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Westlicher Himmel

von

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Auf der Suche

Entstehungsjahr: 2008

Autor: Justy
 

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„Jetzt bleib endlich stehen“, befahl Lone in einen schroffen Tonfall und mit in die Hüften gestemmten Armen.
 

Sie hatte es Leid bei dem aufkommenden Sturm, der sie Beide unverhofft in den Sandfeldern überraschte, das forsche Schritttempo ihres Partners beizubehalten, wo der feine Staub schon in jede erdenkliche Öffnung ihrer verhältnismäßig leichten Kleidung strömte.

Nur aus diesem Grund kam ihr das Schuhwerk, das sie trug, wie mit Zement gefüllt vor und sie wünschte sich schon seit mehreren Minuten die Last, in Form einer gewaltigen Masse Sand, bei einer kleinen eingelegten Rast auszuschütten und so loszuwerden.

Doch es gab da jemanden, der anscheinend andere Ansichten verfolgte und ihre Aufforderung schlichtweg ignorierte oder hatte er sie nur einfach wegen den stärker und lauter werdenden Wind überhört?
 

Lone sparte es sich zu einem neuen Ausruf anzusetzen, weil dieser ihr sowieso nichts weiter einbringen würde, als erneuter knirschender Sand zwischen ihren Zähnen, und blickte eine Weile zurück. Zurück auf die endlos gleich bleibende Fläche von braunem Gestein und körnigen Sand, der nur stellenweise von kleineren lederartigem Sträucherwerk untermalen wurde.

Sich zu diesen Zeitpunkt auf so einer Ebene zu bewegen, bedeutete ihren sicheren Untergang, das wusste sie, auch wenn sie genauso wie ihr Begleiter schnell vorankommen wollte und keine unnötigen Aufenthaltsphasen in Städten duldete, wenn es mitten am Tage war.
 

Doch anderseits hätte in diesem Fall durchdachte Planung nötiger getan, als blindlings drauf los zustürmen. Was sollte sie aber jetzt noch daran ändern? Zwar war ihr andeutungsweise etwas von einen aufbrausenden Unwetter zu Ohren gekommen, aber jegliche Versuche ihn aufzuhalten waren vergebens, deswegen hatte sie nach einer Weile des Streites, der an den beiden wie bernsteinfarbiger Honig klebte, doch nachgegeben. Im schlimmsten Falle hätte er, so dickköpfig und engstirnig er war, sie zurückgelassen und wäre alleine in sein sicheres Verderben gelaufen.
 

Lone setzte ihre Schritte weiter voran, auf einen gewissen Abstand ihren Partner folgend, mit dem anhaltenden, fremden Gefühl in der Bauchgegend, dem sie schon seit ihren Aufbruch aus Jadis verspürte. Es jagte ihr insgeheim ein wenig Angst ein, weil sie es nicht zu verdrängen vermochte.
 

Ein von Hitze umhüllter, langwieriger Teilweg stand den beiden uneinstimmigen Jugendlichen bevor, den sich nicht jeder zu stellen wusste, aber ihnen blieb keine andere Wahl. Egal was auf sie wartete, um an das Ziel zu kommen, mussten sie alles überwinden was sich ihnen versuchte ins Blickfeld zu stellen. Wenn sie schon an diesem Punkt angekommen waren, durften sie nicht zaudern, vielleicht gewannen sie dann die Oberhand gegenüber dem Sandsturm und passierten die mit hellen Farbtönen durchfluteten Felder unbeschadet.

Vielleicht...

Anderseits könnte ihn bei den anhaltenden Wetter auch das nächste Rudel Wüstenwölfe, mit ihren gierig rot unterlaufenden Augen den Gar ausmachen, oder was sich sonst noch gefährliches zu dieser Zeit auf Jagd nach unschuldigen Reisenden machte. Der Umschwung beeinträchtigte dabei sicher weitgehend ihre Abwehrmöglichkeiten, im Gegensatz zu den Bewohnern des trockenen Terrains, die den Wetterverhältnissen perfekt angepasst waren und sich diese vorteilhaft zu Nutze machen konnten.
 

„Verdammt!“, erschall aus nicht allzu weiter Entfernung, seine unverkennbare Stimme und der fast gebrüllte Fluch, ging in einen lang anhaltenden Hustenfall über, der ihn zwangsläufig auf die Knie hernieder sinken ließ. Sämtlicher, von seinem kastanienbraunen Haar herabrieselnder Sand, sammelte sich hartnäckig in die tiefen, gezogenen Falten seines Bandanas, welches er als Halstuch zu benutzen pflegte. Mittlerweile schien auch er seinen Fehler der Überstürzung eingesehen zu haben, aber wollte er seine Niedergeschlagenheit, die er schon seit den seichten Anfängen des Windes in sich trug, niemanden gegenüber preisgeben. Nur langsam aber sicher wurde die Verzweiflung zu unerträglich und er hätte am liebsten laut aufgeheult.
 

Schwand mit jedem unüberlegt gesetzten Schritt die Hoffnung auf Erreichen des Paradieses um einige Stücke mehr? Wenn er versagte, würde er nur einer von vielen sein, die sein Leben für nichts und wieder nichts geopfert hatten. Seine rechte behandschuhte Hand zog willkürlich Furchen in die verstaubte Fläche unter ihn.
 

„Blöder Sand, blöde Sonne“, zischte er aus zusammengebissenen Zähnen und rammte von beiden genannten Dingen angewidert, unablässig die Faust in den weichen Untergrund, so als wolle er eine sich anbannende Wut, an den ohnehin nicht wandelbaren Lebensbedingungen, des hitzewallenden Wüstenplanetens, auslassen, obwohl ihm bewusst war, dass ihn das auch kein Stückchen weiterbringen würde.
 

Ihre kurzen Schattenumrisse überzogen den Körper des am Boden hockenden Jungen, als sie direkt hinter ihm zum Stillstand kam und gräuliche Augen blicken traurig auf ihn herab. Sie zögerte ihre Handfläche beruhigend auf seine Schulter zu platzieren und ihn mit gewählten Worten wieder zum Aufstehen zu bewegen. Viel zu gut kannte sie die Reaktionen auf solch eine Art von Berührung. Sie überwand sich aber schnell und tat es trotzdem.

„Jonn“, mehr als seinen Namen, den sie fast doppelt in die Länge zog, brachte Lone schließlich doch nicht heraus und gewohntes Angiften seinerseits, das überraschenderweise ausblieb, beunruhigte sie nur noch um einiges mehr. Eigentlich erhielt sie überhaupt keine Aufmerksamkeit von ihm und da er sein unsinniges Tun zu einen Ende gebracht hatte, sah es so aus, als wäre er gänzlich erstarrt und in tiefe Gedanken abgedriftet.
 

Nein, er konnte nicht mehr einfach so abwarten und weiterhin tatenlos zusehen. Erst recht nicht mehr, seid dem Erreichen der hungernden Bewohner, der Stadt Jadis, die er von Dorothees Erzählkünsten her, nur als prachtvoll und wohlhabend kannte. Immer wieder rief er sich neue Fragen in den Kopf, die nach dem Grund suchten, warum alles so sein musste wie es auf dieser Welt war.

Fragen die er liebend gerne nicht beachtend zur Seite geschoben hätte, wäre er niemals Zeuge von einigen heruntergekommenen Gegenden geworden und weilte noch daheim in Liberia, ein Dorf das weitgehend noch nicht von den fatalen Folgen der immerwährenden Hitze gezeichnet wurde. Niemals hätte er die wirkliche Lage der Orte um seine Heimat herum wahrgenommen, hätte er nicht die Reise angetreten, dorthin wo viele andere, aus vielerlei unterschiedlichen Anlässen, ebenfalls hin aufbrachen.
 

Sein eigenes Begehr war die Klarheit die er schaffen wollte und das Finden seines Vaters, der nach Kallas Informationen seit nun mehr 14 Jahren als verschollen galt und noch am Leben sein konnte. Auch er war damals auf der Suche danach gewesen, weil ihn die Abenteuerlust zu jenem Ort hinzog, von dem niemand recht wusste ob er überhaupt existierte, oder nur ein Hirngespinst der Hoffnung suchenden Menschen war.
 

Nun mehr hinzugekommen, war der Gedanke, diese sterbende und zu vertrocknen drohende Welt zu retten. Wie genau er das in seiner momentanen Verfassung bewerkstelligen konnte, wusste er selber nicht, aber er glaube mit vollem Herzen an dieses Paradies, genauso wie Kallas und Dorothee und wie jedes andere Wesen seiner Art dort draußen, das die Fähigkeit des Träumens noch nicht für ewig verdrängt hatte.
 

Niemand wusste es zu beschreiben, weil jene Aufgebrochene als verschollen galten und so nie von einem Fund berichten konnten. Zwar erzählte man die immerwährende Legende darüber an seine Kinder weiter, damit sie nicht in Vergessenheit gerät, aber Zunehmens wuchs die Angst, neue Abenteurer, die ihren Entschluss gefasst hatten, einfach so auf die ungewisse Reise gehen zu lassen, mit den Gewissen im Herzen sie würden wahrscheinlich nie wieder zurückkehren und dadurch nur noch mehr Trauer bei den Hinterbliebenen hinterlassen.

Jenes herbeigesehnte Land wurde mit der Bezeichnung „Westlicher Himmel“ betitelt, weil es sich irgendwo weit weg gen Westen gerichtet befinden sollte.
 

Das Verlangen im Auge sich erzählende Legenden wahr werden zu lassen und dadurch alle zu Erretten hatte ihn Anfangs mit stetigen Übermut und Kühnheit beseelt, aber mehr und mehr schwanden seine angesammelten Kräfte dahin und konfrontierten ihn mit einer Lage, die einfach nur aussichtsloser wurde, je weiter sie auch voranschreiten mochten.
 

Lone, die Jonn die ganze Zeit über besorgt wirkend angestarrt hatte, zog langsam ihre blassen Finger zurück und wandte sich von ihrem Begleiter ein wenig ab. Mit vor der Hitze verheißenden Sonne, abgeschirmter Hand, blickte sie in den unendlichen, azurfarbenen Himmel hinauf. So weitlaufend und gigantisch, wie auch die Sandfelder vor ihrer Nase waren, durch die sie seit einigen Stunden ihre mittlerweile matten Glieder trieben.
 

Auch sie hatte einen triftigen Grund, ihrer schützenden Heimatstadt für immer den Rücken zu kehren, die sie so sehr an ihren geliebten Bruder erinnerte. Es war alleine ihre Entscheidung die Suche nach den westlichen Himmel anzutreten, als Jonn durch ihre Stadt streifte und diesen fortan zur Seite zu stehen. Sie entsann sich an den Zeitpunkt, an den ihr großer Bruder für immer in die Weite verschwand und sie mit seinen leeren Versprechungen im Gedächtnis zurückließ.
 

Jene vermeintliche einhaltende Aussicht ins Blaue, vermischte sich durchweg mit umherwirbelten Staubkörnern, die rasch zu einer wilden, unbändigen Masse heranwuchsen. Vom Sturm getragen begann sie kontinuierlich die Luft mit ihren bräunlichen Farbton zu schwängern und schon bald würde hier ein wahres Inferno über sie hereinbrechen, indem es noch das kleinste Übel war sich über Sand in den Schuhen oder zwischen den Zähnen zu beschweren.
 

„Wir hätten vorhin nie die schützenden Mauern Jadis’ verlassen sollen, die Bewohner hatten uns indirekt eine Wahrung wegen des heranschwellenden Unheils zukommen lassen. Sie wussten von dem bevorstehenden Sandsturm und wir haben das einfach so in den Wind geschlagen. Wir sind dem Unwetter schutzlos ausliefert“, sagte Lone bedrückt und gesellte sich wieder zu ihrer Begleitperson, die zwischenzeitlich in den Schneidersitz übergangen war und noch immer Gedankenverloren in die Weite blickte.
 

„Ich weiß“, entgegnete Jonn nur barsch, ohne sich nach Lone umzudrehen. Auch nach dem ganzen Grübeln, das sich nun wie ein Wirrwarr aus unverständlichen Worten in ihm widerspiegelte, befand er sich noch in einer stillen Rage und sonderte ungehindert entstandenen Zorn in die Außenwelt hab, was auch Lone prompt erkannte.

Erneut wollten in ihn Tränen aufwirbeln, die sein eigenes Mitleid ausdrückten, gegenüber den Schlamassel in den nur er alleine sie geritten hatte, mit seinen voreilig gezogenen Entschlüssen. Doch er blieb standhaft seinen Fehler gegenüber, den er sich allmählich eingestand und versuchte wenigsten etwas neue Stärke zu erringen, indem er sich einsprach, sie würden es schon ohne Schaden überstehen, so wie sie bisher auch alles überwunden haben, wie schwierig es auch sein mochte.
 

Als ihre offene Handfläche vor Jonns glänzenden Augen erschien, seichte sich jener Grimm urplötzlich ab und überrascht richtete er sein Augenmerk auf ihr lächelndes Gesicht. Von Anfang auf an war er derjenige gewesen der gegen die Aufnahme eines zierlichen Mädchens, wie Lone, in sein Ein-Mann Team war, doch sie hatte sich über sein Gezeter und seine Abgrenzungsversuchen hinweggesetzt und war ihn einfach aus eigenen Stücken gefolgt. Egal ob er sie akzeptierte oder nicht.

Jonn hatte sich zu den Augenblick noch hartnäckig eingeredet, ein weiblicher Begleiter würde nur unablässig von einer Gefahr in die nächste stolpern und obendrein nur ein mit bleigefüllter Klotz an seinen Bein sein, doch bis hier und jetzt war nichts von seinen Vermutungen eingetroffen, was seine Laune gegenüber Lone aber kein Stück verbesserte.

Nur deswegen bekamen sie sich zu jeder passenden Gelegenheit in die Haare, wobei er immer der Drahtzieher war, der die Uneinstimmigkeiten einleitete und Lone meistes auf irgendeine Art und Weise beleidigte, während sie dagegen versuchte friedliche Lösungen für jedes entstandene Problem zu finden und dabei nicht den geringsten Hass für Jonn empfand.
 

Sollte mit dem tagelangen Zusammensein ihrerseits, sich etwa langsam seine Ansichten zu verformen beginnen? Er war sich selbst nicht im Klaren darüber, welche Gefühle wirklich in ihm wachgerufen wurden, wenn er für länger ihre Wärme in seiner Nähe verspürte oder ihren wohligen Geruch in sich aufnahm. Als er nun erneut ihr von seidigem Haar umrahmtes Antlitz betrachtete, schoss ungewollt die Röte ihn ihm hoch und er vermochte seine Augen nicht von ihrer grazilen Gestalt abzuwenden.

Das konnte doch nicht wirklich ein Anzeichen von...
 

„Nun komm schon“, rief ihn Lones hohe Stimmlage in die Realität zurück und der Schleier, der sich einer undurchdringlichen Nebelwand gleich in ihn breitgemacht hatte verflüchtigte sich mit einen Schlag wieder. Sie fuchtelte ungeduldig mit ihrer ausgestreckten Hand vor seiner Nase herum und wirkte scheinbar wegen der immer noch weiter anschwellenden Sandmasse in der Atmosphäre sehr aufgebracht. Leicht irritiert von den kürzlichen Gedanken, schlug er Lones Finger mit einem Klatschen zur Seite, um sich dann aus eigener Kraft aufzurichten. Eigentlich war dieser ausgeführte Zug, der helfen wollenden Lone gegenüber recht unhöflich, aber er dachte nicht weiter daran, sondern rannte ohne die geringste Vorwarnung drauflos, durch die verstaubte Luft, die von sturmgetriebene Sandflüsse in die Gänzlichkeit seiner Gestalt warf und ihn tränende Augen bescherte.
 

„Jonn!!“, hörte er irgendwo hinter sich schreien, leicht erstickt von tosenden Windböen, doch er reagierte nicht auf die Rufe nach seinen Namen, egal wie verzweifelt ihre Tonlage auch klang.

Lone mochte ihn sehr, dass wusste er nur zu gut und obwohl er sie viel zu oft versucht hatte abzuwimmeln, war sie immer noch da und stand ihn unbeirrt zur Seite. Ganz egal wie er auf ihre Wesenszüge einging. Sollte er ein Fünkchen ihrer Gefühle ihm gegenüber erwidern, dann schien er bereits damit begonnen zu haben, indem er sie manchmal aus unerfindlichen Gründen gewähren ließ, ohne ihre glückliche Mimik erneut wie einen Spiegel in tausend kleine Stücke zu schlagen. Wie er es anfangs tat, als sie seine Nähe aufsuchte und er einen großen Sicherheitsabstand zu ihr einhielt, so als wäre sie etwas Abstoßendes. Mittlerweile war es in gewissen Momenten fast selbstverständlich Lones sanften Finger auf der Schulter zu spüren, wenn sie meinte dass ihn irgendetwas bedrückte.
 

Warum muss er sich immer so stur verhalten, dachte Lone und fuhr sich fast verärgert wirkend durch ihr pechschwarzes Haar, worauf sie einen wahren Sandstrom entfesselte, der sich auf ihren Strähnen abgelagert hatte. Er wand sich nun rieselnd an ihrer Kleidung entlang gen Boden. Es brachte ihr nichts ein, weiter auf ein und derselben Stelle zu verweilen und den Sturm mit ihrer ohnehin schon völlig verschmutzen Frisur spielen zu lassen. Denn sie konnte es auf keinen Fall zulassen Jonn aus den Augen zu verlieren, deswegen setzte auch sie sich kurz darauf in Bewegung und folgte den Jungen, so wie sie es immer tat.
 

Doch in einen flinken Lauf verfiel sie erst, als ihr ein alles übertönender Aufschrei entgegenkam, dessen Tonfall sie eindeutig vermeinte als Jonns wieder zu erkennen. Sie wusste nicht wie weit er gekommen war, auch waren jegliche Spuren in verwehenden Sand in sekundenschnelle wieder verwischt, deswegen wurde ihr zunehmend mulmiger Zumute.

„Lass den Quatsch Jonn!“, rief sie eindringlich, aber mit leicht brüchiger Stimme, in das Tosen hinein und erhoffte erbittlich, Jonn hätte sich einen Scherz mit ihr erlaubt, aus welchem Grund auch immer. Aber sie erhörte seine Anwesenheit nicht mehr. Außer dem Unwetter erklang nichts Verratenes in die monotone Geräuschekulisse hinein. Auch vertrübte sich ihr Sichtfeld um ein Vielfaches, da dieser genauso von Wind und Wetter beinträchtig wurde.

Es war zu ruhig dachte sie und biss sich verzweifelt auf die Unterlippe, während sie sich weiter ins Ungewisse voran schob.
 

Jonn konnte nicht einschätzen wie tief er gestürzt war, aber die Sandmengen hatten weitgehend seinen Fall gemindert und ihn so von schweren Verletzungen bewahrt. Das hatte er nun davon, einfach so los zu rennen, ohne dass er den Untergrund im Blickfeld behalten konnte. Blieb nur noch zu hoffen, sie war gescheiter als er und übersah das übergehen ins Bodenlose nicht so einfach. Sicher wäre er sogar reingelatscht, wenn er sich nicht im Dauerlauf befunden hätte.

So viel zum Thema Frauen laufen von einer Gefahr in die Nächste und bringen nur zusätzliche Schwierigkeiten ein. Langsam wurde ihn bewusst dass er locker dreifach so stark in diese Kategorie passte wie jegliche weibliche Menschen auf dieser Welt.

Grummelnd befreite sich John aus den weichen Berg, auf den immer noch weitere Sandmassen, von den Rändern des Loches her, herunterprasselten und prüfte eingehend, ob er wirklich keine Wunden von den Aufprall davongetragen hatte, außer den seitdem anhaltenden pochenden Schmerz in der Kopfgegend. Seine Füße trafen auf einen verhältnismäßig festen Untergrund, den er von den fahlen Schein der Sonne her, die noch immer leicht von den herrschenden Sturmböen hervorstach und bis hinunter in die fremde Umgebung schien, als steinähnliches Material identifizieren konnte.
 

Wo bin ich hier gelandet, kam ihn fragend in den Sinn und sein Blick wanderte von einer stabil wirkende Wand zur nächsten.
 

Der Raum in seiner Gesamtheit, erhellte sich unmittelbar, als seine Neugier ihn einige Schritte weiter vorantrieb und ein merklicher Schrei, dem ihn mehr vor Überraschung als entsetzen wegen der plötzlichen Beleuchtung, entfuhr, musste sicher bis an die Oberfläche zu hören gewesen sein. Du wirst doch in so einen Augenblick, nur wegen dieser blöden Kammer keine Angst haben? Beschwichtigte er seine kürzlich eingetretene Reaktion und spürte sein eindringlich schnell rasendes Herz, das noch immer den Schock zu verarbeiten versuchte.
 

„Du kannst nicht so mit Dummheit geschlagen sein, dass du wirklich in diese Grube gestürzt bist, die man schon von weiten sehen kann, oder?“, erklang Lones fast schon schadenfroh klingende Stimme vom Rande des Abgrundes her und er verzog sogleich seine Mundwinkel angenervt herunter.

„Und was ist wenn ich doch hier unten sein sollte?“, antwortete er sogleich auf ihre Frage und bewegte sich zurück, um einen genaueren Blick auf die kreisrunde Öffnung in der Decke zu werfen.
 

„Oh...“, erklang es von Seiten Lones „Ich...Das war nur ein Test...Ich meine ich wusste nicht das du wirklich da unten bist. Wie hast du es geschafft darunterzufallen?“

„Tja, wie schafft man es wohl in ein Loch zu fallen, das man wegen dem Unwetter übersieht? Hmm...vielleicht kannst du mir eine Antwort auf diese höchst schwierige Frage geben.“
 

Eine Weile herrschte absolute Stille in der Umgebung, die nur vom heulenden Wind her gebrochen wurde, dann verlor er gänzlich die Fassung.

„Verdammt, freu dich lieber, dass ich mir nichts gebrochen habe, anstatt solche dämlichen Sätze von dir zu geben!“

„Moment ich komm runter. Da sind wir wenigstens sicherer, als hier oben.“

„Was?!“, entfuhr es Jonn ungläubig und schon in nächsten Moment durchflutete ihn eine endlose Masse aus staubenden Sand. Hinterher kam der schlanke Körper Lones, die gekonnt und anmutsvoll direkt neben ihn auf den Steinboden landete und ein Kichern angesichts seines verstaubten Erscheinungsbildes nicht unterdrücken konnte.

„Danke...sehr vielen Dank, jetzt sitzen wir beide hier unten fest“, herrschte er sie unentwegt hustend an und fegte den Sand grob herunter, der verbissen versuchte sich in seine Kleidung einzunisten.

„Vielleicht hätte es ja einen Weg gegeben, mich wieder hochzuziehen, aber nein...Madame wollte mir ja wie immer am Rockzipfel hängen und springt einfach ohne Überlegung hinterher“, protestierte er weiter.

„halt mal die Luft an Jonn, wenn du so weiter schreist, bekommst du noch ein Sandkorn in die Luftröhre und erstickst daran, das wäre ein echt tragischer Tod“, entgegnende sie mit gespielt traurigen Tonfall und klopfte ihn darauf folgend versöhnend auf die Schultergegend.

Wie immer wollte er nicht einem Mädchen gegenüber klein bei geben, aber besann sich dann doch darauf die nächsten herausbringenden Worte lieber wieder herunterzuschlucken.

Mit einem dumpfen ‚Hmpf’ drehte er herum und schenkte seinem neuen Umfeld, erneut seine Aufmerksamkeit, ohne noch einen weiteren Gedanken an seine Partnerin zu verschwenden.
 

„Wow, wie majestätisch“, brachte Lone ein kleines Stückchen hinter ihn stehend heraus.

„Sieh doch, an den Säulen sind Edelsteine eingelassen.“

Jonn drehte seinen Kopf in die Richtung in die Lone mit ausgestreckten Finger zeigte und auch ihn kamen jetzt die Stützsäulen ins Blickfeld, die parallel angeordnet, die in die Länge gezogene Kammer anscheinend vom Einsturz bewahren sollte. Sicher bräche alles unter der schweren Last es Sandgrundes zusammen, würde jemand diese zum Einstürzen bewegen. Daran mochte er aber gar nicht denken, solange sie beide hier unten Zwangshaft verweilen mussten, auch wenn der Raum tatsächlich eine gewisse Schönheit mit sich trug, die sich in Form von glitzernden und funkelnden Steinen in Pfeiler und Mauerwerk heraus kennzeichnete. Fackelwerk entzündet durch unbekannte Macht versprühte sein Licht regelmäßig angeordnet, sowohl an linker als auch an rechter Seite der graublauen Wände. Selbst diese schienen mit glitzernden, glasähnlichen Material überzogen zu sein, dessen Herkunft Jonn nicht zu deuten wusste.
 

„Wenn wir den Gang folgen, dann kommen wir sicherlich wieder an die Oberfläche, irgendwo muss er ja hinführen“, mutmaßte Lone, die beiläufig faszinierend, die wertvollen Wandstücke betrachtete.

„Dein Wort in Gottes Ohr.“

Er konnte sich besseres Vorstellen, als mit ihr hier drinnen eingesperrt zu sein.
 

***
 

„Hör mal!“, weckte Lone Jonn aus der tiefen Konzentration, die er Aufwand, während er weiter ins Fremde hineinging. Einer der wenigen Augeblicke, wo es sein Unbehagen verwerte, voreilige Schlüsse zu ziehen. Er hatte einfach schon genug um die Ohren gehabt, deswegen ließ er ausnahmsweise mal Vorsicht walten und hielt diese auch strikt ein.

„Was soll ich hören?“

„Na das komische Kratzen und Schlurfen, natürlich.“

„Welches...“, begann er genervt nachzufragen, weil er die Richtigkeit ihrer Worte in Frage stellte, doch verschlug es ihn sogleich die Sprache, als er ihre beschriebenen Geräusche nun auch wahrnahm.

Es war ein hünenhafter Schatten der von dem Flimmerschein der Fackeln, gespenstisch an die Wand geworfen wurde. Seine Silhouette erschien riesig und erinnerte an ein gigantisches Ungeheuer, das ein wahnsinniges Ausmaß an Körperfülle mit sich bringen musste, trotz allem kam es sowohl Lone, als auch Jonn merkwürdig bekannt vor.
 

Ihr ging sofortig ein Licht auf, als sie die Umrisse, die unaufhaltsam näher kamen, länger in Augenschein nahm.

„Ein...ein Skorpion.“

„Quatsch, seit wann sind Skorpione so groß?“, gab Jonn, als Gegenzug zu Lones Erkenntnis zurück, wobei er aber schon seit einigen Sekunden zum Stillstand gekommen war, weil ihm was auch immer sich einen Weg zu ihnen bannte, nicht geheuer war.

„Und was glaubst du ist es dann?“

„Was weiß ich.“

Schaudernd hielten beide die Luft an, als jenes Wesen, das den unheimlichen Schattenwurf erzeugte, jeden Moment in ihr Blickfeld erscheinen musste, doch das erwartete Monster blieb überraschender Weise aus.
 

„Es ist unsichtbar“, stellte Jonn entsetzt fest.

Lones Meinung nach zu urteilen, war dies mit die dümmste Äußerung, die er jemals von sich gegeben hatte und so konnte sie es nicht unterlassen ihn dumpf mit der Faust gegen den Hinterkopf zu schlagen. Jonns Miene verwandelte sich in einen „bist du verrückt“ geworden Ausdruck und schmerzlich begann er sich mit einer Hand über die getroffene Stelle zu streifen, während er mit der anderen ausholte um genauso Stark zu kontern. Doch Lone hielt ihn mitten in der ausgeführten Bewegung auf, bückte sich flink unter seinen Schlag hinweg und machte ihn mit Leichtigkeit Bewegungsunfähig, indem sie seine beiden Arme gleichzeitig ergriff und hinter seinen Rücken verbog.

„Dummkopf“, maßte sie ihn an und ließ Jonn sofort wieder los. „Bist du blind auf den Augen oder was? Wie ich gesagt habe, es ist ein Skorpion.“

„Huch?“
 

In sein Blickfeld stieg etwas kleines tiefrotes, dessen Bepanzerung mit schwarzen Mustern beschmückt war und das eher mühselig versuchte voranzukommen. Etwas ungewöhnlich sah das Wesen schon aus, aber es handelte sich dabei eindeutig um einen Skorpion, wie es tausende in der Wüstengegend gab.

„Trotzdem, weiß du eigentlich wie todbringend diese Viecher sein können? Wenn es dich sticht, kann das sehr fatal enden“, begann Jonn von neuem und zog fast schon vorsichtig seine Verteidigungsmöglichkeit, aus dem am dunkelblauen Gürtel, befestigten Holster, um darauf folgend damit das Tierchen ins Visier zu nehmen. Lone wollte ihn aufhalten, aber er hatte schon im gleichen Moment den Abzug seines Revolvers betätigt und sie wusste, dass er mit der Waffe so gut wie immer ins Schwarze traf. Statt dem bevorstehenden Knall den jeder normale Schuss auslösen würde, blieb es aber Still in der weiten Umgebung, nur das Kratzen des Skorpions war am Rande zu vernehmen.
 

„Häh?“, entfuhr es Jonn verwundert und er brachte den Revolver in die Senkrechte, welches ihn zum Ausspucken von unbestimmten Mengen an Sand abverlangte, die das Unwetter in die Waffenaufbewahrungstasche getrieben haben musste. Der verdutze Ausdruck der sich bei der Entdeckung auf Jonns Gesicht widerspiegelte, brachte Lone dazu in einen Kicheranfall auszubrechen, der ihr vor Lachen Tränen in die Augen stiegen ließ.

„Was ist daran so witzig?“

„Tschuldige, aber du hättest mal dein Gesicht sehen müssen eben, das war einfach zu herrlich.“
 

Ein plötzlich eintretendes Beben brachte beide aus den Gleichgewicht und während Jonn sich unbeholfen wieder fangen wollend schließlich zu Boden stürzte, erlangte Lone gekonnt und mit graziler Leichtigkeit ihre Balance zurück und blickte sich verwundert nach der Ursache des Radaus um, der merklich Staub von Deckenfugen herunterrieseln lassen hatte.

Zwei, Drei schwächere Erderschütterungen folgten dem ersten und ehe sie sich versahen, standen sie wirklichen Unheil gegenüber, der sich ihnen in Form eines 100 Fach größeren Exemplars der Gattung Skorpion in den Weg stellte.
 

Sein Panzer glänzte in einen Smaragdgrün und gaben den Giganten, der in solch einer Größenordnung eigentlich nicht existieren konnte, einen eleganten Eindruck der in vollen Grotesk mit den tödlichen Kneifwerkzeugen stand, welche es in Doppelausführung erhoben vor sich her trug. Seine giftgrünen schlitzegleichen Augen fixierten, die beiden uneingeladenen Jugendlichen gleichermaßen, die seines Anblicks wegen immer noch wie gelähmt zu sein schienen.

„Meine Waffe ist hin, verdammt...“, klagte Jonn seufzend. „Wir sind so Tod.“
 

„Jonn, steh auf!“
 

Als er den Grund für ihren aufgeregten Ausruf endlich zu deuten wusste, sprang er regelrecht hoch und sprintete, das große Untier keine Beachtung schenkend, hinüber zu seiner Begleiterin. Um Haaresbreite stellte er Angsterfüllt fest. Denn dort wo er eben noch auf den Boden gehockt hatte, regnete es wortwörtliche haufenweise Skorpione, die ihren Stachelschwanz drohend im Fallen aufgerichtet hatten. Sie mussten allesamt an der Deckenwand gehängt haben, nur um sich in richtigen Zeitpunkt wagemutig hinunterzustürzen.
 

Langsam aber sicher wurde Lone bewusst, dass die gepanzerten Tiere doch nicht so harmlos waren, wie sie den Anschein machten, sondern es sich in diesem Falle um zwar kleine, aber trotzdem ernstzunehmende Monster handelte.

„Du Schande, sie sind überall!“

„Hör auf unentwegt auf die Erde zu starren, der da hinten ist das wahre Problem. Er blockiert den Weg und wir müssen an ihn vorbei.

Lone, leih mir mal bitte deine Dolche!“

Da sie zu erschrocken war, um irgendwas gegen seine Bitte einzuwenden, machte sie einfach das was Jonn verlangte und gab ihre Messer, in seine offenen Hände ab.
 

„Ich lenk dieses Mistvieh ab und du stiehlst dich heimlich an ihm vorbei. Und gib beim Laufen auf die Flut da unten Acht, verstanden?“, orderte Jonn mit lauter Stimme an und sie wusste in dieser Lage einfach nichts gegen anzusagen, so wie sie sonst immer seine waghalsigen Unternehmen durch eine geschickte Konterung zum Unterlegen brachte, dieses Mal nickte sie bloß stumm und hoffte sie würden heil aus der Sache wieder herauskommen.
 

Jonn umgriff die von Lone geliehenen Verteidigungsmittel mit all seiner Kraft und stürmte über eine anwachsende Schar von verschiedenfarbiger und großer Scherentiere hinweg, die seine Bewegungen mit zuschnappenden Scheren mitverfolgten und nicht selten ihm ins Blickfeld sprangen, wo sie aber sogleich von messerscharfen blattförmigen Klingen ergriffen und zur Seite geschlagen wurden, ehe sie eine Chance bekamen, ihre Werkzeuge einzusetzen. Die strömende Masse stoppte unvermittelt, als stünde sie unter einen kontrollierenden Bann und keiner der Wesen hatte mehr Augen für die hoffende Lone, die am Seitenrand stand und es immer noch so hinnahm was Jonn vorhatte.

Eins muss man ihn lassen, er hat unglaublichen Mut, aber na ja, er ist gleichzeitig auch ein richtiger Dummkopf, kam ihr in den Sinn und vorsichtig an der Wand entlang schreitend, schenkte sie ihren Partner ihr vollstes Vertrauen.

„Worauf wartest du, sieh zu, dass du hier weg kommst!“, schrie Jonn blindlings zurück, ehe er den ersten Dolchschlag gegen seinen übermächtigen Gegner antrat.

„Sieh du lieber zu, dass du dich um das kümmerst das vor dir liegt“, konterte Lone geschickt und erntete nur ein altbekanntes „hmpf“, von Seiten des kämpfenden Jonns.
 

Es war nun bei ihm, die Situation wieder hinzubiegen, die mit den erscheinen der Gegner aus den Fugen geraten war und er legte sich ins Zeug seine Kampfkünste unter Beweis zu stellen, auch wenn es nicht zu seinen Spezialgebiet gehörte mit Klingenwaffen anzugreifen und er normalerweise Schusswaffen bevorzugte. Lones Dolche hatte er nicht einmal andeutungsweise in Griff, wie seinen Revolver, aber mit beiden gleichermaßen würde er vergeblich daran tun, den Panzer des Untiers zu durchdringen. Bei den kleineren Exemplaren wäre dies kein Problem gewesen, aber das Ausmaß des Riesenskorpions ließ jede noch so spitze Waffe in blanken Neid ersticken. Nichtsdestotrotz parierte er geschickt, drohende Scherenschläge, die wie eingehende Schwerthiebe auf ihn herniederprasselten und wich dem zustechenden stachelbestückten Schwanz mehr als nur einmal aus.

Egal wie schwerfällig es sich bis zu diesen Zeitpunkt bewegt hatte, so merkte er jetzt erst welche Mordgedanken es tatsächlich hegte, blitzend funkelte sein strahlendweißes Gebiss auf, dessen reißende Zahnreihen nach ihn zu haschen versuchten, aber dank seiner Gewandtheit nur immerzu ins Leere stießen.
 

***
 

Lone wusste nicht warum sie sich seinen Anweisungen fügte. Eigentlich hätte sie ebenso gut dem Untier im Kampf entgegentreten können, stattdessen machte sie gerade ihren letzten Schritt und wimmelte dabei noch ein paar hartnäckige Skorpione ab, die sich an ihren Fersen geheftet hatten, bis sie freie Bahn hatte und nur einfach den weiteren Verlauf des erhellten Ganges entlang flüchten musste um sich in Sicherheit zubringen. Doch sie zauderte Angesichts des Gefechtes merklich und konnte ihren Gefährten nicht so einfach in Stich lassen. Sie würde es sich nie verzeihen wenn er hierdurch den Tod finden würde.
 

Die Wucht mit den der kräftige Schlag seine Rippen traf, weil er einen Augeblick lang unaufmerksam war, schleuderte ihn weit zurück und ließ ihn hart gegen die steinerne Begrenzung der Kammer auftreffen. Lone hatte das Schauspiel mit geweiteten Augen mit angesehen und wollte ihm zur Hilfe eilen, doch Jonn stand schneller wieder auf den Beinen, wie es ihr Verstand preisgeben wollte und ein erleichtertes lautes Aufatmen konnte sie daraufhin nicht verbergen.
 

Markerschütternd, durchbrach die erste Säule in ihrer ganzen Schönheit. Rissedurchzogen stürzte sie in sich Zusammen und nahm einen kleinen Teil der Decke mit ins Verderben. Gleich darauf erzitterte auch der gegenüberstehende beschmückte Stützpfeiler durch den Zerstörung anrichtenden Schwanzes des Untiers und Jonn sah sich jetzt mehr darauf bedacht nicht von heruntergerissenen Steinstücken erschlagen zu werden, als mögliche auf ihn gerichtete Angriffe abzublocken. Fassungslos hielt er im Tun inne, als er Lone entdeckte die ihn noch immer beim Kampfgeschehen beobachtete. Verdammt sie ist doch sonst nicht so töricht, durchfuhr ihn der Gedanken.

„Lone, sieh zu, dass du Land gewinnst, verschwinde endlich. Ich schaff das hier schon!“

„Pass auf“, entfuhr es Lone nur und schnappende Schneidewerkzeuge streiften schadenbringend, den Körper des Jungen, der seine volle Aufmerksamkeit zu lange auf Lone gerichtet haben zu schien.
 

Ich muss gehen, sprach sie sich innerlich zu. So störe ich Jonn nur und beschwöre weiteres Unheil herauf. Betroffen zog es sie weiter in die Tiefen des Unbekannten hinein. Sie wusste nicht, ob noch weitere Monster nach ihren Leben lechzen würden, oder sie eine helfende Waffe fand, mit der sie die Bestie bezwingen konnte. Wie ein zerbrechlicher Spiegel schien ihr Herz in ihr zu schlagen. Ein Spiegel der mit jedem erneut zu vernehmenden Schmerzenschrei Jonns, ein weiteres seiner Bruchstücke, die in Normalfall eine Gesamtheit bilden sollten, verlor und dieses nicht wieder zurückerlangen konnte. Sie wollte ihn nicht verlieren.
 

Der Gang stoppte abrupt und lief in ein kreisähnliches ausgehülstes Gebilde über, dessen Gesamtheit von einem düsteren Rot beherrscht wurde. Inmitten der fremdartigen Kammer, erstreckte sich ein länglicher Sarg, dessen Umhüllung gänzlich aus brillanten Edelsteinmustern bestand und sie nur wegen des puren Anblicks vor Faszination erblassen ließ. Erst als Lone verblendet ihre Füße weiter hinein in trübe Reich der Stille lenkte, streifte etwas ihr Blickfeld was von rein optischen her nicht ins Bild passte. Die Weißheit die es in der erstarrten Phase in alle Richtungen versendete, fing sie teilweise auf und ein nicht zu deutendes Gefühl verbreitete sich in ihren Inneren. Wie klares Glas durchsichtig und endlos rein, erstreckte es seine weit ausgebreitete Flügel über die Sarkophaggegend. So als hielte es schützend seine Schwingen auf den dort Begraben liegenden. Nur was war dieses Etwas?
 

Neugierig trat sie näher heran und betrachtete jenes Wesen genauer. Das Sonnelicht, welches aus unendlicher Höhe aus einer nicht verschlossenen Decke herunter drang, ließ das echsenförmige Antlitz in allen möglichen Farben des Regenbogens erschimmern. Die Züge des Glastieres waren anmutig, auch wenn es mit seiner Gestalt plump und schwerfällig erschien. Wie die Saurier, die die Ostwüste nahe Tirran beheimatet, nur mit den Unterschied, dass es gütig und beherzt über diesen Ort zu wachen schien, während sich besagte Monstersaurier auf alles stürzten was nach saftigen Fleisch roch.
 

Sie versuchte sich zu fangen und schluckte schwer, als sie Jonn wieder in ihren Erinnerungen wachrief, der immer noch um sein Leben kämpfte. Was sollte sie nur tun, alles was sie hier vorfand, brachte sie auf keine Weise voran. Nichts hieraus würde ihm weiterhelfen und genauso wenig fand sie einen Weg vor der sie ins Freie führen könnte.
 

Ein kräftiger Windzug ließ ihre Haarpracht hoch wirbeln und Glassplitter in allen Formen und Größen regneten auf ihre Kleidung hernieder. Mit entsetzten musste sie feststellen, das die Figur, die sie aus Glas bestehend meinte, eigentlich ein Lebewesen war und dessen aufgelegte Fassade nun gänzlich von seinen darunter verborgenen Schuppenkleid abbröckelte. Riesige Schwingen wirbelten Stücke des durchsichtigen Materials in die Luft und die darauf folgende Böe fegte sie fast von den Füßen, hätte sie sich nicht sofortig auf den Windstoß eingestellt und schon im voraus mit aller Kraft gegen angesetzt.
 

„Es ist meine Bestimmung zu erwachen, wenn jemand die heilige Grenze dieser Grabstätte überschreiten sollte“, dröhnte ein tiefes Brausen und Zischen durch die weite Umgebung und Lone braucht etwas um die gesagten Laute zu verstehen.

„Du steckst in großen Schwierigkeiten, vielmehr dein Freund hat gegen die Übermacht anzustreiten, nicht wahr?“

Ihre Sprache versagte, als das saurierähnliche Etwas den geschuppten Kopf mit den mandelförmigen tiefblauen Augen auf ihre Höhe brachte und sie von unten bis oben bemusterte. Wie riesig es doch war!

Seine Flügel durchschnitten förmlich die Luft als es sich Luftwellen erzeugend in die Höhe stemmte und gleich darauf in tiefliegenden Gleitflug dem zurückführenden Gang näherte.
 

War das Wirklichkeit was sich bis eben noch vor ihrem menschlichen Auge abspielte, oder schnappte sie über und rief sich irgendwelche Hirngespinste in den Kopf? Ihr Augenmerk richtete sich jetzt erst erneut auf den Sarg, dessen Anwesenheit sie zwischenzeitlich völlig verdrängt hatte. Auch wenn es ein ängstliches Gefühl in ihr wachrief, spürte sie einen unbekannten starken Drang, einfach den Deckel der letzten Ruhestätte beiseite zuschieben und deren Inhalt zu begutachten. Vielleicht gab es doch noch etwas das ihr weiterhelfen konnte.
 

Zögernd schritt sie voran, über die Unmengen von Scherben und Splittern, die allesamt von den majestätischen Drachenwesen abgeperlt waren, wie klares blau schimmerndes Wasser. Unter jeden neu gesetzten Fuß auf den Untergrund, knirschte und knackte es, bis sie an das Mittelstück der Grabkammer ankam und atemlos wirkend die eingeritzten Muster auf dem hölzernen Material begutachtete.
 

Wer oder was dort wohl seine letzte Ruhe gefunden hatte? Ein historischer König vielleicht, dem Ehre gebührend eine Edelsteinhöhle errichtet wurde oder eine andere wichtige Persönlichkeit die sogar in den Geschichtsbüchern verzeichnet war.

Doch sie hatte nie von jemand gehört, dessen Grabstätte von einen Perlmuttweißen Drachen bewacht wurde...
 

Schluckend streckte sie die zitternde Hand nach dem Sarg aus und verspürte eine unerwartete Wärme, als diese auf die Oberfläche auftraf. Kleinere Staubpartikel wirbelten durch ihre Bewegung auf, schwebten unbemerkt von der Stille des erhellten Platzes im Nichts herum.

Schließlich überwand sie ihr eigenes Zögern und schob den schweren Deckel mit aller Anstrengung zur Seite. Nicht so weit, dass dieser mit ganzer Wucht auf den staubenden Boden auftraf, sondern nur so weit, dass man einen guten Blick auf sein Inneres werfen konnte.
 

Hustend und leicht von der gefühlten Hitze schwitzend, gewährte sich ihr ein seltener, wenn nicht gleich einzigartiger Anblick.

Sicher sie vermutete einen Toten in der rechteckigen form liegen und ihre Vermutung hatte sich auch bestätigt, aber den Glanz den das Innere des Sarges vermittelte, begann sogar sie zu blenden. Eine goldene Decke begrüßte sie, die locker um die skelettierte Gestalt gewickelt war. Zeitgleich aber kam ihr auch ein fauliger Geruch entgegen, dem sie nur mit zugehaltener Nase weiter begegnen konnte. An vielen Stellen der schmutzigen Knochen erkannte man noch Fleischfetzen, dunkel fast schwarz und den unangenehmen Gestank verströmend. Nicht lange war Lones Augenmerk auf den einmal sicher glorreichen Menschen gerichtet, denn etwas anderes erweckte ihr Interesse. Nämlich ein kleiner hellroter Faden der scheinbar aus der Innenseite des Sargdeckels sich bis auf den Leichnam herunter schlang. Sogleich befand sich Dieser spielend zwischen ihren Fingern und ein leichter Ruck daran beförderte überraschend ein zugeschnürtes Bündel in ihr Blickfeld.
 

Verdreckter Leinstoff, in einen beigen Farbton gehalten, nahmen ihre vor erstaunen übergroß geöffneten Augen wahr und ehe sie sich versah, erwischte sie sich dabei wie sie jenes Fundstück entwickelte und deren Inhalt auf dem Steinuntergrund ausbreitete.

Es befand sich nicht viel darin, aber trotzdem wusste sie mit einigen Dingen nicht gleich etwas anzufangen.
 

Lone fand ein ledergebundenes Buch, die Seitenzahl gerade mal so breit wir ihr Zeigefinger, vergilbt und altwirkend, aus dem lose ein kleines Blättchen hervorstand. Sie zog es neugierig heraus und faltete es auseinander. Buchstaben drängten sich ihr entgegen, geschrieben in ungewöhnlicher Farbe und Stilform, aber doch lesbar für jedermanns Auge. Ein Gedenken entnahm sie der Worte, ein Gedenken an jenen der die Grabstätte ausfindig machte und seine letzte Ruhestätte untersuchte.
 

Warte, nein…
 

Gedanken rannten durch ihren Kopf, die versuchten herauszufinden was der Text auf den Zettel zu bedeuten hatte. Nicht irgendjemand sollte diesen erreichen sondern sein Sohn.
 

Diesen, das alte Buch und...
 

Lone legte das Schriftstück zur Seite und sah die beiden letzten Sachen genaustens an, die sich noch in dem Leinentuch befanden. Es waren ein kunstvoll verzierter Revolver und ein Kompass dessen Nadel immer gegen Westen zu zeigen schien, egal wie herum sie ihn auch drehte.
 

Ja diese Gegenstände sollte in seinem Besitz übergehen, wer auch immer dieser Sohn war von dem auf den Papier gesprochen wurde.
 

Und dann entsann sie sich zurück an den Drachen, der lebendig geworden auf sie hernieder gestarrt hatte. Voller Eleganz und Anmut, so rein wie das sagenumwobene unendlich gütigem Einhorn, welches an grün bewachsenen Gewässern seinen Lebensraum haben sollte.
 

‚Er war mein Beschützer. Kommend aus dem ewig gesuchten und nie gefunden Land des Lebens, wo Grün auf Grün folgt und klares Wasser sprudelnden Quellen entspringt. Ich wünschte, ich hätte meinen Sohn diese Vielfalt an Wunder zeigen können. Ich vermisse sein Lächeln. Nie, nie werde ich ihn aufwachsen sehen...’
 

Die Schriftzüge entsprangen dem Buch, welches sie kurz überblätterte und wie sie erahnte war dies ein Tagebuch des Verstorbenen. Eventuell fand sie etwas heraus über den geheimnisvollen Drachen. Sie wusste bei diesem Absatz nicht von welchen Land die Rede war. Nichts ihr Bekanntes glich dieser wundersamen Beschreibung.
 

Er konnte doch nicht etwa...
 

Klappend schlug sie das Werk zu, schnürte das Gefundene fest in den Beutel zusammen und achtete sogar darauf, dass sie den Sargdeckel wieder in seine Grundstellung zurückversetzte, ehe sie davoneilte. Wie konnte ich nur. Dachte sie gehetzt, in ihrer Faszination über die sonderbaren Dinge die bis eben noch auf sie Eindrangen, hatte sie alles um sich herum vergessen, so auch Jonn.
 

Der Drache hatte sich auf den Weg nach ihn gemacht, soweit sie seine gezischten Worte folge leisten konnte, doch wer weiß wie der Kampf ausgegangen war. Ob das Wesen es schaffte gegen das Ungetüm erfolgreich anzutreten.
 

Hallenden Schrittes und völlig außer Atem, begegnete ihr Blick, nach einigen Minuten des Rennens einen Schatten, der verloren und unendlich leise die Wand des Ganges zierte.
 

„Jonn!“, schrie sie aus und schon war sie heran. Er saß zusammengekauert an der Mauer, die Augen geschlossen und in seinen Armen...
 

Sie wusste nicht ob sie es richtig registrierte, aber sie vermeinte wirklich in seinen Armen ein weißes übergroßes Ei zu sehen. Verwunderlicht streifte ihr Blick die Umgebung und irgendwo in der Entfernung erkannte sie die gebrochene Schale des Riesenskorpions, der bewegungslos auf den Untergrund verweilte. Um sich herum sammelten sich unzählige kleine Exemplare seiner Art die allesamt den Anschein machten, als wären sie nicht mehr am Leben.
 

Erleichtert ging Lone in die Hocke und bemusterte Jonn genauer. Kurz bevor sie daran war seine verschmutze Wange mit ihren Finger zu streicheln öffnete er die Augen.

Jonn blinzelte mehrmals und ihr war so, als hätte der Junge einfach geschlafen und wäre nicht bewusstlos gewesen.
 

„Lone? Uh...ich habe etwas ganz seltsames geträumt. Ein gigantisches Wesen hat mich vor einer bepanzerten Bestie gerettet. Verrückt oder?“

Stille.

Ihre dunklen Augen waren auf sein Gesichtsfeld gerichtet, in der linken Hand baumelte das Bündel, an dem roten Faden. Erst jetzt bemerkte er, dass er etwas ungewöhnliches umklammerte.

„Was...was ist das?“, fragte er verwundert an niemanden bestimmten gerichtet.
 

„Ein Drachenei nehme ich an“, fand Lone ihre Sprache wieder. „Es war davon die Rede, dass ein perlmuttweißer Drache aus dem grünen Land immer zu seinen Anfang zurückkehrt, wenn er seinem Herrn das Leben rettet.“
 

Das hatte sie gelesen als die das Buch kurzzeitig überflog. Jener Mann der diese Informationen für die Ewigkeit setzte, war nun nichts weiter als Knochen und Hautfetzen. Kein König verfasste solche Worte, auch keine andere hochgestellte Person die in Geschichtsbüchern erwähnt wurde. Ihr wurde schnell gewahr, was dies für ein Mensch gewesen sein musste.

Ein Abenteurer.

Ein Abenteurer, der den westlichen Himmel gefunden hatte, nachdem die Menschheit so lange vergeblich suchte. Und niemanden konnte er berichtet was er dort gesehen hatte und doch waren sie jetzt die ersten die davon zu Wissen bekommen sollten.
 

„Unsinn, Drachen existieren nicht mehr. Du weißt doch selbst das sie vor langer Zeit fortgegangen sind.“

„Du müsstest ihn gesehen haben, schließlich hat er dir geholfen“, sagte Lone zu Jonn, der leicht benommen wirkend immer noch an ein und derselben Stelle hockte und nicht die geringsten Anstalten daran machte aufzustehen.
 

Wärme drang auf ihn ein.

Wärme ausgehend von der dicken Schale des Eis.

Sie durchströmte seinen Körper komischerweise vertraut und nicht befremdlich als ob er wusste was im Inneren des Eis schlummerte.
 

Noch bevor einer von beiden das nächste Wort sagen konnte kratzte etwas. So laut das es an den Wänden widerhallte und überrascht ließ Jonn das Umklammerte fallen. Das Ei rollte zur Seite und ein erneutes Knacken ging von diesem aus, bis die Schale wie kleine Scherben zerbarst und etwas kleines Nasses, aber zutiefst Reines zum Vorschein brachte.

Ungläubig verfolgten die Kinder das Ereignis.

„Wie...wie ich bereits sagte“, brachte Lone, unruhig klingend heraus „Er findet zu seinem Anfang zurück und beginnt sein Leben von Neuem.“
 

Ein Kreischen begrüßte beide gleichermaßen.

Winzige Flügel breiteten sich streckend aus und wie blind fiel das Etwas zurück in die halbe, noch in einen Stück bestehende, Eierschale.
 

„Unglaublich.“
 

Jonn kam es vor wie ein Wunder. So als würde der vor kurzem bestandene Traum weiter fortgeführt vor seiner Nase abspielen. Wahrhaftig, das kleine Wesen was seinen ersten Schrei vollbrachte und mit geschlossenen Augen versuchte voranzukommen, war ein waschechter Drache. Wenn es so etwas gab, dann...dann bestand auch die Chance darin selbst Wunder zu vollbringen. Sein Herz wurde durch die herangetragene Wärme verstärkt. Zuversichtlich rief er sich in den Kopf das sie es schaffen werden. Das Schaffen was noch nie jemand zuvor bewältigen konnte.
 

„Jonn“, rief seine Partnerin ihn in die Wirklichkeit zurück und irritiert wanderte sein Blick zu ihrer dünnen Gestalt hinauf.

„Hast du schon mal daran gedacht, dass jemand den westlichen Himmel gefunden haben könnte und...

Und vielleicht nur nicht von seinen Fund erzählen konnte, weil ihn auf den Weg zurück ein Unheil überfiel.“

„Wie kommst du darauf Lone?“, hakte Jonn jetzt verwundert nach.

„Er war dort. Ganz sicher, der Drache stammt von jenem Ort.“

„Wer war dort?“

„Der Mensch, der Mensch der hier unten in den weiten der Wüste versteckt begraben liegt.“

„Das hier ist eine Grabstätte?“
 

Ungläubig überflog der Junge noch mal die Umgebung und blieb schließlich an dem hilflosen Drachenbaby hängen.

„Hier“, rief Lone ihn zu und schon im nächsten Moment landete ein rundliches Bündel auf seinem Schoß.

„Was ist das?“, fragte Jonn nur, dieses eingehend betrachtend.

„Öffne es, dann siehst du was ich meine.“

Zögernd löste er das Band, was um die Leinen gewickelt war, und staunte nicht schlecht als sich ihn eine kleine Anzahl an sonderbarer Dinge offenbarte.

Dann stutzte er und seine Augen begannen sich mit Tränen zu füllen.
 

Lone wollte hinterfragen was los sei, als sie Jonns Gemütsausdruck erfasste, doch unterließ dies letztendlich, sowie sie erkannte, dass sein Blick auf den Revolver haftete, der mit unter den Fundstücken war.
 

„Vater...“,begann er schmerzlich. „Der gehört meinen Vater.“
 

„Nein!“, brachte Lone bei seinen Worten heraus.

Sie konnte es nicht glauben was sie gerade gehört hatte. War dadurch alles zunichte gemacht wonach ihr Partner strebte? Die Hoffnung, dass jener Mann noch unter den Lebenden weilen könnte? Unvorstellbar wie schnell einem bestehenden Traum der wichtige Teil geraubt werden konnte.
 

Oh, Jonn…
 

Mitleid schwang gleich ihrem Herzschlag. Ihr Blick senkte sich. In diesem Falle hätte sie ihn das Gefundene nie gegeben. Lone wandte sich bewusst ab, suchte den Drachen auf und beförderte das Wesen behutsam in ihre Hände. Quiekend beschwerte es sich und zappelte schwächlich herum. Wie niedlich es doch war und schon so groß wie ihre gesamte Handfläche. Trotzdem nichts im Gegensatz zu dem was es einmal werden würde.
 

Jonn wischte sich die Tränen aus den Augen und begann alles eingehend zu betrachten, was sich in dem Leinentuch befand. Sein Ausdruck wanderte von Traurig ins Erheiterte, dann irgendwann in ein ernstes Grübeln, das selbst Lone nicht zu deuten wusste.
 

Es mochten Stunden vergangen sein bis er sich endlich regte. Inzwischen hatte sie sich mit den kleinen Lebewesen beschäftigt und fand langsam aber sicher Gefallen an den Drachen.
 

„Lone“, sagte Jonn mit brüchiger Stimme.

„Gehen wir, gen Westen. Der Kompass wird uns den Weg zeigen, der Drache unser Berater werden. Ich will mit eigenen Augen sehen, was mein Vater gefunden hat und es allen anderen zeigen.“
 

Tränen rannen seine Wangen hinunter, die er dieses mal nicht aufzuhalten wusste. Lone nickte ihn nur zu, ein sanftes lächeln zeichnete sich auf ihren rosigen Lippen hab.
 

„Natürlich gehen wir. Wir zusammen werden das unmögliche möglich machen.“
 

Damit umarmte sie ihn und obwohl es völlig unerwartet kam, stieß er sie nicht zurück. Einen Moment noch streifte sein Blick den kleinen Drachen, der auf ihrer Schulter Platz gefunden hatte, dann versank er regelrecht in ihrer Umarmung. Genoss ihrer Wärme und bedankte sich innerlich für ihren Trost.
 

Sie werden es schaffen, wenn sie nur zusammenhalten und an das eine Ziel glauben.

Das Finden des westlichen Himmels.



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