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If we ever meet again, it will never be the same

von

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06.08.1806

06.08.1806
 

Er hatte versagt. Er hatte VERSAGT!!! Das konnte nicht sein. Es konnte nicht sein, dass seinetwegen ein Kind sterben musste!
 

Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. Die Augen füllten sich mit Tränen.

Nein, er würde jetzt nicht weinen, er konnte nicht, nicht jetzt, nicht in diesem Moment.

24.10.1648

24.10.1648
 

Der Krieg was endlich vorbei! Seit 30 Jahren herrschte tatsächlich Frieden! Aber was für Folgen hatte der Krieg gehabt?! Das Reich lag in Trümmern. In den gesamten 30 Jahren war es der Austragungsort für die 4 großen Konflikte gewesen.

Aus den zunächst noch innerreichlichen Auseinandersetzungen war ein kontinentaler Krieg mit ungeahntem Ausmaß geworden.

Neben der zahlloschen Bevölkerung, die dem Hunger und den Seuchen zum Opfer gefallen war, gab es noch zwei weitere Personen, die unter der europäischen Auseinandersetzung extrem gelitten hatten. Mehr gelitten hatten, als all die anderen Nationen, die an diesem verheerenden Krieg beteiligt gewesen waren.

Die eine von beiden ist bisher noch verschwunden und wir alle beten, dass es ihr gut gehen möge und sie wieder so erstrahlen wird, wie sie es zuletzt vor 30 Jahren getan hat…

Die andere Person verlor ihr Glück und ihre Freude ebenfalls vor genau diesen 30 Jahren, als die erstgenannte Person spurlos verschwand…
 


 

[Das hier ist ne Art zweiter Prolog, ich starte im nächsten Kapitel mit der Mainstory]

24.12.1648 Part 1/7

24.12.1648
 

Das erste Weihnachtsfest im Frieden und doch konnte keiner recht es genießen. Vor zwei Monaten was der Friedensvertrag unterzeichnet worden und dennoch fehlte von Shinsei Roma noch jede Spur. Chibitalia weinte nicht mehr, verkroch sich nicht mehr, lächelte aber auch nicht mehr. Jegliche Freude war verschwunden und jedes Lachen wirkte gekünstelt. Besonders an solchen feierlichen Tagen, war es extrem. Die Stimmung war gedrückt.
 

Antonio und Romano waren gekommen, um mit Roderich, Elisabeta und Chibitalia zu „feiern“. Antonio strahlte Freude und Motivation aus. Das war genau das, was jetzt in dem Haushalt gebraucht wurde. Doch auch Antonio und selbst Romanos Gemeinheiten veränderten nicht wirklich etwas an Chibitalias Stimmung.
 

Chibitalia freute sich über Antonios und Romanos Besuch. Sie freute sich über Romanos Gemeinheiten und Antonios Versuche ihren Bruder in Schach zu halten, nicht die ganze Gesellschaft zu sprengen. Und doch… und doch war sie nicht glücklich. Nein ganz und gar nicht. Alle wussten, wie es Chibitalia ging, doch inzwischen hatten sich alle, naja bis auf Romano vielleicht – daran gewöhnt. Doch in all den vielen Jahren, seit dem Verschwinden Shinsei Romas, war Chibitalia erkaltet und zeigte nur noch selten Gefühle und meistens waren diese nicht echt. Niemand konnte ihr helfen. Und gerade heute, an diesem Tag, wollte sie eigentlich nur alleine sein.
 

Der Krieg war vorbei! Warum war er nicht wieder gekommen? Er hatte er ihr doch versprochen. Normalweise hätte sie jetzt nur noch mehr geweint, als sie es vorher schon getan hätte. Aber die Zeiten hatten sie verändert. Sie weinte nicht mehr. Alles was sie tat, war bedrückt dreinzuschauen…
 

Sie hatte gelernt, wie sie mit solchen Situationen umzugehen hatte. Trotzdem waren diese Festtage nicht mehr, dass was sie einmal waren. Chibitalia musste da nun einmal durch. Sie konnte heute Nacht Trübsal blasen, jetzt sollte sie versuchen, die Stimmung in der Runde nicht noch mehr zu dämpfen.
 

Irgendwie war der Abend vorüber gegangen. Sie hatten sich anfangs im Wohnbereich aufgehalten und Roderich spielte auf seinem Klavier ein Weihnachtslied nach dem anderen, angefangen mit „Stille Nacht, heilige Nacht“. Bei dem Wort „heilig“ wurde er Chibitalia schwer ums Herz, dennoch ließ sie sich nichts anmerken. Sie sang aus voll Seele mit und fand es amüsierend, wie Antonio Romano an sich drückte und sich dieser verzweifelt versuchte sich dagegen zu wehren. Anschließen aßen sie gemeinsam und setzten sich danach wieder in einer gemütlichen Runde mit deiner heißen Tasse Kaffee und Kakao für die Kinder wieder zusammen.
 

Nach einiger Zeit, schickten Antonio und Roderich die Geschwister ins Bett. Romano schlief bei Chibitalia, was ansonsten recht selten war. Vielleicht war es Absicht der Erwachsenen gewesen, gerade heute, Chibitalia nicht alleine schlafen gehen zu lassen. Irgendwie fühlte sich Chibitalia dankbar dafür, nun doch nicht ganz so alleine zu sein. Ein leichtes, heimliche grinsen stahl sich auf ihre Lippen, auch wenn niemand es sah, da Romano damit beschäftig war, beim ausziehen über seine festliche Kleidung zu fluchen.
 

Nachdem sie bettfertig waren, beide still nebeneinander. Romano wollte nicht reden und Chibitalia war heute auch nicht der Sinn danach. Die Körperwärme, die von ihrem Bruder neben ihr ausging, beruhigte sie trotzdem irgendwie. Sie schaffte es nicht lange ihre Gedanken auf Shinsei Roma zu konzentrieren. Vielleicht wollte sie das auch gar nicht, jetzt jedenfalls nicht. Sie wollte lieber die Nähe zu ihrem Bruder genießen. Dadurch, dass er bei Antonio aufwuchs, sahen sie einander zwar häufig, trotzdem war es etwas anderes, als wenn sie beide gemeinsam aufgewachsen wären. Es war eine Seltenheit geworden, dass sie zusammen so eng miteinander waren. Normalerweise ärgerte und beschimpfte Romano sie immer und wenn er zusammen mit Antonio bei Roderich zu Besuch war, dass schlief er fast immer auch bei ihm. Seit dem Verschwinden Shinsei Romas, war ihr nicht mehr viel geblieben, was ihr noch Freude machte. Dass Romano bei ihr war, war ein Luxus, den sie genießen sollte und mit diesem Gedanken schlief sie auch ein.
 

Die traumlose Nacht endete schon nach wenigen Stunden. Es war halb drei Uhr morgens, doch das gesamte Personal schien auf den Beinen zu sein. Es war genauso laut, wie am Tag zuvor, kurz bevor die Gäste eingetroffen waren.
 

Auch Romano war aufgewacht, sodass die zwei leise über die möglichen Ursachen diskutierten. Chibitalia war sich nicht sicher, ob sie auch runter gehen sollte, schließlich gehörte sie auch zum ‚Personal‘, doch bevor sie zu einer Entscheidung kam, hörte sie, wie sich Schritte näherten. Es waren Antonio, Roderich und Elizabeta, die leise mit einander sprachen. Das genaue Gespräch war nicht zu verstehen, aber dieser eine Satz von Elizabeta war klar und deutlich zu verstehen.
 

«Sollen wir sie wirklich wecken?»
 

Keiner Antwortete.
 

Was war passiert? Elizabetas Stimme zitterte, als sie ihre Stimme erhoben hatte. Sie klang besorgt.
 

Auch Romano hatte Elizabetas Worte verstanden und schaute Chibitalia fragend an. Keiner traute sich ein Wort zu sagen, solange die Erwachsenen genau vor der Tür standen. Doch Chibitalia konnte die Frage aus Romanos Gesicht ablesen und schüttelte den Kopf. Sie hatte wirklich keine Ahnung, was los war. Sollten sie vor die Tür gehen?
 

Während sie noch darüber nach dachten, hörten sie, wie Roderich eine Antwort gab.
 

«Wenn wir sie jetzt rausholen, erschrickt sie wahrscheinlich mehr, als dass sich freuen würde.»
 

Ein tiefer Seufzer war zu vernehmen.
 

Roderich fügte noch einen weiteren Satz hinzu, doch was er genau gesagt hatte, war nicht zu verstehen. Es klang fast nach: „Morgen wird es auch nicht besser sein“ aber das machte doch keinen Sinn. Worum geht es eigentlich? Chibitalia verstand gar nichts mehr. Weshalb wollten sie sie wecken? Wovor sollte sie sich erschrecken? Und wieso hätte sie sich freuen sollen? Es gab nichts mehr, worüber sie sich ‚wirklich‘ hätte freuen können. Ihr Glück war zusammen mit ihm gegangen und würde erst wieder mit ihm zurückkehren, wenn überhaupt… Aber – nein, das konnte nicht sein. Sollte er wirklich wieder da sein?!
 

Ein Gefühl der Überwältigung überkam sie. Wie elektrisiert sprang sie vom Bett auf, stürmte zur Tür und riss diese auf. Die Erwachsenen erschraken, da sie mit Chibitalia nicht im Geringsten gerechnet hatten. Alle drei schauten mit großen Augen zu ihr runter. Chibitalia selbst schaute mit hoffnungsvollem Blick und aufkommenden Tränen in den Augen zurück. Sie wussten sofort, dass Chibitalia alles mitbekommen hatte.
 

Antonio nahm sie auf den Arm und hob sie hoch, um nicht ganz so klein im Vergleich zu den Anderen zu wirken.
 

Roderich fand als erstes seine Sprache wieder und antwortete auf Chibitalias immer fragenderem Blick mit einem einfachen „Ja“.
 

Trotzdem stimmte irgendwas nicht. Romano war inzwischen ebenfalls aus dem Zimmer gekommen und klammerte sich an Antonios rechtes Bein. Elizabeta nahm Chibitalia aus Antonios Armen in ihre eigenen und drückte sie fest an sich, während Antonio seinen Blick zu Boden senkte und seinerseits Romano hoch hob.
 

Was war nur los? Warum durfte sie nicht zu ihm, wenn er doch wieder da war! Niemand sah sie an. Ihre Emotionen, die all die Jahre tief in ihrem Inneren verborgen waren, kamen kehrten jetzt zu ihr zurück. Sie fing an zu schluchzen. Wieso um Himmels Willen sagte niemand etwas zu ihr?
 

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24.12.1648 Part 2/7

Roderich zuckte unter dem lauten schluchzen Chibitalias zusammen. Er musste ihr eine Antwort gebe.
 

Eigentlich wollte er mit der Nachricht bis zum Morgen warten. Aber jetzt ging es nicht mehr. Chibitalia wusste, dass es um ihn ging und länger konnte er sie nicht hinhalten. Er musste versuchen, es ihr schonend beizubringen…
 

Wie sollte er anfangen? Das wusste er nicht. Aber wie bringt man einem kleinen Kind auch etwas schonungsvoll bei, wenn man es nicht verletzten möchte?
 

Sie sollten nicht so auf dem Flur herum stehen. Das war nicht der richtige Ort für ein Gespräch dieser Art. Schweigend winkte er die Anderen hinter sich her und sie gingen in ein ab gelegeneres Zimmer, wo sie in Ruhe reden konnten.
 

Roderich setzte sich gegenüber von Elisabeta und Antonio, die immer die Kinder im Arm hatten. Chibitalia schluchzte nicht mehr, trotzdem waren ihre kleinen Tränen nicht versiegt. Sie schaute voller Erwartung zu Roderich, während Romano versuchte dich aus Antonios Griff zu befreien.
 

Roderich seufzte tief. Das hatte er heute schon häufiger gemacht. Wieso musste es auch nur so schwer sein… Warum musste er ausgerechnet am Weihnachtsfeiertag zurück kehren…?
 

Sie hatten es sich mit einem guten Wein um Wohnbereich gemütlich gemacht, nachdem sie die Kinder zu Bett geschickt hatten. Sie redeten über dies und das und Antonio erzählte so einiges von Romano. Die Zeit war wie im Flug vergangen und sie hatten schon den Gedanken selber schlafen zu gehen, als ein Reiter mit einer Nachricht zu später Stunde eintraf. Er war sehr in Eile gewesen und sah dementsprechend auch aus. Roderich nahm ihm sofort die Botschaft ab und lass sie durch. Was er da lass, wollte er nicht glauben. Das wäre das schönste Weihnachtsgeschenk was es geben konnte. Sofort musste alles vorbereitet werden. Nach den vielen Jahren ohne eine Nachricht über seinen Aufenthaltsort oder sein Befinden, gab es nun ein Lebenszeichen von Shinsei Roma. Und er war schon fast zu Hause! Es würde nicht mehr lange dauern. Keine Zeit war zu verlieren, das Personal musste geweckt werden, Essen vorbereitet und ein Zimmer hergerichtet werden.
 

Alle freuten sich auf seine Rückkehr. Besonders Chibitalia würde sich freuen, wenn sie mitbekäme, dass er zurück ist.
 

Das Leben und die Freude würden in den Haushalt wiederkehren und diesen erleuchten.
 

Doch trotz der Hoffnungen kam es ganz anders…
 

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24.12.1648 Part 3/7

Es dauerte wirklich nicht lange, bis er eintraf. Die Zimmer waren gerade fertig hergerichtet worden und die Küche war damit beschäftigt, das Essen so vorzubereiten, dass es nur noch warm gemacht werden musste.
 

Einer der Wachmänner übermittelte die Botschaft, dass er in wenigen Augenblicken das Hoftor passieren würde.
 

Augenblicklich verließen Roderich, Elisabetha und Antonia das Haupthaus um in den Innenhof zu treten. Kaum standen sie vor der Tür, ritt auch schon eine Gruppe von Personen auf sie zu. An dessen Spitze ein blondhaariger Junge. Aber wer war dieser Junge?
 

Natürlich, er sah aus wie Shinsei Roma, aber er war nicht nur gealtert, sondern hatte auch jegliche kindliche Züge verloren. Das war nicht mehr, der kleine vierjährige, der einst so voller Strenge war und doch gleichzeitig Lebenslust versprühte und in Chibitalias Gegenwart so schüchtern sein konnte. Nein, der Junge vor ihnen, war 13, vielleicht auch 14 und deutlich durch die vergangenen Kriegsjahre gezeichnet. Vielleicht war es auch die Müdigkeit, die sich in seinem Gesicht wiederspiegelte, aber dennoch hatte er sich eindeutig verändert und vermutlich nicht zum Guten…
 

~
 

Der Junge stieg vor ihnen ab, drückte die Zügel seines Pferdes in die Hände eines Stallburschen und ging direkt auf Roderich zu.
 

Er grüßte ihn und gab ihm die Hand, küsste Elisabetha auf die Hand und reichte seine dann auch Antonio. Danach fragte er, ob er denn eintreten dürfte. Natürlich geleiteten ihn alle drei hinein und Roderich erkläre, dass Essen für ihn vorbereitet war und er anschließend direkt sein Zimmer beziehen konnte um sich auszuruhen.
 

Dankbar nickte Shinsei Roma und begab sich ins Esszimmer.
 

Roderich und die beiden Anderen, ließen ihn alleine. Sie mussten erst einmal ihre Gedanken sortieren. Sie gingen durch das Haupthaus, ohne bewusstes Ziel.
 

Wie sollten sie jetzt mit ihm umgehen? Ausfragen konnten sie ihn ja schlecht. Sie mussten versuchen, zu akzeptieren, dass er sich einfach stark verändert hatte. Er schien sich sehr abgekapselt zu haben. Vielleicht würde Chibitalia es schaffen einen Weg zu ihm zu finden. Aber ob er sich auf ein vierjähriges Mädchen immer noch einlassen würde? Er war jetzt 13 und nicht mehr vier…
 

Doch damit tauchte ein neues Problem auf. Wie sollten sie Chibitalia das ganze erklären?
 

Sie berieten sich, ohne eine Antwort zu erhalten. Unterbewusst waren sie genau zu Chibitalias und Romanos Zimmer gelaufen. Vor der Tür blieben sie stehen. Es war Elisabetha, die die Frage aussprach, die sie sich alle stellten. Sollten sie Chibitalia jetzt noch wecken? Sie war so lange von ihm getrennt gewesen und hatte ihre ganze Trauer in sich verschlossen. Würde sie die Tatsache, dass Shinsei Roma nicht mehr der war, den sie kannte, verkraften? Roderich hielt es für besser, bis zum Morgen zu warten, auch wenn das nichts an der Situation änderte, und erklärte dies auch den Anderen. Während sie noch vor der Tür standen und sich unterhielten, wurde diese mit einem Mal mit Schwung geöffnet und Chibitalia stand vor ihnen…

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24.12.1648 Part 4/7

Roderich seufzte und begann dann zu reden:
 

«Ja, er ist wieder da. Er sitzt im Moment unten und nimmt eine Mahlzeit ein. Er sah auch sehr müde aus.»
 

Chibitalia sah ihn hoffnungsvoll an.
 

«Nein, ich würde jetzt nicht runter gehen. Er möchte bestimmt seine Ruhe haben. Schau doch einmal auf die Uhrzeit... Er will bestimmt nur was essen und danach sofort schlafen gehen.»
 

Chibitalias hoffnungsvoller Blick verschwand.

Wie sollte er auch einem kleinen Kind am besten erklären, was passiert was? Er musste schon mit der Wahrheit herausrücken. Betroffen sah er zu Boden.
 

«Es gibt da auch noch etwas, was wir die sagen müssen…»
 

Schweigen.
 

«Er… Er hat sich verändert. Vielleicht wirst du ihn gar nicht erst wieder erkennen.»
 

Ein fragender Blick war die Antwort auf seine Aussage.
 

«Er ist jetzt viel älter als du. Der vierjährige Junge, den du kanntest, ist nicht wieder zurück gekehrt…»
 

Das war hart, aber nun mal die Wahrheit. Und die Wahrheit war immer schon ein zweischneidiges Messer gewesen…
 

In Chibitalias Augen sammelten sich die Tränen.
 

Betroffenes Schweigen war zu vernehmen. Keiner schaute Chibitalia an, selbst Romano hatte gemerkt, dass etwas nicht stimmte und gab keinen Ton von sich.
 

Keiner hatte damit gerechnet, als Chibitalia mit einem Mal aufsprang, aus dem Zimmer stürmte und die Treppe hinunter jagte.

24.12.1648 Part 5/7

Er war wieder da!
 

Chibitalia wurde ganz hibbelig.
 

Er war unten, saß am Tisch und aß etwas. Ein leuchten war ihn ihren Augen zu erkennen.
 

Roderich meinte, sie solle nicht runter gehen.
 

Sofort verschwand dieses.
 

Wieso nicht? Auch wenn er müde sein würde, sie wollte doch so sehr zu ihm!
 

Er sagte, es gäbe noch etwas, was sie ihr erklären müssten.
 

Was gab es denn noch?
 


 

Was sollte das heißen, er habe sich verändert?
 

Sie verstand nicht, was Roderich ihr sagen wollte. Sie würde ihn immer erkennen!
 


 

Älter? Er war gealtert während sie getrennt waren! Das konnte doch nicht wahr sein.
 

Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und die Tränen schossen ihr in die Augen.
 

Wieso gealtert? Wieso war er es und sie nicht? Sie war total verwirrt. Sie wollte es einfach nicht glauben. Das konnte doch nicht sein! Nein, er würde immer noch so sein, wie zu dem Zeitpunkt, wo sie sich das letzte Mal gesehen hatten.
 

Ihre Emotionen gingen mit ihr durch. Sie sprang mit einem Mal von Elizabetas Schoß auf und stürmte nach unten.
 

Die Tränen flossen über ihre Wangen. Sie lief hinunter, ohne irgendetwas links und rechts von sich zu bemerken. Erst vor der Tür zum Speisesaal machte sie halt.
 

Ihre Augen waren gerötet, die Luft atmete sie stoßweise ein, so aufgelöst war sie.
 

Zitternd brach sie mit den Händen über dem Kopf vor der Tür zusammen. Sie wollte mit eigenen Augen die Wahrheit sehen, doch dies bedeutete, jeglicher Hoffnung für immer zu entsagen. Es war ein Konflikt, den sie mit sich ausmachen musste, aber nicht konnte.
 

Doch während sie schluchzend vor der Tür auf dem Boden kniete, wurde man hinter der verschlossenen Tür auf sie aufmerksam. Erst als die Tür aufging, wurde sie in die Realität zurück geholt, zurück in eine Realität, die sie nicht wahr haben wollte – denn vor ihr stand Shinsei Roma.
 

Er schaute mit verdutztem Blick zu ihr hinunter. Sie wollte ihn nicht ansehen, wollte verdrängen, wer vor ihr steht, dass es dieselbe Person sein sollte, die sie zuletzt vor 30 Jahren gesehen hat, die sich aber doch verändert hatte…
 

Trotzdem konnte sie ihren Blick nicht von ihm abwenden. Es war das gleiche Gesicht und doch spiegelten sich die Züge eines Erwachsenen darin wieder. Die blauen Augen waren kalt. Keine Emotionen waren darin zu erkennen. Die Wangen waren fahl.
 

Nein, das konnte doch nicht sein. Warum schrie er sie nicht an, sie solle aufhören zu weinen?! Wo war die Rötung auf seinen Wangen, wenn er sie anschaute?! Warum nahm er sie nicht in den Arm, um sie zu trösten?! Warum erkannte er sie nicht?!
 

Verzweifelt sprang sie auf, ließ ihn stehen und rannte davon. Die Tränen liefen ihr jetzt noch heftiger über die Wangen. Sie wollte raus rennen, doch Elizabeta stellte sich ihr in den Weg, kniete nieder und wollte sie in den Arm nehmen. Doch Chibitalia ließ das nicht zu, drehte bei und rannte in eine andere Richtung. Sie wollte alleine sein. Alleine, ohne eine Menschenseele. Sie rannte und wich jedem aus, der sich ihr in den Weg stellen wollte. Roderich wich fast von alleine aus und selbst Antonio überwand sie ohne Probleme. Es schien fast, als hätten sie akzeptiert, dass sie alleine sein wollte.
 

Immer weiter lief sie, lief und lief, bis sie zu dem Ort kam, wo sie nun hinwollte. Es war ihr absolutes Geheimversteck, wenn sie niemand finden sollte. Es war das Versteck, das sie jetzt brauchte. Der alte Keller, wo der Großteil der Kohlen gelagert wurde, der auf kurze Sicht nicht längere Sicht nicht benötigt wurde. Hier hatte sie sich eine kleine Ecke hergerichtet, in einer Nische, die man nur auf den zweiten Blick entdeckte.
 

Hier verkroch sie sich, zog die Beine ganz nah an den Körper und weine die halbe Nacht über, bis der Schlaf sie überkam.

24.12.1648 Part 6/7

Er war erleichter gewesen, als das Hoftor in Sichtweite kam. Er war müde. Müde von dem anstrengenden Ritt in Richtung Heimat und müde von den Strapazen der letzten Jahre. Er wollte vergessen und verdrängen, was seinem Land wiederfahren war. Die letzten 30 Jahre waren ein herber Rückschlag gewesen. Das Land lag in Trümmern, die Bevölkerung litt an Hunger und Seuchen. Sie mussten beinahe wieder von Vorne anfangen. Die Felder waren niedergewalzt worden von den unzähligen Soldaten, die über das Land hinweg gezogen waren um wenige Kilometer weiter Krieg zu führen…
 

Er war froh wieder in eine vertraute Umgebung zurück zu kehren, wo sie von dort aus alles Planen konnten, damit das Lad wieder im alten Glanze erstrahlen konnte.
 

Ein zweiter Bote war vorweg geschickt worden, um ihre nahe Ankunft zu verkünden und man sah auch schon von weitem das hell erleuchtete Haus. Er ritt voran durch das Tor in den Innenhof. Auf der Treppe zum Haupthaus erkannte er Roderich. Neben ihm stehend Elisabeta zu seiner Rechten und Antonio zu seiner Linken. Als er vom Pferd abstieg, gab er die Zügel einen Stallburschen und trat auf die Gruppe, die ihm empfang, zu. Roderich machte einen Schritt auf ihn zu und reichte ihm die Hand. Freudig nahm er sie entgegen. Danach gab er Elisabeta einen Handkuss und begrüßte zu Letzt auch Antonio.
 

Dann wendete er sein Wort wieder an Roderich und bat darum eintreten zu dürfen. Sofort machten alle drei den Weg in das warme Haupthaus frei und brachten ihn zum Speisesaal, wo schon mit einer späten Mahlzeit auf ihn gewartet wurde.
 

Dort angekommen ließ er sich nieder. Roderich entschuldigte sich und die Anderen, da sie noch dringend etwas klären mussten. Was sie genau noch zu beredet hatten, sagte er nicht. Nachfragen wollte er jedoch auch nicht, ihm war es eigentlich in diesem Moment egal gewesen. Sie warteten noch, bis seine Offiziere ebenfalls im Speisesaal eintrafen und entfernten sich dann.
 

Er und seine Offiziere saßen zusammen im Schweigen vertieft, die Müdigkeit jedem Einzelnen ansehend. Die Köche boten verschiedene Köstlichkeiten an, die sie aus den Resten des Weihnachtsessens neu gekocht hatten. Die Kellner servierten immer mehr, obwohl schon bald niemand mehr etwas essen mochte. Es war diese verhängnisvolle Müdigkeit, die jeden drohte zu übermannen.
 

Doch als zu lange sollte, diese Stimmung nicht anhalten, denn schon wenig später waren Schritte zu hören und ein Weinen, welches immer lauter wurde. Dann waren die Schritte verglommen, doch das Weinen war lauter geworden. Jemand war direkt hinter der Tür und schluchzte dort.
 

Ein Diener wollte schon zur Tür gehen um nach zu sehen, doch er gebot ihm Einhalt.
 

Irgendetwas in ihm sagte ihm, dass er dieses Schluchzten kannte. Aber wieso? Es war ein seltsames Gefühl. Sein Herz zog sich zusammen. Was war das nur. Es schien so vertraut und gleichzeitig doch so unbekannt.
 

Er hielt dies nicht aus, wollte Gewissheit, stand auf und ging zur Tür. Er öffnete diese und sah im ersten Moment nichts. Im Gang war es dunkel gewesen, doch es schien niemand vor der Tür zu stehen. Erst im zweiten Augenblick bemerkte er die Gestalt, die zu seinen Füßen kauerte und bitterlich weinte.
 

Etwas verwirrt schaute er zu Boden. Es war ein Kind, was da vor ihm kniete. Ein Hausmädchen, soweit er bei dem Licht erkannte. Seine Augen hatten sich noch nicht vollständig an den Lichtunterschied gewöhnt. Sie schaute nun auch ihn an, schaute ihm direkt in die Augen.
 

Er konnte zusehen, wie sich noch mehr Tränen in ihren Augen sammelten, bevor sie mit einem Mal aufsprang und davon rannte.
 

Kaum war sie weg, kehrte der Schmerz in seinem Herzen wieder.
 

Was war das nur? Er verstand das nicht. War er nur einfach übermüdet? Es war inzwischen sehr spät und er wollte liebend gern nur noch ins Bett. Deshalb kehrte er dann auch in den Speisesaal zurück, um sich durch von seinen Offizieren zu verabschieden und ihnen einen gute und erholsame Nacht zu wünschen. Danach ging er in das Zimmer, in dem er zum letzten Mal vor 30 Jahren geschlafen hatte.
 

Es sollte eine unruhige Nacht für ihn werden. Ein Traum nach dem anderen plagte ihn immer und immer wieder und jedes Mal war es dieselbe Person. Doch immer wenn er aufwachte, konnte er sich nicht an das Gesicht dieser Person erinnern.

24.12.1648 Part 7/7

Chibitalia war mit einem Mal aufgesprungen. Damit hatte keiner von ihnen gerechnet. Es war eigentlich eine normale Reaktion von ihr gewesen, doch durch ihre Veränderung in den letzten Jahren, war es ungewöhnlich sie ‚normal‘ reagieren zu sehen.
 

Sofort standen auch sie auf, um ihr zu folgen, doch Chibitalia war schneller als sie. Schon bald hatten sie sie aus den Augen verloren und standen im Flur herum. Sie beschlossen dann sich aufzuteilen und sich im Erdgeschoss wieder zutreffen. Jeder ging in eine andere Richtung, doch keiner fand auch nur eine Spur von dem vermissten Kind. Nach ein paar Minuten trafen sie sich dann an der Treppe im Erdgeschoss vor dem Haupteingang wieder und beratschlagten sich.
 

„Ihr habt also auch nichts von ihr gesehen…“ schweigend sah Roderich Elizabeta und Antonio an, der immer noch Romano auf dem Arm hielt.
 

„Nein, nichts“, antwortete Antonio und auch Elizabeta schüttelte den Kopf.
 

Doch ehe sie weiter reden konnten, hörten sie Schritte die auf sie zukamen. Ihnen war sofort klar, wer da kam. Elizabeta kniete sich nieder und wollte sie mit offenen Armen empfangen, doch Chibitalia machte einen Bogen um sie. Als nächstes versuche Roderich, sie zu stoppen, doch auch ihn überwand sie mit Leichtigkeit. Antonio, durch Romano eingeschränkt, da er ihn nicht mehr hatte absetzen können, konnte sie nicht aufhalten.
 

Sie schauten dem flüchtenden Kind ein zweites Mal hinterher und fragten sich, ob sie die Verfolgung erneut aufnehmen sollten. Roderichs Blick wanderte zu Elisabeta. Diese schien seinen Blick deuten zu können und schüttelte mit dem Kopf.
 

„Es wird keinen Sinn haben, ihr direkt nach zu laufen. Sie wird sich ja doch nur weigern und wehren, wenn wir ihr helfen wollen.“
 

Er wandte den Blick von ihr ab und schaute zu Antonio und Romano.
 

„Vielleicht solltest du ihn zurück ins Bett bringen. Es gibt keinen Grund, warum er noch länger wachbleiben müsste.“
 

Betroffen sah er zu Boden. Eigentlich wollten sie weder Romano noch Chibitalia wecken und trotzdem hatten sie es ausversehen getan, weshalb sie sich jetzt in dieser misslichen Lage befanden.
 

„Wir sollten dem Personal Bescheid geben, dass sie uns informieren, wenn Itaria irgendwo auftaucht. Mir ist nicht ganz wohl dabei, dass sie sich um so eine Uhrzeit hier herumirrt.“
 

Elisabeta legte ihre Hand auf die seine.
 

„Ich mag die Vorstellung auch nicht Roderich, aber ich denke, sie würde wieder versuchen weg zulaufen. Sie will alleine sein, dass sollten wir akzeptieren.“
 

„Ja, trotzdem ist mir unwohl…“
 

Antonio nickte zustimmend.
 

„Ich denke auch, das Itaria ähnlich reagieren würde. Vielleicht sollen wir alle zur Ruhe kommen und schlafen gehen. Es ist schon reichlich spät. Keiner von uns sollte um so eine Uhrzeit noch wach sein.“
 

Ja, sie hatten doch irgendwo recht. Es war inzwischen verdammt spät geworden.
 

„Dann sollten wir wirklich zu Bett gehen. Es nützt nichts jetzt Trübsal zu blasen, wenn wir alle übermüdet sind.

Ich werde noch schnell dem Personal sagen, dass sie auf Itaria achten sollen, wenn sie sie sehn. Ich wünsche, trotz allem, eine gute Nacht. Wir werden uns dann wahrscheinlich beim Frühstück sehen.“
 

Damit verließ er auch den Raum. Seine Gedanken kreisten.
 

Wie sollte morgen nur der Tag ablaufen? Chibitalia müssten sie endgültig mit der Wahrheit konfrontieren müssen. Das würde nicht leicht werden.

Nach einem kurzen Gespräch mit dem Haus- und Hofmeister, begab auch er sich zu Bett. Einschlafen konnte er jedoch nicht direkt. Immer wieder machte er sich um das kleine Mädchen sorgen, dass jetzt irgendwo alleine in diesem riesigen Gebäude war. Doch auch ihn überkam irgendwann der Schlaf.

25.12.1648 Part 1

Sie erwachte aus ihrem unruhigen Schlaf und spürte die Nacht am ganzen Körper. Sie spürte die Kälte überall, was kein Wunder war, da es im Kohlenkeller immer kälter als im Rest des Hauses war. Ihr tat jeder Muskel weh, weil sie verkrampf auf dem harten Untergrund gelegen hatte und ihre Wangen waren gereizt und brannten. Zudem waren auch noch ihre Kleider schmutzig, da sie direkt auf dem Boden geschlafen hatte. Sie überlegte, wie sie sich jetzt am besten nach Oben schleichen konnte, ohne dass sie jemand entdecken würde. Hunger hatte sie auch und hoffte irgendwo in der Küche später noch etwas zu bekommen. Wie spät es war wusste sie nicht, aber ihrem Magen nach zu urteilen war es schon später Vormittag.
 

Mit schmerzverzogenem Gesicht stand sie auf. Wahrscheinlich würde sich kein zweites Mal hier unten schlafen. Leise schlich sie dann die Treppen nach oben, immer auf der Hut vor anderen Angestellten. Sie war schon auf dem Flur zu ihrem Zimmer und konnte auch schon die Tür sehen, doch auf den letzten paar Metern wurde sie unaufmerksam und sah nicht, dass sich Elizabeta von einem kreuzenden Gang näherte.

Kaum hatte sie sie entdeckt, rief sie auch schon „Roderich! Hier ist sie, ich hab sie gefunden!“ stürmte auf das Mädchen zu, viel auf die Knie und umarmte sie.
 

„Wo warst du denn? Und wie du aussiehst? Was hast du getrieben? Wir haben uns solche Sorgen gemacht!“
 

Noch während Elizabeta auf sie einredete kam Roderich um die Ecke und stieß zu ihnen. Er schaute sie liebevoll an und legte ihr seine Hand auf den Kopf. Zu Elizabeta meinte er nur, dass es gut sei, sie sei ja schließlich wieder da.

Scheinbar hatte sie sich Sorgen um sie gemacht, nachdem sie so plötzlich verschwunden war. Betroffen sah sie zu Boden. Sie hatte gar nicht daran gedacht, als sie weggerannt war. Ihre Gedanken waren immer noch unsortiert und spukten in ihrem Kopf rum. Sie wollte diese Gedanken verdrängen, verdrängen und für immer wegsperren. Doch aus ihren Gedanken wurde sie schnell wieder herausgerissen.
 

„Elizabeta, lass sie doch bitte los.“, damit wand er sich dann direkt an Chibitalia: „Du hast doch sicher Hunger, oder? Geh dich doch erst einmal waschen und umziehen und dann komm runter und iss erst mal was.“
 

Damit drehte er sich dann von ihr und Elizabeta ab und ging wieder in die Richtung aus der er kam.

Es war ein verlockendes Angebot, dass ihr da von Roderich unterbreitet wurde. Ihr Magen zog sich vor Hunger zusammen. Elizabeta richtete sich auf und nahm ihre Hand.
 

„Na dann komm mal mit. So dreckig wie du bist, musst du dich doch auch unwohl fühlen, oder?“
 

Damit nahm sie ihre Hand und zog sie hinter sich her.

Nein, sie wollte jetzt nicht zusammen mit Elizabeta baden, das brachte nur Erinnerungen nach oben. Schon jetzt kam die Trauer in ihr hoch, die sie versuchte zu unterdrücken. Sie ließ Elizabetas Hand los und blieb stehen.
 

„Ich…“, sie schwieg wieder und schaute zu Boden. Ein paar Tränen liefen ihr über ihre Wangen und tropfen zu Boden. „Ich… ich würde mich gerne alleine waschen. Ich mach auch nichts nass, versprochen!“
 

Den Blick hob sie nicht und blickte weiterhin zu Boden. Sie wolle Elizabetas Gesichtsausdruck nicht sehen und hoffte nur, dass sie sie verstehen würde.
 

„Aber… aber… na gut. Dann komm trotzdem mal mit. Ich hol dir neue Sachen, solang du dich wäscht.“
 

Ihre Stimme, sagte etwas anderes. Sie war wohl enttäuscht, aber darauf wollte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Ihre Gedanken flogen immer noch wild durch ihren Kopf und mit jedem neuen wurde sie noch trauriger.

Nein, sie musste sich ablenken, es würde schon bald genug Zeit geben, sich Sorgen machen zu müssen. Jetzt erst mal wollte sie sich endlich waschen und umziehen.
 

Elizabeta war schon ein paar Schritte weitergegangen. Sie folgte ihr und sie erreichten Elizabetas Zimmer. Roderich hatte wohl schon dafür gesorgt, dass heißes Wasser gebracht wurde.
 

Sie ging direkt in den Waschraum und schloss die Tür, ohne sich noch einmal zu Elizabeta umzudrehen. Das Wasser war noch heißt, deswegen wartete sie kurz, um sich nicht zu verbrennen. Sie nahm ein Tuch in die Hand und tauchte diesen in das warme Wasser. Sie wollte nicht richtig baden, nein. Es musste auch so gehen.

Als erstes kümmerte sie sich um ihr Gesicht. Mit dem nassen Lappen wischte sie sich das Gesicht ab, welcher sich sogleich Schwarz färbte. Sie wusch den Lappen aus und ging damit noch einmal über ihr Gesicht. Immer noch hatte sie Spuren ihrer Nacht auf ihrer Haut, doch der Lappen war nun nicht mehr ganz so Schwarz. Nach dem dritten Mal betrachtete sie dann ihn Gesicht im Spiegel.
 

Es war gerötet. Zum Teil wegen dem Waschen, zum Teil weil sie so lange geweint hatte. Das Schwarz bekam sie nicht komplett aus ihrem Gesicht. Sie hätte noch so viel reiben können, wie sie wollte. Die dunklen Augenringe würde sie nicht wegbekommen. Ihre Augen sahen auch viel nicht besser aus. Sie waren absolut gerötet. Die feinen Äderchen waren geweitet und deutlich Sichtbar. Eigentlich sah ihr ganzes Gesicht schlecht aus. Die ganze Region unterhalb ihrer Augen war gerötet und schmerzte. Sie war blass, wenn man von den stark geröteten Stellen absah.
 

In ihren Haaren hatte sich viel Staub abgesetzt. Mit einer Bürste kämmte sie sich vorsichtig durch das Haar. Teilweise war es verknotet, das machte die Sache deutlich schwieriger. Sie konnte noch so vorsichtig sein, es ziepte.
 

„Vee~ Warum tut das nur so weh?“
 

Tränen stiegen in ihre Augen, diesmal aber nicht aus Trauer, sondern vor Schmerz. Nach mehreren Minuten der Qualen war ihr Haar endlich gebändigt. Sie konnte sich durch das Haar kämmen, ohne das es weh tat. Der ganze Staub war damit dann zum Glück aber auch weg. Damit war ihr Kopf frei von Schmutz. Ihre Hände dagegen waren schwärzer denn je. Den Staub, den sie sich hatte abwischen wollen klebte ihr, dank seiner Verbindung mit dem Wasser, auf ihrer Haut. Sie musste richtig schrubben, um die Dreckschicht abzubekommen. Danach legte, sie ihre Kleidung ab und wusch sich den restlichen Körper. Sie war noch nicht ganz fertig, da klopfte es an der Tür:
 

„Itaria? Ich hab neue Kleidung für dich. Ich leg sie vor die Tür, in Ordnung?“
 

Elizabetas Stimme klang immer noch verunsichert. Hatte sie ihr Verschwinden so zugesetzt? Oder steckte da mehr dahinter?
 

„Itaria? Ist alles in Ordnung mit dir?"
 

Sie hatte ihr noch nicht geantwortet.
 

„Ja…ja es ist alles in Ordnung. Ich bin gleich fertig.“
 

Lange brauchte sie ja wirklich nicht mehr. Aber Elizabetas Stimmung war ihr unheimlich. Das war so untypisch für sie. Es war eindeutig, dass etwas nicht stimmte.
 

Vorsichtig ging sie zur Tür und öffnete diese, um sich die bereitgelegten Kleidungsstücke zu nehmen. Dabei schaute sie sich auch in Elizabetas Zimmer um. Spontan konnte sie sie nicht entdecken. Doch dann merkte sie, dass Elizabeta auf der Bettbank saß. Was genau sie da machte, konnte sie nicht erkennen. Die Lehne war ihr im Weg. Sie verharrte noch einen Augenblick in ihrer Bewegung, bevor sie sich die Kleidung nahm und wieder im Waschraum verschwand. Dort zog sie sich an und trat dann aus dem Waschraum heraus und ging auf Elizabeta zu. Sie hatte sie noch nicht bemerkt. Dadurch konnte sie beobachten, dass Elizabeta in einem Buch las. War es vielleicht sogar ein Tagebuch? Die Schrift in dem Buch ähnelte der ihren. Aber eigentlich sollte sie ja nicht so gemein sein und heimlich andere beobachten. Deswegen räusperte sie sich. Elizabeta drehte sich auch schon direkt um und schlug das Buch sofort zu. Erschrocken schaute sie sie an, lächelte sie dann jedoch ein wenig geschauspielert an.
 

„Oh, du bist ja fertig! Ich hab gar nicht mitbekommen, dass du aus dem Bad gekommen bist. Schleich dich doch nicht so an!“
 

Dabei lächelte sie erneut, immer noch irgendwie unnatürlich. Aber sie hatte sich nicht angeschlichen, sie war normal auf sie zu gegangen. Elizabeta war wohl sehr in ihre Gedanken vertieft gewesen. Vielleicht lag auch darin die Ursache für ihre komischen Reaktionen.
 

„Ich hab mich gar nicht angeschlichen! Ich bin ganz normal hier eingetreten."

Zuerst schaute Elizabeta sie ein wenig erschrocken an, dann seufzte sie.
 

„Wie auch immer, lass uns jetzt runtergehen, du musst doch fast schon vor Hunger sterben, oder?“
 

Sie nickte. Ihr Magen knurrte inzwischen sehr. Sie war froh, bald etwas zu Essen zu bekommen.
 

Elizabeta war aufgestanden und ging zur Tür, mit einer Handbewegung deutete sie ihr an, ihr zu folgen.

25.12.1648 Part 2

Es war eine merkwürdige Nacht gewesen.
 

Sie hatten erst zu sehr später Stunde endlich das lang ersehnt Ziel erreich. Sie waren zu Hause angekommen. Die Erschöpfung der letzten anstrengenden Tage und Jahre steckte immer noch in ihm. Er könnte wohl noch so lange Schlafen, er würde diese Art von Müdigkeit noch Ewigkeiten spüren…
 

Die Nacht war nicht sehr angenehm gewesen. Er war wiederholt aus dem Schlaf gefahren, da ihn immer wieder ein Traum gequält hatte. Es war immer wieder derselbe Traum gewesen, aber er konnte sich nicht wirklich daran erinnern. Nur ein Gesicht erschien ihm immer wieder, doch selbst dieses war nur unklar und verschwommen. Er konnte sich einfach nicht besser erinnern. Dieses Gesicht, es war ihm vertraut, doch woher kannte er es nur?
 

Das Gefühl, sich an etwas zu erinnern, aber nicht zu wissen an was genau, war schrecklich und plagte ihn selbst noch nach dem Aufstehen weiter. Es ließ ihn nicht los…
 

Das kleine Mädchen vor der Tür zum Speisesaal gestern Nacht hatte er vergessen. Er erinnerte sich in diesem Moment an keine Details des vergangenen Abends mehr. Nur noch, dass er etwas gegessen hatte und dann irgendwann später zu Bett gegangen war…
 

Die schwache Sonne schien durch das leicht schneebedeckte Fenster. Er stand auf und betrachtete das Fenster genauer, machte es dann auf und schaute sich draußen um. Es hatte in der Nacht erneut geschneit. Gestern waren sie noch ohne Schneefall heimgekommen, was ein großes Glück für sie gewesen ist. Wenn es gestern auf ihrem Heimweh erneut geschneit hätte, wären sie deutlich langsamer voran gekommen, wäre vermutlich erst heute hier eingetroffen und hätten somit die Nacht bei dieser Kälte noch ein weiteres Mal im Freien verbringen müssen.
 

Er schloss das Fenster wieder und drehte sich dann seinem Bett zu. Wirkliche Lust aufzustehen hatte er nicht und in seinem Bett war es außerdem deutlich wärmer. Jedoch machte ihm sein Magen einen Strich durch diese Rechnung. Dieser machte sich lautstark bemerkbar und mit einem Mal war der Hunger da.
 

Er beschloss, sich dann doch anzukleiden und zum Frühstück gehen. Zum Glück war ihm noch sein Gepäck auf sein Zimmer gebracht worden, denn in seinem Kleiderschrank würden sich sicherlich keine passenden Kleidungsstücke finden lassen.
 

Trotzdem zog es ihn irgendwie magisch zum Kleiderschrank. Als er diesen öffnete kam ihm erst einmal eine Ladung Staub entgegen und er musste husten. Nachdem sich die Wolke verzogen hatte, begutachtete er seine alten Kleidungsstücke. Die meisten waren von Motten in den letzten Jahren stark zerfressen worden. Doch ein Hut war fast wie durch ein Wunder von den Motten weitestgehend verschont worden. Weshalb wusste er in diesem Moment nicht, aber er war fasziniert davon und nahm ihn aus dem Schrank. Lange war es her, dass er diesen Hut in den Händen gehalten hatte. Bei seinem Betrachten nahm er einen leichten, sehr schwach gewordenen Geruch war. Lavendel.
 

Augenblicklich erschien ihm wieder vor seinen Augen die Silhouette der Person aus seinen Träumen. Doch wieder konnte er ihr Gesicht nicht erkennen. Die Sonne blendete ihn, denn sie standen draußen auf einem Feld, umgeben von unzähligen Lavendelpflanzen.
 

Fragen durchfluteten seinen Kopf.

Was war das nur?

Was waren das für Erinnerungen?

Und wieso konnte er das Gesicht der Person nie erkennen?
 

Es war verstörend, dass er einfach keine Antwort fand. Der Hut war in diesem Moment zu einem seiner bedeutsamsten Besitztümer geworden. Er hoffe, dass dieser Hut ihm helfen würde, seine Erinnerung zurück zu bekommen - irgendwann.
 

Den Hut wollte er nicht mehr so recht hergeben, geschweige denn beiseitelegen. Zum Ankleiden musste er das jedoch. Er legte den Hut vorsichtig auf sein Bett, kleidete sich schließlich mit neuen Sachen aus seinem Gepäck an und verließ anschließend sein Zimmer. Doch vorher schaute er sich noch einmal den Hut an. Den Hut zurück zulassen war ein beklemmendes Gefühl. Es war zwar unwahrscheinlich, dass irgendetwas mit ihm während seiner Abwesenheit passieren könnte, trotzdem war ihm unwohl. Aber konnte ja schlecht den ganzen Tag mit sich herum tragen, trotzdem würde er das gerne tun, aber es würde lächerlich aussehen… So ging er also mit leicht verzogenem Gesicht in den Speisesaal.
 

Der Tisch war gedeckt, an ein paar Plätzen fehlte jedoch bereits das Gedeck, was bedeutete, dass schon andere Personen vor ihm gefrühstückt haben mussten. Er setzte sich an seinen alten Platz und wurde sogleich bedient. Rechten Appetit hatte er trotz seinem Hunger nicht. Er aß ohne große Aufmerksamkeit und achtete nicht darauf, wer in den Raum kam und wieder ging. Erst als sein Magen ihm dann irgendwann signalisierte, dass es fürs erste reichen würde, kehrte er in die Wirklichkeit zurück. Er stand nach ein paar Minuten auf und ging zurück auf sein Zimmer. Dort angekommen nahm er als erstes seinen Hut wieder in die Hand, setzte sich auf sein Bett und betrachtete ihn noch einmal eingehend. Ihm war inzwischen eingefallen, dass der Lavendelduft den Hut vor den Motten gerettet hatten musste, denn Motten verabscheuten den Geruch von Lavendel. Das war aber auch alles, was ihm bisher dazu eingefallen war. An welchem Ort der Hut den Lavendelduft angekommen hatte wusste er nicht. Er konnte sich auch nicht erklären, warum der Geruch so intensiv war, dass er so viele Jahre überdauert hatte.
 

Es waren Fragen auf die er keine Antwort fand. Er überlegte noch so angestrengt, doch ihm fiel einfach keine Antwort ein…
 

Er stand dann vom Bett auf und verließ mit Hut sein Zimmer. Vielleicht würde ein Spaziergang durch sein altes Zuhause seine Erinnerungen anregen und er würde auf die eine oder andere Antwort kommen. Schließlich musste es ja eine Person aus seinem Umfeld gewesen sein, an die er sich nicht erinnern konnte. Woher sollte er sonst diese Erinnerungen haben?
 

Beim rausgehen überlegte er, wohin er zuerst gehen sollte. Spontan viel ihm kein guter Ort ein, wo er anfangen konnte. Am liebsten wäre er in den Garten gegangen, aber dort lag inzwischen eine hohe, geschlossene Schneeschicht.
 

Schließlich führten ihn seine Füße, auch ohne dass er das Ziel kannte. Er versank in seinen Gedanken und achtete nicht darauf, was vor ihm geschah. Deswegen bemerkte er Roderich erst, als dieser unmittelbar vor ihm stand.

25.12.1648 Part 3

Lange hatten sie zusammen gesessen und sich beraten, wie sie mit der plötzlichen Ankunft Shinsei Romas umgehen sollten. Sie waren zu keinem wirklichen Entschluss gekommen, als Chibitalia aufgetaucht war. Es war nicht leicht gewesen, ihr die Situation leicht beizubringen und mit Erfolg hatten sie es erst recht nicht geschafft. Kaum hatte Chibitalia die Wahrheit vernommen, so war sie auch schon aufgesprungen und rannte aufgelöst aus dem Raum.
 

Reflexartig waren sie ihr gefolgt und hatten versucht sie einzuholen. Doch Chibitalia war jünger und damit auch schneller. Schnell war das Kind aus ihrem Blickfeld verschwunden. Ratlos standen sie im Flur.
 

„Wo ist sie hin? Habt ihr gesehen, in welche Richtung so abgebogen ist?“ Ihre Stimme zitterte leicht.
 

Roderich schüttelte außer Atme nur den Kopf.
 

„Nein, ich leider nicht. Sie war so schnell weg…“

Sie seufzte.
 

„Ok, dann sollten wir uns aufteilen! Jeder geht in eine andere Richtung. Wir treffen uns in ein paar Minuten wieder hier an der Treppe“
 

Ohne eine Antwort abzuwarten rannte sie schon in eine Richtung und fing mit der Suche an. In jedem Winkel suchte sie und fand sie aber nicht.
 

Als Letzte kam sie wieder zu den Anderen, die auch mit leeren Händen ihre Suche beendet hatten.
 

Sie konnten sich aber kaum beraten, da sie Schritte hörten, die sich schnell auf sie zu bewegten.
 

Sie wusste, wer das war. Sie kniete sich auf den Boden und wollte das Mädchen mit offenen Armen empfangen und sie trösten. Doch Chibitalia dachte gar nicht dran, sich in ihre Arme zu stürzten, sondern wich ihr aus und auch Roderich, Antonio und Romano aus.
 

Wieder schauten sie ihr hinterher und wussten nicht, was sie machen sollten.

Sie sah, dass Roderich ihr weiter hinterher wollte, doch sie schüttelte nur mit dem Kopf.
 

„Es wird keinen Sinn haben, ihr direkt nach zu laufen. Sie wird sich ja doch nur weigern und wehren, wenn wir ihr helfen wollen.“
 

Irgendwie war es doch verständlich, das Chibitalia abgehauen war. Frust, Trauer, Verzweiflung. Das waren wohl die Gefühle, die jetzt in Chibitalia vorgingen. Doch wie sollten sie ihr jetzt helfen? Tröstend die Hand auflegen? Nein, das war nicht wirklich hilfreich.
 

Betroffen schaute sie zu Boden. Eigentlich wollte sie ihr ja nach, aber sie würde auch lieber alleine sein, wenn sie so traurig wäre.
 

Sie entschieden sich, zu Bett zu gehen. Roderich wollte vorher noch jemandem Bescheid geben, dass sie ein waches Auge darauf haben sollten, wenn Chibitalia doch noch auftauchen sollte. Trotzdem merkte sie ihm seine Unzufriedenheit an.

Sie legte ihre Hand auf die seine und redete beruhigend auf ihn ein.
 

Danach gingen sie auseinander, doch auch sie fühlte sich trotz ihrer eigenen beruhigenden Worte unwohl. Sie zweifelte sehr an sich. Hatte sie sich für das Richtige entschieden? Wie es Chibitalia jetzt wohl ging und wo sie wohl jetzt steckte? Diese Sorgen hinderten sie daran wirklich zu schlafen…
 

Der nächste Morgen kam dementsprechend auch viel zu früh. Nur schwer kam sie aus ihrem Bett. Die Augen offen zuhalten fiel ihr noch viel schwerer. Schweren Herzens machte sie sich auf den Weg in die Küche, wo sie sich mit um das Frühstück kümmern musste. Auf dem Weg dorthin sah sie Roderich. Auch er war schon auf und trotz der Entfernung konnte sie deutlich auch seine Müdigkeit ihm ansehen. Sein Haar stand etwas ab, es war nicht so gepflegt, wie man es von ihm gewohnt war. Unter seinen Augen war zudem ein dunkler Schatten erkennbar. Er musste sich die Nacht genauso gequält haben. Als er sich in eine ganz andere Richtung bewegte, als sie musste, wendete sie ihren Blick von ihm ab und begab sich unverzüglich in die Küche. Dort musste sie sehr aufpassen, dass sie sich nicht in irgendeiner Art verletzte. Die Müdigkeit drohte sie zu übermannen.
 

Frische, kalte, kühle Luft. Das war es, was sie jetzt gebraucht hätte, doch in der Küche herrschte eine dicke, sauerstoffarme Luft, da alle mit Eile dabei waren, das Frühstück vorzubereiten. Nach einer qualvoll langen Zeit waren die Vorbereitungen endlich beendet und sie konnte die Küche verlassen, um selber etwas zu Essen. Hunger hatte sie kaum, aber der Luftwechsel tat ihr gut. Ihre Müdigkeit wich. Doch mit der weichenden Müdigkeit kamen ihre Gedanken an Chibitalia wieder. Dieses Wachstums Shinsei Romas war eigentlich nicht ungewöhnlich, ganz im Gegenteil. Sie alle hatten schon lange darauf gewartet, dass die Kinder wuchsen und Shinsei Roma hatte den Anfang gemacht.
 

Bestimmt würden Chibitalia und Romano bald auch einen Schuss machen. Doch etwas störte sie. Shinsei Roma war zwar zurück gekommen, hatte sich aber nicht einmal nach Chibitalia erkundigt. Nicht mal einen verlegenen Blick mit dem er sich nach Chibitalia umsah, hatte sie an ihm gesehen. Das verwundete sie. Das war nicht der Junge gewesen, den sie vorher erlebt hatte. Die beiden waren vorher doch so unzertrennlich gewesen, auch wenn man es ihnen nicht direkt angesehen hatte. Das war schon komisch. Hatte das Wachstum seinen Charakter verändert?
 

Ihr eigenes Wachstum in diesem Alter war schon lange her, aber dennoch konnte sie sich nicht erinnern, dass sie sich so verändert hatte. Ob sich die Anderen in ihrer Kindheit stark durch ihr Wachstum verändert hatte? Sie wusste es nicht mehr. Hatte sie sich dazu vielleicht etwas in ihren Tagebüchern vermerkt. Das musste sie jetzt wissen, es ließ ihr keine Ruhe. Nachdem sie ihr kleines Frühstück beendet hatte, wollte sie direkt nach oben in ihre Räumlichkeiten.
 

Doch sie erreichte nicht ihre Kammer, denn auf einem der Flure entdeckte sie Chibitalia. Noch bevor diese sie entdeckt hatte, rief sie direkt laut nach Roderich, den sie eben noch ein paar Gänge weiter gesehen hatte und stütze sofort auf Chibitalia zu. Sie war so froh, dass sie wohl auf war. Sie redete auf die Kleine ohne Punkt und Komma ein, bis Roderich an ihre Seite trat und sie zu Recht wies. Danach unterbreitete er Chibitalia ein verlockendes Angebot, erst waschen und dann Frühstück, und ging dann auch schon wieder. Sie nahm Chibitalia sofort motiviert an ihre Hand, um sie in ihren Waschraum zu bringen, doch sie waren kaum ein paar Schritte gegangen, da blieb Chibitalia auch schon wieder stehen und ließ ihre Hand los.
 

„Ich… . Ich… ich würde gerne alleine waschen. Ich mach auch nichts nass, versprochen!“
 

Das kam überraschend und sie verstand nicht warum, aber scheinbar musste sie diese Entscheidung Chibitalias akzeptieren. Es missfiel ihr, doch sie gab nach. Sie alle sollten jetzt wohl ein wenig Rücksicht auf sie nehmen.
 

Ihn ihrem Zimmer angekommen ging Chibitalia direkt auf den Waschraum zu und schloss die Tür hinter sich. Sie selbst wollte neue, saubere Kleidung für Chibitalia besorgen. Wo sie sich wohl die Nacht versteckt hatte? Ihrer Kleidung nach zu urteilen, war es kein sehr sauberer Ort gewesen zu sein, also musste es irgendwo ein Ort sein, an dem niemand besonders häufig war. Naja das war eigentlich logisch, sonst hätten sie sie ja schon viel früher entdeckt. Aber wo genau war sie nur geblieben? Sie fand so spontan keinen Ort im Haus, denn sie für Möglich gehalten hätte. Mit neuer Kleidung kehrte sie zurück und legte diese vor die Tür.
 

„Itaria? Ich hab neue Kleidung für dich. Ich leg sie vor die Tür, in Ordnung?“

Sie bekam jedoch keine Antwort zu hören, das beunruhigte sie doch ein wenig und fragte erneut nach:
 

„Itaria? Ist alles in Ordnung mit dir?“
 

Diesmal antwortete sie. Beruhigt ging sie von der Tür wieder weg. Beruhigt stimmte eigentlich nicht. Ihre Gedanken waren zu ihrer Vermutung von Frühstück zurückgekehrt und sofort machte sie sich auch daran, das richtige Tagebuch zu suchen. Nach einem Augenblick der Suche, fand sie dann das entsprechende Tagebuch und setzte sich auf ihre Bettbank. Zielsicher fand sie die erste gesuchte Seite und auch die andern Seiten waren schnell gefunden. Doch sie gaben keine aufschlussreichen Informationen Preis. Jeder von ihnen hatte sich durch das Wachstum verändert, aber niemand so drastisch. Bei Gilbert hätte sie es sich ja gewünscht, dass er sich stark geändert hatte, aber leider hatte er sich genau in die falsche Richtung verändert. Aber auch diese Veränderung zog nicht gleich mit der Shinsei Romas. Es schien ihr, als sei sein Herz in den Jahren des Krieges versteinert wurden zu sein!
 

Diesen Gedanken konnte sie jedoch nicht zu Ende verfolgen, denn hinter ihr erklang ein Geräusch. Sie drehte sich um und sah Chibitalia angezogen im Zimmer stehen. Sie war ein wenig darüber erschrocken, dass sie so in Gedanken versunken war, dass sie nicht mitbekommen hatte, dass Chibitalia aus dem Waschraum gekommen war. Das Tagebuch schloss sie augenblicklich, während sie zu Chibitalia sprach:
 

„Oh, du bist ja fertig! Ich hab gar nicht mitbekommen, dass du aus dem Bad gekommen bist. Schleich dich doch nicht so an!“
 

Sie versuchte freundlich zu wirken, doch ihre Ergebnisse aus ihrem Tagebuch hatten sie tief erschüttert. Chibitalia wiedersprach ihr auch sofort, da sie ihr Unrecht getan hatte. Diese Tatsache, dass sie einem Kind einen Vorwurf machte, dessen Grund nicht bei diesem lag, erschrak sie doch ein wenig. Ihre Gedanken und neuen Erkenntnisse flogen ihr wild durch ihren Kopf. Sie seufzte und holte tief Luft, um wieder Klarheit zu bekommen.
 

„Wie auch immer, lass uns jetzt runtergehen, du musst doch fast schon vor Hunger sterben, oder?“
 

Chibitalia hatte heute noch gar nichts gegessen, sie hatte sicher einen großen Hunger. Sie stand auf und ging zur Tür, dann winkte sie Chibitalia zu, ihr zu folgen.

25.12.1648 Part 4

Die Nacht war schon kurz gewesen und doch hatte er noch kürzer geschlafen. Er war jetzt wach, was man ihm aber keines Wegs ansah. Trotzdem stand er auf und kleidete sich an. Den Versuch erneut einzuschlafen unternahm er erst gar nicht, er wusste, dass es nicht klappen würde. Sein Weg führte ihn als erstes in die Küche, um dort nach dem Rechten zu sehen und um sie zu vergewissern, dass die Frühstücksvorbereitungen voran kamen, vor allem nach der veränderten Situation im Haus. In der Küche verlief aber alles normal. Ein, zwei Mal sagte er doch etwas, war aber mit dem Gesamtergebnis der Vorbereitungen zufrieden.
 

Kopfzerbrechen bereitete ihm, was Shinsei Roma wohl gerne essen würde. Mit dem Alter veränderte sich auch immer der Geschmackssinn ein wenig. Da ihm keine Antwort auf diese Frage einfiel, vertraute er darauf, dass in jedem Fall irgendetwas auf dem Tisch stehe, was ihm zusagten würde. Er selbst wollte nun auch etwas zu sich nehmen. Auf die anderen Gäste zu warten, würde keinen Sinn machen, schließlich war es der erste Weihnachtsfeiertag und die Nacht war bekanntlich kurz gewesen. Er war sicher, der einzige, der jetzt schon wach war.
 

Nach dem Frühstück ging er zurück in sein Zimmer, doch dort hielt es ihn nicht lange. Er machte sich darüber Gedanken, wie wohl Chibitalia und Shinsei Roma in Zukunft miteinander auskommen würden. Schließlich verließ er sein Zimmer und ging über die weiten Fluren in der Hoffnung einen Gesprächspartner zu finden.
 

Er war noch nicht lange gegangen, da begegnete ihm Elizabeta. Sie sah mindestens genauso schlecht aus wie er selbst, deswegen entschied er sich, seine Sorgen nicht jetzt mit ihr zu teilen. Auch ihre Nacht war kurz gewesen und sie hatte wohl auch nicht viel besser geschlafen. Deshalb wechselte er nur ein paar Worte mit ihr.
 

„Guten Morgen. Hast du was von Itaria gehört?“
 

Er selbst wusste immer noch nichts über den Verbleib des Kindes und fragte sich, was ihm wohl größere Sorgen bereitete: Die Tatsache, dass sie immer noch verschwunden war, oder dass sie es vielleicht nicht verkraften würde, dass es jetzt einen „anderen“ Shinsei Roma gab.
 

Elizabeta seufzte.
 

„Du weißt also auch noch nichts. Ich wünschte, ich wüsste, wo sie ist, aber ich weiß es leider nicht. Sollten wir dann nicht so langsam nach ihr suchen gehen? Nicht dass ihr was zugestoßen ist! Oh Gott, das will ich mir gar nicht vorstellen.“
 

Sie klang sehr aufgelöst.
 

„So beruhig dich doch. Ich bin sicher ihr geht es gut, aber wir können gerne nach ihr suchen gehen, wenn sie bis zum Mittag nicht aufgetaucht ist. Dann können wir mit einer Suche beginnen. Aber ich bin sicher, sie schläft hier irgendwo noch. Die Nacht war für uns alle kurz, besonders für sie.“
 

Eigentlich täuschte er sich selber eine heile, zuversichtliche Welt vor. Er wollte sich einfach keine Horrorszenarien ausmalen, wie Elizabeta es eben gemacht hatte. Er versuchte sich etwas einzureden, dass es dem Kind gut ging und alles mit ihm in Ordnung sei. Er hoffte einfach auf ein baldiges Auftauchen Chibitalias, ohne dass sie sie suchen mussten.
 

Elizabeta hatte sich durch seine Worte ein wenig beruhigt.
 

„Ja… so machen wir es. Wollen wir hoffen, dass sie es ihr gut geht.“
 

Er nickte zustimmend.
 

„Wenn wir bis 12 Uhr keine Spur von ihr haben, dann treffen wir uns im Foyer und beginnen mit der Suche nach ihr.“
 

„ In Ordnung. Das beruhigt mich ein wenig. Hoffentlich finden wir sie aber schon vor 12 Uhr…“
 

„Ich bin sicher, ihr Hunger wird sie früher oder später aus ihrem Versteck locken.“ Er versuchte dabei ein wenig zu lächeln, Hoffnung auszustrahlen. „Hast du denn schon etwas gefrühstückt?“
 

„Ja vorhin, aber ohne großen Appetit…“
 

„Ging mir genauso, aber wir sollten wohl lieber aufhören Trübsal zu blasen, es gibt denke ich wichtigeres, worum wir uns kümmern sollten.“
 

„Ja, da hast du Recht…“ Sie seufzte leicht. „Dann sollten wir wohl zurück zu unserer Arbeit gehen. Wir sehen uns dann später – hoffentlich vor 12 Uhr…“
 

Mit einer Kopfbewegung unterstütze er ihre Aussage. „Ja, bis nachher dann.“
 

Mit diesen Worten trennten sie sich. Roderich überlegte gleich wieder, wie er Chibitalia am Schonesten beibringen konnte, dass wie sehr sich Shinsei Roma verändert hatte. Als es gestern ihr die blanke Wahrheit gesagt hat, war sie verschwunden. Er musste anders vorgehen, wenn er das Kind so wenig wie Möglich verletzten wollte. Lange konnte er jedoch nicht überlegen, denn ein Ruf schreckte ihn aus seinen Gedanken auf. Es war Elizabeta, die da nach ihm rief.
 

„Roderich! Komm schnell! Itaria ist hier! Ich hab sie gefunden!“
 

Keine Sekunde verging, und schon war er auf dem Weg in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Sie kniete auf dem Boden, umarmte Chibitalia, welche über und über mit Staub und Schmutz überzogen vor ihr stand, und redete dabei auf sie ein und machte ihr Vorwürfe.
 

„Elizabeta, das reicht. Jetzt verängstige sie doch nicht. Lass sie bitte los. Sie ist ja wieder da, das ist doch das Wichtigste.“
 

Das Chibitalia so schnell auftauchen würde, damit hatte er gewiss nicht gerechnet, trotzdem war der sehr froh darüber.
 

Er legte liebevoll seine Hand auf ihren Kopf.
 

„Du hast doch sicher Hunger, oder? Geh dich doch erst einmal waschen und umziehen und dann komm runter und iss erst mal was.“
 

Elizabeta gab er noch zu verstehen, dass sie ein Auge auf Chibitalia haben sollte, drehte sich um und ging wieder in die Richtung, aus der er kam. Bevor er sich endgültig auf den Weg in sein Zimmer machte, gab er noch den Auftrag, heißes Wasser in Elizabetas Zimmer zu bringen. Doch auch jetzt sollte er nicht in seinem Zimmer ankommen sollen. Nur ein paar Gänge weiter wäre er um ein Haar mit Shinsei Roma zusammengestoßen.
 

Das war seine Gelegenheit, kurz mit ihm über Chibitalia zu reden, oder zu mindestens für das erste verhindern, dass sie unvorbereitet auf einander stoßen würden. Das würde für Chibitalia nicht gut enden.
 

„Huch, einen schönen guten Morgen wünsche ich. Hast du gut geschlafen?“
 

„Den wünsche ich auch. Danke der Nachfrage, das habe ich.“
 

Sein Gesicht sprach allerdings eine andere Sprache, was wohl auf die vergangene, viel zu kurze Nacht zurückzuführen sein sollte.
 

„Ich würde gerne nachher bei einer Tasse Tee mit dir reden, aber wie ich sehe, hast du gerade etwas anderes vor. Darf ich fragen, wo du hin willst?“
 

Den Hut, den Shinsei Roma in seinen Händen hielt, hatte ihn schon etwas verwirrt. Nicht nur, dass er ihm inzwischen schon viel zu klein war, auch optisch passte er rein gar nicht mehr zu seiner Kleidung. Was wollte der Junge also damit?
 

„Zum Speicher.“ Es war eine knappe, direkte Antwort. „Zu einer Tasse Tee komme ich nachher sicher vorbei. Aber jetzt würde ich gerne weiter.“
 

Seine Antwort war nicht direkt erfolgt, sie kam etwas zögerlich. Doch der Speicher lag zum Glück nicht auf dem Weg zu den Schlafräumen, wo in diesem Moment Elizabeta und Chibitalia waren.
 

Roderich nickte mit dem Kopf.
 

„Dann erwarte ich dich später bei mir.“
 

Immer noch angespannt, aber sichtlich erleichtert setzte er seinen Weg fort. Was auch immer Shinsei Roma mit diesem alten Hut auf dem Speicher wollte, er würde Chibitalia vorerst nicht begegnen.

25.12.1648 Part 5

Das Zusammentreffen mit Roderich kam unerwartet. Er war in seinen Gedanken versunken gewesen und hatte nicht darauf geachtet, wohin er eigentlich ging. Aber wohin war er denn nun eigentlich unterwegs?
 

Er konnte Roderichs Frage, wohin er unterwegs war, nicht direkt beantworten. Den Weg, den er entlang ging, war ihm vertraut, doch seinem Ziel war er sich nicht wirklich bewusst. Er antwortete intuitiv:
 

„Zum Speicher.“ Er antwortete schneller als er realisieren konnte.
 

Ein Licht ging ihm auf.

Natürlich, er hatte nicht alle Dinge mitnehmen können, als er vor 30 Jahren aufgebrochen war! Zur Sicherheit hatte er verschiedene Gegenstände auf den Speicher gebracht.

Bevor er es vergaß, antwortete er noch schnell auf Roderichs Bitte.
 

„Zu einer Tasse Tee komme ich nachher sicher vorbei. Aber jetzt würde ich gerne weiter.“
 

Anspannung und Aufregung hatte sich in ihm breit gemacht. Würde er dort oben weitere Entdeckungen machen?

So schnell wie möglich wollte er zum Speicher, herausfinden, was sich dort oben alles verbarg, was ihn weiter bringen könnte. Vielleicht würde er ja sogar das Geheimnis der unbekannten Person aus seinem Traum lüften können!
 

Jeder Schritt, der ihn von seinem Ziel trennte, war einer zu viel. Sein Unwissen und die Hoffnung, einen Schritt weiter zu kommen, trieben ihn an. Den Hut umklammerte er dabei fest. Immer schneller ging er durch die Flure und dann war die letzte Treppe vor seinem ersehnten Ziel erreicht, die Tür, die ihn noch von diesem Raum trennte in greifbarer Nähe.
 

Wenn sie jetzt nur nicht abgeschlossen war, dann hatte er sein Ziel erreicht.

Seine Hand berührte den kalten, verstaubten Türknauf. Er drehte an diesem und die Tür öffnete sich.
 

Doch eintreten konnte er nicht sofort.

Durch das stürmische Öffnen der Tür hatte der eine Menge Staub aufgewirbelt, der ihm nun in einer großen Wolke entgegenschlug. Seine freie Hand legte er schützend vor seine Augen, dennoch hatte er etwas von dem Staub eingeatmet und musste unweigerlich husten. Mit der anderen Hand drückte er den Hut fest an sich, als ob eine Hand aus dem Staub kommen könnte und versuchen würde, ihm diesen zu entreißen.
 

Das nächste Mal sollte er wirklich besser aufpassen.

Als der Staub sich legte konnte er endlich eintreten, doch nun war es die Sonne, die ihn im ersten Moment blendete. Seine Augen waren noch nicht an den Lichtunterschied zwischen der dunklen Treppe und dem Lichtdurchflutteten Speicher gewöhnt.
 

Als er dann endlich etwas erkennen konnte schaute er sich neugierig um. Langsam und vorsichtig durchquerte er den Raum, suchend sich umschauend nach irgendwelchen Gegenständen, die ihm vertraut waren, oder sogar ihm gehörten. Doch er konnte nichts entdecken, was ihm auch nur annäherungsweise bekannt vorkam. Er ging noch einmal durch den Raum und auch noch ein weiteres Mal, da er einfach nichts entdecken konnte. Kurz bevor er den großen Raum ein viertes Mal durchqueren wollte, lenkte ein Sonnenstrahl seine Aufmerksamkeit auf ein großes weißes Tuch, welches wohl die Gegenstände darunter vor dem Staub schützen sollte. Behutsam versuchte er das Tuch zu entfernen, ohne zu viel Staub aufzuwirbeln. Doch irgendwie hatte er heute kein Glück mit dem Staub. Er hatte das Tuch fast vollständig entfernt, als er eine ruckartige Bewegung machte und somit doch noch etwas Staub aufwirbelte.
 

Dieses Mal war es nicht ganz so schlimm wie zuvor, doch wieder stand im Raum und konnte es kaum erwarten, dass sich der Staub legte. Als die Sicht dann endlich frei war, blickte er auf mehrere bemalte Leinwände herab. Sofort regte sich etwas in ihm und er nahm die Leinwände genauer unter Betracht.

Teilweise waren es seine eigenen „Versuche“ gewesen, anständig zu malen. Doch es waren nicht nur die seinen Leinwände, die unter dem Tuch gelagert hatten. Diese Bilder stammten eindeutig von einer gekonnteren Hand. Eine Leinwand nach der anderen hob er hoch und betrachtete diese genauer, doch ihm wollte zu keinem der Motive etwas einfallen.
 

Er hatte schon fast alle Leinwände durchgesehen, als eine zum Vorschein kam, die in ihm Interesse weckte. Es war ein Hase darauf abgebildet, oder besser die Anfänge – es war also eine seiner eigenen. Er wollte sie herausnehmen um sie genauer betrachten zu können, fasste sie deshalb an beiden Seiten an und hob sie hoch, doch diese angefangene Bewegung beendete er nicht.
 

Bei der ersten größeren Berührung erschien ihm ein Bild im Kopf - eine ganze Bilderfolge:
 

Er saß draußen im Garten. Die Sonne schien auf ihn herab. Auf seinem Schoß ruhte durch seine linke Hand gestützt eine Leinwand. Mit der rechten hielt er einen Pinsel und versuchte einen kleinen Hasen abzumalen, der vor ihm im Gras saß.
 

Doch da ergriff eine fremde Hand die seine, führte die Hand mit dem Pinsel über die Leinwand und malte so ein wenig auf dem Untergrund. Vollkommen überrascht blickte er die Person an, der die fremde Hand gehört. Sofort erkannte er die Person aus seinem Traum, sie lächelte ihn an, doch die Augen blieben ihm verborgen, ebenso wie die genaueren Umrisse des Kopfes. Die Sonne, die auf sie herab schien, strahlte ihr direkt ins Gesicht, sodass die Konturen verschwammen. Er bemerkte, wie ihm die Röte in seine Wangen stieg und drehte sich von der Person weg.
 

Wieder hatte er nichts Genaues erkennen können. Das deprimierte ihn. Doch diese eine Erinnerung löste eine Kette von weiteren Erinnerungen aus:
 

Ort und Situation veränderten sich. Es war nun ein normaler Nachmittag, vielleicht doch nicht ganz so normal: Er saß im Haus auf dem Boden, wieder mit eine Leinwand in den Händen und saß vor einem Stuhl, auf welchem jemand lag. Es war wieder dieselbe Person. Und erneut konnte er das Gesicht nicht erkennen. Dieses Mal durch Schatten verdunkelt.
 

Er malte diese Person, sie war sein Motiv, doch selbst auf der Leinwand konnte er kein Gesicht sehen, denn er hatte es noch nicht gemalt!
 

Wieder veränderte sich die Umgebung schlagartig:
 

Er war nicht mehr in Haus, er war im Hof, kurz davor das Anwesen zu verlassen.

Es war sein Abschied vor 30 Jahren gewesen!

In seinen Händen hielt er eine Leinwand. Auch ohne darauf zu blicken wusste er, was sich auf der Leinwand abgebildet war. Es war das Bild, was er soeben noch gemalt hatte!
 

Er umklammerte es fest. Er wollte es unbedingt mitnehmen, doch es gab Widerspruch. Aber er würde es nicht hergeben, er war eine Erinnerung an die Zeit, die er hier verbracht hatte, die nun zu Ende war. Schließlich hatte er sich durchgesetzt und durfte die Leinwand mitnehmen.

Doch sehr lange konnte er sich nicht daran erfreuen.
 

Eine neue Erinnerung überkam ihn. Es war einige Zeit vergangen und er was weit weg von zu Hause. Sein Bild hatte er lange beschützt, verteidigt und vor jeglicher Zerstörung bewahrt. So wichtig war es ihm, denn es war das Letzte, was ihn in diesem Krieg an sein Zuhause und die Zeit vor den Kämpfen erinnerte. Doch es kam dieser eine, verhängnisvolle Tag…
 

Es war früh am Morgen, die meisten Leute in ihrem Lager schliefen noch und auch er selbst war noch nicht wirklich wach. Doch mit einem Mal wurden sie hinterhältig angegriffen. Voller Panik hatte man versucht ihn vor den Angreifern zu beschützen, man hatte ihn sofort aus seinem Zelt herausgeholt, doch er hatte keine Zeit dazu gehabt, dass Bild zu retten, er hatte es nicht mehr erreichen können, bevor er davon geschleift wurde, gerade noch rechtzeitig, den im nächsten Moment attackierte eine Reitergruppe sein Zelt, in dem er eben noch geschlafen hatte, und zerstörten dieses vor seinen Augen und mit dem Zelt auch sein über alles geliebtes Bild!
 

Dieser Schock saß tief, aber ihm blieb keine Zeit darum zu trauern, denn eine neue Angriffswelle war gestartet worden. Doch dieses Ereignis hatte er nicht so leicht weggesteckt. Tag für Tag, Jahr für Jahr, immer mehr seiner wichtigen Erinnerungen an die geliebte Zeit vor dem Krieg verblassten…
 

Zusammengesunken im Staub der Vergangenheit kniete er, die Tränen ihm über die Wangen laufend und mit dem Bewusstsein, wie viel ihm der Krieg genommen hatte…

25.12.1648 Part 6

Der Weg zum Speisesaal war ihr noch nie so lange vorgekommen. Ein gemischtes Gefühl machte sich in ihr breit. Sie schaute in jeden kreuzenden Gang, ausschauhaltend nach Shinsei Roma, obwohl sie nicht einmal wusste, ob sie ihn wirklich sehen wollte. Der Schock der letzen Nacht saß immer noch tief und auch jetzt bereiteten ihr diese Gedanken über die Veränderung Shinsei Romas Kopfschmerzen. Sie versuchte eine klareren Kopf zu bekommen und konzentrierte sich auf den Weg zum Speisesaal, wo sie nach ein paar Minuten auch ankamen.

Als sie den Raum betraten saßen bereits Romano und Antonio am Tisch und frühstückten schon, bzw. Antonio war schon fertig, nur Romano war noch mit seinem Frühstück beschäftigt.
 

„Romano, schau mal wer wieder da ist! Guten Morgen ihr Beiden.“
 

Lächelnd stand er von seinem Platz auf du ging auf Itaria zu, strich ihr über den Kopf und hob sie dann hoch. Mit ihr auf dem Arm ging er zu seinem Platz zurück und setzte sie auf seinen Schoss.
 

„Schön, dass du wieder da bist. Ich hoffe doch, dass du hunger hast, das Frühstück ist wirklich hervorragend, dass solltest du nicht verpassen.“
 

Immer noch lächelte Antonio in die Runde, während Romano aufgehört hatte zu kauen und aufschaute. Itaria nickte nur verlegen und versuchte Romanos Blicken auszuweichen.
 

Elizabeta wandte sich währenddessen an Antonio.
 

„Kann ich mal eben mit dir reden? Die Kinder kommen ja alleine zurecht.“
 

Antonio sah von Chibitalia zu Elizabeta auf.
 

„Ja, natürlich.“
 

Bevor Antonio aufstand, hob er Itaria hoch und setzte sie dann wieder auf seinen Stuhl ab.
 

„Wir sind gleich wieder da, also stellt keinen Blödsinn an, ja?“ meine er
 

scherzend, bevor er mit Elizabeta den Raum verließ.
 

Romano musterte immer noch Itaria, welche auch immer noch versuchte diesen Blicken zu entgehen und versuchte sich damit abzulenken, indem sie auf dem Tisch nach etwas suchte, worauf sie richtigen Appetit hatte. Doch Romano reichte dieses Versteckspiel nach nur wenigen Minuten und unterbrach die Stille, die am Tisch geherrscht hatte, nachdem sie alleine gelassen worden waren.
 

„Bastard! Wo warst du letzte Nacht?“
 

Itaria zuckte bei diesen Worten zusammen. Sie hatte diese Frage gefürchtet.
 

„Ich…“

„Es tut mir leid.“ Antwortete sie kleinlaut. Mehr bekam sie auch nicht über die Lippen.
 

„Das sollte es dir auch! Du hast mich einfach alleine gelassen! Was fällt dir ein!“
 

Itaria antwortete darauf nicht mehr, dennoch verzog sich ihr Mundwinkel leicht nach oben, als sie merkte, dass ihr Bruder leicht eingeschnappt war.

Um dann ein wenig abzulenken und um für eine bessere Stimmung zu sorgen, wechselte sie dann das Thema zu wechseln.
 

„Wollen wir nach dem Frühstück zusammen was unternehmen?“
 

Romano nickte nur beleidigt. Itaria nahm herzhaft und glücklich ihren ersten Bissen von ihrem Frühstück. Romano beobachtete sie unterdessen, beschloss dann aber nach ein paar Momenten auch sein Frühstück noch zu beenden und sich diesem mehr als Itaria zu widmen. Doch kaum war er fertig, gingen seine immer noch vorwurfsvollen Blicke zu Itaria.
 

„Und was willst du dann machen? Wenn du denn endlich mal aufgegessen hast?“
 

Itaria, die den Mund voll hatte, zuckte nur mit den Schultern.
 

„Bastard! Es war deine Idee, was zu machen, also schlag auch was vor!“
 

Nachdem sie ihren Bissen herunter geschluckt hatte fragte sie dann:
 

„Hat es die Nacht wieder geschneit?“
 

„Ja hat es, draußen liegt eine ziemlich hohe Schneeschicht.“
 

„Dann lass uns doch raus gehen und im Schnee spielen!“
 

Romano gab keine direkte Antwort, schien aber einverstanden zu sein. Itaria aß dann freudig weiter. Sie versuchte so ihre Gedanken vom Morgen abzuschütteln: Nach ein paar Minuten beendete sie dann ihr Frühstück, griff nach der Hand ihres Bruders und zog ihn in ihrer Motivation von seinem Stuhl. Ihre Gedanken an Shinsei Roma hatte sie nun ganz verdrängt. Die nächste Zeit würde nur ihr und Romano gewidmet sein und niemandem sonst.
 

Lachend rannte sie mit ihrem Bruder an der Hand durch die Gänge und zog ihn zu ihrem Zimmer, wo sie entsprechende Kleidung für draußen anzogen.

Voller Vorfreude rannte Chibitalia voraus, Romano folgte mit ein wenig Abstand.

Sie hatten das Foyer gerade erreicht, als Elizabeta und Antonio ebenfalls dort eintrafen.
 

„Hey, wo wollt ihr denn hin?“
 

Elizabeta war ein wenig überrascht, als sie die Kinder angerannt kommen sah.

Doch es waren nicht die Kinder, die ihr darauf antworteten.

„So wie das aussieht, wollen sie raus in den Hof, im Schnee spielen. Das finde ich eine sehr schöne Idee. Wir haben eigentlich gar keine Schnee, stimmt‘s Romano?
 

Antonio sah Romano lächelnd an, bekam aber nur ein „Bastard“ zu hören.

Chibitalia hingegen nickte aufgeregt mit dem Kopf.
 

„Ja wir wollen raus. Es liegt so viel schöner, neuer Schnee. Den muss man doch ausnutzen!“
 

Ihre Augen leuchteten richtig vor Freude.

Elizabeta freute sich darüber, dass es dem Kind so gut ging, nachdem was gestern Nacht passiert war.
 

„In Ordnung, aber seid doch zum Mittagessen wieder im Haus – und am besten auch umgezogen und aufgewärmt!“
 

Die Kinder achteten nicht wirklich darauf, was Elizabeta ihnen da versuchte einzureden, sie waren schon halb zur Tür raus, als sie ihren Satz beendet hatte.
 

Der Schnee lag unversehrt vor ihnen, als sie auf die Treppe getreten waren, doch das sollte sich bald ändern.

Nach kürzester Zeit waren überall kleine Fußspuren und Reste von Schneebällen zu sehen, die durch den Aufprall kaputtgegangen waren.

Beide kreischten auf, wenn sie eine Ladung kalten Schnee auf die Haut bekamen und lachten aus vollem Herzen, sodass man ihre Freude in der ganzen Residenz hören konnte und diese mit Wärme erfüllte, die seit langer Zeit dort nicht mehr geherrscht hatte und in der Küche standen schon zwei Tassen mit warmen Tee bereit, als die beiden Kindern nach langem Spielen mit hochroten Wangen und bis auf die Knochen durchnässt wieder in das Haus zurücklehrten. Direkt wurden sie zum Umziehen und Abtrocknen geschickt, bekamen aber anschließend ihren aufwärmenden Tee in einem der vielen Wohnzimmern gebracht. Vom Spielen ermüdet ließen sie sich erschöpft auf der Bettbank nieder und hatten noch nicht einmal ihren Tee fertig ausgetrunken, als sie aneinander geschmiegt einschliefen.

Das Mittagessen, zu dem sie zwar rechtzeitig zurück waren, hatten sie jedoch aber gänzlich vergessen.
 

Friedlich schlummerten sie in dem warmen Zimmer und bekamen nichts davon mit, was sich außerhalb des Raumes abspielte.

25.12.1648 Part 7

Es dauerte ziemlich lange, bis seine Knie ihm wieder gehorchten und er in der Lage war aufzustehen. Fragen über Fragen schossen ihm in den Kopf:

Wie konnte er nur diese ganzen Erinnerungen einfach vergessen?

Das konnte doch nicht sein?

Was war nur passiert, dass er über all die Jahre nicht gemerkt hatte, dass etwas fehlte in seinem Gedächtnis?
 

Und die wichtigste Frage von allen:

Wie würde er seine weiteren fehlenden Erinnerungen wiedererlangen?

Doch auf keine der vielen Fragen fand er eine Antwort. Nur Kopfschmerzen bekam er, die sich stechend über die ganze Schläfe ausbreiteten.
 

In seiner Verzweiflung versunken, schaffte er es irgendwie den Weg zu einem der kleinen Fenster zu finden, um dieses zu öffnen und die kalte Luft tief einzuatmen.

Diese schaffte es seine Kopfschmerzen in Grenzen zu halten, doch brachte sie keine Antwort auf seine vielen ungelösten Fragen…
 

Doch er konnte jetzt klarer denken und ihm viel auch sein Gespräch mit Roderich wieder ein, welches er vorhin mit ihm geführt hatte, bevor er sich auf den Weg seiner Erinnerungen begeben hatte. Vielleicht war genau jetzt der Richtige Augenblick gekommen, um mit ihm zu reden.

Er schloss das Fenster wieder und ging zu Tür. Doch jedoch stehen, bevor er den Speicher verließ. Ein letztes Mal drehte er sich um und schaute durch den Raum. Sein wandernder Blick blieb auf den Leinwänden ruhen. Er konnte sie nicht einfach hier zurücklassen, damit sie wieder einstauben und vergessen werden. Das brachte er nicht über das Herz.
 

Er ging erneut auf die Leinwände zu. Er wollte zumindest eine jetzt schon mitnehmen und die verbliebenden dann später zurückholen und sie wieder in sein Leben aufnehmen.
 

Er beugte sich erneut zu den Bildern hinunter und schaute sich noch einmal alle Leinwände gut an. Er wollte keins seiner eigenen „Werke“ mitnehmen, sondern lieber eins von der Hand des unbekannten Künstlers. Intuitiv nahm er das Bild von dem Hasen in die Hand, welcher ihnen gemeinsam als Vorlage gedient hatte.

Mit einem weiteren Gegenstand in den Händen verließ er den Speicher. Auf der Treppe, die zum Speicher führte, blieb er kurz stehen, stellte behutsam die Leinwand ab, legte den Hut daneben und klopfte sich den Staub von der Kleidung. Mit den Händen versuchte er die Spuren der letzten Minuten aus seinem Gesicht verschwinden zu lassen. Als er dann hoffte, dass es so gehen würde, macht er sich auf den Weg zu Roderichs Zimmer und ging die langen, dunklen Fluren entlang.

Vor dessen Tür blieb er kurz stehen.
 

Was wollte er eigentlich mit Roderich besprechen?

Auf einmal war er sich nicht mehr so sicher, ob er wirklich mit ihm sprechen sollte.
 

Er atmete einmal tief durch und entschloss sich dann doch an die verschlossene Tür vor ihm zu klopfen. Zu seiner Verwunderung kam keine Antwort auf sein Klopfen und er war schon der Meinung, Roderich sei nicht da, und wollte wieder gehen, als sich dann doch die Tür öffnete.

Roderich schaute ihn etwas verwundert an, fast so, als ob er jemanden anderes erwartet hatte.
 

„Ach du bist es. Komm rein, entschuldige, dass ich dich hab warten lassen. Schön, dass du Zeit gefunden hast. Setz dich. Möchtest du Tee?“
 

Eine leichte Hektik lag in Roderichs Stimme, das merkte er sofort und spielte auch schon mit dem Gedanken doch wieder zu gehen und später noch einmal zu kommen. Deswegen setze er sich auch noch nicht sofort.
 

„Gerne, aber wenn es dir gerade nicht passt, dann geh ich wieder und komme später wieder.“
 

Roderich versuchte seine Hektik zu verbergen und schaute in Richtung Teeservice.
 

„Aber nicht doch, bleib bitte. Leider ist der Tee alle, ich werde neuen besogen lassen. Setz dich so lange.“
 

Damit verließ Roderich den Raum. Er stand noch immer, lehnte jedoch die Leinwand gegen die Bettbank, auf der er sich anschließend niederließ. Den Hut legte er nicht beiseite, sondern behielt diesen auf seinem Schoss. Die Hände legte er schützend um ihn herum.

Wenige Augenblicke später betrat Roderich den Raum wieder und setzte sich ihm lächelnd gegenüber.
 

„Der Tee kommt gleich. Ich habe dich noch gar nicht erwartet. Wie ich aber sehe warst du auf dem Speicher fündig.“
 

Ein fragender Unterton lag in seiner Stimme. Sein Blick ruhte auf der Leinwand, die er mitgenommen hatte.

Bevor er Roderich antwortete schwieg er kurz.
 

„Ja ich bin fündig geworden. Ich habe sogar mehr gefunden, als ich erwartet habe. Leider kann man nicht sagen, dass diese „Entdeckung“ positiv ist…“
 

Eine Pause entstand. Er wollte erstmal nichts Weiteres dazu sagen und Roderich wartete noch, ob er etwas hinzufügen würde. Fragend schaute er ihn an, doch als er merkte, dass er keine weiteren Aussagen erhalten würde, fragte er nach.
 

„Und was genau, hast du entdeckt?“
 

Er antwortete nicht direkt. Er war sich immer noch nicht sicher, ab er wirklich mit Roderich darüber reden sollte. Doch er entschied sich zum reden.
 

„Ich… Mir ist dort oben etwas bewusst geworden, oder besser gesagt, ich habe etwas entdeckt, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich es verloren habe.“
 

Immer gab er nichts Genaues preis. Doch dann erzählte er alles: „Es sind Erinnerungen, an Früher, viele Erinnerungen, die ich im Krieg vergessen habe. Sie, sie waren einfach weg und ich habe auch immer noch nicht alle wieder, ich weiß nur, dass sie nicht da sind, dass sie fehlen… Bisher war es so, dass jedes Mal, wenn ich einen Gegenstand aus meiner Vergangenheit, vor dem Krieg, berühre, eine neue Erinnerung zurückkehrt. Aber immer noch sind da Lücken, die ich aus eigener Kraft nicht zu schließen vermag…“
 

Dass er sich an eine bestimmte Person nicht erinnern konnte, verschwieg er. Er fühlte sich unwohl und schaute Roderich nicht an. Gerade da wollte dieser etwas sagen, als es an der Tür klopfte. Überrascht schauten beide auf. Roderich bat die Person vor der Tür einzutreten und eine Bedienstete kam in den Raum, um den Tee zu servieren. Doch ihm war die Lust auf Tee in diesem Moment vergangen. Roderich ging es wohl ähnlich, denn auch er rührte seinen Tee nicht an. Er schwieg und schien über etwas nach zudenken. Nach ein paar Minuten schaute Roderich dann auf und blickte ihn an.
 

„Es ist nicht verwunderlich, dass man im Krieg das eine oder andere vergisst oder besser verdrängt. Aber bei dir scheint es sich ja nicht nur um ein paar Kleinigkeiten zu handeln, sondern um einiges, oder?“
 

Er nickte.
 

„An die groben Sachen kann ich mich erinnern, ich erinnere mich ja auch an dich, Elizabeta und auch an Antonio, aber an weitere Personen kann ich mich nicht erinnern. An das Drumherum ja, aber nicht wirklich an Details…“
 

Dass es eigentlich eine Person war, die er nicht kannte und in seinen Erinnerungen nicht erkennen konnte, sagte er nicht. Irgendwie, war das etwas Privates, es sträubte sich in ihm, das preis zugeben.

Doch Roderich schien zu wissen, über wen er da redete. Man merkte ganz deutlich, dass er angespannt war und, erfolglos, versuchte, diese zu verbergen. Irgendetwas ging in ihm vor, doch er konnte nicht herausfinden, was es war.
 

„Es ist besonders eine Person, an die du dich nicht erinnern kannst, habe ich da recht?“
 

Verlegen nickte er nur zur Bestätigung Roderichs Frage.
 

„Du bist dieser Person auch noch nicht begegnet, oder?“

Er schüttelte den Kopf.
 

„Nein, ich denke nicht.“
 

„Aber es war eine Person aus deinem näheren Umfeld, habe ich da recht?“
 

Immer noch schaute er Roderich nicht wirklich an.
 

„Ich bin mir da nicht sehr sicher, aber ich denke schon.“

Irgendwie glich dieses Gespräch mehr einem Verhör, als einer normalen Unterhaltung.
 

„Hmm…“
 

Roderich schien nachzudenken, jedenfalls griff er nach seiner bisher unberührten Teetasse. Jedoch verzog er augenblicklich den Mund, als er merkte, dass der Tee inzwischen ausgekühlt war. Leicht säuerlich stellte er die Tasse zurück auf den Tisch und lehnte sich wieder an.
 

„Du glaubst also nicht, dass du dieser Person bisher begegnet bist…“

Das sagte er mehr zu sich selbst, wieso er nicht darauf antwortete.
 

„Ich weiß es natürlich nicht, aber ich vermute, dass ich weiß, welche Person du meinen könntest.“
 

Augenblicklich schaute er auf und war wieder mit voller Konzentration bei der Sache. Fragend schaute er Roderich an. Seine Fragen, die ihm durch den Kopf schossen, traute er sich nicht laut auszusprechen.
 

„Ich finde es etwas verwunderlich, dass du dich bisher nicht ein einziges Mal über diese Person erkundigt hast. Doch diese Person kennt dich, so wie du jetzt bist, nicht. Sondern dein jüngeres Ich… Das letzte Mal, dass ihr euch gesehen habt, ist 30 Jahre her, damals wart ihr gleichalt. Aber jetzt… du bist gewachsen, sie nicht…

Ich fürchte, dass wird nicht ganz so leicht werden, zwischen euch. Vor allem für sie nicht…“
 

So ganz verstand er das nicht. Wieso war es kompliziert? Würde er sich denn nicht erinnern, was war? Würden diese Erinnerungen nicht zurückkehren? Wenn er sie sehen würde, würde das etwa nicht ausreichen?

Angst machte sich in ihm breit.

Sollte etwa nicht der Schlüssel zu seinen Erinnerungen in ihr liegen?

Das konnte doch nicht sein, dass musste doch einfach so sein!

Und wieso sollte es für sie schwer sein? Er hatte doch keine Erinnerungen mehr. Sie besaß sie doch immer noch!

Er verstand es nicht, wollte es vielleicht auch gar nicht verstehen, welche Probleme sie haben könnte, schließlich war er ja 30 Jahre nicht dagewesen und kam dann auch noch verändert wieder. All dies kam ihm nicht in den Sinn…
 

„Ich… ich will sie sehen. Bitte…“
 

Hoffnungsvoll schaute er zu Roderich, doch dieser seufzte nur.
 

„Das kann ich nur zu gut verstehen, ihr habt sicher viel zu besprechen und aufzuarbeiten. Aber lass mir doch bitte ein kleinwenig Zeit. Lass mich kurz vorher noch mit ihr reden, um sie ein wenig auf euer Gespräch vorzubereiten. Wenn sie dich ohne Vorbereitung sieht, dann weiß ich nicht was passiert. Diese ganze Situation ist wirklich nicht leicht für sie, bitte versteh das.“
 

Er nickte mit dem Kopf, obwohl er es so direkt immer noch nicht verstand, aber was blieb ihm anderes übrig? Er konnte ja schlecht eine Person nach der anderen in diesem großen Haus aufsuchen und sich davon überzeugen, dass sie seine gesuchte Person war, oder eben nicht.
 

„Ich weiß nicht, wie schnell ich sie finden kann, um mit ihr zu reden, deshalb kann ich dir keinen Termin für euer Gespräch nennen. Aber wir können nach dem Mittagessen noch einmal kurz reden, dann kann ich dir sagen, was ich bisher erreichen konnte.“
 

„Das ist in Ordnung.“
 

Mehr konnte er nicht antworten. Das einzige was er wollte, war dieses Gespräch.

Wann nur würde es stattfinden? Bald? Oder erst heute Nachmittag, oder erst am Abend? Oder gar erst am nächsten Tag?

Man sah ihm an, dass er nicht wirklich zufrieden war.
 

„Ich werde versuchen, schnellst möglichst etwas zu erreichen. Außerdem ist es ja auch nicht mehr lange bis zum Mittagessen.“
 

„Ja… ja, ich geh dann wieder. Wir sehen uns dann beim Mittagessen. Bis später…“
 

Damit stand er auf und verließ Roderichs Zimmer, nicht ohne vorher seine Sachen eingesammelt zu haben. Mit Hut und Leinwand stand er dann auf dem Gang und wusste nicht so recht, was er jetzt machen sollte.

Seine ganze Hoffnung ruhte nun auf ihr, auf ihrem Gespräch, dass es seine Erinnerungen wiederbringen würde.



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  angeljaehyo
2010-10-07T19:57:50+00:00 07.10.2010 21:57
Das war bis jetzt bei weitem das schönste Kapitel. Die Flashbacks haben mir gut gefallen, weil sie wirklich rüberbrachten, was du im letzten Satz ausgesprochen hast: Wie viel HRE verloren hat. Bis jetzt vom Gefühl her das berührendste Kapitel.

Deine Geschichte hat insgesamt eine schöne Idee. Traurig, aber vielleicht doch zum Happy End führend.
Auch die Umsetzung gefällt mir; wenn du in jedem Kapitel einen anderen Protagonisten einsetzt, um die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen. Allerdings musst du hier aufpassen:
1. solltest du klarmachen, wer gerade erzählt, vielleicht durch kursive Schrift oder sofortige Nennung des Charakters
2. musst du aufpassen, dass du dich nicht allzu häufig in ihren wiederholst, weil das dann für den Leser ein wenig langweilig ist
Klar haben sie ihre gemeinsamen Momente, diese kann man aber, wenn sie schon einmal vorkamen, etwas raffen.
Ansonsten mag ich die Darstellung der Charaktere; ziemlich in character und passend. Vor allem Chibitalia finde ich süß wie im Anime.
Man merkt, wie sich die Geschichte von Kapitel zu Kapitel weiterentwickelt und sich langsam dem Höhepunkt nähert, die direkte Konfrontation Chibitalias und HREs.

Worauf du noch ein wenig mehr achten könntest, ist die äußere Form. Manche Rechtschreibfehler sind ein wenig störend. Aber alles in allem habe ich schon viiiiel schlimmeres gelesen.

Deine Geschichte zu lesen macht mir Spaß und ist ein schöner Zeitvertreib (von nicht-vorhandener Zeit xD) zwischendurch. Ich freue mich darauf, weiterzulesen.
Von:  xXGokuX
2010-08-28T13:43:00+00:00 28.08.2010 15:43
oh....jetzt hat man auch eien einblick in ihrer gedanken!
also ich finde s wirklich intressant deise mal den blickwinkel eines erwachsern zu sehen!
bin auf jeden fall gespannt wer wohl der näste sein wird?
freu mich schon auf das näste kapietL!^^
Von:  xXGokuX
2010-08-22T09:40:18+00:00 22.08.2010 11:40
oh diese mal aus der sicht von kre!
ich finde es wirklich intressant das gerade eine erinnerung bei diesem hut bekommt!
ich frage mich wohl wer diese person ist..an den er sich unbeding erinnern will
*grins*
obwohl ich kann es mir eigendlich denken!
XD
freu mich auf den jeden fall auf das näste kapitel von dir!^^
Von:  xXGokuX
2010-08-16T13:25:30+00:00 16.08.2010 15:25
oh arme chibiitaly!
naja ich hoffe mal das es ihr nach den essen etwas besser geht!
und ich bin gespannt was die anderen versuchen werden um sie wieder aufzuheitern!
auf jeden fall freu ich mich schon auf das näste kapitelXD
Von:  xXGokuX
2010-08-14T15:19:31+00:00 14.08.2010 17:19
oh.....mir tut chibitalia immer mehr leid!
man merkt richtig wie sehr sie kre liebt aber sie ist einfach noch zu klein um zu verstehen was da passiert ist!
ich hoffe nur das ihre liebe auch erwiedert wird!
*sich drohend hinter hre stellt*
*ihn hauen wird wenn er der kleine weh tut*
auf jeden fall hat mir das kapitel mal wieder gut gefallen!^^
bin schon gespannt wie es weiter gehen wird!^^
bis dann,
Gokudera-chan
Von:  xXGokuX
2010-08-13T10:56:37+00:00 13.08.2010 12:56
also ich finde deine ff wirklich gut!
mir gefällt es das du immer wieder aus der sichtweiße eine anderen charakter schreibst!
auf jeden fall bin ich gespannt wie es weiter gehen wird.
was du vielleicht noch besser machen könntest wäre wenn die kapitel etwas längern wären.
zwar sind die wirklich gut aber etwas länger würde ich es nicht schlecht finden!
auf jeden fall bin ich schon auf das näste kapitel von dir gespannt!
lg.
Gokudera-chan
Von:  Niekas
2010-06-16T14:37:35+00:00 16.06.2010 16:37
Alterungsprozesse in Hetalia werden mir auf ewig ein Rätsel bleiben ^^"
Mir fällt auf, dass dieses Kapitel komplett (ja, wie war das Wort noch gleich) zusammengefasst war, also ohne wörtliche Rede und so weiter. In einem Rückblick ist das vielleicht noch angebracht, aber ansonsten wäre es spannender, wenn es etwas anschaulicher wäre... verstehst du, was ich meine? Naja, nur so ein Tipp.
Ansonsten bin ich schon gespannt, wo das noch hinführt... ob Shinsei Roma nun charakterlich Ludwig ist oder eher, naja, Shinsei Roma xD
Von:  -Apfelstrudel-
2010-06-02T19:57:00+00:00 02.06.2010 21:57
Wow ich finde die Geschichte bis jetzt wirklich sehr schön geschrieben, total mitreißend und berührend Q__Q
Toll
Von:  Niekas
2010-05-31T16:18:48+00:00 31.05.2010 18:18
Hui... das fängt ja rasant an ^___^
Ich weiß zwar nicht, ob es zu der Zeit schon Kakao oder Kaffee in Europa gab, aber vielleicht gab es nicht einmal Klaviere... eigentlich habe ich keine Ahnung, ist ja auch nicht so wichtig xD
Ich bin jedenfalls schon gespannt, was nun passiert ist... ich rechne mit nichts Gutem :( Es macht mir Angst, dass Chibitalia so traurig ist... dass lässt es/sie so erwachsen wirken, finde ich. Erwachsener als Feliciano sogar, was nun wirklich paradox ist...
Jedenfalls freue ich mich schon auf die Fortsetzung :)
E-vieh


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