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Der Wandel mit dem Detective

von

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30. Sept. 2025 - Klavier

Nur weil ich "der Neue" war, musste doch nicht wirklich alles auf mich abgewälzt werden, oder?!

Ich hatte weiß Gott Wichtigeres zu tun, als Einstellungsgespräche zu führen. Gab es für sowas nicht irgendwo eine Abteilung? Und warum, um alles in der Welt musste mir denn überhaupt ein neuer Detective zugeteilt werden? Ich hatte bereits einen äußerst kompetenten Partner, der mir half, mich zurecht zu finden. Nicht, dass ich so was nötig hatte, aber es ging hier schließlich ums Prinzip. Und überhaupt! Was sollte das eigentlich für ein Detective sein!?

Ich nahm die betreffende Akte zur Hand und las sie zum wohl hundersten Mal. Durch die Forensik-Prüfung gefallen. Ich bezweifelte, dass sie ihre Arbeit wirklich ernst nahm. Ich konnte niemanden gebrauchen, der seine Stelle nur als Übergangslösung sah und oberflächlich vorging. Was ich brauchte, war jemand, der mir eine perfekte Vorlage lieferte, damit ich den Gerichtssaal so richtig rocken konnte.

Mit einem unguten Gefühl sah ich zu der zweiten Personalakte, die auf meinem Tisch lag. Die Lettern "Crescend, Daryan" zierten die schlichte, aber voluminöse Mappe. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das sicher über die Bühne bringen sollte.

Gerade wollte ich mir nochmal Daryans Akte zu Gemüte führen, als die Tür aufging und ein reichlich verstörtes Fräulein im Türrahmen erschien. Ein hastiger Vergleich mit dem Foto, das an die Akte "Skye, Ema" geheftet war, verriet mir, dass es sich bei dem Fräulein um meinen neuen Detective handelte. Ich wollte den Mund öffnen, um sie herein zu bitten, da wirbelte das Fräulein Skye mit einem 'Tschuldigung, falsche Tür' wieder aus dem Raum und knallte die Tür hinter sich dermaßen laut zu, dass meine Babies von den Vibrationen in der Wand durchgeschüttelt wurden. Ihre Saiten sangen anklagend und für einen Moment befürchtete ich, dass eines meiner Babies herunter fallen könnte.

Ich seufzte erleichtert, als sie sich wieder beruhigten und sah dann nachdenklich zur geschlossenen Tür. Was genau, sollte ich jetzt aus dieser Aktion interpretieren?

Ich überlegte, ob ich ihr folgen oder es lassen sollte, während ich nach einer Fernbedienung griff und die Monitore abschaltete (ein wenig Musik ist immer ganz hilfreich beim arbeiten, ja?). Ein entfallenes Vorstellungsgespräch kam immerhin einer Absage gleich. Aber dann öffnete die Tür sich wieder und besagtes Fräulein verlangte schmerzlich nach Staatsanwalt Gavin. Diesmal beeilte ich mich aufzustehen und den Raum zu durchqueren.

"Dann bin ich ihr Mann, ja? Kommen Sie doch rein, Fräulein Skye! Ich habe sie schon sehnsüchtigst erwartet!"

Mit dem charmantesten Lächeln, dass ich auf die Schnelle aufbringen konnte, schob ich sie sanft in den Raum und schloss die Tür hinter ihr, betont sacht, mit einem besorgten Seitenblick zu meinen Babies. Dann deutete ich zu dem freien Stuhl und nahm wieder an meinem Schreibtisch Platz.

"Bitte setzen Sie sich doch! Eine Unterhaltung ist gleich viel angenehmer, wenn man es bequem hat, ja?" Sie rührte sich nicht. Natürlich war ich es gewohnt von jungen Damen angestarrt zu werden, aber das schien mir doch etwas unpassend bei einem Vorstellungsgespräch.

"Wirklich witzig. Aber könnten Sie mir jetzt bitte verraten, wo ich Mr. Gavin finde?" Bitte was? Diese überaus patzige Frage brachte mich für einen kurzen Moment außer Konzept. Kannte mich dieses Fräulein etwa noch nicht? Professionell, wie ich war, lehnte ich mich nach vorn und lächelte sie mit dem nötigen Quäntchen Charme an, das die Höflichkeit verlangte.

"Mein liebes Fräulein Skye, was bringt sie zu der Annahme, ich sei nicht Klavier Gavin, aufsteigender Staatsanwalt und berühmter Rockstar? Dies ist das Büro des Staatsanwalts Gavin, ja? Zumindest war es das noch, als ich es heute Morgen betreten habe. Außer mir befindet sich niemand sonst im Zimmer und, wenn es Sie glücklich macht, kann ich Ihnen gerne mal meine Marke zeigen."

Im letzten Satz ließ ich ganz subtil das richtige Maß Obszönität mitschwingen, wobei ich bezweifelte, dass sie es bewusst bemerkte. Schließlich brannte sie nur darauf, mehr über meine Referenzen zu erfahren. Und da ich ein netter Mensch war, schob ich ihr ein kleines Mäppchen zu, welches bewies, dass ich sehr wohl das zweite Staatsexamen bestanden hatte. Mit Auszeichnung, ja?

"Das Foto sollten Sie nicht zu genau betrachten. Die Belichtung war sehr ungünstig und der Fotograf war ein regelrechter Stümper. Es zeigt mich nicht gerade von meiner Schokoladenseite." Es war nicht so, dass ich auf diesem Bild unansehlich wirkte. Nur gab es tausend, nein, wahrscheinlich Millionen Bilder, auf denen ich ein wenig... göttlicher aussah. Und offenbar war das Fräulein endlich überzeugt, dass sie den echten Klavier Gavin vor sich hatte. Sie ließ sich auf dem Stuhl nieder, während ich den Ausweis in meine Jackett-Tasche zurückschob.

"Können wir anfangen oder was hält sie auf?", fragte sie. Aha? Charming.

"Rein gar nichts. Ich habe nur auf Sie gewartet." Genug Smalltalk für heute. Es wurde Zeit, dass ich sie mal ein wenig auf Kompetenz überprüfte. Aber alles ganz smooth, ja? Ich nahm mir ihre Akte zur Hand.

"Hier drin stehen ein paar hübsche Fakten über Sie. Aber ich finde, die Meinung Dritter ist immer ein bisschen... voreingenommen. Deshalb will ich es nochmal persönlich von Ihnen hören. Was bringt Sie dazu, hier als Detective anzufangen? In Ihrem Zeugnis steht, Sie wären es bei der Forensikprüfung ein bisschen zu locker angegangen. Ich hoffe, diese Einstellung bringen Sie nicht auch Ihrer Position als Detective entgegen. Schließlich will ich mit Ihnen den Gerichtssaal so richtig rocken. Eine halbherzige Einstellung könnte mich meine Show und Sie Ihren Job kosten, ja?"

Das Ganze sagte ich mit einer Haltung, die mehr als entspannt schien, man hätte meinen können, es wäre mir gar nicht so wichtig, als würde ich nur ein wenig mit dem Fräulein flirten. Doch meine Augen waren direkt auf sie gerichtet und äußerst wachsam. Der Unterton in meiner Stimme hätte einen aufmerksamen Zuhörer dazu veranlasst, sich sehr viel Zeit zu nehmen, eine Antwort zu überlegen. Ich tat locker, aber ließ keinen Zweifel daran, dass Fräuleins Skyes Antwort entscheidend dafür war, was ich in Zukunft von ihr halten würde.

"Zu locker angegangen? Ich hör wohl nicht recht!" Meine Augenbrauen wanderten unwillkürlich nach oben. "Es ist mir egal, was auf dem Stück Papier da steht. Ich weiß, dass ich es kann! In der Prüfung kamen so komische Fragen dran. Das hatten wir nicht mal durchgenommen, okay?!"

Autsch. Hatte man dieser Frau denn niemals einen Funken Professionalität nahe gelegt? Auch inhaltlich überzeugte sie nicht. Nicht mal ansatzweise. Ach nein, wie enttäuschend. Sie hatte nicht mal mal den Anstand mir ins Gesicht zu sehen, stattdessen starrte sie zu Boden. Folglich wurde mein Lächeln immer breiter.

"Natürlich. Das war allerdings nicht besonders fair, einem jungen Fräulein gegenüber, ja? Aber seien Sie unbesorgt. Ich bin immer fair! Ich werde nichts von Ihnen fordern, was Sie nicht können. Wenn es Ihnen also zuviel werden sollte, sagen Sie mir das ruhig."

Anders als meine Mimik, hatte sich mein Tonfall extrem verändert. Ich redete jetzt mit ihr, wie mit einem meiner Fangirls, von denen ich in vielen Fällen keine große geistige Leistung zu erwarten hatte.

"Dafür erwarte ich aber von Ihnen, dass Sie auch fair zu mir sind. Es wäre nicht cool, wenn uns ein Verbrecher durch die Lappen ginge, nur weil Sie Ihre Arbeit nicht ernst nehmen, ja?"

Jetzt sie sah mich an und dann auch noch so liebreizend!

"Na da bin ich aber erleichtert, dass Sie es mir so einfach machen. Ich schätze, Sie strotzen nur vor Kompetenz. Bestimmt haben Sie schon eine Millarde Verbrecher eingebuchtet und allen im Gerichtssaal gezeigt, wo der Frosch die Locken hat."

Ooohh~, hatte ich sie etwa verärgert? Sie schien ein wenig - wie würde es Daryan es ausdrücken? - angepisst. Ich lachte kurz auf, immerhin war es sehr mutig seinen zukünftigen Chef so rüde anzufahren. Diese Zickereien würden ohnehin bald ein Ende haben.

"Nun, übertreiben Sie aber, Fräulein Skye! Eine Milliarde? So alt bin ich noch nicht. Aber ich hoffe, mit Ihnen zusammen werde ich die Marke noch knacken, ja?"

"Schönen Tag noch, Mr. Gavin."

Ich erhob mich, wie man es eben tut, wenn sich eine Dame zum Gehen wandte. Mit meinen langen Beinen fiel es mir nicht schwer an ihr vorbei zu eilen. Ich hielt ihr höflich die Tür auf - damit sie gar nicht erst die Gelegenheit bekam, diese noch mal zu knallen - und entließ sie mit einem formvollendeten Zahnpastalächeln.

"Ich erwarte Sie morgen früh um Sechs zum Briefing, ja? Ich freue mich schon darauf, mit Ihnen zu rocken, Fräulein Skye."

Dann schloss ich die Tür. Wäre es meine Entscheidung gewesen – Gott bewahre, ich konnte sie als Detective absolut nicht gebrauchen! Und bei dem Gedanken fiel mir wieder ein, dass ich das Schlimmste noch nicht einmal hinter mir hatte. Ich sah düster zu Daryans Akte. Für einen Moment überlegte ich, einfach das Memo ins Polizeipräsidium zu schicken und das Ganze auf den Ranghöchsten dort unten abzuwälzen. Aber Daryan war mein bester Freund. So was wäre einfach nicht cool.

Also ließ ich mich schwer in den Sessel fallen, griff nach dem Telefon und wählte Daryans Durchwahl. Während ich dem Freizeichen lauschte, blätterte ich eher oberflächlich in den Papieren.

Nachdem mir das Tut Tut schon mehr als dreißig Sekunden durch den Gehörgang tanzte, war ich versucht aufzulegen.

"Crescend, ahoi." Endlich.

Ich musste dem Verlangen widerstehen, Daryan anzufahren, weil er mich so lange warten ließ, denn ich entschied erstmal gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

"Du musst sehr beschäftigt sein, ja? Hat sie C oder D?"

Ich hoffte, dass mein scherzhafter Tonfall offensichtlich genug war, damit klar wurde, dass es mich überhaupt nicht störte.

"Wenn dich die Fragen des Lebens nicht allzu sehr in Schach halten, wäre es cool, wenn du mal eben vorbei kommen könntest. Ich- ... mir wurde etwas auf den Tisch gelegt, über das ich gerne mit dir reden möchte. Am besten sofort, ja? Ich werde dich auch nicht lange aufhalten. Bis gleich!"

Damit legte ich auf, um jeder weiteren Nachfrage zuvorzukommen, die, wie ich mit ziemlicher Sicherheit wusste, dazu führen würde, dass ich innerhalb weniger Minuten einen verdammt wütenden Daryan am Hörer hätte. In meinem Büro konnte ich wenigstens sicher sein, dass keiner mithörte, wenn Daryan seine Contenance verlor.

Mit jeder verstreichenden Minute wurde ich unruhiger, immer wieder blätterte ich in der Akte, als könnte sie mir einen geheimen Plan offenbaren, wie ich das Ganze hier möglichst unproblematisch abwickeln konnte. Als sich meine Tür öffnete, klappte ich die Akte hastig zu und schob die von Ema Skye darüber. Daryan ließ sich nonchalant auf den Stuhl fallen und griff sich eines meiner Magazine. Nebenbei fragte er: "Was gibt's?"

Für ein paar Sekunden betrachtete ich ihn unschlüssig. Schließlich entschied ich mich, einfach mal irgendwo anzufangen.

"Wie~... war deine... Zugfahrt nach Ohio? Ich habe gehört, du bist zwei Nächte durchgefahren. Mir wäre sowas ja zu unbequem."

Ich redete um den heißen Brei herum. Das war nicht cool und fair war es auch nicht. Aber es war sicher. Zumindest sicherer, als mit der Tür ins Haus zu fallen. Doch Daryan wirkte recht abwesend, scheinbar hatte ihn das Magazin völlig eingenommen.

"Huh? Zugfahrt?.... Ach so. Jaja. War nett. Ist Gewöhnungssache, Mann. Du weißt, dass ich Fliegen hasse." Er blätterte um und dann stand ihm der Mund offen.

"Sieh mal, Klav! Die Gibson hier. Abgefahren, oder?" Er hielt mir besagtes Magazin unter die Nase.

"Weißt du, ich liebe Geeter. Aber ich dachte, es könnte nicht schaden, auch mal was anderes zu versuchen. Was meinst du?" Ich warf nur einen kurzen, fahrigen Blick in das Heft. Erstens kannte ich es schon auswendig und Zweitens war mein Kopf grad überfüllt mit anderen, weniger coolen Dingen.

"Ja, die ist nicht schlecht. Ich kann sie dir ja zum Geburtstag schenken, wenn du willst."

Ich sah Daryan nicht direkt an, während ich versuchte dieses unbequeme Thema wieder anzuschneiden.

"Dass du mit Flugzeugen nicht kompatibel bist... fällt auf, Daryan. Nicht nur mir."

Wie ein Bombenspezialist versuchte ich mich zum explosiven Kern vorzutasten. Jeden Moment konnte die Bombe hochgehen. Ich ahnte, dass ich hiernach erstmal ein Deo brauchen würde.

"Schenk sie mir nicht, das macht mich nur verlegen, Mann!" Als ob ich nicht wüsste, dass Daryan nichts lieber bekam als Geschenke. Er sammelte sogar akribisch alle Fangeschenke, als wären sie Heiligtümer, nur gab er das nicht offen zu. Daryans Stimme klang auf einmal schneidend.

"Sag mal, was hast'n du plötzlich für 'nen Geier nach Flugzeugen?"

Okay, er hatte scheinbar begriffen, worum es ging. Ich würde es überleben... hoffentlich. Doch ich hörte ihn plötzlich schallend lachen.

"Bwahahahahahaha! Oh Mann, Gavin das meinst du nicht ernst! Deshalb hast du mich angerufen?"

Hatte ich was verpasst? Konnte Daryan wirklich mit dieser Entscheidung leben? Ich sah ihn hoffnungsvoll an und der Stein auf meinem Herzen lockerte sich, zum Absprung bereit.

"Ich versteh das. Und klar, Mann! Warum nicht? Ich meine, wenn du unser neues Musikvideo unbedingt in 'nem Flieger drehen willst. Es ist ja nicht so, dass ich allergisch reagiere, wenn ich das Teil nur angucke. Solange es am Boden bleibt. Aber hey, du bist echt fucking awesome, Klav! Bwahahahahaha! Richtig süß, wie schonend du versucht hast mir das beizubringen."

So bejahend ich ihn gerade auch angesehen hatte (ich lehnte mich förmlich über den Tisch), umso überfahrener ließ ich mich in den Sessel zurückfallen. Ich fühlte mich, als hätte man mir den Stöpsel gezogen und alle Luft wäre aus mir gewichen. Es half nichts. Daryan war zwar ein verdammt guter Detective, aber manchmal auch regelrecht begriffsstutzig. Außerdem war er mein bester Freund. Er hatte ein Recht darauf, dass ich ehrlich zu ihm war. Verzweifelt schüttelte ich den Kopf. Mehr als ein bitteres Lächeln schaffte ich nicht mehr.

"Nicht ganz, Daryan, aber danke für den Tipp. Ich werd's mir für später merken."

Es blieb mir nur eine Wahl: Ich musste Daryan mit anderen Augen sehen. Und mich auch. Ich war jetzt nicht mehr sein bester Freund, oder sein cooler Bandleader. Ich war jetzt Staatsanwalt Gavin und musste mit der Wahrheit rocken.

"Was ich meine ist, es ist anderen aufgefallen. Hier! Im Präsidium, in der Staatsanwaltschaft und vor allem - und das ist das Schlimme, ja - in der Rechnungsabteilung. Deine... Methoden Flugzeugen aus dem Weg zu gehen, kosten das Präsidium Unsummen, ganz zu Schweigen davon, dass es unnötig zeitaufwändig ist. Und die Herren in den richtig schweren Sesseln sind der Meinung, dass du besser aufgehoben bist in einem... in einem Job, wo du möglichst wenig reisen musst, ja?"

Angespannt schob ich das Memo, dass an Daryans Akte geheftet war, über den Tisch, wobei ich ihn nicht aus den Augen ließ.

"Es tut mir leid, Daryan. Aber deine Versetzung ist bereits entschlossen."

Wie zu erwarten fiel ihm das Lachen prompt aus dem Gesicht und auf seltsame Weise beruhigte mich das ein wenig. Immerhin war es der Situation angemessen.

"Red keinen Scheiß, Klav..." Daryan riss das Blatt an sich und seine Augen flackerten – vermutlich nur stichpunktartig – über den Text.

"Diese Sesselfurzer wollen mich an den Schreibtisch tackern! Was denken die eigentlich, wer sie sind?! Das können die nicht mit mir machen! Nach all der Zeit..."

Und jetzt sah er mich plötzlich mit diesem Blick an, den ich nur allzu gut kannte. Darin lag Wut, gepaart mit kindischem Aktionismus.

"Ey, ruf da an und sag denen, dass das nicht geht. Ich sterbe, wenn die mich versetzen. Du bist mein Partner, Mann! Du kannst da bestimmt was regeln."

Ich schüttelte langsam den Kopf. Mir tat es leid, sehr sogar. Natürlich wollte ich weiter mit Daryan zusammen arbeiten. Erst recht jetzt, da ich wusste, wie die Alternative aussah. Aber ich wusste auch, wann ich einen Kampf verloren hatte und dieser Kampf wurde nicht einmal in meinem Beisein ausgefochten.

"Das Memo lag erst heute Morgen bei mir auf dem Tisch. Glaub mir, ich würde, wenn ich könnte... Aber die Versetzungspapiere sind bereits ausgefüllt. Die haben die Show ohne uns geschmissen."

Ich klappte die Akte auf und blätterte bis ganz nach hinten, wo die Kopie eines einzelnen Formulares mit amtlichen Stempel das Unausweichliche verkündete:
 


 

Bestätigung des Versetzungsgesuchs über den Beamten Daryan Crescend von der Abteilung für kriminaltechnische Angelegenheiten in die Abteilung für internationale Angelegenheiten.
 

Auch dieses Dokument schob ich zu Daryan. Ich betrachtete ihn besorgt. Das hier alles war so uncool und ich wusste zum ersten Mal seit langer Zeit nicht, was ich tun sollte.

"Verstehe, du willst mir gar nicht helfen." Oh, oh. Diesen Ton kannte ich, er war unheilvoll. Und jetzt sah mich auf eine Weise an, die mich wirklich traf. Es war der hasserfüllteste Blick, den Daryan mir je gegeben hatte. Er griff nach der Akte und warf sie durch den Raum, sodass sämtliche Blätter und Unterlagen ein großes Durcheinander auf dem Boden bildeten.

"Ich dachte du wärst mein Freund. Auch wenn diese Bratzen glauben, dass es beschlossene Sache ist... Wenn du in der Situation gesteckt hättest, dann hätte ich verdammt noch mal alle Hebel dreimal in Bewegung gesetzt! Aber keine Sorge, ich komm schon klar!"

Ich beobachtete Daryans Wutausbruch nach außen hin teilnahmslos. Schließlich hatte ich damit gerechnet. Das war auch gut so. Besser Daryan verlor hier die Beherrschung, wo ihn, außer mir natürlich, niemand sehen konnte, als wenn er es eventuell vor einer wichtigen Amtsperson tat und sich damit die Chance verbaute, doch noch zurück zu kommen. Es war ja nicht so, als hätte ich schon alles aufgegeben. Mein neuer Detective hatte ganz offensichtlich gezeigt, dass sie nicht plante länger als bis zur nächsten Forensik-Prüfung zu bleiben. Wenn alles gut ging, wäre ich in einem Jahr schon wieder ohne Detective und wenn ich mich mächtig ins Zeug legte, was ich eigentlich immer tat, hatte ich mir bis dahin einen Namen gemacht, der stark genug war, um sich einen ganz bestimmten Detective zu wünschen. Aber das wollte ich Daryan lieber nicht sagen. Es war ja alles nur rein spekulativ und der Gute neigte leicht dazu, sich Hoffnungen zu machen. Ich wollte ihn lieber damit überraschen.

Daryan stand mittlerweile an der Tür und sah mich über die Schulter vernichtend an.

"Na, hast du dir schon 'nen Neuen ausgesucht? Jemand, der besser ist als ich? Ist er gut, HUH? Zur Hölle, Mann!" Er zeigte mir seinen Mittelfinger. Und jetzt fühlte ich mich wirklich schlecht. Ich öffnete den Mund, um Daryan wenigstens zu sagen, was für eine Enttäuschung sein 'Ersatz' doch war, aber da war er auch schon zur Tür raus. Ich zählte stumm bis Dreißig, dann holte ich mein Handy heraus und schrieb eine SMS: "Sorry, ja? You're my only guilty love!"

Zugegeben, es klang ziemlich schwul, wenn man es aus dem Kontext gegriffen las. Aber der Songtext handelte von einer guten Erinnerung, der das lyrische Ich auch nach Jahren noch treu geblieben war, zumindest im Herzen. Daryan kannte als Einziger den Text des neuen Songs und ich hoffte, dass er die Message verstehen würde. Seufzend ließ ich mich in seinen Sessel zurücksinken und schloss die Augen. Was für ein Tag. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen.



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