Prolog
Zehn Jahre nach der Hinrichtung des Piratenkönigs Gold Roger…
---
Zaghaft und übertrieben zwinkernd öffnete er die Augen. Für einen kurzen Moment war er orientierungslos. Sanft umstreichelte ihn eine warme Brise und ihm stieg der Geruch von Salzwasser in die Nase. Langsam klarte seine Sicht auf und er erkannte einen strahlend blauen Himmel, an dem nur vereinzelt ein paar fluffige Schäfchenwolken hingen.
~Schwarze Augen, schwarzes Haar…~
„Ach ja…“
Er fuhr sich kurz durchs Haar und sah dabei auf das in der Sonne glitzernde Meer hinaus, das sich rechts von ihm erstreckte.
„Ich bin eingeschlafen… hoffentlich habe ich jetzt meinen Hafen nicht verpasst…“
Mit festem Griff kontrollierte er sein Gepäck: Bretter, Nägel, auch Stahl. Es war alles noch da. Und am Horizont erkannte er auch schon seine Heimat – Water 7.
„Gut, dann bin ich ja gerade rechtzeitig wach geworden.“
Gähnend streckte er sich und ließ sich seine kurze Reise erneut durch den Kopf gehen. Er war auf den Nachbarinseln Material einkaufen gewesen. Das hatte Zeit in Anspruch genommen, denn die Fährenverbindung hatte lächerliche Zeiten und Preise, und dass, obwohl Water 7 und die anderen beiden Nachbarinseln eigentlich nicht einmal eine Anfahrt von zwei Tagen voneinander entfernt lagen. Doch das Problem lag in den Kosten und momentan waren alle drei Inseln in einer totalen Wirtschaftskrise. Aber aus diesem Grund hatte Tom, sein Lehrmeister und Ziehvater, auch die Idee mit dem Seezug gehabt. Und für dieses Projekt, an dem sie schon seit Jahren arbeiteten, hatte er neue Materialien besorgt.
~Ich fühlte mich zu ihr hingezogen…~
Wieder gähnte er – das laue Lüftchen, welches nach Meer und Frische und Freiheit duftete, machte ihn unendlich müde. Um sich wach zu halten sah er sich auf dem Sonnendeck der Fähre, auf dem er saß, um. Da waren Leute von überall her – Leute, die gerade vom Karneval kamen, Leute, die müde von einer langen Reise zurückkehrten, Leute, die sich hier ein besseres Leben erhofften – zu seiner Überraschung bemerkte er, dass er nicht allein auf seiner Sitzbank saß. Neben ihm las eine junge Frau in einer Broschüre über Water 7. Sie war blutjung, bestimmt nicht mal volljährig, aber dennoch schon sehr vorteilhaft proportioniert und dementsprechend gekleidet, wie er fand, denn sie trug nur ein kurzes, eng anliegendes, violettes Kleid und darüber ein weißes Hemd. Sie hatte langes, schwarzes Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war und seidig in der Sonne glänzte. Vereinzelte Strähnen fielen ihr ins Gesicht – sie hatte eine markante Nase, hübsch und schmal, aber keinesfalls weich in den Zügen. Von der Seite konnte er leider nichts von ihren Augen erkennen – nur, dass sie jedes Wort der Broschüre in sich aufsogen. Ihre Haut war rosig und hell und sie erinnerte ihn an Porzellan.
Er fragte sich, was so ein hübsches Mädchen in einer heruntergekommenen Stadt, wie Water 7, suchte. Zumindest kein Glück.
~Sie ist anders, nicht mehr rein…~
Schrill heulten die Sirenen der Fähre auf und er zuckte zusammen – waren sie schon da? Anmutig stand das Mädchen neben ihm auf und ergriff ihre Tasche. Eilig stopfte sie die Broschüre in diese, aber nicht sorgfältig genug und so fiel sie wieder raus. Sie schien das aber nicht bemerkt zu haben, weshalb er sich stattdessen hinunter beugte und selbst das Heft aufhob. Vorsichtig tippte er ihr auf die Schulter. Sie drehte sich zu ihm und sah ihn fragend an. Nun konnte er ihr direkt in die Augen sehen, und für einen Moment verlor er sich in ihnen. Sie waren tiefschwarz, wie die Nacht und hatten nur einen Schimmer klaren Blaues in sich, gerade so, wie wenn man in frühen Morgenstunden das Kommen der Morgensonne nur erahnen konnte.
Als er sich wieder gefasst hatte übergab er ihr die Broschüre. Sie dankte ihm knapp und still, dann wand sie sich wieder von ihm ab und verließ die Fähre. Er folgte ihr ebenfalls in den Hafen, dann verlor sich aber ihre Statur in der Menschenmenge und zurück blieb nur die Erinnerung an einen nahenden Sonnenaufgang.
~Doch es hatte keinen Sinn…~