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Im Büro
von

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Der Brand

Um Anjali den von ihr so freudig erwarteten Wochenmarktbesuch in den wenigen letzten Tagen ihres Indienaufenthalts doch noch zu ermöglichen, fuhr ihre Mutter am nächsten Tag nach dem Mittagessen noch einmal mit ihr gemeinsam hin. Anjali genoss die Zeit, die sie zwischen all den Verkaufsständen verbrachte, denn sie liebte die Geschäftigkeit, die unzähligen verschiedenen Düfte der dort angebotenen Waren und sogar den Lärm, der von den vielen Käufern und Verkäufern ausging. Für eine Weile vergaß Anjali in dem bunten Treiben ihr Gefühlschaos und fühlte sich zufrieden und leicht.

Dieses Glücksgefühl verschwand allerdings sofort wieder, als sie am späten Nachmittag wieder nach Hause kamen und schon von Weitem große, dunkle Rauchwolken über ihrem Grundstück sehen konnten. Ihre Mutter trat nach dieser Entdeckung fester aufs Gas, während sich in ihren Gedanken unwillkürlich die schlimmsten Szenarien zusammenspannen.

Kaum hatten sie in der Einfahrt gehalten, sprangen die beiden Frauen auch schon aus dem Wagen und liefen eiligen Schrittes in den Garten hinterm Haus, da in dieser Richtung die Quelle des Rauches zu liegen schien. Das erste, was sie dort sahen, war denn auch die alte, nun halb abgebrannte Scheune, die sich wenige Hundertmeter hinter dem Grundstück befand. Sie war offensichtlich die Ursache des Rauches, da die Feuerwehr dort gerade noch dabei war, die letzten Flammen des Brandes, der hier stattgefunden hatte, zu löschen.

Geschockt starrte Anjali einige Augenblicke auf die Szenerie, die sich ihr dort bot, bevor ihr plötzlich die Frage des Verbleibs ihres Vaters und auch Rahuls durch den Kopf schoss. Suchend wirbelte sie herum, blieb jedoch einen Moment später wie angewurzelt stehen, als sie die beiden, augenscheinlich weitestgehend unversehrt, mit einem Feuerwehrmann, einem Notarzt und zwei Polizisten auf der Terrasse stehen sah. Die Männer waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie Anjali und ihre Mutter erst jetzt bemerkten, wo sie voller Sorge zu ihnen gerannt kamen.

„Kya hua?!“, brach es aus Anjalis Mutter heraus. „Kya hua, Kishan?!“ Sie war den Tränen nahe, als sie nach den Händen ihres Mannes griff und ihn von oben bis unten musterte. Er hatte Schürfwunden am Kopf und an den Armen und seine Kleidung war voller Sand und Ruß. Er nahm seine Frau daraufhin beruhigend in die Arme und schenkte auch der etwas verstörten Anjali ein beruhigendes Lächeln. „Shh... Sab kuch thik hai, Reema...“, meinte er mit ruhiger Stimme, während er sanft den Kopf seiner Frau streichelte. Anschließend erklärte er, was geschehen war.

Er war gerade dabei gewesen, ein paar kaputte Glühlampen in der im Moment kaum benutzten Scheune zu wechseln, als es einen Kurzschluss gab und er daraufhin von einem elektrischen Schlag getroffen von der Leiter fiel. Vermutlich flogen dabei ein paar Funken auf einen der vielen großen Stroh- und Heuballen, die im Moment in der Halle lagerten, und entzündeten diesen. Rahul, der sich zu diesem Zeitpunkt gerade auf der Terrasse aufhielt, bemerkte dies und reagierte sofort. Er holte den bewusstlosen Kishan aus der mittlerweile brennenden Scheune und alarmierte daraufhin umgehend die Feuerwehr.

Schockiert lauschte Anjali dem Verlauf der ihr völlig unglaublich erscheinenden Ereignisse und realisierte erst nach und nach, was ihr Vater ihr da eigentlich gerade erzählte: Rahul hatte ihm – ohne nachzudenken oder zu zögern – das Leben gerettet! Ungläubig schaute sie zu ihrem vermeintlichen Verlobten, der sich gerade mit einem der Polizisten unterhielt.

Auch er war mit Sand und Ruß bedeckt, doch zu einem viel größeren Teil als ihr Vater. Er schien versucht zu haben, das Feuer bis zum Eintreffen der Feuerwehr irgendwie unter Kontrolle zu halten, denn sein Haar war vollkommen durcheinander und sein gesamter Körper war mit dunklen Rußflecken übersät. An dem blaukarierten Hemd, das er trug, waren nur noch zwei Knöpfe, und das führte dazu, dass seine Brust nahezu komplett entblößt war. Und auch seine dunkelblaue, nun an mehreren Stellen aufgeriebene Hose hatte schon bessere Tage gesehen. So sehr Anjali sich auch dagegen wehrte, so konnte sie doch nicht leugnen, dass ihr sein abgetragenes, beinahe heldenhaft wirkendes Aussehen mehr als zusagte und es ihr schwer fiel, ihren Blick von seiner halbnackten, muskulösen Brust abzuwenden.
 

Es dauerte noch eine knappe Stunde bis der Brand endgültig gelöscht war und Feuerwehr und Polizei abziehen konnten. Der Notarzt untersuchte Kishan und Rahul noch einmal gründlich und gab zur Erleichterung aller, mit dem Rat an Kishan, dass dieser sich in den nächsten Tagen noch schonen sollte, grünes Licht.
 

Da trotzdem der Schock noch tief saß, fiel das Abendessen eher spartanisch aus und vor allem ruhig. Erst als im Anschluss alle im Wohnzimmer saßen, kam wieder ein Gespräch zustande. Es wurde über den vollständigen Abriss der glücklicherweise nicht viel genutzten Scheune geredet und Anjalis Eltern bedankten sich zum wiederholten Male überschwänglich bei Rahul für seine Hilfe und seinen heldenhaften Einsatz. Auch Anjali fühlte große Dankbarkeit, doch sie war einfach nicht in der Lage, diese Rahul gegenüber auszudrücken.



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