Zum Inhalt der Seite

Herz aus Stein

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Monsterbanane

VI. Die Monsterbanane
 

„Guten Morgen, Monsieur Kalteis!“ bretterte der Herr Teutone ihm entgegen.
 

Er war ja arg versucht, es zu ignorieren wie immer – aber der sollte ja nicht glauben, dass er so berechenbar war! Oder so leicht zu provozieren!
 

War doch ganz einfach… war doch immer so leicht gewesen… alle waren immer hin und weg gewesen… so charmant…
 

……………………………………………………………………………………………….
 

Kuniberts Kinnladen fiel ihm beinahe auf die Kniescheiben, als sich in Kaltes‘ Gesicht etwas tat. Die Mundwinkel hoben sich, ein Hauch von Grübchen bildete sich auf seinen Wangen. Er lächelte. Zuckersüß. Wenn nicht dieser Augenausdruck dabei gewesen wäre, wild entschlossen, wütend, hoch konzentriert.
 

„Guten Morgen, Monsieur Spatzenfels!“ grüßte er ihn freundlicher Stimme.
 

An die Wand klatschen… diese kleine Mistmade an die Wand klatschen… Nein! Exakt das war ja bereits geschehen! Allerdings war die Frage, ob der da drüben bereits vorher eine Mistmade gewesen war oder das das Ergebnis war.
 

„Lerchenfels“, korrigierte er sanft. „Wie der Singvogel – und nicht wie die Größe des Humorsektors in Ihrem Hirn…“
 

Kalteis blitze ihn an. Himmel, wie konnte man nur so grüne Augen haben wie - Absinth. „Mehr brauche ich hier ja auch nicht, ich Glückspilz““, säuselte er, als habe er ihm gerade ein hinreißendes Kompliment gemacht.
 

„Waff?“ erwiderte Kunibert. „Tut mir leid. Tumber Deutscher nicht verstehen französische Diffizilität. Tumber Deutscher will messen! Messen! Messen! Nein, nicht essen. Das vielleicht später, oder wenn ein Wildschwein oder so aufkreuzen sollte.“
 

Kalteis glotzte ihn an. „Da hat ja wer seinen „Asterix“ gelesen“, zischelte er.
 

„Ja ja, ich weiß – klein, aber: O ho! Fehlt uns eigentlich nur noch Idefix, die Hinkelsteine sind ja auch schon da. Dann wollen wir mal. Obelix will zu seinen Steinen!“
 

„Schon gut“, murmelte Kalteis und streckte die Hand nach dem bereits ausgelegten Messgerät aus.
 

Haha! Da hatte er ihn fein dran gekriegt, bätsch!
 

…………………………………………………………………………………………………..
 

Cedric starrte seinen ungebetenen Gast an. Mehr als sowieso. Der war wirklich nicht so blöde, wie er aussah. Der war nicht aufs Maul gefallen.
 

Der hatte ihn wirklich kurz sprachlos gemacht! Ihn!!! Und dabei wollte er doch gar nicht sprechen! Erstrecht nicht mit dem da! Hatte ihn mit dem eigenen Klischee aufs Glatteis geführt. So einen Grobklotz wie den da hätte er früher dermaßen klein bekommen, dass er heulend zu Mami gerannt wäre… mit brennendem Schwanz und lodernden Depressionen… Tja, das Ende vom Lied kannte er ja inzwischen. Manchmal kommen sie wieder. Wie Zombies. Und Zombies mochten zwar bratzblöde sein, aber sie waren immer in der Überzahl und hörten niemals auf… bis man auch ein Zombie war…
 

War er so eingerostet? Dass er sich schon von so einem Typen ins Bockshorn jagen ließ? Wahrscheinlich? Aber wie der aufs Maul gefallen war… Er spürte schon wieder dieses Prusten in sich aufsteigen. Auf welchem Niveau bewegte er sich da plötzlich, dass er es lustig fand, wenn jemand in Kuhscheiße klatschte? Er hatte lange nichts mehr zu lachen gehabt, deswegen vielleicht. Aber das stimmte nicht… Er hatte viele „lustige“ Sachen gelesen. Aber das war nur Fiktion gewesen, dies hier war die Realität. Dieser Riese war von einem Haufen Scheiße zu Fall gebracht worden und hatte dermaßen dämlich dabei ausgesehen… Dieses fassungslose Gesicht… Früher oder später fielen sie. Alle. Aber irgendwie fand er ihn jetzt nicht mehr so Angst einflößend, obwohl das Blödsinn war. Der konnte ihn immer noch zerquetschen. Aber so schien er nicht drauf zu sein… aber das war nur eine Sache der Situation. Dieser Zahnarzt hatte wahrscheinlich auch nicht damit gerechnet, wegen eines Sexualdelikts und schwerer Körperverletzung im Kittchen zu landen. Der Richter war hart gewesen, hatte keine Einwände gelten lassen. Hatte vielleicht auch daran gelegen, dass seine Familie so wohlhabend und einflussreich war – und er kein namenloser Stricher. Justitia war blind… auf dem Auge, das nicht nach Geld und Status schielte, auch in einem Rechtsstaat. Er hatte eben eine Macke, arme Familie, wozu die auch noch bestrafen? Da lieber streng durchgreifen, das kam immer gut in der Presse.
 

Aber Lerchenfels wähnte sich garantiert über so etwas erhaben. Außerdem, warum sollte der ihm etwas wollen sollen? Nicht jeder Mann in der Welt außerhalb der Szene war schwul. Ganz und gar nicht. Nur eine Minderheit. Und eine noch viel kleinere Minderheit tendierte dazu, völlig auszurasten. Er wusste selbst, dass es paranoid war, Lerchenfels deswegen zu beargwöhnen. Aber er war paranoid, was das anging, so war das.
 

Er sähe nur Böses, weil ihm Böses geschah… Pfft, der hatte echt keine Ahnung. Und einsam? Jeder Mensch war einsam, aber nur die wenigsten gestanden es sich ein. Nein, er war ehrlich. Vielleicht neben der Spur, wie das die Allgemeinheit definierte – aber ehrlich.
 

Mochte sich Lerchenfels nur fröhlich selber belügen, solange er ihn in Ruhe ließ. Er war eventuell nichts weiter als eine biedere Hete im Barbaren-Kostüm, auch wenn der irrationale Teil seiner Selbst, der das Ruder an sich gerissen hatte, etwas anderes behaupten mochte.
 

…………………………………………………………………………………………………..
 

Kalteis flitzte wie gehabt zwischen den Steinen hin und her wie ein Elf auf Speed. Er kapierte schnell, meist musste Kunibert gar nichts sagen, Kalteis stand bereits am richtigen Ort und durchbohrte ihn mit Blicken, warum er nicht endlich in die Pötte käme. Er besaß eine wahnsinnige Agilität. Kunibert konnte sich inzwischen gut ausmalen, wie der zu einem Freund wie diesem superheißen Etienne mit seinem mondänen Cabriolet gekommen war. Kalteis war helle, Kalteis war die exotischte Erscheinung, die ihm je über den Weg gelaufen war – und Kalteis konnte wahrscheinlich, wenn er denn wollte und einen nicht damit verarschte, der Charme in Person sein. Die Kuh hatte es zwar nicht zu schätzen gewusst, aber das war auch blanker Hohn gewesen. Und wenn der mal wirklich einen auf lieblich machen sollte... Mickrig… vielleicht, aber neben ihm war fast jeder mickrig. Kalteis war nicht mickrig im Geist, das war einigermaßen klar geworden. Allerdings auch nicht mickrig im Wahn… Auch Jakob mit seinen eins achtzig war kleiner und zierlicher als er. Er war chronisch auf Diät, wenn er nicht gerade heimlich Schokolade mampfte, hatte aber genauso chronisch ein paar Gramm zu viel auf den Hüften. Kunibert hatte das nie gestört, er war sein Partner, es gab mehr als einen Waschbrettbauch, davon hatte er selber mehr als genug, das langte für zwei. Aber Jakob war immer am Jammern gewesen, das hatte viel mehr gestört. Dass er abnehmen müsse, dass er mehr Sport machen müsse, und wie ungerecht es sei, dass Kunibert das so leicht falle. Hör auf zu jaulen und beweg deinen Arsch, wenn dich das so stört! Mir ist es egal, Hauptsache du bist… mein Jakob. Aber das war wohl nicht wirklich angekommen. Stattdessen der ganze Scheiß. Brauchte Jakob Bestätigung von außen? Er war doch ein hübscher Mann mit seinen braunen Augen und aschblondem Haar und dem schönen Lächeln und der Stupsnase… reichte es nicht, ihm das immer und immer wieder zu ihm sagen? Und dass er ihn liebte? Anscheinend nicht. Inzwischen war er sich da auch nicht mehr so sicher, wenn es ständig auf taube Ohren stieß. Und wenn Jakob mit einem anderen – oder gar mehr – rumfickte und ihn obendrein noch belog... Denn das tat er. Garantiert. Der vergackeierte ihn – dieses Riesenarschloch! Wie konnte er nur… verdammter Kloß in der Kehle… Lügner! Betrüger! Warum?!
 

„Spa… Lerchenfels! Sind Sie eingepennt!“ holte ihn Kalteis in die Gegenwart zurück.
 

„Entschuldigung“, murmelte er. „Musste gerade an etwas denken.“
 

„Gisela daheim? Mag sie Sie nicht mehr?“ spottete Kalteis, dieses dämliche…
 

„Nein!“ fuhr Kunibert ihn an. „Jakob heißt er! Wir sind seit vier Jahren fest zusammen. Und er bescheißt mich und lügt auch noch darüber!“
 

Kurze Stille. Dann kam ein dünnes: „Sie sind schwul?“
 

„Ja! Und dessen schäme ich mich garantiert nicht vor allen nicht vor Ihnen! Das war doch neulich ihr Ex-Freund, oder? Ich kann erahnen, dass Ihnen in der Hinsicht etwas Grauenhaftes passiert ist. Und Sie haben mein volles Mitgefühl! Aber das war nicht ich, kapiert! Unterstehen Sie sich, das auf mich zu projizieren! Ich bin kein degenerierter Gewaltverbrecher, auch wenn ich aussehe wie – wie haben Sie es so schön formuliert? – ein feuchter Traum Eva Brauns? Das verbitte ich mir! Ich bin weder ein Nazi noch gewalttätig. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie jemanden geschlagen! Gewalt ist für Primitivling und ich bin - verzeihen Sie die Korrektur Ihres Weltbildes – nicht primitiv!“ ging Kunibert ihn an.
 

„Jeder ist primitiv“, kam nur zurück.
 

„Klar, wir sind alle nichts als Affen. Warum hocken wir beide dann eigentlich hier – Sie mit Ihrem wahrscheinlich Trauma, ich mit meiner Doktorarbeit, wenn wir eigentlich nur Bananen fressen, schlafen und ficken wollen und können?“ herrschte Kunibert ihn an.
 

„Der Deckmantel der Zivilisation…?“ murmelte Kalteis und sah gen Boden.
 

„Damit können Sie sich wahrscheinlich mich erklären, obwohl Sie falsch liegen. Aber Sie sich selbst? Was ist daran bitte zivilisiert? Was sind Sie, nichts mehr als ein verstörter Affe?“ haute Kunibert ihm um die Ohren.
 

„Ich bin kein Affe!“ fauchte Kalteis ihn an.
 

„Wenn Sie keiner sind, dann respektieren Sie gefälligst, dass ich auch keiner bin! Auch wenn meine Lieblingsfarbe gelb ist!“ forderte Kunibert.
 

„Gelb steht Ihnen nicht“, flüsterte Kalteis fast unhörbar.
 

„Was?!“ bohrte Kunibert.
 

„Ich sagte: Gelb steht Ihnen nicht!“ wiederholte er lauter und sah auf. „Blondinen in Gelb – grauenhaft! Tragen Sie Blau oder Braun oder Schwarz…“
 

Kunibert konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Ich weiß. Ich sehe aus wie eine Monsterbanane. Aber das ist mir scheißegal. Ich mag Gelb. Auch wenn es mir nicht steht. Ist mir Wurst! Ist doch kotzegal, was die Anderen denken, wenn es einem gefällt! Wenn ich eine Monsterbanane sein will, dann werde ich das auch tun! Genau wie Sie das tun… was immer Sie hier tun.“
 

Kalteis kniff nur wieder die Lippen zusammen. „Ich werde von einer Monsterbanane zum Vermessungsdienst genötigt, das tue ich. Dann bin ich anscheinend doch sehr wohl ein Affe – auf Koks. Möchte die Monsterbanane jetzt langsam mal weiter machen?!“
 

………………………………………………………………………………………………..
 

Lerchenfels war schwul… Lerchenfels war schwul… gar nicht gut… gar nicht gut… Der mochte sich noch so sehr etwas auf sein Wesen und seine Moral einbilden, das alles ging schneller Hopps als er sich denken mochte. Der Auslöser mochte bei jedem anders gesetzt sein… aber es war da… es war da… egal für wie lammfromm sich jemand halten oder geben mochte.
 

Wenn der auch nur eine schiefe Bewegung in seine Richtung machte…! Tat er bisher nicht, glotzte stattdessen in sein billiges Notizbuch, das er in der Schreibwarenabteilung irgendeiner Drogerie aufgegriffen haben mochte. Da war ein flammendes, mit Schlangen umwundenes Herz drauf abgebildet, wie… geschmacklos. Und er gab ihm noch Modetipps… Das war wahrscheinlich ein völlig hoffnungsloser Fall. Aber immerhin stand er dazu… trotzdem grässlich…
 

Als wüsste er nichts selbst, dass sich die Menschheit nicht chronisch gegenseitig abschlachtete! Dass ein nicht geringer Teil der Menschheit in der Tat ihr Lebtag nichts sonderlich Krummes machte. Aber auch sie könnten… Die Frage war nur: unter welchen Umständen?
 

………………………………………………………………………………………………..
 

„Was ist das?!“ schreckte Kunibert hoch. Aber Kalteis war bereits von der Bildfläche verschwunden, was Wunder. Er meinte ihn ein: „Schon wieder! Scheiß Pferde-Tussis!“ murmeln gehört zu haben. Hektisch sah er sich um, die Steinreihen in Richtung des Geräusches entlang laufen. Diesen Laut konnte er in der Tat leicht zuordnen. Aus dem Schatten hervortretend sah er sie. Pferde, immerhin keine weitere Kuh, und darauf ein Rudel jauchzender Frauen. Die Stimmen verrieten, dass es Landsmänninnen von ihm waren, der Dialekt klang nach Hessen. Er spurtete auf sie zu, sie hatten ihn bereits entdeckt, bremsten und sahen ihn ein wenig schuldbewusst an.
 

„Moinmoin!“ grüßte er, was gewisse Heiterkeitsanfälle auslöste.
 

„Ein Nordlicht!“ freute sich die Frau ganz vorne, eine etwas untersetzte Mittvierzigerin mit vor Aufregung geröteten Wangen. Ob das an ihm lag oder an der freudigen Erfahrung des Reitens ließ er Mal dahin gestellt.
 

„In der Tat“, erwiderte er höflich. „Aber Sie befinden sich hier auf einem Privatgrundstück, der Besitzer möchte nicht, dass hier Leute durchkommen“, erklärte er ihnen.
 

Sie sahen ihn ein wenig bedröbbelt an. „Tut uns leid…“, gestand eine Andere, ziemlich lang Gewachsene im roten Landsend-Flies-Pullover. „Aber es sah hier so verlassen aus und die Steine… da sind wir ein bisschen von der Straße ab… das sah so… interessant aus hier“, meinte sie und nickte in Richtung des Feldes.
 

Kunibert seufzte: „Kann ich verstehen. Aber der Grundbesitz befindet sich nun einmal in privater Hand, und der Besitzer lehnt Besuch ab.“
 

„Kommt nicht wieder vor!“ versprach die Kleinere. „Aber was machen Sie denn dann hier, Sie sind doch anscheinend auch nicht der Besitzer?“ wollte sie neugierig wissen.
 

„Ich… bin Wissenschaftler und bin wegen der Menhire hier. Aber dazu war eine Sondergenehmigung nötig“, erklärte er.
 

„Der Besitzer hört sich ja recht eigen an“, grübelte sie. „Das hier wäre doch so eine Touristenattraktion! Da ließe sich viel Geld mit verdienen!“
 

„Mmm… wahrscheinlich. Aber das liegt nicht in meinem Ermessen“, murmelte Kunibert, innerlich ein wenig verärgert darüber, dass die Leute da immer gleich ans Geld dachten. Aber das war wahrscheinlich ungerecht, die Stätte zu öffnen, würde mehr bedeuten… Aber das würde Kalteis nicht im Traume einfallen. Und von seinem Standpunkt aus war das auch nachvollziehbar, auch wenn der Rest der Menschheit dabei in die Röhre sah, aber das würde er wahrscheinlich überleben. Wie auch immer, das Land gehörte Kalteis, ob es der Menschheit diente oder nicht, das war da wohl kaum das Kriterium.
 

Die Frauen winkten ihm zu und begannen, brav in Richtung der Straße trabend, wieder plaudernd von der Landschaft, dem Ritt, ihrem Urlaub zu schwärmen – und von den leckeren Meeresfrüchten hier, dem Wein, dem Käse… von all den schönen Sachen, die die Touristen eben hierher zog.
 

Er wandte sich wieder um und joggte retour, die Kuhfladen von gestern großflächig umgehend. Noch einmal würde er Kalteis diesen Gefallen nicht tun, auch wenn ihn das gegen alle Gewohnheit noch so sehr erheitert haben mochte. Außerdem schien sein Publikum außer Sichtweite zu sein, obwohl er sich da nie so ganz sicher sein konnte, hinter welchem Stein der andere gerade lauerte.
 

„Kalteis?“ brüllte er. „Los, kommen Sie angewieselt, geht weiter, die „Pferde-Tussis“ sind weg“, rief er, kurz das Bild seiner Schwester vor Augen, was die mit ihm anstellen würde, wenn sie ihn beim Aussprechen des Wortes „Pferde-Tussi“ erwischen würde. Nichts Angenehmes auf jeden Fall.
 

Schicksalsergeben verharrte er und musterte die Steine im Radius um sich herum, innerlich mit sich Wetten abschließend, hinter welchem er diesmal auftauchen würde. Der da links sah gut aus, der Schatten stand gerade so, dass er ein abruptes Erscheinen wie aus dem Nichts begünstigte. Allmählich entdeckte er ein gewisses System hinter Kalteis Verschwinden und Erscheinen. Er kannte nicht nur die Steine in und auswendig, sondern nutzte auch den Stand der Sonne, die Blickrichtung seines Gegenübers sowie das Überraschungsmoment, nicht unbedingt das zu tun, was man ganz offensichtlich erwartete. Jetzt glänzte er jedoch mit Abwesenheit, ganz neue Taktik.
 

„Kalteis…? Huhu? Keine Zeit verschwenden, schon vergessen? Sonst schlägt die Monsterbanane hier noch Wurzeln!“ wiederholte Kunibert seinen Lockruf, doch wieder verrannen Minuten, ohne dass etwas geschah.
 

„Kalteis? Kommen Sie… put put…Die Steine vermessen sich nicht von alleine! Kalteis…? Ist irgendetwas…?“ rief er erneut und fühlte einen Funken Besorgnis in sich aufsteigen. Kalteis war doch sonst immer so zuverlässig…? Er setzte sich in Bewegung und umrundete die nahe gelegenen Steine, schaute sogar hinauf auf zu den Spitzen der hoch aufragenden, falls er da hocken sollte, ihn stumm anstarrend wie ein Bergluchs… Warum auch immer… Aber den Blick hätte er gespürt, mit Gewissheit… der war nicht hier.
 

„Kalteis? Was ist los? Doch nicht wegen der Reiterinnen, oder? Nein… die haben Sie bloß sauer gemacht, oder? Sind Sie ins Haus, um sich telefonisch zu beschweren oder was? Dann sagen Sie doch etwas, eh ich hier stehe wie Piek Blöd!“ beklagte er sich und sah in Richtung des Hauses. Es lag verrammelt und verriegelt da, aber er hätte es auch nicht mitbekommen, wenn der andere derweil hinein gewuselt wäre. Eine Klingel gab es nicht, so viel hatte er schon spitz bekommen, und sich brüllend vor Kalteis Haustür aufzustellen war auch nicht gerade der genialste Plan. Da half wohl nur zu warten. Er kramte seine Wasserflasche und ein belegtes Brötchen aus dem Lunchpaket hervor, das er sich am Morgen gebastelt hatte. Dieser bretonische Käse… da musste er den Touristinnen von eben durchaus recht geben… lecker…
 

Fünfzehn Minuten später war immer noch nichts geschehen. Der telefonierte doch nie im Leben so lange… oder hatte der sich gleich bis zum Fremdenverkehrsministerium durchstellen lassen…? Oder war noch etwas anderes passiert, während er vom Feld fort gewesen war? Er rappelte sich erneut auf.
 

„Kalteis!“ brüllte er jetzt mit voller Kraft. „Machen Sie keinen Blödsinn, Mann! Ich bekomm hier echt allmählich Schiss! Wo sind Sie hin? Ist was?!“
 

Nichts, nur der Wind und das Summen der Bienen.
 

Scheiße.
 

Ein merkwürdiges Gefühl beschlich Kunibert. Irgendetwas war hier nicht in Ordnung. Ganz und gar nicht.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  AzurSmoke
2011-08-01T20:52:53+00:00 01.08.2011 22:52
Oh je, ich hoffe Cedric hat sich nichts getan. Ansonsten müsste sich unsere Monsterbanane ein Rotes Kreuz aufmalen und ihn retten gehen :-)

LG
AzurSmoke


Zurück