Aussprache
Epilog
Aussprache
Katsuya kramte in seinen Taschen nach dem Hausschlüssel und stellte die drei Tüten, die er trug, auf der Fußmatte ab, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Ryujis Suche nach einem passenden Geschenk für Seto hatte etwas länger als gedacht gedauert und war nahtlos in eine ausgedehnte Shoppingtour übergegangen. Der Blonde hatte in einer kleinen Boutique eine Lederhose gefunden, die an den Beinen seitlich mit Schnürungen versehen war. Er war zweimal daran vorbeigegangen, beim dritten Mal hatte er sie schließlich, nach ein bisschen Drängen von Ryuji, mitgenommen. Das gute Stück würde er einweihen, wenn sie das nächste Mal ausgingen.
Er fand seine Schlüssel unter einer angebrochenen Packung Minzbonbons und kratzte sich verwundert am Kopf, als er die Tür öffnete. Er war sich ganz sicher, abgeschlossen zu haben, bevor er gegangen war. Auf der anderen Seite war er wahnsinnig in Eile gewesen, da konnte das schon mal passieren. Er zuckte mit den Schultern und trat ein, doch schon im Flur fiel ihm die nächste Ungereimtheit auf. Die Tür, die die Treppe zu seinen privaten Schlaf- und Arbeitsräumen verdeckte, war nur angelehnt und von ihr wusste er absolut sicher, dass er sie zugemacht hatte. Egal wie schnell er aus dem Haus musste, er ging nie, ohne das erledigt zu haben. Hier stimmte etwas nicht, das spürte er eindeutig.
Katsuya stellte die Einkäufe im Flur ab und schlich, dank seiner weichen Hauspantoffeln fast lautlos, die versteckte Treppe hinauf. In seinem Arbeitszimmer und im Wohnbereich wirkte auf den ersten Blick alles wie immer. Sein Blick heftete sich auf ein leeres Glas, an dessen Innenseite die Reste von Orangenfruchtfleisch hingen. Jemand war hier gewesen, nur wer? Ein Einbrecher? In dem Fall war die Frage, warum der DVD-Player und der Laptop noch an ihren Plätzen standen. Auch sonst schien nichts zu fehlen.
Er ging weiter, öffnete die Tür zu seinem Schlafzimmer und erstarrte. Das musste ein Traum sein, er wusste allerdings nicht, ob Wunschtraum oder Albtraum.
Mitten auf dem großen, schwarz lackierten Bett lag Bakura quer über die Kissen ausgestreckt und war in das Manuskript seines Märchens vertief, mit dem er sich in den letzten Wochen sein Problem von der Seele geschrieben hatte. Nach den ersten Seiten hatte er sich hierher zurückgezogen, da ihm das Bett zum Lesen bequemer als die Couch erschienen war. In Katsuya kam der dringende Wunsch nach einem tiefen Loch im Erdboden auf, in dem er verschwinden konnte. Auf diese Art hatte sein Freund das nicht erfahren sollen. Der Blonde wandte sich um, wollte hinausschleichen. Bakura bemerkte seine Bewegungen aus dem Augenwinkel.
„Hallo, Katsuya. Da bist du ja endlich.“
Langsam, sehr langsam drehte er sich zu ihm zurück.
„Was … was hast du hier zu suchen, Bakura?“
Seine Stimme klang in seinen Ohren wie ein Krächzen, in seinem Hals saß ein dicker Kloß.
„Ich wollte mit dir reden.“ Bakura legte den Block auf dem Nachttisch ab. „Aber du musstest ja weg. Da hab ich mir gedacht, ich warte solange auf dich. Sehr interessante Lektüre übrigens, du hast Talent, Kleiner. Nur dass du ausgerechnet aus mir einen Märchenprinz machst … darüber müssen wir noch mal sprechen.“
„Was war das andere, worüber du mit mir reden wolltest?“, versuchte er ihn abzulenken.
Bakura schwang sich vom Bett herunter – Katsuya schluckte und musste unwillkürlich an ein Raubtier denken, so wie sich ihm der andere näherte. Direkt vor ihm blieb er stehen und grinste ihn an.
„Ich wollte wissen, warum du mir seit Wochen aus dem Weg gehst. Hat sich erübrigt, würde ich sagen, deine Geschichte war da sehr aufschlussreich.“ Er warf einen viel sagenden Blick auf den Schreibblock zurück. „Katsuya, Katsuya, das hättest du echt einfacher haben können, wenn du nur den Mund aufgemacht hättest. Sonst hast du doch so ’ne große Klappe.“
„Na ja, ich … ich wusste ja nicht, wie du dazu stehst, du hast immer mit anderen geflirtet.“
„Du bist ein Trottel“, lachte Bakura und zog ihn an sich. „Aber ab sofort bist du mein Trottel.“