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Lower Instinct

von

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Prolog der Nacht

Als ihre Füße den Boden berührten, seufzten sie auf. Sie hatten einen langen Tag in Enge verbracht, solange, dass es nun schon wieder finster war, als man sie endlich entkommen ließ.

Es war bereits seit Stunden Nacht. Sie verzog das Gesicht. Ihre Knöchel schmerzten und in den Fußballen hatte sie ein solches Reißen, dass sie glaubte, keine Sekunde mehr stehen zu können.

Sie zog das rechte Bein an. Ihr Kopf sank kraftlos an ihr Knie, als ihre Finger die Waden hinab fuhren um schließlich die schmerzende Extremität zu umfassen. Langsam und kreisend ließ sie die Finger über die schmerzenden Stellen wandern. Ihre Lider waren halb herab gesunken. Das Gefühl war angenehm. Sie spreizte ihre Zehen, ließ mehrere Male den Spann auf und ab wippen. Und sie ließ sich Zeit. Alle Zeit der Welt.

Nach einer halben Ewigkeit wechselte sie den Fuß, zog gleichfalls auch das linke Knie an und begann die wohltuende Prozedur von neuem. Das hatte sie sich verdient. Der Tag war grausam gewesen.

Wie viele Räume waren ihre heut zur Inspektion vorgeführt worden? Irgendwann hatte sie aufgehört zu zählen. Am liebsten hätte sie schon nach der ersten Stunde abgewunken und etwas gesagt wie: „Ja. Sie machen das sicher ganz toll. Auch ohne mich. Ich beschäftige mich dann mal mit etwas, das meine Aufmerksamkeit wirklich benötigt.“ Aber nein. Stunde um Stunde um Stunde hatte sie sich Anlagen angeschaut, Soldaten zugenickt, Konferenzräume betrachtet, elektrische Vorkehrungen bejaht. Sie konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wem sie welchen Orden angesteckt hatte und warum. Sie hörte sich nur immer wieder selbst wiederholen: „Im Namen Ihrer Majestät der Königin…“

Kein Vertreter. Nur sie allein und ihre Aufgabe Repräsentant zu sein, Oberhaupt zu sein, „Sir Hellsing“ zu sein. Was für ein Tag.

Die Bettstatt unter ihr fühlte sich verlockend weich an, jetzt da sie an der Kante der Matratze hockte und ihre schmerzenden Glieder zur Ruhe kamen. Sie wollte nichts sehnlicher als den wohlverdienten Schlaf der ihr heut zustand. Ein Tag des Kampfes wäre wohl weniger aufreibend gewesen. Trotzdem verharrte sie noch einige Sekunden, die Beine angezogen und die Stirn fest gegen die Knie gepresst. Sie hörte ihren ruhigen Atem, schmeckte den würzigen Geschmack des letzten Zigarillos der noch auf ihrer Zunge haftete. Sie kam zur Ruhe. Endlich. Erst jetzt, da sie aufhören kann die Situationen immer und immer wieder in ihrem Kopf abzuspulen.

Es fiel ihr sonderbar schwer sich von diesem Zustand zu lösen. Vielleicht hätte sie noch länger so verharrt, wenn ihre Müdigkeit sie nicht vehement daran erinnert hätte, dass sie dem wohligen Schlaf schon zum Greifen nahe war. In solch ruhigen Momenten überkamen sie stets eigenwillige Gedanken, derer sie ungern nachgab. Aus einschlägigen Gründen.

Als ihre Gedankenströme sich dorthin neigen, zieht sie die Luft um sich scharf zwischen den Zähnen ein und ist dann schneller auf den Beinen, als der Beobachter es wohl vermutet hätte. Welcher Grund es auch immer war, der ihr durch die Schläfen spazierte: Er muss es in sich gehabt haben.

Einige unruhige, barfusse Schritte führen die Frau zum hoch zulaufenden Fenster und lassen sie dort verharren. Gedankenverloren schlingt sie den langen, weißblonden Haarstrom über ihrer Schulter um die Hand, während ihre Blicke über das ruhige, mondbeschienene Gelände schweifen. Erneut ein ähnlicher Gedanke. Farbiger dieses Mal. Sie schüttelt den Kopf und spürt, wie ihre Wangen sich erwärmen.

Abrupt wendet sie sich von dem Idyll ab. Beide Hände heben sich energisch und schließen die schweren, samtenen Vorhänge, sodass nur noch der schmale Lichtstrahl der Stehlampe am Kopfende des Bettes den Raum erhellt. Sie atmet aus. Zu ihrem eigenen Ärger flattert ihr Puls. Ungesund. Unruhig. Aufgeregt. Sie sollte lernen diese Eingebungen zu zügeln, sonst würden sie ihr irgendwann zum Verhängnis. Sicher sogar.

Die Frau grämt sich über ihre Gedanken, mag diese nicht, stuft sie unter „Unerwünscht“ ein und kann sie dennoch nicht leugnen. Das ist vielleicht der Fakt, der sie am meisten wurmt. Dieses Wissen nagt an ihr, frisst an ihr und sie weiß, dass sie ihre Gedanken nicht zu gut hörbar platzieren darf. Denn die Wände haben Ohren und Augen. Und denen entgeht so gut wie nichts.

Umso schwerer ist es also, etwas zu verbergen, das nie, nie, nie gehört werden darf. Vor allem wenn man es selbst so wenig unter Kontrolle hat, wie sie.
 

Die Wand unterdessen verengt die Augen und lächelt. Ihre blanken, scharfen Zähne treten dabei raubtierhaft hervor und ein amüsiertes Raunen dringt von deren Innern kaum wahrnehmbar in die Schatten.

~Ich habe dich längst gehört,~ denkt die Wand ruhig und bedächtig.

~Denn egal wie sehr du die Stimme deiner Gedanken unterdrückst, sie dringt doch einem zarten Flüstern gleich an mein Ohr.~

Die Wand lässt die Lider sanft sinken und umspült die rötlichen Augenfunken mit zäher Dunkelheit.

~Nie ist dein Ruf je ungehört in mir verhallt. Es wundert mich, dass dir das nicht klar ist. Oder ist es das? Und noch gaukelst du dir selbst etwas vor? Darin bist du groß, Gebieterin.~

Ein schwer hörbares, dumpfes Auflachen, welches kaum echte Belustigung enthält, tröpfelt die lebendige Wand herab und verebbt schließlich ohne einen fremden Gehörgang benetzt zu haben.

~Ja, so wird es wohl sein. Du hoffst, flehst, versuchst dir selbst weiß zu machen, dass es so ist. Doch dein Innerstes hat diesen Punkt schon lang überschritten. Nun denn Herrin. Ein Diener soll zur Stelle sein, um dem Herrn die Augen zu öffnen. Ist es nicht so? Und ich habe es dir geschworen. Wenigstens an mein Wort halte ich mich… zumindest heut Nacht.~

So denkt die Wand für sich und ihr Grinsen wird breiter. Dann folgt ein Moment der Stille und mit einem Mal denkt die Wand gar nichts mehr. Der Schatten ist aus ihr gewichen. Wohin? Das ist leicht zu erraten. …



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