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Wolfskinder - Sternenwege

von

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Krank

»Das glaube ich dir nicht«, Llew schaute sie so zweifelnd an, das sie, trotz der Schmerzen, ein wenig lächeln musste.

»Es ist aber wirklich so«, meinte sie sanft.

»Nein. Das ist einfach nicht möglich. Ich meine, so weit können Yggdrasils Wurzeln einfach nicht reichen«, fand er.

»Tun sie auch nicht. Zumindest wäre es das erste Mal, das ich davon höre«, erschöpft blieb sie stehen. Ihr war heiß und kalt zugleich, vermutlich hatte sie Fieber.

»Brauchst du eine Pause?«, besorgt kam er zu ihr zurückgelaufen und drückte seine Nase in ihr Fell.

»Ja, wenn es möglich ist…«, sie legte sich hin und schob das Bein vor, um daran zu lecken. Es blutete nicht mehr, aber sie konnte es auch fast nicht mehr bewegen.

»Natürlich ist es möglich«, er setzte sich vor ihr hin und schaute sie mit leuchtenden Augen an. »Aber das hinter dem Meer noch etwas liegt, das glaube ich dir nicht. So groß ist diese Welt einfach nicht.«

»Muss sie wohl, denn ich komme nicht aus Midgard und wo genau Asgard und Udgard liegen sollen ist mir auch noch nicht so ganz klar.«

Llew seufzte tief, schüttelte dann entschieden den Kopf.

»Ich glaube, du hast dir den Kopf angestoßen…«, meinte er lachend.

»Irgendwann beweise ich es dir«, lächelte Mana.

Es war mittlerweile drei Tage her, dass er sie regelrecht aufgelesen hatte, seitdem liefen sie um die Esche herum. Seitdem hatte sie eine Menge über ihren Begleiter erfahren, den Llew war ausgesprochen gesprächig. Sie hatte erfahren, dass er mit seiner Mutter alleine in Midgard lebte und dass er seinen Vater nicht kannte. Er hatte keine Geschwister, wünschte sich aber welche.

Doch nicht nur über seine Familie hatte er viel erzählt, sondern über alles, was ihm so einfallen mochte. Über den Vogelgesang, über den blauen Himmel, über Midgard, über alles, was er sah, roch und hörte. Sie hatte nie zuvor ein einziges Wesen so viel reden hören.

»Wie weit ist es eigentlich noch?«, sie ließ sich auf die Seite fallen.

»So weit, wie die Nornen es wollen. Sie bestimmen, wer ihre Höhle findet«, antwortete Llew, legte sich hinter sie und vergrub seine Schnauze tröstend in ihrem Fell.

»Dann glaube ich nicht, dass sie mich allzu dringend sehen wollen«, murmelte sie und zitterte ein wenig. Da landeten die beiden Raben auf einer Wurzel der Esche. Sie waren immer in der Nähe, doch so Nahe wie bei ihrer ersten Begegnung waren sie nicht wieder gekommen. Und Mana wusste auch nach wie vor nicht, wieso Llew sie so aggressiv verscheucht hatte, denn diesem Thema wich er starköpfig aus.

»Skadi fragt nach dir, Llew«, erklärte Munin ihr so offenes Auftauchen.

»Ich habe keine Zeit, ich helfe gerade jemanden«, knurrte der bissig, wirkte dabei aber auch ungemein stolz.

»Besprich das mit ihr, wir sind nur die Boten. Und die Wächter«, erklärte Hugin.

»Ruhe jetzt und verschwindet«, brüllte der Wolf die beiden an und sprang zähnefletschend an der Wurzel empor. Die beiden Raben flatterten auf, aber sie flogen nicht davon, stattdessen ließen sie sich ein wenig entfernt wieder nieder und warfen Llew einen völlig unbeeindruckten Blick zu.

»Haut ab, ihr habt hier nichts zu suchen«, fauchte er und sprang mit gesträubtem Fell wieder zu Mana hinab.

»Was hast du gegen sie, sie tun uns doch nichts«, versuchte die erneut herauszufinden, was der Wolf gegen die beiden Vögel hatte, doch wieder einmal erhielt sie keine Antwort. Stattdessen knurrte der Wolf noch einmal drohend, ließ sich dann wieder neben ihr nieder.

»Ich bleib bei dir, keine Sorge. Meine Mutter kann warten«, lächelte er und stupste sie aufmunternd an.

»Denkst du nicht, dass sie wütend sein wird? Mir und meinen Geschwistern ist ein solcher Ungehorsam zumindest nie durchgegangen«, erklärte sie aus Sorge, ihr neuer Freund konnte wegen ihr ärger bekommen.

»Wütend bestimmt, aber was soll sie schon tun?«, lachte er und schob seinen Kopf unter ihrem Bauch, um ihr beim Aufstehen zu helfen. »Wir müssen weiter.«

»Ich weiß… sag mal, Llew, was genau sind eigentlich die Nornen?«, mit schmerzender Pfote und steifem Bein humpelte sie weiter.

»Ach herrje, wie soll ich dir das denn erklären?«, er ließ die Ohren hängen, schüttelte dann den Kopf. »Sie sind es, die die Geschicke dieser Welt lenken. Sie… sind unsterblich, wenn sie stürben wäre es, als wenn die Zeit selbst stirbt.«

»Sind sie… Götter?«, Mana mochte das Wort nicht. Sie war nicht nach dem Glauben der Götter erzogen worden, im Gegenteil. Sie hatte von klein auf gelernt, das es keine Götter gab. Jene, die man als Solche erheben konnte, waren eigentlich nicht viel Mächtiger als man selbst, und jene, die man als Solche ansah, kümmerten sich nicht um die Geschickte der Wesen dieser Welt.

»Götter? Nein, bestimmt nicht. Sie sind einfach… die Nornen eben«, Llew wirkte irgendwie Hilflos angesichts der geforderten Erklärung. Und er musste auch nicht mehr erklären, denn als sie um die nächste Wurzel herumliefen, entdeckten sie einen Brunnen, der Llews Augen zum Leuchten brachte.

»Wir sind da!«, rief er und fuhr zu Mana herum.

»Wie, wir sind da?«, nachdem sie drei Tage sinnlos vor sich hingelaufen waren, kam ihr das hier ganz eindeutig zu schnell. Sie schaute ihn irritiert an und er lächelte zurück.

»Sie haben beschlossen, dass es jetzt an der Zeit ist, dass wir sie treffen, deswegen sind wir jetzt da.«

»Einfach so, weil sie es wollen?«, Mana erschien das so unglaublich, das sie die Stirn runzelte.

»Versuche nicht, etwas zu verstehen, was deiner Wirklichkeit so fern ist, wie die Nornen es sind«, meinte eine Stimme hinter ihr, und als Mana erschrocken herumfuhr, stand dort eine schwarze Wölfin.

»Ähm… hallo?«, zum wiederholten Mal fühlte sie Mana ein wenig überfordert. Wer war das schon wieder?

»Mam!«, begrüßte Llew sie stürmisch und leckte ihr wie ein Welpe über ihre Schnauze.

»Deine Mutter?«, das Mädchen wusste zwar nicht, was genau sie erwartet hat, aber bestimmt nicht das.

»Ja, sie sieht schon eher so aus, als wäre sie meine Großmutter, ich weiß«, stänkerte der junge Wolf, doch seine Mutter ging darauf gar nicht ein. Stattdessen betrachtete sie aufmerksam die junge Wölfin.

»Du bist Mana, oder?«

»Ja.«

Die schwarze Wölfin nickte, schien dann etwas zu bemerken, was sie irritiere, denn sie legte kurz die Ohren an und runzelte die Stirn, sagte aber nichts.

»Tja, wir sind also da, aber…«, Llew schaute sich suchend um. »Deine Freunde scheinen nicht hier zu sein.«

»Nein, nicht wirklich«, Mana ließ sich wieder schwer zu Boden sinken.

»Sie sind in den letzten Tagen nach und nach hier angekommen, im Moment schlafen sie in einer Höhle in der Nähe«, berichtete Skadi und schnüffelte an ihrer Pfote. »Das riecht schlecht, kleines.«

»Wunden können schlecht riechen?«, Mana fühlte sich schläfrig.

»Ja, eben… nicht gesund. Krank«, Skadi stupste sie an. »Hier kannst du aber nicht bleiben. Komm mit mir, zu deinen Freunden.«

Und wieder stemmte sich die weiße Wölfin hoch und folgte Skadi. Sie spürte, wie das Fieber ihre Sinne vernebelte. Sie nahm einen Aufschrei war, durch einen Fieberschleier gewahr sie eine Gestalt, die auf sie zulief, dabei laut und heftig auf sie einredete.

Sie verstand nicht, was plötzlich los was, doch für den Moment war es ihr egal, sie wollte nur ins Bett. Oder eben irgendwohin, wo sie sich ausruhen konnte. Als es dann dunkel um sie herum wurde, ließ sie sich einfach fallen. Sie hatte nicht einmal den Boden berührt, da war sie schon eingeschlafen.

Sie erwachte mehrfach, doch kein einziges Mal war sie so klar, das sie bewusst wahrnehmen konnte, was um sie herum vor sich ging. Als es endlich so weit war, war tiefe Nacht. Sie hörte das gleichmäßige Atmen von verschiedenen Leuten, spürte den warmen Körper von jemand anderem an ihrem, und fühlte sich sicher und geborgen. Sie blinzelte verschlafen, bemerkte dabei die Gestalt, die am Eingang der Höhle stand und in den Himmel hinaufschaute.

Sie zögerte kurz, doch nachdem ihr der Geruch sagte, wer genau es war, der dort saß, stand sie vorsichtig auf und humpelte zu ihm. Ihre Pfote schmerzte immer noch ein wenig, aber nicht mehr lange so sehr, wie anfangs.

»Fylgien«, flüsterte sie, als sie sich neben ihn auf den Stein legte. Er zuckte zusammen, denn offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass noch jemand wach war.

»Mana…! Geht es dir besser?«, er kauerte sich nieder, schob seine Schnauze in ihr Wangenfell.

»Ja. Wie lange hab ich geschlafen?«

»Lange… zu lange. Ich hatte schon angst, dass du nicht mehr aufwachen würdest«, murmelte er, zog dann die Nase zurück, um seinen Kopf auf ihren Nacken zu legen.

»Ein bisschen Fieber kriegt mich nicht unter«, antwortete Mana.

»Laut Skadi war das mehr als ein bisschen Fieber. Wir waren alle besorgt um dich. Llew hat erzählt, das du dir die Pfote an einem Baum so aufgerissen hast?«

»Ja. Als wir alle zusammen so losgelaufen sind, da hab ich nicht mehr richtig auf den Weg geachtet und habe es über den Baumstamm nicht geschafft. Es tut ziemlich weh, auch jetzt noch, aber es ist schon deutlich besser«, erklärte sie und genoss die Nähe des goldenen Wolfes.

»Ich hätte bei dir bleiben müssen, es tut mir so leid«, flüsterte Fylgien.

»Hey, was soll das denn werden? Auch wenn du bei mir gewesen wärst, hätte ich den Sprung nicht geschafft, du musst dir keine Vorwürfe machen.«

Fylgien sagte dazu nichts, doch sie sah ihm deutlich an, wie unglücklich er war.

»Oh, mein kleiner Wolf, jetzt sei nicht so. Lächle lieber wieder, wir sind alle hier und wir sind gesund.«

»Ja… Ihr könnt auch zu den Nornen gehen, wenn ihr wollt, sie erwarten euch zu jeder Zeit und sie werden mit jedem von euch sprechen.«

»Mit… mir dir nicht?«

»Nein. Ich… mich wollen sie nicht sehen, ich bin anders als ihr. Sie wissen das, sie haben mein Schicksaal nicht bestimmt, und deswegen habe ich bei ihnen auch nichts zu suchen. Aber ihr schon. Ihr… müsst mit ihnen sprechen. Sie können euch eine Menge erzählen… über euch selbst und über eure Zukunft«, der Wolf schaute wieder in den Himmel hinauf und Mana folgte seinem Blick.

»Über und selbst und über unsere Zukunft… Fylgien, wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?«

»Was ich mir…«, er blinzelte sie erstaunt an.

»Ja, was du dir wünschen würdest. Irgendetwas musst du dir ja wünschen, jeder hat einen Herzenswunsch!«, ereiferte sie sich und schaute ihn begeistert an.

»Was… was wäre denn deiner?«

Mana zögerte einen Moment, dann lächelte sie. Ihre Augen blitzten durch das Sternenlicht, als sie wieder in den Himmel aufschaute.

»Ich würde gerne fliegen können. Wer fliegen kann, der ist wirklich frei und wer wirklich frei ist, der hat die Macht, sich selbst zu suchen und auch zu finden.«

»Fliegen, ja…?«, Fylgien stand auf.

»Ja. Aber, was ist dein Wunsch?«

»Mein Wunsch... mein größter Wunsch…«, der goldene Wolf schüttelte langsam den Kopf. »In diesem Moment… habe ich keinen Wunsch. Es ist alles so, wie es sein soll. Ich bin… ich bin hier. Mit dir, und die Einzigen, die jetzt wissen, was vor sich geht, sind die tausenden Lichter dort am Himmel.«

»Man nennt sie Sterne«, lachte Mana.

»Sterne?«, Fylgien schaute sie aus großen Augen an.

»Ja«, die junge Wölfin neigte den Kopf, den in seinen Augen konnte sie etwas lesen, was sie nicht verstand. Er wirkte erstaunt, doch auch ein uraltes Wissen glomm in seinem Blick. Und wieder stellte sie sich die Frage, wer er eigentlich war.

Doch der junge Wolf dachte nicht einmal daran, ihr die stille Frage zu beantworten, stattdessen machte er einen gewaltigen Satz nach vorne und wandte sich zu ihr um.

»Mana, ich möchte, das dein Wunsch in Erfüllung geht. Irgendwann laufen wir gemeinsam über den Himmel. Dann sind wir beide wirklich Frei und du wirst wissen, wer du wirklich bist. Du wirst wissen, was andere in dir sehen, was ich in dir sehe, und was die reine Wahrheit ist. Irgendwann«, versprach er und er sollte recht behalten.

Doch hätte er je geahnt, wie Tragisch dieses Versprechen enden würde, so hätte er es nicht gegeben. So hätte er einfach nur still diesen Abend genossen und all seine Worte irgendwo in sein Herz eingeschlossen, auf das sie niemals wahr werden mochten. Das wäre sein sehnlichster Wunsch gewesen, hätte er die Zukunft gekannt.

Doch weder er, noch Mana wussten darum, so freute sie sich einfach nur über dieses vermeintlich wunderbare Versprechen und auch darüber, wie schön diese Nacht war. Sie stand umständlich auf und folgte Fylgien.

»Lass uns spazieren gehen. Erzähl mir etwas. Irgendetwas, über dich, deine Vergangenheit, dein Leben«, bat sie, als sie bei ihm angekommen war und ihre Nase in seinem Halsfell vergrub.

»Wenn es nicht zu anstrengend für dich ist…«, lachte er. Dann gingen sie los. Und sie waren glücklich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-11-29T18:11:54+00:00 29.11.2010 19:11
Meine arme Mana O.O
ich mag es aber, das die beiden sich jetzt so langsam annähern^^ Aber was die Zwei erwartet, das ist soooo grausam >.<
Kannst du da nicht bitte noch etwas dran drehen? Ich mag das Ende jetzt schon nicht -___-
Von:  Seelentraeumerin
2010-11-14T16:30:20+00:00 14.11.2010 17:30
Was erwartet die Beiden in er Zukunft denn o.O
Und was bahnt sich da zwischen Mana und Fylgien an xD
Zu süß die Beiden ^.^
Aber was hat das ganze mit Fiebertraum zu tun? Irgendwie passt es nicht ganz dazu o.O
Aber egal wieder super geschrieben und der Schluss ist klasse*_*


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