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Call of the shadows

Wenn die Finsternis naht
von

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Entscheidungen und ein Bienenstich

~~Entscheidungen und ein Bienenstich~~
 

Ein Heulen, das verriet, dass die fünf Jungwölfe gefragt wurden und, dass eine Entscheidung getroffen wurde.

Es war das Heulen von der Leitwölfin Marika.
 

So machten sich die fünf Wölfe auf den Weg. Eine Leitwölfin ließ man nicht warten und das schon gleich dreimal nicht, wenn es sich um so ein dringendes Heulen wie das von eben handelte.

Trotz der Eile fühlten sich die Wölfe wohl. Gerade eben hatten sie ihre Freundschaft besiegelt, die wohl ewig halten würde. Jeder von den fünf Wölfen würde diesen Abend nie vergessen, vor allem Yen nicht.

Nyrona führte die kleine Gruppe an und leitete sie durch den dunklen Wald. Bald kamen sie bei der Felsnische an, wo sie die anderen Wölfe antrafen, die schon auf sie gewartet hatten. Yen wunderte sich, dass alle Wölfe wach waren und sie erwartungsvoll anblickten, doch dann erinnerte er sich an das Heulen, das sie vor wenigen Minuten vollbracht hatten. Dieses schien auch bis zur Felsnische vorgedrungen zu sein und zwar nicht gerade leise.

Die anderen Wölfe hatten sich vor der Höhle der Leitwölfin versammelt, wo sie die Jungwölfe erwarteten.

Keiner sprach ein Wort oder bewegte sich. Alle blieben gespannt auf ihren Plätzen und nur das schwere Schnaufen der Wölfe war zu hören.

Die fünf Jungwölfe gingen einfach weiter, durch die Wolfsreihe und bis zur Höhle. Kurz davor blieben Nyrona und die anderen stehen.

Nun trat Yen vor und wollte in die Höhle gehen. Doch er zögerte.

Was erwartete ihn dort drinnen? Wie hatte sich Marika entschieden? Hat sich das lange Warten gelohnt?

Diese und noch viele weitere Fragen schossen Yen durch den Kopf, während er in die dunkle Höhle blickte. Dort konnte er leise das Schnaufen einer älteren Wölfin hören. Das Schnaufen von Marika. Ein Schauer ging durch seinen Körper. In dieser Nacht würde sich einiges entscheiden. Vor allem, was er als nächstes tun musste. Yen hoffte, seinen Weg endlich fortsetzen zu können und blickte ein letztes Mal zurück zu seinen neuen Freunden.

Sikona, Esaila, Nyrona und Nurik gaben ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass sie direkt hinter ihm standen.

Dies gab Yen den Mut, endlich in die Höhle zu treten.

Das Schnaufen wurde immer lauter, je weiter Yen in die Höhle schritt, bis schließlich Marika vor ihm auftauchte und ihn ruhig anblickte.

Yen starrte ehrfurchtvoll zurück. Nach diesem kurzen Zögern drehte sich Marika um und führte Yen in einen Teil der Höhle, wo die Wände breit auseinander gingen, sodass sie in einen großen Raum traten.

Yen hatte nicht geahnt, dass sich ein so großer Raum hinter all den Felsen befand. Kaum konnte er die Decke erkennen.

Trotz der Größe, war es nicht dunkel, da an einer Wand durch einen kleinen Riss Licht hereinfiel. Dadurch sah die Höhle etwas gemütlicher aus.

Dennoch wirkte diese Dunkelheit und diese Größe der Höhle bedrückend auf Yen. Er fühlte sich verloren und sogar ein klein wenig einsam.

Doch als er die Gegendwart seiner Freunde hinter sich spürte, waren diese Gedanken wie weggeblasen.

Was zählte, war das Hier und Jetzt und somit das Wohl seiner Freunde.

Vorsichtig trat Yen noch ein paar Schritte nach vorne, sodass auch die vier Wölfe hinter ihm Platz hatten.

Als nun endlich alle in dem Raum angekommen waren, setzten sie sich hin und warteten.

Die Leitwölfin tat es ihnen gleich und blickte Yen und ihre Kinder an.

„Nun, ich glaube, ihr wisst, wieso ich euch zu mir gerufen habe?“, begann Marika dann zu sprechen. Alle fünf Jungwölfe nickten.

„Yen, ich habe eine Entscheidung getroffen. Die Entscheidung, auf die du so lange gewartet hast. Ich weiß, dass dir die Zeit wie eine Ewigkeit vorgekommen ist, da du ein Wolf bist, den es in die Weiten der Welt hinaus zieht.“

Die Leitwölfin machte eine Pause und blickte tief in Yens Augen. In ihnen konnte sie die Zustimmung auf ihre Feststellung sehen.

Yen war schon seit Tagen bei dem westlichen Gemischtrudel und jeden Tag hatte er gehofft, weiter zu ziehen. Nicht, weil ihm das Rudel nicht gefiel, sondern weil es, wie Marika schon angesprochen hatte, ihn in die Welt hinauszog.

Yen wollte den Wölfen helfen, die jetzt in Not geraten waren. Er wusste, dass dieser Weg steinig und schwer war, doch in seinem Inneren gab es etwas, das ihm sagte, dass er es dennoch schaffen konnte.

„Doch ich konnte dir nicht schon früher meine Informationen preisgeben“, brach Marika die Stille. „Es hätte sein können, dass du ein Spitzel von diesen finsteren Wölfen bist, die unser Land in Aufruhr versetzen.“

Hinter sich konnte Yen ein leises Fiepen hören. Er vermutete, dass es von Sikona kam, die Mitleid mit Yen hatte. Mitleid, weil er verdächtigt wurde ein Spitzel zu sein. Doch Yen brauchte kein Mitleid. Er hatte geahnt, dass so etwas von ihm gedacht wurde. Sein Aussehen ließ wohl jeden Wolf zweifeln, dass er aus keinem anderen Rudel als einem Finsternisrudel stammte. Dies hatte Yen schon vor Langem begriffen, dass seine nahen Verwandten wohl Finsterniswölfe waren.

„Doch nun bin ich mir sicher, dass du kein Spitzel bist, sondern wirklich ein Wolf, der versuchen will, uns zu retten. Das Spektakel von vorhin hat mich letztendlich überzeugt. Ob du uns retten kannst, weiß ich nicht. Nun, und ob meine Informationen für dich nützlich sein werden, noch weniger. Aber eins weiß ich gewiss: Dass man dir vertrauen kann!“

Yens Herz schlug bei diesen Worten schneller.

„Nun Yen. Meine Entscheidung steht fest. Ich vertraue dir mein Wissen an. Aber ich möchte dich nicht enttäuschen. Auch mein Wissen ist beschränkt und ich weiß kaum mehr als du selbst.“

„Das macht nichts. Für mich ist jede Information wichtig!“, sagte Yen.

Marika war sichtlich zufrieden. So eine Reaktion hatte sie erwartet.

„Also gut! Dann lass uns anfangen und hört gut zu, weil ich werde das, was ich sage, nicht wiederholen.“

Die Jungwölfe nickten.

„Dir ist sicherlich aufgefallen, dass dieses Rudel keinen Leitwolf besitzt. Es mag für dich eigenartig vorkommen, dass nur eine Leitwölfin das Rudel führt. Doch der Schein trügt. Dieses Rudel hat sehr wohl einen Leitwolf.“

Yens Blick wanderte bei diesen Worten unauffällig zu Nurik. Dieser musste seinen Blick auf sich gespürt haben und blickte nun seinerseits Yen an. Da begriff Nurik und schüttelte energisch den Kopf, ohne ein Wort zu sagen.

Yen wurde bewusst, dass Nurik nicht der Rudelführer sein konnte. Erstens hatten die Jungwölfe bei ihrem ersten Treffen den Namen „Kito“ erwähnt und nicht Nurik seinen. Zweitens wäre ihm dies sofort im Rudel aufgefallen und drittens hatte Nurik einfach nicht das Zeug zu einem Rudelführer.

„Nein, Nurik ist nicht unser Rudelführer“, fuhr Marika unbekümmert fort. „Unser Leitwolf ist Kito. Sicher hast du schon von ihm gehört. Kito ist ganz anders als du, aber nur vom Äußeren. Vom Inneren gleicht ihr euch sehr. So sehr, dass ich mir wünsche ihr hättet einander in dieser Zeit, wo du bei uns bist, kennen gelernt. Kito ist ein Lichtwolf. Seine Fähigkeiten, das Licht zu beherrschen, sind sehr gut ausgeprägt. Er ist ein wunderbarer Führer mit gutem Herz. Auch er hatte den Drang verspürt, der Welt und seine Bewohner zu helfen. Auch er ist in die Weiten von Daromi marschiert, um nicht untätig zu blieben. Dies war vor ein paar Monaten, als der Terror der Finsterniswölfe begonnen hatte.“

Yen stutzte. „Finsterniswölfe?“ Marika nickte.

Nun hatten sich seine Vermutungen bestätigt, die er schon lange hatte. Um genau zu sein, seit dem Tag, als er die beiden finsteren Wölfe vor der Klippe belauscht hatte.

„Ja, es waren sie. Da besteht kein Zweifel. Sie streunen durch das Land und, wie es scheint, haben sie nur ein Ziel: Die Zerstörung aller Rudel und Vereinigung unter einem einzigen Rudelführer. Der Rudelführer des nördlichen Finsterniswolfsrudels Taroxon.“

Das letzte Wort sprach sie mit Hass und Abscheu aus. Doch dies verwunderte Yen kaum und er konnte sie verstehen. Der Name selbst jagte ihm einen Schauer über den Rücken, den er nun zu unterdrückten versuchte.

Doch da sprach Marika schon weiter.

„Kito erahnte die Gefahren, die uns bevorstehen, schnell, nahm sich seine besten Wölfe und zog in die Welt hinaus. Hinaus, um einen bestimmten Wolf, aber auch viele andere zu suchen. Diesen einen Wolf, du weißt, wen ich meine, sucht er ganz intensiv. Du hast von ihm gehört. In der Prophezeiung, die dir die vier Geschwister erzählt haben. Auch Kito glaubte fest an diese. Nicht viele tun dies mit so einer Innbrust wie er. Ich glaube, Sikona hat dies von ihm geerbt.“

Ein kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht.

„Die anderen Wölfe, die Kito sucht, sind Vagabunden, Verbliebene, Verbündete, die bereit sind, mit ihm in den Kampf zu ziehen, um Taroxons Pläne zu durchkreuzen und, um der Welt wieder eine sichere Zukunft zu geben.“

Wieder entstand eine Pause, in der keiner ein Wort sprach. Yens Gedanken kreisten wie wild durch seinen Kopf. Doch er hatte nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, was für Folgen diese Unterwerfung für alle Rudel bedeutete, da Marika schon weitererzählte und das, was sie sagte, ihn noch mehr beschäftigte.

„Kito und mir wurde sehr schnell bewusst, dass die Zukunft dieser Welt gefährdet sei. Allmählich begannen in unserem Rudel die Elementwölfe immer schwächer zu werden. Je nach ihrer Ausprägung verloren sie ihre Elementkraft, oder konnten sie nur noch in geringen Maßen nutzen.“

Yen blickte nach hinten und sah jeden Wolf einzeln an. Alle senkten traurig ihren Kopf und nickten zustimmend.

„Wir wissen nicht, wieso dies so plötzlich kam und warum. Aber eines wissen wir genau. Nämlich, dass Taroxon seine Krallen im Spiel hat. Uns bleibt es ein Rätsel, was er vorhat und welches Ziel er genau verfolgt.

Aus diesem Grund zog Kito los, um die Ursache und sowohl auch den Retterwolf zu finden.“

Nun wurde es still und Marika stand auf.

Die anderen taten es ihr gleich.

„Tut mir leid Yen, aber mehr weiß ich nicht. Kito ist bis jetzt nicht zurückgekehrt und auch die Finsterniswölfe bleiben uns fern. Aber wer weiß wie lange noch.

Mir ist sehr wohl bewusst, dass dies sehr wenige Informationen waren, die dir nicht die lange Wartezeit entschädigen können. Doch lass mich dir noch einen Hinweis mit auf den Weg geben.“

Alle Wölfe im Raum spitzten die Ohren.

„Verlasse das Revier in nördlicher Richtung. Doch dann wende dich nach Osten, bis du zu einem dichten Wald kommst. Wir nennen ihn auch „Wald der Unendlichkeit“. Geh in diesen Wald so weit wie du kannst, bis du auf eine Felswand stößt. Dort wirst du eine alte Wölfin finden. Diese Wölfin weiß sicherlich mehr als ich. Wir nennen sie die Seherin. Weshalb, wirst du selbst erfahren. Auch Kito ging zu ihr, bevor er seine weite Reise antrat, doch ohne Erfolg. Sie hörte ihn nicht an.

Geh zu ihr! Doch du wirst nicht alleine sein. Nimm meine drei wunderbaren Töchter und meinen stattlichen Sohn mit auf deinen Weg.“

Erstaunt blickte Yen sie an. Mit jedem anderen Wolf hatte er gerechnet, die ihn die Leitwölfin mitschickte, aber nicht mit den Geschwistern.

„Ich weiß, dass sie bei dir und auf deinem Weg sicherer sind. Auch weiß ich, dass sie dir sowieso folgen werden. Schon zu lange halte ich sie hier fest.“

Yen trat vor und senkte den Kopf unterwürfig.

„Danke Marika. Danke für alles.“

Die Wölfin nickte und sagte: „Nun geh und lass mich kurz mit meinen Kindern alleine. Sie werden gleich zu dir kommen.“

Yen nickte und drehte sich um. Er vermied es, in die Augen der anderen zu blicken, da er Angst hatte dort Unsicherheit und Abscheu gegenüber der Entscheidung ihrer Mutter lesen zu können.

So trat Yen aus der Höhle, ohne noch einmal zurückzublicken.

Draußen angekommen, sah Yen in die Morgendämmerung. Auf dem Platz vor dem Rudel waren nur wenige Wölfe. Wahrscheinlich sind sie bei der Jagd, dachte sich Yen.

Doch Yen kümmerte sich nicht darum und marschierte auf den Ausgang der Felsnische zu. Er wusste, dass ihm die Geschwister früher oder später folgen würden.

Doch in der Mitte des Platzes blieb er unschlüssig stehen. Die anderen Wölfe würdigten ihn nur eines kurzen Blickes. Sie wussten, wie sich ihre Leitwölfin entschieden hatte und auch, was Yen als nächstes tun würde.

Er wusste, wo sein nächstes Ziel lag, doch seine gemischten Gefühle hinderten ihn daran, weiterzugehen.

So blickte der schwarze Wolf Richtung Himmel und ließ sich die Geschehnisse in der Höhle noch einmal durch den Kopf gehen.

Er war überrascht gewesen, dass Marika doch noch bereit gewesen war, ihm ihre Geheimnisse zu verraten. Doch am meisten überraschte ihn die Tatsache, dass ihn die vier Geschwister begleiten wollen.

Hier war ihre Heimat. Hier sind sie groß geworden. Hier waren ihre Freunde. All das wollten sie für einen Wolf fallen lassen. Für ihn. Einem Wolf, den sie gerade mal ein paar Wochen kannten.

Yen war gerührt und ihnen unendlich dankbar. Er war froh, nicht alleine diese schwere Reise antreten zu müssen.

Wenn er an die Zeit zurück dachte, in der er alleine durch die Gegend gewandert war und das Ausmaß der Zerstörung gesehen hatte, wünschte er sich, nicht alleine gewesen zu sein, um mit demjenigen diese abgrundtiefen Gefühle zu teilen.

Dennoch hielt er seinen Blick starr auf den Himmel gerichtet.

Oben am Himmel hatte ein kleiner Adler damit begonnen, wie seine Gedanken, im Himmel zu kreisen.

Yen verfolgte den Adler am Himmel mit verträumtem Blick.

Je weiter er ihn anblickte, desto mehr kam ihm der Verdacht, dass er diesen Raubvogel kannte.

Doch Yen blieb keine Zeit zum Nachdenken, da genau in diesem Moment die Geschwister zu ihm kamen und ihn aus seinen Gedanken schreckten.

Yen sah nicht, wie der Adler am Himmel kreischend verschwand.

Als er sich nach den Geschwistern umdrehte, sagte keiner ein Wort. Yen blickte jedem ins Gesicht und in jedem konnte er Trauer erkennen. Trauer über den Abschied.

Doch noch etwas sah er in den Blicken der Jungwölfe: Freude auf die Reise, die ihnen bevorstand.

Ohne ein Wort zu sprechen, trabte Yen los. Es war nicht der richtige Moment für Worte. Dass er ihnen dankbar war, konnte er auch später sagen. Die anderen folgten ihm bereitwillig nach Norden.

So trabten die fünf Wölfe gemütlich aus der Felsnische und in den Wald. Hinter ihnen konnten sie das Abschiedsgeheul von Marika an sie alle hören. Doch kein Wolf blieb stehen, um dieses zu erwidern.

Sie alle kamen gut voran und nach ein paar Stunden konnten sie das Gebiet der Gemischtwölfe hinter sich lassen.

Kurz nachdem sie die Grenze überschritten hatten, legten sie eine kleine Rast an einem Fluss ein.

Auf ihrer Seite des Flusses ragte nach wenigen Metern ein steiler Berg nach oben. Auf der anderen Seite jedoch ging der Wald normal weiter.

Alle Wölfe, außer Yen, begaben sich zum Fluss, um etwas zu trinken. Kurz bevor sie ihre Köpfe zum kühlen Nass hinunterbeugten, brach Yen das Schweigen, sodass sie in ihren Bewegungen erstarrten.

„Ich danke euch aus tiefstem Herzen, dass ihr mir folgt. Ohne euch wüsste ich nicht, was ich machen sollte. Danke ...“

„Kein Problem! Ich glaube, wir hätten es sowieso nicht mehr lange im Rudel ausgehalten. Uns treibt es nach draußen. Und außerdem wollen wir einem Freund in Not helfen!“, erklärte Nyrona für die anderen. Nurik, Sikona und Esaila nickten zustimmend.

Yen lächelte ihnen dankbar zu und machte Anstalten, sich ebenfalls zum Fluss zu bewegen. Doch da vernahm er plötzlich einen Schrei von hinten.

Ruckartig drehte Yen sich um und blickte zum Berg hinauf.

Doch das einzige, was er sah, war ein grau-weißes Etwas, dass direkt auf ihn zuflog und nur noch wenige Meter von ihm entfernt war.

Yen wusste, dass Ausweichen unmöglich war. Sein Körper war vor Schreck erstarrt.

So blieb er wie ein Felsklotz stehen und sah, wie dieses Ding immer näher auf ihn zuflog.
 

Der junge, verletzte Wolf kämpfte weiterhin um sein Überleben. Zwar hatten die Wunden nun völlig aufgehört zu bluten, doch taten sie noch immer sehr weh.

Dies zehrte an seinen Kräften und somit musste er immer öfter eine Pause einlegen.

Doch größer als der Schmerz war sein Hunger.

Seit er von der Gefahr geflohen war, hatte er nichts Festes mehr zwischen die Zähne bekommen. Er war zu schwach, um zu jagen und so hielt er nach Beeren Ausschau. Insbesondere Waldbeeren. Die hatte er am liebsten.

Doch bis jetzt hatte der junge Wolf keinen Erfolg während der Suche gehabt. Dennoch gab er nicht auf und suchte weiter die Nacht hindurch.

Als die ersten Sonnenstrahlen durch das Blätterdach schienen, beschloss der Rüde eine kurze Pause einzulegen.

Er legte sich an einen schattigen Platz unter einem kleinen Baum.

Seine Schmerzen zogen sich etwas zurück. Ruhig lag er da und betrachtete seine Umgebung.

Nur das morgendliche Gezwitscher von Vögeln und das Surren von Insekten waren zu hören.

Der Rüde genoss die Stille und die Ruhe des Ortes.

In den Tagen, die er alleine verbracht hatte, war er sehr oft einsam gewesen. Schon bald hatte er sich mit dem Tod seiner Eltern abgefunden. Dennoch trauerte er innerlich noch um sie.

„Denk nicht an die Vergangenheit, sondern an die Zukunft!“, sagte er sich dann immer wieder und schüttelte somit jeden trüben Gedanken aus seinem Kopf.

Auch jetzt schüttelte er ihn. Anschließend bettete er seinen Kopf auf seine Vorderfüße und versuchte etwas zu schlafen.

Doch zwei Dinge hinderten ihn daran.

Einmal der Hunger und einmal war es die Tatsache, dass er sich, seit er sich hingelegt hatte, beobachtet fühlte.

Irgendwo in einem Busch oder einem Baum war ein Tier, das ihn eindringlich beobachtete.

Doch der Wolf schüttelte auch diesen Gedanken aus seinem Kopf.

Die Wölfe, die sein Rudel angegriffen hatten, lagen schon lange hinter ihm und, bevor er sich hingelegte, hatte er nach Verfolgern gründlich Ausschau gehalten.

Ein Seufzer entrann ihm und er musste an die Angst denken, die er vor wenigen Stunden noch gehabt hatte. Diese war durch den Hunger verflogen.

Genau dieser Hunger meldete sich nun mit einem lauten Bauchknurren. Genervt knurrte der Wolf zurück und schloss die Augen erneut.

Es wurde wieder ruhig.

Doch dieser friedliche Moment währte nicht lange, als ein schriller Vogelschrei die Luft und somit die Ruhe buchstäblich zerschnitt.

Sofort war der junge Wolf hellwach und sein Kopf schnellte nach oben, um zu sehen, was den Vogel erschreckt hatte.

Der Wolf musste nicht lange suchen und er erblickte einen kleinen Adler am Himmel fliegen.

Dieser flog gemütlich seine Runden, ohne ein Anzeichen von Gefahr.

Der Wolf wollte sich gerade wieder hinlegen, als der Adler erneut schrie. Doch dieses Mal zog er nicht gemütlich weiter, sondern ließ sich zum Sturzflug sinken. Genau auf ihn zu.

Nun sprang der Wolf auf. Sofort wurde er durch den wiederkehrenden Schmerz bestraft.

Er unterdrückte diesen und richtete seine Augen wieder auf den Adler, der weiterhin vom Himmel stürzte. Unfähig sich zu bewegen, starrte er in die klugen Augen des nahenden Tieres.

Immer näher kam er ihm, bis nur noch wenige Meter sie trennten. Doch zur Verwunderung des Wolfes, spreizte der Adler im letzten Moment seine Flügel und drehte ab.

Der Vogel flog in den Wald und schrie erneut.

Da wusste der Wolf, was diese verrückte Geste zu bedeuten hatte.

Sofort begann er dem Adler in den Wald hinein zu folgen. Weiterhin ignorierte er den Schmerz und versuchte, so gut es ging, dem Vogel zu folgen.

Dieser flog nicht allzu schnell und achtete darauf, dass ihn das vierbeinige Raubtier gut folgen konnte.

Der Adler führte ihn immer weiter in den Wald hinein. Nur noch wenig Licht drang zu ihnen durch. Doch der Vogel fand seinen Weg.

Dieser stieg immer mehr an und der Wolf verlangsamte sein Tempo. Trotzdem konnte er dem Adler problemlos folgen.

Er wusste zwar nicht, wohin der Vogel ihn führte und, ob es eine gute Idee war ihm zu folgen, doch in den klugen Augen des Tieres konnte er lesen, dass er keine bösen Absichten verfolgte.

So folgte er ihm den kleinen Berg hinauf, bis der Weg wieder eben wurde und sich langsam der Wald lichtete, bis er endgültig aus ihm heraustrat.

Plötzlich musste der Rüde stehen bleiben, da sich vor ihm ein Abgrund öffnete.

Der Wolf sah in den Himmel und erblickte noch kurz den Adler, der mit einem letzten Abschiedsschrei in den Wolken verschwand.

So blieb er erneut alleine zurück.

Erschöpft durch die lange Verfolgung, die bis zum Nachmittag gedauert hatte, wollte sein Körper sich hinlegen und ausruhen.

Aber der Wolf wollte herausfinden, weshalb ihn der Adler an so einen merkwürdigen Ort wie diesen geführt hatte.

So begann er die Gegend zu durchforsten. Er musste gar nicht lange suchen, als seine Nase einen bekannten Geruch auffing.

Sofort folgte er diesem am Abgrund entlang.

Freude machte sich in seinen Körper breit und unwillkürlich wurde sein Schritt schneller.

Doch plötzlich blieb der Wolf stehen und blickte gierig auf das Ding vor sich.

Wasser lief ihm im Mund zusammen und sein Magen knurrte lauter als zuvor.

Der Wolf wartete nicht lange und stürzte sich regelrecht auf den Waldbeerbusch. Waldbeeren jeglicher Art aß er am liebsten und so verschlang er diese regelrecht.

Die Himbeeren, die er aß, hinterließen um seinem Maul rote Spuren. Auch sein Bauch und seine Pfoten wurden von dem roten Saft nicht verschont.

Jede Beere, die er sah, aß er gierig. Je mehr er vertilgte, desto weiter ging er in den Busch.

Dieser wackelte und wackelte immer mehr. So war es nicht verwunderlich, als plötzlich ein bösartiges Surren vor seiner Schnauze auftauchte.

Sofort schreckte der Wolf zurück. Direkt vor ihm war eine wütende Biene, die sich bedroht fühlte.

Der Wolf wich zurück und versuchte so dem gefährlichen Stachel des Insektes zu entkommen, doch es war schon zu spät.

Kurz nachdem er den Busch verlassen hatte, stach ihn die Biene mitten auf die Nase.

Jaulend warf er seinen Kopf auf die Seite und flog direkt in den Abgrund.

Der Flug war kurz und als er seine Augen aufmachte, sah er in das entsetzte Gesicht eines schwarzen Wolfes, das immer näher kam.

Als er bemerkte, dass er den Abgrund hinuntersegelte, krachte er auch schon mit dem schwarzen Wolf zusammen.

Beide verkeilten sich ineinander und rutschten, ächzend durch den Aufprall, noch einige Meter weiter.

Als beide endlich zum liegen kamen, stöhnten sie vor Schmerz auf.

Eine Zeit lang bewegte sich keiner von ihnen. Doch dann erhob sich ganz langsam der grau-weiße Wolf, damit der andere unter ihm ebenfalls aufstehen konnte.

Dieses Mal spürte er die Schmerzen deutlicher und wankte etwas.

Sofort war eine stützende Schulter bei ihm und als er nach links sah, konnte er auch das Gesicht des Wolfes erkennen, dem die Schulter gehörte.

Der Wolf war nicht größer als er selbst, doch hatte er braunes Fell, eine rote Mähne und ein besorgtes Lächeln auf dem Gesicht.

Benommen blinzelte der grau-weiße Wolf und sah wieder gerade aus, wo sich der schwarze Wolf unter der Hilfe einer dunkelblauen und grünen Wölfin erhob.

Nun trat auch eine hellblaue Wölfin zu ihm und dem roten Wolf, um ihm ebenfalls zu stützen.

Verwundert blickte sich der Wolf um. In allen Gesichtern konnte er ebenfalls Verwunderung lesen.

Als der Schwarze endlich sicher stand, ging er, in Begleitung der anderen Wölfe, zu ihm herüber.

Kurz vor ihm blieb er stehen. Längere Zeit sagte keiner ein Wort. Jeder sah den Neuankömmling an und dieser sie.

Doch dann brach der Schwarze das Schweigen.

„Eine eigenartige Art einfach so hereinzuplatzen, wenn du mich fragst!“

Der angesprochene Wolf senkte unterwürfig seinen Kopf. Der andere hatte Recht. Es war unhöflich von ihm, doch er konnte nichts dafür. Die Biene hatte ihn erschrocken und dazu auch noch gestochen.

„Nun, das ist aber egal!“, fuhr der schwarze Wolf fort. „Ich sehe, du bist schwer verletzt. Das viele Blut kann einem ja richtig Angst machen.“ Da wurde dem grau-weißem Wolf bewusst, dass dieser den Beerensaft auf seinem Fell meinte.

„Ich kann und werde dir das nicht übel nehmen. Ich hoffe mal, dass du kein böser Wolf bist. Wenn nein, so kannst du bei uns bleiben. Du siehst sehr mitgenommen aus. Mein Name ist übrigens Yen. Der rote Wolf neben dir heißt Nurik, die Dunkelblaue Nyrona, die Grüne neben mir ist Esaila und die hellblaue Wölfin heißt Sikona.“

Der Wolf sah jedem Angesprochnen der Reihe nach an. Alle nickten ihm freundlich zu.

Er konnte nicht glauben was er sah und hörte. Da boten ihm fünf wildfremde Wölfe ihre Hilfe an. Doch er war froh darüber und machte einen hilflosen Schritt nach vorne.

Die anderen sahen ihn erwartungsvoll an, als er einmal tief Luft holte und zu sprechen begann.

„Tut mir leid für diesen Sturzflug! Ich hoffe, dir geht es gut. Ich wurde überrascht und flog somit von dem kleinen Berg. Vielen Dank für euer Angebot! Ich werde es natürlich annehmen. Ich bin kein böser Wolf, sondern nur einer, der die Gesellschaft anderer sucht.“

Er machte eine Pause und holte erneut tief Luft, da ihm das Sprechen schwer fiel.

„Schön euch kennen zu lernen! Mein Name ist Ruki.“
 

~~Entscheidungen und ein Bienenstich Ende~~
 

Werden Yen die Informationen helfen?

Wird er die Seherin erreichen?

Was für ein Wolf ist Ruki und woher kommt er?

Und wird sein Bienenstich verheilen?

Informationen und ein Weg, die den Untergang oder das Heil bedeuten können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Xenojiiva
2015-07-25T15:19:40+00:00 25.07.2015 17:19
Auftritt Ruki!
Ehrlich gesagt ist das mit der Biene zu komisch.
Aber das mit der Reise find ich sehr interessant und dass sich da ein süßes Grüppchen zusammen gefunden hat. Aber klar dass wieder Yen was abkriegen muss xD Der hat es echt nicht leicht der arme Kerl.
Abgründe bringen ihm nur Unglück
Von:  Merkur
2012-07-08T18:58:59+00:00 08.07.2012 20:58
Wie süß, da wurde der arme Ruki von einer Biene gestochen, purzelte gleich einen Abhang herunter und landete auf dem Wolf, der erst vor Kurzem selbst einen Abhang heruntergefallen ist, die beiden sollten eine Selbsthilfegruppe gründen XD
Spaß beiseite: Das Kapitel hat mir wieder gut gefallen ^^ Schön, wie freundlich und aufgeschlossen Yen und die Geschwister sind und dass auch Verox immer mal wieder vorkommt. Es macht wirklich Spaß, die Wölfe auf ihrer Reise begleiten zu dürfen ^^
Von:  _Moonyasha_
2012-01-06T18:08:34+00:00 06.01.2012 19:08
Aaahh.. bin gespannt wies mit Kito weitergeht. O.o Wo er jetzt ist, was er erfahren hat... *schon ganz hibbelig ist*
Ah, und ich mag Marika sehr gerne. :3 Ihre i-wie mütterliche Art... obwohl sie auch sehr... wie heißt jetzt dieses Wort? Mit viel Autorität rüberkommt... eine Respektperson halt. XD Ich hoffe, du weißt, was ich meine!
Ich fand auch die Überleitung von dem Adler wo Yen ihn gesehn hat, hin zu Ruki echt toll. ;) Man hat sofort erkannt, dass es der Adler war, den Yen gerade gesehen hat.
Dann bei Ruki fand ichs gut, dass du am Anfang nur "der Wolf" geschrieben hast, damit man nicht so genau weiß, wer er ist (ich war mir ehrlich gesagt selber nicht mehr sicher, ob es jetzt Ruki oder Kian ist... weger der Biene. XDDDD) Aber dann als kurz bevor er von der Klippe gestürzt ist (oder auch danach?) kam dann "grau-weißer Wolf" und dann wusste ich Bescheid. *gg* Ja, das Aufeinandertreffen fand ich echt süß. XD "Du bist ja schwer verletzt!" *Ruki an sich runterschaut und sich denkt, dass es nur Beerensaft ist* *lol*
Ein tolles Kapi und super geschrieben! ;D
*in Favos schmeiß*
hdl *knuff*
deine Moony
Von: abgemeldet
2011-11-24T23:33:23+00:00 25.11.2011 00:33
Yen nennt die Mutter der "vier Verträumten" Marika O . o, da habe ich gestaunt. XDD
Ich habe es gewusste irgendwie, geahnt dass die 4 ihn begleiten würden.
Die Mutter kann so gut erzählen, *___* ihre Rolle, die du ihr gabst, gefällt mir sehr gut!
Die Geschichte von dem Vater Kito war mal was Neues, ich wollte sowieso wissen wie er so sein sollte. Es war spannend über ihn zu lesen und ich freue mich auf die Seherin, ich begreife nicht warum sie ihm nichts erzählte? Vielleicht bekommt er ja viele Wölfe zusammen :D aber anscheinend spielt er wohl keine so ernsthaft wichtige Rolle wie Yen und die anderen *_*
Und ich bleibe dabei.. ich hasse das Finsterniswolfsrudel!!
Wo sich der verletzte Wolf durch die Früchte des Waldes schminkte und seinen Hunger stillte, das wäre auch ein tolles FA, kamm mir gerade so ein Gedanke :DD.
AJA das Schlimmste *_____* ich habe es irgendwie gewusst dass er nach Yen suchte und die anderen treffen würde, deswegen auch der Name des nächsten Kapitels stimmt? XD
Von:  Issura
2011-06-13T17:50:48+00:00 13.06.2011 19:50
*zu dir hin geh und dir die Haare verwuschel* Nen geiles Kapitel! Lange hats aber auch gedauert! Okay *hust* ich bin ja nicht besser. ^^°
Also, zurück zum Kapi:
Wie immer, wird der arme Nurik wieder mal bemobbt. Q.Q Aber es gibt einen Lichtblick!!! Ruki ist endlich da!! *muhahaha* ab jetzt wird Nurik nicht mehr alleine sein!!!
Echt toll, wie du die zusammen geführt hast. Auch ich finde den Adler total cool. *_* Ich mag ihn auch!
Bin auch gespannt, was du noch alles so zu Kito schreibst, hoffentlich treffen die ihn mal. ^^ Aber erst müssen sie ja zu diesem Wald. *_* *schon ganz gespannt ist*
Schreibe ja schnell weiter! =} *Ruki- und Nurikfähnchen schwenk*
Hdggggggdlieb *patpat*
Issu :}
Von:  _Saliona_
2011-06-12T21:40:29+00:00 12.06.2011 23:40
Also deine Geschichte wird immer besser und besser! ^-^
Diese Erzählung von Kito fand ich total interessant! Ich frag mich, was aus ihm geworden ist...
Dann ist es cool, dass Yen mit den vieren auf Reisen geht! :D Und, dass Ruki kommt! :) Er tut mir aber voll leid... diese ganzen Verletzungen und diese bescheuerte Biene! >.< Aber wäre diese bescheuerte Biene nicht, hätte er nie die anderen getroffen. ^^
Aber dieser Adler... O.o Zuerst sieht ihn Yen und dann scheint er Ruki zu den anderen zu führen... Mysteriös! XD Hoffentlich kommt er in den folgenden Kapiteln auch hin und wieder mal vor. Ich mag ihn. :)
Die Szene, wo sie sich treffen find ich echt süß geworden. ^^
Und dann am Ende:
Zuerst kommen diese ganzen todernsten Rückfragen und dann DAS: "Und wird sein Bienenstich verheilen?" :D *lol* Ich lach mich tot! XD Zu geil! :D Solltest du öfter machen. ;)
Also ich hoffe, dass es nicht soooo lange dauern wird, bis das nächste Kapitel erscheint. >.<
Mach weiter so!
Hdgggg...dlieb
*feste knuddel*
Deine Sali ;}


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