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How to save a life

von

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Silently

http://www.youtube.com/watch?v=rqmAerlkWMk

“Standing on the edge believing.“
 

Kapitel 13
 

„Ach, komm, lass es einfach. Es passt dir oder es passt dir nicht, aber ändern kann ich an der ganzen Sache sowieso nichts mehr. Meine Güte, was ist denn so schlimm daran?“

„Jetzt dreh mal nicht durch hier. Ich bin nicht die Person, die alle anderen anlügt, schon vergessen?“

„Schon vergessen, dass das alles nicht so einfach ist?“

„Ja, red dich hier nur mal schön raus. Du weißt genau, dass du es dir zu einfach machst mit der ganzen Sache. Wenn dir was dran liegen würde, das alles aufzuklären, hättest du es schon längst getan.“

„Mir liegt was dran, aber es geht eben einfach nicht. Wieso denn unnötigen Schmerz verursachen?“

„Schmerz nennst du das, ich Feigheit.“

„Jetzt komm schon. Sieh’s nicht alles so verbissen. Ich kann es einfach niemandem sagen. Das hat nichts mit Feigheit zu tun, das ist einfach nur, weil ich es nicht will.“

„Das ist feige. Du spielst es doch nur runter.“

„Lass mich einfach in Ruhe.“

„Lügner. Sag es ihr, sonst tu ich es.“

„Misch dich nicht in mein Leben ein! Es ist meines und ich lebe es, wie ich will, Herrgott noch mal. Wenn ich es ihr nicht sagen will, dann will ich das eben einfach nicht.“

„Hab dich nicht so. Ich find’s nur einfach scheiße von dir.“

„Du bist ja nur beleidigt, weil ich’s dir vorher nicht gesagt habe.“

„Ich wär auch beleidigt, wenn du es mir schon gesagt hättest. Mann, verstehst du eigentlich nicht, worauf ich hinauswill? Du bist lächerlich, lächerlich, lächerlich.“

„Ach, komm, ruf wieder an, wenn du dich beruhigt hast. Wenn hier jemand lächerlich ist, dann ja wohl du. Du solltest zu mir halten, aber stattdessen maulst du nur rum. Darauf kann ich verzichten, ganz ehrlich.“
 

Benedikt knallte den Hörer auf und wollte die Antwort seiner Schwester nicht einmal mehr hören. Es war doch sowieso egal. Sie fand seine… Sexualität beschissen und zeigte ihm das auch ziemlich deutlich. Oder fand sie es nur schlimm, dass er es Rhia nicht sagte?

Er zuckte die Schultern. Hatte keine Ahnung und drapierte lieber das Kissen, das seinen Nacken stützte, besser.

Für seinen Arsch brauchte er jetzt Gott sei Dank keines mehr. Zwei Tage, nachdem Rouven mit ihm geschlafen hatte, hatte er es immer noch gefühlt. Ihn gefühlt.

Es war kein unangenehmes Gefühl gewesen, aber es tat weh. Drei Tage lang hatte er sich nirgendwo blicken lassen und Rhia hatte am Ende einen Schreikrampf bekommen, weil er, wenn überhaupt, nur kurze Nachrichten auf ihrer Mailbox hinterlassen hatte. Na ja, war ja nichts Schlimmes dabei. Vielleicht machte sie ja mit ihm Schluss und er musste nichts mehr tun. Das wäre schön.
 

Aber er kannte sie zu gut. Sie würde es nicht tun. Rhia war nicht der Typ für so was. Rhia würde ihn anschreien, ihn fertigmachen und ihm dann versöhnlich ein Lächeln zuwerfen. Wie immer eben.

Bene seufzte und lehnte den Kopf gegen die Wand.

Er saß auf dem Boden im Gang, in dem das Telefon stand. Seine Mutter klapperte in der Küche lautstark mit irgendwelchen Tellern vor sich hin und ansonsten herrschte Totenstille.
 

Er brauchte dringend Abwechslung.

In der letzten Woche hatte er sich extrem zusammengerissen. Nach dem Streit mit Sarah hatte er beschlossen, Rouven erst recht noch mal zu… na ja, erst recht noch mal mit ihm zu schlafen. Er war fest davon überzeugt gewesen, dass er ihn sofort anrufen würde, sobald er zu Hause gewesen wäre. Aber dann… nun ja, mit jedem Tag, mit jeder Stunde, Minute, ja, mit jeder Sekunde, die verstrichen war, war es schwerer geworden, das Telefon in die Hand zu nehmen und Rouvens Nummer zu wählen. Sobald er das Handy in der Hand hatte, ging nichts mehr. Seine Finger fühlten sich an wie aus Blei und er konnte keine einzige Zahl mehr erkennen.

Wie sah noch mal die Eins aus?
 

Lustlos warf Bene einige Papierzettel an die gegenüberliegende Wand, die er aus einem Notizblock gerissen hatte, der auf dem Telefontischchen herumlag. Reglos registrierte er, wie sie zu Boden fielen und einfach liegenblieben.

Nichts rührte sich ohne fremde Hilfe.

Er streckte einen Fuß aus und stupste eine Kugel an. Sie bewegte sich einige Zentimeter weiter und blieb wieder liegen.

War es im Leben genau dasselbe? Konnte man Dinge nur ins Rollen bringen, indem man etwas dafür tat? Hatte Sarah am Ende doch recht gehabt?
 

Mürrisch und genervt von seinen eigenen Gedanken stand Benedikt auf. Das war doch alles bescheuert. Er sollte mal wieder etwas Sinnvolleres tun, beispielsweise ein Wochenende mit Freunden erleben oder eine seiner berühmt-berüchtigten Supernatural-Poker-Nächte veranstalten, die einfach nur unendlich gut taten.

Er seufzte. Hinbekommen tat er ja trotz allem nie etwas. Benedikt eben.
 

„Du sitzt ja immer noch hier. Wie lange soll das noch so weitergehen?“ Überrascht stand seine Mutter im Flur und angeätzt von ihrem Verhalten verdrehte Bene die Augen. „Ja, tu ich. Ich sitz seit zweieinhalb Stunden im Gang und wenn du jetzt nicht weggehst, werd ich noch weitere zweieinhalb Stunden hier verbringen, einfach aus Prinzip.“

„Verdammt, was hast du denn bitteschön wieder für eine Laune? So verhält man sich niemandem gegenüber, schon gar nicht seiner Mutter. Du bist doch kein kleines Kind mehr oder kein nerviger Teenager. In deinem Alter sollte man dem schon entwachsen sein. Aber du, du kommst ja anscheinend erst mitten hinein. Dann bleib eben hier sitzen und schmoll, es ist mir doch egal. Du musst es ja nicht immer an mir oder deiner Schwester auslassen. Sie hat mich vorhin angerufen und mich gefragt, was zur Hölle eigentlich mit dir los sei, aber das wusste ich auch nicht. Nur zu, bemitleide dich selbst bei was auch immer. Ich werd mich nicht mehr einmischen.“
 

Verblüfft verfolgte Benedikt, wie sie sich umdrehte und in die Küche verschwand. Großer Gott, jetzt hatte er es also endgültig geschafft und auch noch seine Mutter gegen ihn aufgehetzt. Natürlich war er in den letzten Tagen nicht gerade nett zu ihr gewesen, aber… von Müttern erwartete man doch anderes, oder?

Na ja, seine Mutter war ohnehin anders als andere. Im einen Moment war sie lieb und sanft und umschwirrte ihn mit polnischen Koseworten und typischem Mütterzeugs und im nächsten stand sie vor ihm, schrie ihn an bis zum Gehtnichtmehr und verlangte irgendwelche vollkommen unmöglichen Dinge von ihm, die er weder erfüllen wollte noch konnte. Sie hatte ein seltsames Temperament, einerseits war sie sehr östlich veranlagt, andererseits hatte sie die deutsche Lebensweise auch übernommen und Benedikt musste oft Dinge runterschlucken, die von ihr kamen, die wirklich unendlich wehtaten, was wohl auch ein Grund war, weshalb er ziemlich still war, wenn er Menschen nicht sehr gut kannte.
 

Kopfschüttelnd stand er endlich auf und überließ seiner Mutter somit den Sieg. Sie war zwar in der Küche, aber das hieß bei ihr gar nichts. Innerhalb von drei Sekunden konnte sie hier sein und das war sie wohl auch, wenn er nicht schnell verschwand. Immer noch fassungslos über seine Mutter stieg er die Treppe nach oben hinauf, um schnellstmöglich in seinem Zimmer verschwinden zu können.
 

Er warf sich aufs Bett und fragte sich, ob es eine klare Lösung für sein Problem geben konnte. Sein Rouvenproblem. Das Problem, dass er ihn nicht anrufen konnte, nicht schreiben und nicht mit ihm reden.

Sein Blick wanderte an die Decke und seufzend fragte Benedikt sich, ob es nicht einen ganz einfachen, sauberen Schnitt für das Ganze geben konnte.

Er hatte noch nicht einmal über Folgen nachgedacht. Er hatte überhaupt nicht nachgedacht. Was er getan hatte, das war einfach aufzuzählen: Er hatte Rouven geküsst, er hatte mit Rouven geschlafen, er hatte eine Freundin. Was würde geschehen, wenn nicht nur die wüsste, dass er mit Rouven etwas am Laufen hatte, sondern alle?

Coming-Out.

So nannte man das in der modernen Welt. Ein Coming-Out.

Und dann?
 

Dann wusste jeder, was los war. Was man war. Wer man war. Wen man liebte.

„Schwul.“ Er würgte. Das Wort kam ihm nicht leicht über die Lippen und hinterließ einen bitteren, schalen Nachgeschmack. Er formte es mit seinem Mund, ohne es erneut auszusprechen. Schwul. Verliebt in einen Typen. Das war das Ende.

Aber er liebte Rhia doch auch. Oder? Zumindest mochte er sie sehr gerne, wenn sie nicht gerade eine ihrer beschissenen Phasen hatte.

Er seufzte und vergrub den Kopf in den Händen. Verdammt.
 

Wie würde die Welt nur auf so was reagieren? Seine Freunde, seine Familie. Rhia.

Fuck.

Er dachte daran, was sein bester Freund mal über Homosexuelle gesagt hatte, als sie irgendwie daraufgekommen waren…
 

„Das ist doch einfach nur krank. Ich mein, ist ja nichts dabei, wenn sie meinen, nicht mit dem anderen Geschlecht vögeln zu müssen, aber dann noch… so was? Das ist widerlich, ganz ehrlich.“

„Wieso denn, Eric? Was ist daran so falsch?“

Er lachte nervös auf. „Ist es einfach. Stell dir das doch mal vor: Sex mit… einem Typen. Wie eklig!“

Bene schüttelte den Kopf. „Aber dagegen kann man doch nichts tun. Sie finden es eben… schön.“

Eric grunzte angewidert. „Vergiss es. Es ist einfach nur abnormal.“
 

Damals hatte er Rouven noch nicht einmal gekannt, aber hatte einfach das Bedürfnis gehabt, etwas dagegen zu sagen. Es war ja auch nicht direkt scheiße von Eric gewesen, das zu sagen.

Er konnte ihn verstehen. Eric. Der Junge aus dem Heim, in dem er schon sein ganzes Leben lang wohnte. Der Junge ohne Emotionen.

Egal, was man ihm sagte, er nahm es hin. Abgehärtet durch das strenge Leben im Heim, war ihm nichts fremd und nichts konnte ihn schocken – mit wenigen Ausnahmen, zum Beispiel… Homosexualität.

Seine Augen wurden groß und sein Mund verschloss sich zu einem dünnen Strich, sobald die Rede auf schwule oder lesbische Menschen kam. So etwas konnte er einfach nicht ertragen und dann wurde der eigentlich umgängliche Eric zur Furie.
 

Warum genau er so dagegen war, wusste Bene nicht. Er konnte es sich auch nicht denken. Na ja, vielleicht ein wenig. Dort, wo Eric wohnte, war keines dieser Heime, die man eigentlich nur aus schlechten Büchern, Filmen oder Oliver Twist kannte, aber eines von denen, in denen alles noch ein wenig schlechter war als sonst wo. Homosexualität wurde nicht geduldet und das bläuten die Älteren den Jüngeren auch gut ein.

Nun gut, konnte auch sein, dass Benedikt es übertrieb. Er kannte dieses Heim ja nicht so, wie Eric es kannte, aber gut genug, um sagen zu können, dass Eric… hm. Eric war hin und wieder einfach komisch und Rhia konnte ihn absolut nicht leiden.

Aber trotzdem war er Benes bester Freund seit zig Jahren und er würde ihn gegen nichts eintauschen.
 

Bene seufzte laut auf. Eigentlich sollte er sich nicht beklagen. Sein Leben war zwar kompliziert, aber wenigstens nicht so… beschissen. Natürlich hatte er Probleme mit Rhia und Rouven, aber wenigstens… hatte er eine Familie und musste sich nicht das Zimmer mit einem Typen teilen, der jede Nacht Albträume vom Tod seiner Eltern hatte. Und normalerweise dachte er nicht über Erics Situation nach, weil er es einfach nicht tat. Für ihn war es eine gegebene Tatsache, im Heim zu leben und nichts Großes oder Wahnsinniges. Seine Eltern hatte er nie gekannt und sah deshalb auch kein Problem darin. Oder zumindest… gab er es nicht zu.
 

Eigentlich sollte er sich an ihm ein Beispiel nehmen. Er kam trotz allem gut durchs Leben, dieser Eric, und zwar besser als viele andere. Er versteckte sich nicht und ging mutig durch die Welt, auch wenn er immer damit rechnen musste, dass ihm etwas geschah.

Bene drehte sein Handy in den Händen herum. Eric würde es verstehen, oder nicht? Er war sein bester Freund und er wusste doch, dass Benedikt kein schlechter Mensch war.
 

Oder?

Bene schien von Menschen nicht die geringste Ahnung zu haben. Immerhin hatte er auch von Rouven gedacht, er wäre ein gefühlstoter Klotz, der nur auf Sex aus war. Er hatte von Rhia gedacht, sie wäre eine Schlampe, die alle fünf Minuten zum Spiegel rennen würde, um ihr Aussehen zu überprüfen oder aufs Klo, um zu kotzen. Er hatte seinen besten Freund damals gehasst ohne Ende und geglaubt, er wäre arrogant und widerlich.

Er lag immer falsch. Immer.
 

Rouven hatte Gefühle und konnte diese sogar hin und wieder ziemlich heftig zeigen.

Rhia war tiefsinnig und, obwohl sie streitsüchtig war, ein wahnsinnig lieber Mensch.

Eric war intelligent und witzig und schlagfertig ohne Ende und ohne ihn würde etwas fehlen. Ohne all diese Menschen würde etwas fehlen.

Wahllos und abwesend drückte Bene ein paar Tasten, bis er auf einmal merkte, dass er etwas getippt hatte. Verwirrt las er es. Dann lächelte er. Nickte. Drückte auf Senden und ließ sich nach hinten fallen.
 

Rouven, ich liebe dich. Nimm’s als gegeben hin oder nicht, aber ich liebe dich wirklich. Benedikt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Milura
2011-02-11T13:29:38+00:00 11.02.2011 14:29
So, jetzt melde ich mich auch mal zu Wort.
Ursprünglich bin ich auf ff.de auf deine Geschichte gestoßen und... um es kurz zu sagen: Ich bin vernarrt. In deine Schreibweise, in die Geschichte selbst und auch in die Charaktere. Das hier ist eine der wenigen Storys, in der es wirklich (noch) gar keinen Charakter gibt, den ich gar nicht mag. Außerdem bin ich ziemlich neugierig auf Eric - der taucht doch noch auf, oder?
Ich fiebere den neuen Kapitel ehrlich gesagt immer regelrecht entgegen.

Bedanken muss ich mich auch:
Dafür, dass du mir auch noch einen neuen Eintrag auf meiner (imaginären) Lieblingsliederliste beschert hast: Only you aus Kapitel Neun, welches übrigens auch mein bisheriges Lieblingskapitel ist, so nebenbei...

Und, um auch noch ein kleines Bisschen zu Kapitel 13 und 12 zu sagen: Ich wusste es. Spätestens als Rouven im die SMS ungelesen gelöscht hat, wusste ich was drin gestanden ist. Ist zwar schade drum, aber Mael hat es sich wohl auch verdient, dass sich mal jemand um ihn kümmert.

lg
Milura
Von:  Shilou
2011-02-10T21:30:51+00:00 10.02.2011 22:30
OOOOOOH Mann das hält ja kein normaler Mensch mehr aus!! >.<
Endlich sagt ... oder schreibt Bene mal die Wahrheit über sich und seine Gefühle und Rou löscht die Nachricht ohne sie zu lesen!! Ö.Ö

Am liebsten würde ich in deine FF rein krabbeln und mal alles klar stellen ... oder einfach nur alle zur Sau machen!! XD

Über was sich Bene nur Gedanken macht, vor allem hat er doch jetzt fest gestellt, das er mit seinen Vermutungen und Einschätzungen total falsch liegt!! O__o

Aber ich finde die bildliche Vorstellung das Bene in seinem Zimmer hockt und sich über die eigenen Gefühle für Rou freut, einfach nur süß!!
Bene bekommt dafür einen winzigen Pluspunkt ... aber nur einen ganz Kleinen!! :3
Im nächsten Kapi kann ich ihm den bestimmt eh wieder streichen!! XD

Also dann bis Montag!!
LG Shilou :D


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