die Gardinen linsten. So ein Aufstand wegen ein paar Brötchen… Okay, sie schmeckten besser, aber das war nicht der Punkt.
 

Er konnte das… und wenn er das konnte, dann bekamen die ihn hier nie weg. Ein bisschen üben… solange Kunibert noch da war… dann ginge das eventuell. Und mit Kunibert im Anhang – oder eher anders herum – dürfte das hinzubekommen sein.
 

Dennoch war er mehr als erleichtert, als sie wieder die Grundstücksgrenze passierten. Endlich zu Hause… wie affig, sie waren nicht mal eine halbe Stunde weg gewesen… draußen in der bösen, großen Welt… oder eher dem verschnarchten, kleinen Dorf, aber das reichte völlig.
 

„Mission accomplished!“ kommentierte Kunibert.
 

„Ich bin so toll“, murmelte Cedric.
 

„Na komm schon, du darfst ruhig ein wenig stolz auf dich sein. Dein Charme hat sie völlig umgehauen!“ lobte ihn Kunibert. So wie der den Apfelkuchen trug, war der Brei, waren die armen Äpfel ganz umsonst gestorben… ach was, das würde der garantiert dennoch mampfen bei seinem Sinn für Ästhetik.
 

„Zumindest haben die für den Rest des Tages Gesprächsstoff“, gab er zu.
 

„Ach hör schon auf… noch so ein „Mmpf“ und die Verkäuferin hätte dir ihre heiratswillige Tochter vorgestellt“, verarschte ihn Kunibert weiter.
 

Cedric verdrehte nur die Augen und ließ das unkommentiert stehen. Er wusste selber, dass er rüber gekommen war wie Lord Grummel, doch das war piepsegal. Wenn die ihn für einen unhöflichen, aber harmlosen Spinner hielten, würden die ihn immerhin in Ruhe lassen, er wollte nun wirklich nicht der Ehrengast beim nächsten Scheunenfest sein.
 

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Kunibert musste sich arg zusammenreißen, um nicht loszulachen, als Cedric ihm gegenüber seine Mohnbrötchen pingelig aufschnitt. Mohnbrötchen! Der sah doch selber aus wie ein Mohnbrötchen! Daher die Affinität, gleich und gleich gesellt sich gern? Und sah er demzufolge aus wie ein Baguettebrötchen? Eventuell.
 

Sie aßen schweigend, Cedric ließ die ganze Sache wohl ein wenig sacken.
 

„Nun gut“, sagte er schließlich. „Das hat ja geklappt. Morgen den Wurstladen auch gleich mit…?“
 

Cedric musterte ihn kritisch, legte aber keinen Protest ein. Auf diese Art und Weise würden sie noch shoppingsüchtig werden…
 

Aber irgendwie war er auch verflixt stolz auf sich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  AzurSmoke
2011-09-15T20:25:58+00:00 15.09.2011 22:25
Och, die Beiden sind ja einfach zu süß. Ich stell mir das so richtig schon bildlich vor, vorneweg Riesenkuni und dahinter, so ganz klein und verschüchtert, tippelt Cedric.

LG
AzurSmoke





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