Zum Inhalt der Seite

Drache des Westens

Das Leben des General Iroh
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Von Sitten und Pflichten

Fon wusste nicht mehr weiter. Irgendwie schien es, als hätten Iroh und er die Rollen getauscht. Auf einmal war es der Diener, der dem Prinzen jede noch so kleine Kleinigkeit aus der Nase ziehen musste.

"Nun sagt schon, was ist passiert?"

"Nichts besonderes."

"Ich würde es doch so oder so rausfinden."

"Da bin ich mir sicher."

Der Spion blieb stehen um ein paar tiefe Atemzüge zu tun. Dass Seine dickköpfige Hoheit auch immer so ein Tempo vorlegen musste!

"Was ist?" wollte Iroh wissen.

"Was ist?" echote Fon. "Was ist, ist dass ich gerne für dich arbeiten kann, aber sobald es interessant wird, erfahre ich überhaupt nichts!"

Nachdem ihm das letzte Wort über die Lippen gekommen war, schlug sich der Diener die Hand vor den Mund.

"Verzeiht, Hoheit, ich wollte nicht..." stammelte er nur. Doch Iroh Tatzu grinste. Solche Entgleisungen passierten selten und auch nur dann, wenn Fon Yuhao äußerst wütend oder beleidigt war.

"Schon gut, Fon," sagte der Prinz amüsiert, "ich erzähle dir alles. Sonst würdest du mir womöglich noch nachspionieren."
 

Das mit der Spionage war Agni sei Dank bei Fräulein Nola nicht mehr nötig. Deshalb war Iroh die ganze Arbeitswoche über auch verhältnismäßig entspannt. Er war sichtlich gut gelaunt und erfüllte seine Pflichten ohne sich zu beschweren (abgesehen davon würde er es nie wagen, tatsächlich einmal bei seinem Vater eine Beschwerde einzureichen). Statt abends auszugehen blieb er im Palast und genoss seine Musikstunden - Tsungi Horn spielte er am liebsten.
 

Es war ein lauer Sommerabend, als sich Iroh guter Dinge auf den wohlbekannten Weg zum vereinbarten Treffpunkt machte. Das zweite Mal, da er die Höhle hinter dem Wasserfall betrat, wurde er wesentlich freundlicher begrüßt als bei seinem Debüt vor ein paar Tagen.

"Hallo," sagte Nola in einem dunklen aber warmen Tonfall und neigte sacht ihr Haupt. Sie trug die gleichen schlichten Kleider wie bei ihrem letzten Treffen.

"Einen wunderschönen sonnigen Spätnachmittag wünsche ich," strahlte Iroh. "Wie geht es dir?"

Der Fürstensohn setzte sich auf den nächstbesten größeren Stein und sah Nola erwartungsvoll an.

"Gut," sagte sie verlegen. Eine Weile sprach keiner von ihnen ein Wort. Es war diese seltsame, peinlich berührte Stille, die zwischen den beiden im Raum schwebte. Das überstürzte erste Aufeinandertreffen, das wahnwitzige Wiedersehen; und jetzt diese gut geplante Verabredung zum, na was denn nun eigentlich? Diese totale Unwissenheit gepaart mit der durchaus vorhandenen sexuellen Spannung machte jene Begegnung zu einem mehr als unangenehmen Ereignis. Und trotzdem fühlten sich Iroh und Nola in der Gegenwart des jeweils anderen merkwürdig wohl. Das allerdings half auch nicht dabei, Worte zu finden. Doch Nola fasste sich schließlich ein Herz und sprach aus, was ihr schon seit Minuten auf der Zunge gelegen hatte: "Du bist doch sicherlich wegen etwas anderem hier als um nach meinem Befinden zu fragen, stimmt's?."

Da Iroh sie nicht unterbrach sondern nur fragend ansah, fuhr sie fort: "Nun, wir können natürlich auch über's Wetter reden, aber du willst doch bestimmt lieber wissen, wie es dazu kommt, dass eine Bande vom Wasserstamm mitten im Krieg in der Hauptstadt der Feuernation landet."

"Nun... ja," gab Iroh zu. Diese Neugier plagte ihn tatsächlich seit einigen Nächten.

"Also," murmelte Nola und atmete kräftig aus. "Wo fange ich an?" Sie setzte sich nun ebenfalls, zögerte einen Augenblick, und begann dann zu erzählen: "Meine Großeltern väterlicherseits kommen vom Nördlichen Wasserstamm. Beide sind Wasserbändiger, doch nur meinem Großvater war diese Kunst erlaubt. Die Sitten im Norden sind sehr streng und Frauen dort ist es verboten, zu bändigen. Ihre Kräfte werden einzig und allein auf das Heilen reduziert." Nolas Mine verhärtete sich bei diesem freiheitsraubenden Gedanken.

"Keyna, meine Großmutter, war unsagbar wütend und traurig, dass sie das, was sie war, nicht entfalten konnte. Sie fühlte sich unvollständig, wenn sie nicht bändigen durfte. Ihre Eltern waren sehr konservativ und ihre Mutter konnte ihr Problem nicht nachvollziehen, weil sie keine Bändigerin war. Einzig und allein mein Großvater, Huroka, hielt zu ihr. Er liebte sie so sehr, dass er bereit war, mit ihr die gemeinsame Heimat zu verlassen, damit Keyna frei sein konnte. Sie schmiedeten einen Plan, doch dann brach der Krieg aus und alles schien zunichte gemacht. Ihr Ziel war natürlich der Südpol gewesen, wo andere Sitten herrschen."

"Warum sind sie dann bitte hierher gekommen?" fragte Iroh neugierig. Obwohl er fand, dass er ziemlich erwachsen war, hörte er bei alten Geschichten immer so aufmerksam zu wie ein wissbegieriges Kind.

"Das Auge des Sturms," sagte Nola. "Am sichersten ist es im Auge des Sturms. Wo werden Wasserbändiger am wenigsten vermutet? Im Land des Feindes natürlich. Sie wussten, dass die Feuernation nach Bändigern anderer Elemente fahndete – doch die würden vermutlich nie auf die Idee kommen, in unmittelbarer Nähe des Palastes zu suchen. Also ließen Huroka und Keyna den Nordpol hinter sich und machten sich auf den Weg nach Tiram Agni. Es würde unter normalen Umständen unmöglich für sie werden, die Grenze zu passieren. Deshalb gaben sie sich als fahrende Teehändler aus, mit dem Wunsch, in der 'glorreichsten aller Städte' ein Lokal aufzumachen. Wie du weißt, hat es funktioniert."

"Und jetzt... bist du hier," sinnierte Seine Hoheit.

"Genau. Jetzt bin ich hier. Mein Vater heiratete eine Frau hier aus Tiram Agni. Und ich... ich bin eine Bändigerin, genau wie meine Großeltern."

"Wow," sagte Iroh und er klang tatsächlich beeindruckt. "Und ich dachte erst du würdest einer Art Untergrundorganisation angehören."

Nola kicherte zum ersten Mal seit zwei Wochen wieder in Irohs Gegenwart.

"Untergrundorganisation?"

"Allerdings! Mit geplanten Attentaten und allem was dazu gehört."

Das Mädchen lachte herzlich.

"Wir und ein Attentat?" giggelte sie. "Der Wasserstamm ist friedlich und so sehr wir den Krieg verabscheuen, wir würden nicht auf die Idee kommen, hier irgendetwas in der Art zu veranstalten."

"Erzähl' mir vom Wasserstamm" forderte Iroh unvermittelt. Er hatte schon immer ein gewisses Faible für die anderen Elemente gehabt, doch nie hatte er Literatur gefunden, die aus der Sicht von Einheimischen geschrieben worden war. Zugegeben, Nola war gebürtig in der Feuernation, doch nichtsdestotrotz gehörte sie den Wasserstämmen an.

"Nun ja," sagte Nola. "Wo fang ich an? Die Geschichte meines Volkes ist uralt. Man sagt, der Mond sei der erste Bändiger des Wassers gewesen, weil er die Gezeiten schuf; Ebbe und Flut, Sog und Schub. Das Symbol der Balance ist sehr wichtig für uns. Wir wissen, dass es immer zwei Seiten gibt im Leben; Wasser und Feuer, Erde und Luft, Licht und Schatten. Der Geist des Mondes und der Geist des Ozeans haben sich einst am Nordpol in weltlicher Form niedergelassen. Sie umkreisen sich seit jeher in einem ewigen Tanz."

"Ein ewiger Tanz?" fragte Iroh skeptisch und runzelte die Stirn.

"Oh ja," antwortete die Wasserbändigerin. "Es sind Fische; Tui und La."

"Verstehe..." murmelte der Prinz. Einen Augenblick lang sagte keiner von beiden ein Wort, denn irgendwie schienen sie in ihren eigenen Gedanken versunken zu sein.

"Ach so!" sagte Iroh plötzlich. "Das Yin und Yang Zeichen über der Tür eures Teehauses! Es sind zwei Fische, richtig?"

Nola nickte und grinste. "Gut erkannt," bestätigte sie ihm.

"War das nicht riskant?" fragte Iroh unvermittelt.

"Riskant? Was, dass die Fische uns verraten könnten?" Nola lächelte. "Nein. Die Menschen sind unachtsam. Sie übersehen vieles was ihnen begegnet oder sie können es nicht verstehen. Hast du denn bemerkt, dass es Fische sind? Und wenn ja, hättest du ihre Bedeutung erkannt? Dass selbst der Kronprinz von Tui und La nichts weiß, bestätigt doch nur, dass diese Geschichte auch den anderen Menschen der Feuernation unbekannt ist."

"So sieht es aus," schnaubte Iroh. "Meine Vorfahren hatten nie viel übrig für die anderen Elemente. Anscheinend fühlten sie sich so überlegen, dass sie es nicht für wichtig hielten, sich mit ihnen auseinander zu setzen."

"Ja, anscheinend..." sinnierte Nola und starrte an die Höhlendecke. In ihrem Kopf rasten die Gedanken. Sie verspürte den Drang, den Prinzen nach dem Krieg zu fragen; was er davon hielt. Irgendwie musste sie einfach wissen, ob er ein Freund oder ein Feind war. Aber sie konnte nicht. So wie Iroh sich ihr gegenüber verhielt, konnte er einfach nicht so sein wie der Rest seiner Sippe. Und was wenn doch? Nola biss sich auf die Lippen. Es schien ihr das vernünftigste zu sein, erst einmal gar nichts darüber zu sagen. Im Moment gab es nichts, was sie ausrichten konnte. Stattdessen beschloss sie, nicht von der persönlichen Ebene abzuschweifen.

"Was ist eigentlich mit dir?" fragte sie schließlich. "Von dir weiß ich bisher herzlich wenig. Nur, dass du trinkfest bist und gerne fremden Mädchen nachspionierst."

Iroh grinste. "Nicht jedem Mädchen," sagte er. "Aber ansonsten hast du schon Recht. Ich gehe gerne aus. Im Palast ist es nämlich oft kaum zum aushalten. Diese ganzen Erwartungen sind ziemlich anstrengend, weißt du? Jeden Tag muss ich trainieren. Ich werde im Feuerbändigen und im Nahkampf geschult. Ich lerne Strategien und Taktiken, um eines Tages ein großer Eroberer zu werden." - Nola schluckte, sagte aber nichts. - "Dazu kommt mein Politik-, Geschichts- und Wirtschaftsstudium; Kulturwissenschaften nicht zu vergessen, allerdings nur die der Feuernation, alle anderen Kulturen interessieren nun mal nicht."

Bemerkte Nola eine Spur Sarkasmus in seiner Stimme? Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer.

"Wow, das klingt nach einem straffen Zeitplan," sagte sie.

"Oh ja," bestätigte Iroh und seufzte. "Deshalb gehe ich so oft in die Stadt. Allerdings hält das auch nicht lange vor. Der Stress holt mich immer wieder ein."

"Dann solltest du etwas tun, was dich entspannt," schlug Nola vor. "Also etwas, was dich wirklich entspannt; kein Alkohol, sondern Meditation."

"Und wie das? Alles was ich lerne ist, wie ich Aggressionen aufbauen und in Feuer umwandeln kann."

"Hast du es schonmal mit Wasserbändigen versucht?" fragte Nola und zwinkerte Iroh verheißungsvoll zu.

"Was meinst du denn damit?" Iroh starrte sein Gegenüber verwirrt an.

"Nun, Wasserbändigen basiert wie gesagt auf Gegensätzen. Ozean und Mond sind wie zwei verschieden gepolte Magneten: sie ziehen sie sich an. Man könnte auch sagen, es gibt positive und negative Energie. Sie sind unterschiedlich und doch ergeben sie eine Einheit. Wir nennen das "Chi". Wenn wir kämpfen, machen wir uns das Chi unseres Gegners zu nutze. Das ist weniger anstrengend für uns und wir profitieren davon, dass der Gegner müde wird. In der Ruhe liegt die Kraft. Etwas Ähnliches gilt für Meditation. Wir versuchen, das Chi, das uns umgibt, bewusst wahrzunehmen und uns den Energieströmen zu fügen. Dabei spüren wir auch unser körpereigenes Chi. Das bringt uns unserem Umfeld und unserem Selbst näher und wir entspannen uns."

"Wenn du davon erzählst, klingt es so verlockend einfach," sagte Iroh, sichtlich fasziniert. "Aber wie genau funktioniert das?"

"Wie wär's wenn ich dir das in einer Woche zeige?" schlug Nola mit einem Blick nach draußen vor. Es dämmerte bereits. "Ich möchte zum Essen zu Hause sein."

Iroh nickte und horchte in sich hinein. Nola hatte eine richtige Familie. Eine Familie, die sich ganz selbstverständlich zum Abendessen traf. Für Iroh war das alles andere als selbstverständlich. Seit sein Bruder auf der Welt war, hatte sich alles verändert. Aber selbst davor war nichts wirklich gewesen wie in anderen, normalen Familien.
 

"Eins verstehe ich immer noch nicht," begann Iroh unvermittelt. "Deine Großeltern haben die Heimat verlassen, damit sie frei sein können. Aber hier waren sie doch eigentlich auch nicht frei, oder? Sie mussten trotzdem eine Fassade aufrecht erhalten." Scheinbar liebte er es, das Thema zu wechseln.

"Ja, das stimmt wohl," seufzte Nola. "Allerdings war meiner Großmutter die Vorstellung eines geheimen Lebens angenehmer, als in der Öffentlichkeit seiner Freiheit beraubt zu sein. Hier ist sie mehr sie selbst, als in der Heimat. Das Bändigen ist, wie du sicher weißt, ein Teil unserer Seele. Dürfen wir das nicht ausleben, stirbt dieser Teil in uns. Und hier in der Feuernation weiß niemand davon. Niemand, gut, außer dir, hat sich bisher gefragt, wo wir ab und an hingehen. Es fällt niemandem auf, weil es niemanden interessiert. Am Nordpol hingegen würde jedermann sofort skeptisch, sollte eine Frau gelegentlich für ein paar Stunden verschwinden. Es wäre so offensichtlich."

"Und wie ist es für dich?" wollte Iroh wissen. "Kommst du denn damit zurecht, dass alles so geheimnistuerisch ist?"

Nola antwortete nicht. Wenn sie ehrlich zu sich war, hielt sie es kaum aus. Eher würde sie der ganzen Stadt zeigen, wer sie wirklich war; lieber kämpfen, als sich zu verkriechen.

"Ich bin gerne geheimnisvoll," sagte sie, doch Iroh bemerkte ihre Unaufrichtigkeit.

"Das glaube ich dir nicht."

Nola funkelte ihn an.

"Du bist niemand, der sich verstecken muss," fügte er hinzu.

"Ja und?" rief Nola aufgebracht. Sie sollte wirklich lernen, ihr Temperament zu zügeln. "Dann bin ich eben so. Aber was soll ich denn auch tun? Ich gehöre nunmal hierher, in diese vermaledeite, scheinfriedliche Stadt. Ich gehöre eben zu meiner Familie."

"Sei froh, dass du so denkst," schnaubte Iroh. "Ich habe nicht das Gefühl, dass ich zu meiner Familie gehöre."

"Wieso das denn?" Nola war erstaunt. Würde er jetzt tatsächlich das Kriegsthema ansprechen?

"Nun ja, von außen her könnte man meinen, es sei alles in Ordnung," fing Iroh an. "Aber das ist es nicht. Bis mein Bruder zur Welt kam, war alles so gut wie normal. Vater, Mutter, Kind. Natürlich, mein Großvater starb, als ich noch nicht auf der Welt war, deshalb kenne ich meinen Vater nur als Feuerlord Azulon. Und trotzdem, meine Kindheit war nahezu durchschnittlich. Mein Vater hat meine Fortschritte im Bändigen immer sehr gelobt und meine Mutter war auch für mich da. Ich war der perfekte Thronfolger. Ich war brav, kam meinen Pflichten nach und lernte fleißig. Im Grunde mache ich das auch jetzt noch. Nur dann kam Ozai zur Welt und alles hat sich verändert. Nein, das habe ich falsch formuliert. Ich habe mich verändert."

Iroh atmete kurz und heftig aus, dann fuhr er fort: "Weißt du, es geht nicht um den Altersunterschied. Es geht auch nicht darum, nicht mehr das einzige Kind zu sein. Es geht darum, dass meine Eltern, vor allem mein Vater, Ozai seelisch total vernachlässigen. Sie gehen ganz anders mit ihm um als damals mit mir. Er erfährt schon die gleiche Erziehung, denn die Aufpasser für ihn sind teilweise sogar die selben wie bei mir damals. Aber mein Vater ignoriert ihn die meiste Zeit und meine Mutter kommt nicht damit zurecht, dass Ozai ein recht impulsiver, leicht reizbarer Junge ist. Statt also Grenzen zu setzen und ihm Liebe zu schenken, ignoriert sie ihn ebenfalls. Das heißt, er kann sich so gut wie alles erlauben, denn meine Eltern sehen einfach darüber hinweg. Es ist ihnen egal. Und wenn mal wirklich etwas passiert, wird mein Vater schnell handgreiflich. Ozai hat Angst vor ihm, ich hingegen habe Respekt. Das ist ein großer Unterschied. Meine Vermutung ist, dass Ozai für meinen Vater nur einen Ersatzerben darstellt." Irohs Tonfall wurde zunehmend giftiger. "Du weißt schon, falls mir was zustößt. Ein Bruder als Lebensversicherung. Ist das nicht pervers?"

Nola sagte nichts. Sie kannte sich nicht gut aus mit dem Herrscherhaus, doch sie hätte auch nicht erwartet, dass man dort so fahrlässig mit Kindern umging.

"Das tut mir Leid für deinen Bruder," sagte sie schließlich.

"Ja," seufzte Iroh. "Mir tut er auch Leid."

Stille.

"Lass uns über was anderes reden," schlug der Kronprinz vor.

"Nun, ich wollte eigentlich gehen," murmelte Nola verlegen.

"Also schön, lass uns aufbrechen." Seine Stimme klang auf einmal unnatürlich heiter.

Die ersten Minuten des Gehens verbrachten Iroh und Nola typischerweise schweigend, dann fingen sie wieder an belebt zu reden. Sie sprachen über Leibspeisen, Tierkreiszeichen und Namen; Belanglosigkeiten, so schien es.

"Mein Name ist eine Kurzform von Fiennolah. Fiennolah ist der Sage nach das vierte von elf Kindern des Ozeansgeistes gewesen. Sie war eine Kämpferin, stolz, treu und klug."

"So wie du," unterbrach sie Iroh und blieb stehen. Nola errötete. Sie sagte nichts. Stattdessen schaute sie in seine bernsteinfarbenen Augen. An ihrer Oberfläche funkelten sie so freundlich und lebensbejahend. Aber tief in ihrem Inneren war noch etwas. Etwas, das größer und stärker war. Dort waren sie dunkler und sahen Nola durchdringend an. Was machte er bloß mit ihr?

Ein ähnlicher Gedanke schoss Iroh durch den Kopf: was machte sie bloß mit ihm? Ihre geheimnisvolle Art fesselte Iroh so sehr, dass er sich ihrem Blick beinahe unterworfen fühlte. Es war, als würde er von einer größeren Macht gezwungen, hinein zu sehen und für ihn war das das schönste auf der Welt. Weg war sie, die Arroganz, der Stolz, die Selbstsicherheit. Bei ihr brauchte er das alles nicht. Er brauchte nur sie und diese wunderschönen blauen Augen. Er brauchte sie als Gegenstück zu ihm selbst. Ihre geröteten Wangen wirkten so zart, ihre leicht geöffneten Lippen weckten ungeahnte Sehnsüchte. So gerne würde er sie wieder berühren. Warum tat er es nicht gleich? Es war diese Angst, wieder zurückgestoßen zu werden. Doch wusste er es nicht eigentlich besser? Immerhin sagte ihre Mimik auch schon alles.

'Du kannst sie nicht haben' sagte eine gebieterische Stimme in Irohs Kopf. 'Sie ist deines Namens nicht würdig. Du kannst sie nicht haben.'

"Ich muss gehen," sagte Iroh plötzlich. Irgendwas in seiner Stimme zitterte. Es war inzwischen Nacht geworden. "Wir sehen uns in einer Woche."

Mit diesen Worten ließ er die bedröppelte Nola stehen und lief die letzten Kilometer so schnell ihn seine Beine trugen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Cara-Z
2011-03-05T16:35:23+00:00 05.03.2011 17:35
Wow! Ja, jetzt ergibt alles einen Sinn, da muss ich Zuckerschnute Recht geben... :D

ich mag deinen Schreibstil, die Kapitel sind alle sehr spannend.
Und Irohs Vergangenheit könnte wahrscheinlich genau so gewesen sein :D
Bitte schreib weiter!
Ich werde auf jeden Fall den weiteren Verlauf der Geschichte verfolgen ;)
Von:  Zuckerschnute
2011-02-10T19:37:32+00:00 10.02.2011 20:37
Jetzt weiß ich, warum Iroh bei der Sache mit den Fischen so heftig reagiert hat! Und warum Ozai so durchgeknallt war/ist. Von seinen Eltern ignoriert werden ist nicht schön. Der arme Kerl tut mir fast Leid.
Ich bin mal gespannt, wie sich Iroh beim Wasserbändigen und meditieren anstellt. Es ist ja von den Bewegungsabläufen komplett anders als Feuerbändigen...
Ich freu mich schon auf jede Menge Gründe zum Kichern!
Von:  FieryLotusTarantula
2011-02-08T23:04:27+00:00 09.02.2011 00:04
Das Kapitel find ich richtig interessant.
So kam Iroh also zu seinem Interesse für das Wasserbändigen.
Ich find's toll, dass er als einziger aus seiner Familie auch an den anderen Nationen interessiert ist.
Ozai tut mir richtig Leid. Ist ja heftig, wie er erzogen wird.
Kein Wunder erzieht er seine Kinder später mal genauso und kennt kaum Grenzen.
Schön find ich aber auch, dass du geschrieben hast, dass Iroh seinen Bruder trotz des Altersunterschiedes gern hat.
Wenigstens hat Ozai so eine Person, die ihm ein wenig Aufmerksamkeit schenkt.


Zurück