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Eine Seele von Mörder

von

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Die Falle

Eigentlich wollte ich ein wenig Humor herein bringen, aber ich fürchte, dass es mir gründlich misslungen ist. Das heißt: Weiter üben!

Desweiteren hat ein hier neu auftretender Charakter plötzlich ein Eigenleben entwickelt. Zum Glück passt es zu der Person. >.<

Viel Spaß beim Lesen,

Oxymora
 

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3. Kapitel: Die Falle
 

"Du bist der, den man den Schatten nennt.", flüsterte ich leise, aber dennoch für alle hörbar.

Die große, kräftige, schwarze Raubkatze – ja, das ist eine gute Beschreibung für ihn, der sich leise an seine Beute anpirscht und dann pfeilschnell und vor allem tödlich zuschlägt – spante ihre Muskeln an: "Und wenn dem so ist?"

Ich konnte jedoch nicht antworten. Meine Zunge, meine Beine, ja einfach jeder Muskel in meinem Körper schien plötzlich gelähmt. In meinen kindischen Gedanken, hoffte ich, dass zumindest mein Herz weiter schlug, während ich so still dastand und mich nicht einmal traute zu atmen.

"Hör zur.", Wie erleichtert ich war, als er sich wieder zu entspannen schien, "Das hier ist eine Welt in der ein Mädchen nichts zu suchen hat. Vergiss mich und vor allem mein Gesicht so schnell wie möglich, dann wird dir von mir auch keine Gefahr drohen. Ich bringe dich vorerst zu einem Bekannten von mir und verschaffe dir falsche Papiere. Dann wird sich eine Person, der ich sehr viel Vertrauen schenke, um dich kümmern – im Ausland und fern von diesem gefährlichen Land."

Ich wollte, konnte aber nichts einwenden. Was sollte man einem Mann, der zum gefährlichsten Verbrecher Japans erklärt worden war, entgegensetzen? Nichts. Vor allem nicht mit meinem Feingefühl, das von jedem Elefanten geschlagen werden konnte. Da halfen die mitleidvollen Augen des hageren, mich nur gering überragenden Kollegen, dessen Namen ich noch nicht kannte, ihn aber heimlichen auf den Namen ‚Mouse‘ getauft hatte, auch nichts. Wahrscheinlich hätte ich mich wenige Tage später in einem Bergdorf in der Mongolei oder bei einem Stamm in Afrika wieder gefunden, waren meine weiterhin jugendlichen Gedanken, wenn sich die Situation nicht plötzlich drastisch in eine prekäre Lage verwandelt hätte.

Anfangs hielt ich es für ein Erdbeben, wie sie in Japan nun einmal durch die Randlage am Kontinent vorkommen, und ließ meinen Kopf auf der Suche nach einem schützenden Ort in Richtung Tür schnellen, doch die Erschütterung, sowie der Donner hörte sofort wieder auf.

"Was war das?"

"Das ging schnell. Hätte ich ihr niemals zugetraut.", brummte Eizô – wie ich ihn der Einfachheit halber weiterhin nennen werde – und starrte aus dem Fenster, "Das ist jetzt verdammt ungünstig."

Sein Kollege und ich sahen uns in geteilter Unwissenheit verunsichert an.

"Ich hatte zwar mit einem baldigen Angriff gerechnet. Aber das…"

Er nahm mich am Arm und zog mich etwas weiter in die Ecke. Jetzt konnte ich nicht mehr nach draußen sehen und von draußen wurden wir wahrscheinlich auch nicht gesehen.
 

"Du bist dir sicher, dass sie sich in dem Gebäude befindet?", sie wippte mit dem Stuhl geschickt balancierend vor und zurück, "Ich vertraue manch einem Informanten nicht."

"Wir haben den ganzen Tag das Gebäude beobachtet. Sie stand am Fenster im sechsten Stock und vorhin hat ein Mann das Gebäude betreten, der auf die genannte Beschreibung passt."

"Hihi… sehr schön.", mit einem lauten Bäng landeten die beiden vorderen Füße des Stuhls lautstark auf dem Boden, "Es ist lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben."

Sie erhob sich und zauberte aus ihrer Handtasche eine Packung Zigaretten hervor. Wie durch Magie entzündeten sich das Ende, während sie am Filter zog, "Ist alles bereit? Kann es los gehen?"

"Auf Ihren Befehl.", hechelte der Mann.

Ein eiskaltes Lächeln verzog ihre Lippen, "Sag dem Kerl Bescheid und dann heizen wir ihnen ein wenig ein. Flammen werfen einen so schönen Schatten."
 

Herr Yamamoto sagte drei Stunden später der Polizei als Zeuge aus, dass er gerade seine Schlüssel aus der Hosentasche kramte und um die Ecke zum Wohnhauseingang bog, als die Tür durch eine gewaltige Explosion aus den Angeln gesprengt wurde. Die Feuerwehr fand wahrhaftig Spuren von sechs, wohlpositionierten Bomben, die das Gebäude beträchtlich beschädigen, aber nicht zum Einsturz bringen sollten, doch die Beamten der Kripo sollten keine Hinweise auf die Pyromanen finden.

"Komm.", befahl die Frau einem anderen Mann.

"Sie wollen da wirklich hinein gehen?"

"Aber natürlich. Den Hasen auszuräuchern ist doch langweilig. Keine Sorge, die treuen Gesetzeshüter werden nicht auf sich warten lassen. Dafür ist gesorgt. Und die sind schließlich auf unserer Seite, auch wenn sie es nicht wissen."

Sie lachte und mit klang ihr Stolz auf ihren Plan, ihre Genialität und die Abscheu über die Dummheit der Beamten.
 

"Ähm… Eizô. Das Erdgeschoss ist praktisch unpassierbar. Ich habe nachgesehen. Die Feuerleiter ist verschwunden. Und im Polizeifunk vernahm ich, dass sie sagen, du würdest dahinter stecken, sodass sie sogar mit Helikoptern unterwegs zu uns sind. An den Fenstern der Nachbarhäuser habe ich Scharfschützen gesehen. Wir könnten zwar mit den anderen Bewohnern die Springtücher der Feuerwehr verwenden – immerhin kennen sie unsere Gesichter nicht – doch sie hier kennen sie. Wir sind eingezingelt. Es sei denn…"

Er wurde scharf gemustert.

"Es sei denn, wir lassen sie hier.", Er schluckte geräuschvoll, "Glaubst du, sie werden ihr etwas antun?"

Mit einem Blick zur Tür antwortete er: "Nein."
 

Auf einem Ohr hörte sie den Polizeifunk, im anderen hatte sie eine private Leitung.

"Einheiten drei und fünf, Position durchgeben. Sind sie bereit? – Roger. Haben freie Sicht. – Einheiten zwei und…"

Sie ignorierte die Absprachen zwischen dem Einsatzleiter und seinen Leuten. Stattdessen schob sie sich geschmeidig wie eine Schlange durch eine offen stehenden Wohnungstür und beobachtete lautlos wie ein Mann an ihr vorbei lief. Sie kannte ihn. Er war ein Informant des Schattens. Hastend und röchelnd kam er wenige Sekunden wieder zurück.

"Ja, da unten ist kein Ausgang mehr.", lächelte sie in sich hinein.

Der Mann hielt Inne und wagte einen Blick nach draußen: "Auch noch Scharfschützen. Und vorhin habe ich über den Funk erfahren, dass sie Helis schicken. Kuso. Wie schaffen sie das so schnell?"

Er begann den Aufstieg von neuem.

"Sehr gut, zeig mir, wo sich der Schatten befindet."

Stufe um Stufe schlich sie ihrem Opfer hinterher bis sie den sechsten Stock erreichten. Ihnen entgegen kamen mehrere verschreckte Hausbewohner in Begleitung zweier Feuerwehrmänner. Ein verschwitzter Mann, der sich für die Betreuung seines Nachkommens frei genommen hatte, trug ein weinendes Kind auf dem Arm, eine junge Frau im Anzug versuchte sich Ruß aus dem Gesicht zu wischen, verteilte ihn jedoch in Schlieren weiter im Gesicht. Sie hatte sich eigentlich auf ein Vorstellungsgespräch vorbereitet. Ein Mädchen in modischer Kleidung und extremer Schminke, wohl die Schule schwänzend, half einem älteren, gebückt gehenden Herrn mit Stock zum Ende des Flurs, wo ein weiterer Feuerwehrmann die Bewohner in ein Zimmer lotste. Die Auftragsmörderin sah gerade noch, wie sich die Wohnungstür hinter der Zielperson schloss, als das hilfsbereite Mädchen sie bemerkte: "Kommen Sie. Hier hinten hat die Feuerwehr eine Drehleiter nach oben gefahren."

"Ich muss noch etwas aus meinem Zimmer holen.", entgegnete sie so scheinheilig wie sie konnten, "Asthma. Ich kann ohne meine Medikamente nicht gehen."

"Die Notärzte haben Medikamente.", mittlerweile war das Mädchen mit dem Mann als einzige im Gang zurück geblieben und wunderte sich nicht im geringsten über die tadellose, sportliche, gänzlich schwarze Kleidung der angeblich Hilfsbedürftigen.

"Ich komme ja gleich.", am liebsten hätte sie sie erschossen. Mussten sich die Leute ständig in die Angelegenheiten anderer einmischen? Aber welcher Brand hatte seine Opfer mit 9mm Vollmantelgeschossen bereits in den Himmel oder Hölle geschickt? Sie hätten es zwar dem Schatten anhängen können, doch irgendein dummer Kommissar beziehungsweise ein zu schlauer Kommissar hatte schon einmal den Verdacht erhoben, dass nicht alle ihm zu Lasten gelegten Morde auch wirklich auf sein Konto gingen. Zum Glück ließ das Mädchen durch das Murren des Alten von ihr ab und die beiden verschwanden in ein Zimmer, durch das sie das brennende Gebäude verließen.

Ein Blick nach links.

Ein Blick nach rechts.

Endlich alleine.

Sie war geübt genug, um nicht erst dem Holster ihrer Waffe zu suchen, sondern Griff sofort nach dem kalten Griff des mörderischen Instruments.

Dann meldete sich der zweite, der private Kanal an ihrem Ohr: "Hast du sie?"

Sie wandte sich von der Tür ab und flüsterte in ein Mikrofon, welches in ihre Jacke eingearbeitet worden war: "Ich bin im sechsten Stock. Der Informant ist gut. Zimmer stimmt auch. Ich werde mich sofort darum kümmern."

"Pass auf."

"Ich weiß."

"Vorhin wurde uns gesagt, dass sich dein alter Freund und unsere eigentliche Zielperson zwar nicht aus dem Zimmer heraus bewegt haben – das hätte mein treuer Scharfschütze gesehen – aber sich in eine Ecke zurück gezogen haben, die wir nicht einsehen können. Bis du ihn da nicht heraus holst, werden dir die Scharfschützen nicht helfen können. Du darfst das Mädchen unter keinen Umständen erschießen. Am liebsten würde ich sagen, dass du den Schatten erledigen kannst, aber es könnte sein, dass wir ihn noch brauchen."

"Wakatta.", ob sie das im Sinne ‚Habe Verstanden‘ oder ‚Ich weiß‘ meinte, überließ sie ihrem Gesprächspartner.

Mit wenigen Schritten hatte sie die Türe erreicht. 653. Ihre schwarz behandschuhte Hand packte den Griff, die Waffe in der rechten Hand geladen, entsichert und schussbereit, und drückte ihn langsam und völlig geräuschlos nach unten. Vorsicht darauf bedacht, dass sie keinen Laut von sich gab, öffnete sie die unverschlossene Türe. Keine Reaktion. Keine Gefahr. Dahinter fand sie den Flur, wie es der Informant und ebenso der Hausplan beschrieben hatten. Durch eine Tür auf der linken Seite kamen Stimmen und eine davon kannte sie zu gut.

"Glaubst du, sie werde ihr etwas antun?"

"Nein."

"Hallo, Schatten.", dachte sie bei sich und kauerte sich hinter die spaltbreit offene Türe.

Noch einmal tief durchatmen, dann warf sie die Tür so schnell sie konnte auf, wartete ob nicht die erste Salve Kugeln durch die Tür schoss, wie dem nicht wahr, und holte einen Spiegel heraus, um die Situation im Inneren zu überblicken.
 

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Die letzten Sonnenstrahlen tauchten den Himmel in blutrot.

Befangen betrachtete der Kommissar die Frau vor sich und wartete. Und wartete. Doch sie ließ stumm die Farbe des Firmaments auf sich wirken ohne ihrem Zuhörer das Gefühl zu vermitteln fortfahren zu wollen.

„Und weiter?“, forderte er sie ungeduldig auf.

Sie atmete tief durch und schloss in Gedanken versunken die Augen.

Wie sie so ruhig vor ihm saß und die letzten warmen Sonnenstrahlen des Tages in sich auf zu sogen schien, wirkte sie plötzlich sehr verletzlich. Ihr Körper war angespannt, die Sehnen traten an Armen und am Hals hervor, während eine leichte Sorgenfalte ihre Gesichtszüge störten. Die Zeit, die normale Jugendliche zur Suche und oftmals zum Finden ihrer Person verwendete, hatte sie im Bann eines Mörders und auf der Flucht vor irgendwelchen Verbrechern zugebracht. Zum ersten Mal holte den Kommissar der Gedanke ein, dass die Geschehnisse für sie nicht gerade leicht gewesen sein können.

Aber vielleicht log sie ja. Der Mensch war in seiner Jugend leicht zu beeinflussen und genau dies hatte sich der Schatten zu Nutze machen können.

„Himura-keibu, ich habe nicht das Stockholm-Syndrom.“

Er fühlte sich wie ein Dieb, den man gerade in flagranti erwischt hatte, winkte aber ab.

Sie seufzte. Mit dem Öffnen ihrer Augen schien ein Strom an Energie sie gänzlich zu umhüllen und es war schwer ihrem direkten Blick stand zu halten.

„Wer ist diese Frau?“, spukte die Frage dem Kommissar im Stillen durch den Kopf.

„Zunächst einmal wollte ich Schluss für heute machen – Sie wissen doch, wenn es am Schönsten ist, soll man aufhören – aber ich führe die Geschehnisse zu Ende. Unter einer Bedingung!“, schon als sie das Wort ‚Schluss‘ in den Mund genommen hatte, zeigte der Kommissar Anzeichen von Revolte, was sie durchaus verstehen konnte. Nun wirkte er noch gebannter. Kam aber nicht zu Wort.

„Ich möchte sie bitten heraus zu finden, welche Unterlagen der Polizei über diesen eben beschriebenen Fall vorliegen.“

„Das kann ich nicht machen. Ich kann keine internen Informationen an einen Außenstehenden weitergeben.“, er dachte an die Paragraphen, die er dabei überschreiten würde, und schmerzhaft dachte er an das Gespräch mit dem keishi-kan an diesem Tag. Einen Faute-pas durfte er sich demnächst nicht mehr leisten, sonst hatte er in erster Linie eine Anzeige am Hals und konnte im schlimmsten Falle in Zukunft sich die Fassaden des Polizeipräsidiums von außen ansehen.

Er hoffte, dass der Blick, den er ihr schenkte, vertrösten wirkte und ihre Enttäuschung mindern könnte. Doch sie hatte nicht vor, sich Abwimmeln zu lassen. Sie sah ihn nur ruhig an, doch er spürte wie die Kohle unter ihm glühte. Mehr als es je Worte zu Stande gebracht hätten. Sie bot ihm Information. Die ganze Sache war abgekartet gewesen, hatte ihn neugierig und abhängig machen sollen und nun wollte er wissen, was diese Frau alles wusste. Sie hatte die Information, die er benötigte um seinen Fall zu lösen, doch es gab in diesem Geschäft nichts für lau. Wenn er etwas wollte, musste er etwas bieten.

Er gab nach: „Dann brauche ich jedoch genauere Angaben. Es gab bestimmt viele Brände zu der Zeit. In ganz Japan.“

„Der Brand fand in +++++** statt. ++++**“, und dann wich die Ernsthaftigkeit in ihrem Gesicht der gewohnten Fröhlichkeit, „Vielleicht kann das auch meine Glaubhaftigkeit stärken.“

„Ich werde sehen was sich finden lässt. Vielleicht muss ich auch vor Ort reisen.“, der Kommissar holte sein Notizheft und einen Stift auf der Brusttasche seines Hemds und notierte die Daten, „Aber es ist ja nicht so weit.“

„Ich danke Ihnen.“

Er stopfte alles wieder zurück in die Tasche, „So. Ich bin schon sehr auf die Fortsetzung gespannt.“

Mit diesem Lächeln könnte sie jeden Ködern, dachte der Kommissar, bevor sie erneut zu erzählen begann.
 

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Der Spiegel zeigte ihr das Innere des Zimmers wider. Eizô rauchte eine Zigarette und blickte in Richtung Tür: "Willst du nicht eintreten, Hebi***. Oder ist dir Belinda lieber? Einen großen Unterschied macht das wohl im Endeffekt auch nicht."

Verwundert musterte sie seine schlanke, groß gewachsene Gestalt, die lässig geschützt vor jeglichen Scharfschützen in der Kochecke lehnte, die Pistole rechts neben sich auf der Kochplatte liegend.

Ansonsten war der Raum menschenleer.

Bestürzt sprang sie auf und trat in den Raum – der kaufbare Scharfschütze der Polizei informierte seinen Auftraggeber, dass die beiden Kontrahenten aufeinander trafen.

Tatsache, niemand außer ihm befand sich im Raum.

"Du hast dich doch gerade unterhalten!"

"Njoaaaa…", die Zigarette zwischen den Lippen holte er mit der Linken eine Fernsteuerung heraus und drückte auf den Startknopf. Aus dem Papierstapel ertönte plötzlich die Stimme seines Kollegen: "Es sei denn, wir lassen sie hier.", das Schlucken, "Glaubst du, sie werden ihr etwas antun?"

"Dass du dich mit so etwas hast reinlegen lassen. Ich bin wirklich enttäuscht. Zumindest Wanzen habe ich erwartet, aber da ich ständig kontrolliere, hattet ihr wohl zu große Angst davor."

"Wo ist sie?", sie verzog wütend das Gesicht zu einer Maske der Grausamkeit.

"In Sicherheit."

Ein gefährliches Knistern durchzog die Luft zwischen ihnen. Sie wusste, dass ihr Meister sie für ihre Torheit und Arroganz rügen würde – zu Recht. Das Spiel hatte der Schatten gewonnen, doch aus dem Match würde er nicht als Sieger hervor gehen. Die Spannung legte sich und mit einem Mal konnte sie nur los lachen: "Umso besser. Dann sind wir… alleine."

Obwohl ihr letztes Wort eine ganz andere Gefühlsregung als blanke Gewalt vermuten ließ, traf das Geschoss ihrer Waffe die Wand wenige Sekunden später hinter der Stelle, an der noch kurz zuvor Eizôs Kopf gewesen war. Mit kontrollierten Bewegungen hatte er seine Waffe ergriffen und bereits zwei Kugeln als Retour verschossen, bevor er zeitgleich mit dem Schlag von Blei auf Kacheln sich mit dem linken Arm abfederte – seine Zigarette fiel zu Boden und blieb rauchend liegen – und zwei weiteren Kugeln mit einer Rolle über die Schulter in Richtung Fenster auswich – die Aufmerksamkeit und Gefahr der Scharfschützen ließ die Nerven in seinem Körper prickeln. Dann zerbarst das Fensterglas und er fand sich bereits eineinhalb Meter von den beiden Einschusslöchern entfernt hinter der Couch.

"Hier ist es doch gemütlich, findest du nicht?", sie hockte vor ihm mit einem merkwürdig lüsternen Grinsen.

"Wirklich, du entsprichst nicht im geringsten meinen Vorzügen!", er blockte ein Messer ab, das sie gerade aus einer Scheide an ihrem Gürtel gezogen und ihm versucht hatte in den Hals zu stechen. Das Metall glitzerte tödlich in der Sonne, als es drohend über ihm in der Luft schwebte, während er ihr Armgelenk fest gepackt hielt.

"Sie sind umstellt, Schatten. Wir wissen, dass sie da drinnen sind und eine Geisel haben.", knatterte es aus dem Megafon des Einsatzleiters.

"Meinen die dich oder versuchen sie das Mädchen zu bekommen?"

"Warum hast du sie mitgenommen? Woher wusstest du, wie wichtig sie für uns ist?"

"Werfen sie das Messer weg. Sie haben keine Chance mehr!"

Er senkte die Hand, um nicht durch eine Kugel verletzt zu werden.

"Von dir reden sie anscheinend nicht."

"Wo ist sie?"

"Dann also zwei Autos aushandeln?"

Zwei Kugeln sausten über ihren Köpfen vorbei und gruben sich in Papierhaufen. Sie bemerkte, dass Eizô für einen kurzen Moment gezuckt hatte.

"Verschwinde, die Polizei stürmt das Gebäude.", hörte sie die Stimme ihres Kollegen durch die private Leitung am Ohr. Unnötig, denn der Polizeifunk hatte ihr bereits den Einsatz in allen Einzelheiten verraten.

"Um das Mädchen kümmern wir uns später."

Für beide Mörder bedeutete es nun den Rückzug anzutreten. Das Feuer hatte bereits die ersten Stöcke in eine schwarzgraue Wüste verwandelt, die Luft war schwül und stickig, der Ruß klebte hartnäckig wie Harz auf allem und der Rauch zog sich beißend in alles Material, das er erreichen konnte. Trotz ihrer Ausbildung, die sie gestärkt und etwas unempfindlicher als normale Menschen gemacht hatte, hatten die beiden Mörder zu viel der giftigen Gase und Partikel eingeatmet. Die Polizei stampfte bewaffnet und geschützt vor Blei und dem Brand in der Meinung ein Mädchen retten zu müssen die Treppen hinauf. Doch die größte Gefahr bildeten die beiden Mörder einander. Sich belauernd, suchten sie irgendeine Öffnung in der Deckung ihres Gegners. Eine leichtfertige und unbedachte Bewegung konnte den Tod bedeuten, das wussten beide. Doch hier weiterhin hinter dem Sofa ausharren konnten sie auch nicht. Das wusste Eizô, denn die Polizei würde ihn nur zu gerne festnehmen wollen.

Langsam begann der Sauerstoffmangel in dem Gebäude sich in seinem Gehirn bemerkbar zu machen. Ein leichtes Schwindelgefühl versuchte sich seiner zu bemächtigen, das er mit einer leichten Bewegung des Kopfes los zu werden versuchte. Doch für Hebi war das eine Einladung, die sie nicht unbeantwortet lassen konnte.

Mit ihrer freien Hand den Lauf von Eizôs Pistole greifend, zog sie sie mit einem starken Ruck aus seiner Hand. Der Griff braust nur knapp an seinem Kopf vorbei. Aus der Hocke heraus versuchte er einen Karateschlag zu landen, doch auch sie wich gelungen aus und nutzte seine Kraft durch einen Aikidowurf, um ihn wieder für die Scharfschützen zum Ziel zu machen, deren Reaktionen zu langsam waren, als dass die Kugeln ihn hätten treffen können. Schon landete er mit einer Rolle rückwärts im Flur und löste sich damit aus ihrem Nahkampfkreis und dem Fadenkreuz der Scharfschützengewehre.

"Flüchtest du?", rief sie ihm lachend hinterher. Dass sie nun im Besitz zweier Waffen war – ihrer und auch seiner – ließ ihn jeglichen Stolz vergessen. Wenn er hier lebend heraus kommen wollte, musste er verschwinden.

Aber dennoch konnte er nicht einfach den Rückzug antreten: "Bei deinem feurigen Temperament sollte es dich nicht wundern. Pass auf, sonst steckt du dich selbst noch an."

Sie stutze. Doch ihr Verstand arbeitete und fügte das Puzzel blitzschnell zusammen.

Die Tür zum Flur war offen und man hörte die schweren Polizeistiefel immer lauter werden. Zum Glück hatten sie in ihrer Montur mächtig zu tragen, sodass die Einheit langsam voran kam. Mit einem Sprung kauerte er hinter der Tür und zog sein Mobiltelefon heraus. Die wenigen Ziffern der Kurzwahl waren schnell gefunden, wodurch Sekunden später aus seinem Zimmer ein Klingeln zu vernehmen war: "Auf nimmer Wiedersehen."
 

Drei kleine Bomben explodierten, das Papier stob auseinander und fing Feuer. Die rötlichen Flammen leckten gierig an allem was sie finden konnten, verfärbten sich je nachdem, welche Materialien sie zur Nahrung fanden und folgten ihrer Bestimmung jegliches Beweismaterial in einer wüsten Zerstörungstour zu vernichten.

Eizô verließ sich jedoch nicht ganz auf die tödliche Zerstörungskraft der Explosion in Bezug auf die gefährliche Gegnerin, der er sich seit längerer Zeit gegenüber gestellt fand. Gefasst richtete er sich auf und zog eine zweite Waffe nur ohne Schalldämpfer aus dem Gürtelholster. Mit einem Auge auf die Treppe, an der jeden Moment die Polizisten auftauchen konnten, und einem Auge auf seine alte Zimmertür, an der möglicherweise jeden Moment seine Widersacherin auftauchen konnte, schritt er zurück. 654. 655. 656. Hinter ihm befand sich die Rettung und er war professionell genug nicht die Ruhe zu verlieren. Panik war die letzte Haltestelle vor dem Tod.

657. 658, hier war er richtig und die Polizei hatte das Stockwerk noch nicht erreicht, doch der Takt der Schritte hatte sich seit der Detonation erhöhte. Die ersten fernen Lichter schimmerten leicht durch den Rauch nach oben. Die Auftragskillerin hatte wohl doch kein Ass mehr im Ärmel oder eine rettende Idee im Kopf gehabt, ansonsten, so dachte er, hätte er bereits eine Retourkutsche erlebt. Stattdessen spürte er jetzt einen leichten Luftzug durch die kaputt gegangenen Fenster verursacht, der immer mehr Rauch aus dem brennenden Zimmer mit sich trug. Schulgefühle waren das letzte, was ihm in den Sinn kam. Er griff nach der Türklinke und drückte sie gerade herunter, als ihn der kalte Schauer einer unguten Vorahnung Inne halten lies – ein Fehler. Er hätte durch die Tür verschwinden sollen.

"Du wolltest mich also wirklich alleine zurück lassen?", er spürte, wie sich der Schalldämpfer in den Stoff seines Mantels bohrte.

"Verda…", war das letzte was er denken konnte, bevor das leise "Pfft" durch den Knall der Schmerzen überschüttet wurde.

"So leicht, lasse ich dich nicht entkommen. Du hast ihr zur Flucht verholfen. Eigentlich solltest du noch ein wenig auf freiem Fuß bleiben, aber diese Chance können wir dir leider nicht mehr geben.", sie packte ihn am Kragen. Er rechnete mit einem weiteren Angriff und konzentrierte sich auf ihre Glieder. Kleinkalibriger, versteckter Revolver am Bein? Ein weiteres scharfes Messer oder gar ein aikuchi? Mit Nervengift bestrichene Pfeile? Was würde sie hervor zaubern?

Ihre Lippen pressten sich auf die seinen. Überrascht ließ er seine Abwehr sinken und quittierte dafür einen Tritt in… nun ja, das muss ich wohl nicht weiter ausführen.

Vom Schmerz betäubt sank er noch im Kuss auf die Knie und dann alleine vor der Tür zu Boden: "Schade, dass du dich für die falsche Seite entschieden hast. Wirklich."

Am Ende des Flurs postierten sich die ersten Polizisten und versuchten mit ihren Taschenlampen den vernebelten Gang, in den sich aus der alten Wohnung immer mehr Rauch und Papierschnipsel übergaben, auszuleuchten. Vergebens. Einer der unterstützenden Feuerwehrmänner holte eine Wärmekamera hervor. Zwei rote, orangene Silhouetten hoben sich kontrastreich aus dem Meer verschiedener blauen und grünen Fassetten durchmisch von etwas Gelb hervor.
 

Wir warteten in einiger Entfernung und beobachteten, wie zwei Helikopter ihre Runden über dem Gebäude zogen, die Polizisten außerhalb der Sperrzone Schaulustige verscheuchten und innerhalb der Sperrzone die Personen kontrollierten, die von den Notärzten ambulante Versorgung erhielten, bevor sie alle ins Krankenhaus zur genauen Untersuchung geschickt wurden, und die Feuerwehr mit mehreren Einsatzwagen und Löschschläuchen, das Feuer langsam unter Kontrolle brachten. Seit einigen Minuten hatte es im sechsten Stock eine Explosion gegeben, wodurch sich die allgemeine Anspannung noch verschärft hatte, die Gespräche noch lauter wurden und die Arbeit der Helfer an Geschäftigkeit zugenommen hatte.

"Wollte er nicht wenige Minuten nach der Explosion hier bei uns sein?", fragte ich Mouse.
 

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* jap. Schimpfwort

**Aufgrund der Sicherheit müssen jegliche Daten geheim gehalten werden

*** jap. „Schlange“

**** ein 30.3 Zentimeter langes Kampfmesser



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Diracdet
2009-12-25T12:56:51+00:00 25.12.2009 13:56
Hallo Oxymora,

so, endlich kommt das Kommi.
Von mir vorher auch nochmal von mir ein frohes Weihnachtsfest und hoffentlich ein paar schöne Tage.^^

So, dann zur Geschichte, ich denke in ein paar Punkten immer mehr, du solltest mal Leon – der Profi, mit Jean Reno, gucken. Die Szene erinnerte mich ein wenig wieder daran. Die... 'Actionszene', die aber doch auch einigermaßen realistisch wirkte. Wobei mich sofort interessiert, warum ein 15 (?) jähriges Mädchen so interessant zu sein scheint für diese Frau.
Aber weiter. Vom Verständnis her war es ab und zu etwas schwierig zu erkennen, wer alles gemeint war von wem, wer dem Schatten hilft, wer gegen ihn ist und wer jetzt direkt der Frau hilft, wer wieder indirekt und wer gar nicht, das war zwischenzeitig, so bevor sie oben bei ihm war, etwas verwirrend.
Was mich aber eigentlich dabei verwunderte, war, dass sie... die junge Frau, die dem Kommissar diese Geschichte erzählte, doch eigentlich viele dieser Details nicht kennen dürfte, oder? Also, worüber sich die andere Frau... du brauchst unbedingt Namen, oder noch besser ne Chara-Liste, auch ohne Bilder, aber sonst werde ich gleich verrückt wegen der Figuren. XXXD
Jedenfalls, worüber die sich vor der Erstürmung des Gebäudes mit ihrem 'Partner'(?) unterhielt, kann sie doch gar nicht wissen, oder?

Und dann vom Kampf zwischen den beiden sowieso nicht. Wobei *ggg*, der war witzig, ein Karateschlag gekontert von einem Aikido-Griff, hast du das auch sauber recherchiert, dass es so geht? Weil Aikido ja den Impuls des Gegners für die Abwehr benutzt, welchen sie wohl auch braucht, um ihn zu schleudern. Karate ist aber meines Wissens nach darauf aus, möglichst wenig Energie im Schlag zu verschwenden und eher durch Präzision einen geringen Impuls zu übertragen... ich rede glaube ich gerade vor mich hin. Ich wollte nur wissen, ob das so leicht geht, sich gegenseitig mit unterschiedlichen Techniken auszukontern.

Und eine Sache fiel mir noch auf. Dass sie, die Erzählerin, den Kommissar dazu bringt zuzustimmen, sich zu informieren, ist ja eine Sache, aber dass sie dann so leichtgläubig direkt weitermacht... ich dachte, sie wartet jetzt, bis er die Informationen hat und ihr mitteilt, bevor sie fortfährt.
Das finde ich jetzt doch, ganz anders als ihr bisheriger, selbstsicherer und überzeugender Auftritt. Kann mich natürlich irren und vielleicht schätzt sie auch, dass der Kommissar zu interessiert am Schatten ist, als dass er diese Spur liegen lassen wollte, und zu sehr Gentleman, um ihr leere Versprechungen zu machen, wer weiß.

Abwarten. Das Motiv für den Angriff, das scheint mir im Moment eher die zentralere Frage...

Ich denke, nächstes Jahr werde ich ein paar erste Antworten auf dieses Thema bekommen. Bis dahin einen wunderschönen Jahresausklang und einen guten Rutsch.
LG, Diracdet


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