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Tales of the Firefly

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Das einsamste Mädchen der Welt

Das einsamste Mädchen der Welt
 

No one ever told me that grief felt so like fear.

(C. S. Lewis)
 

Ihr eigenes Keuchen dröhnte ihr in den Ohren, während sie nach Luft japste. Ihre Kehle schien als hätte man sie mit Stacheldraht zugeschnürt und mit jedem weiteren Atemzug nahm der Schmerz in Hals und Brust zu. Mit unbeirrbarem Blick steuerte das dinosaurierartige Digimon in den Farben der Nacht auf sie zu, im Schlepptau den Jungen, dessen fast rabenschwarze Augen unter den braunen Locken hervorstachen, während er nervös mit der Zunge seine Lippen befeuchtete. Langsam – als geschehe all dies in einem unerklärlichen Zeitlupentempo, hob er den Arm und deutete ohne Umschweife auf sie. Aus den Augen nahm sie wahr, wie Elena panisch aufzuckte und instinktiv von ihrer Seite wich, um unter dem Mantel des sicheren Schattens Schutz zu suchen.

Für einen Moment schloss sie die Augen.
 

Einen Augenblick nur für sich sein, ganz bei sich. Wann war sie glücklich gewesen? Warum hatte sie das letzte Mal geweint? Wer hatte sie zum Lachen gebracht, und wer zum Erröten?

Noch einmal glücklich sein.
 

Und dann öffnete sie die Augen wieder und der Moment war vorüber.

Das Herz pochte, drückte gegen die Brust als wollte es fliehen, vor der Pranke die sich da um ihren Arm schloss und sie mit einem Ruck dem sicheren Boden entriss.

„Du.“ Ihr gegenüber schnaufte, während die roten Augen ihren Körper absuchten. Ein Schauer krabbelte durch ihren Körper, nur mit Mühe konnte sie ein angstvolles Zittern unterdrücken und blickte direkt in die blutigen Augen, die sie da abtasteten. Das mit Reißzähnen besetzte Maul öffnete sich erneut.

„Dir bleiben zwei Möglichkeiten; Entweder du gibst mir dein Digivice, oder wir werden dich töten“, stellte das Digimon ihr ein Ultimatum.
 

Und obwohl ihr Tod in nicht allzu weiter Ferne auf sie wartete, löste sich der Stacheldraht, das Herz pochte leiser und die Muskeln entspannten sich. Alles schien so klar, es war in Ordnung zu sterben.

Denn als sie den Weihnachtsbaum zusammen mit ihrer Nana geschmückt hatte und der funkelnde Goldstern auf der Tannenspitze strahlte, da war sie glücklich gewesen. Und als Fluffy, die kleine Tigerkatze mit den weißen Pfoten plötzlich nicht mehr zurückgekehrt war und die Katzenklappe unbenutzt blieb, hatte sie geweint, sehr sogar.

Sie hatte gelacht, bis es weh tat, als sich eine komplette Schneeladung vom Dach gelöst hatte und sich über ihren Vater ergoss, der gerade damit beschäftigt gewesen war, den Hof frei zu schaufeln, sie hatte gelacht, bis sie Bauchschmerzen bekam.

Und dann war der Blonde mit den Engelslocken, der neben ihnen wohnte, aus seiner Haustür getreten und hatte sie unvermittelt angesehen und sie hatte gespürt, wir ihr das Blut ins Gesicht schoss und schleunigst auf dem Absatz kehrt gemacht.

Und darum war es okay.
 

Das schwarze Digimon verstärkte seinen harten Griff um ihren Arm.

„Wir haben dein Digivice gesehen, Kleine… also gib es uns und wir werden dich am leben lassen. Vielleicht wird der Meister dich sogar verschonen und für deine Kooperationsbereitschaft entlohnen…“ Und während es sprach, suchte der Junge bereits ihre Hosentaschen ab, hektisch streiften seine Kinderfinger das rechte Hosenbein, das linke, die Gürtelschnalle, die Jackentaschen. Doch die Hände fanden nichts und die dunklen Augen mischten sich mit Wut und Frustration, während die Kinderhand ausholte und mir einem lauten Klatschen auf ihrem Gesicht landete.

Sore wa doko?“ Der Junge, der ihr gerade mal bis zur Schulter reichte, hatte ihren Kragen zu fassen bekommen.

Sore wa doko? Sore wa doko?”, schrie er und drosch mit der freien Hand auf sie ein. Die Schläge hinterließen brennende Schmerzen auf ihren Wangen, es war ihr unbegreiflich wie dieser Junge so viel Kraft in seinem kleinen Körper beherbergen konnte.

„Mir scheint, du hast dich geirrt..“, zischte das schwarze Digimon, welches seine Pranken von ihrem Arm genommen hatte und sich nun stattdessen vor dem Jungen aufbaute, der schlagartig in sich zusammen zu sinken schien und mit großen Augen den Kopf schüttelte.

Fukanou desu“, flüsterte er, während seine Locken um seinen Kopf wirbelten. Die Zahnreihen des Digimons traten erneut zum Vorschein.

„Das wird den Meister nicht freuen, nein, nein. Was soll er mit einem Verlierer wie dir? Du hast ja nicht mal einen Partner bekommen. Unwürdiger…“ Die Schultern des Jungen bebten, während das Digimon sprach, ob vor Angst oder Wut, das konnte sie nicht erkennen. Doch mit einem Mal schien der Junge neue Hoffnung gefunden zu haben und mit einem erleichterten Grinsen hob er seinen Kopf und redete eindringlich auf das Digimon ein, das sein Gesicht zu einer nachdenklichen Miene verzog und dann suchend den Raum durchforstete, bis seine Augen an einem Punkt hängen blieben auf den der Junge mit dem Finger zeigte. Sie folgte den Blicken und die Ruhe schwand, die ihr Herz zuvor erfasst hatte, schwand, als sie sah, dass die beiden langsam auf Elena zuschritten, wie sie eben noch sie visiert hatten.
 

Panisch rutschte Elena an die Gitterstäbe und hielt sich mit zitternden Händen an ihnen fest, als könnten diese ihr helfen, ihre Augen waren angstgeweitert. „Ich habe nichts getan“, flehte sie, als das Digimon ihre Taschen aufriss. „Ich habe nichts getan.“ Die angesengten Haarsträhnen fielen ihr ins tränenverschmierte Gesicht, als sie sich aus dem harten Griff winden wollte. „Ich habe nichts getan!“

Doch das Digimon zeigte keinerlei Erbarmen.

„Man hat dich dabei gesehen, wie du dem Mädchen in die Tasche gegriffen hast. Was hast du dort gefunden“, verhörte es Elena, die kraftlos zusammensackte. Dieses Mal holte das Digimon zum Schlag aus und die krallenbesetzte Pranke hinterließ blutende Wunden, die Elena quer über das Gesicht verliefen. Erschrocken waren nun auch die anderen Gefangenen aufgescheucht worden und hatten sich, so weit wie es ihnen durch die Ketten möglich war, von Elena entfernt. Ihr Instinkt verbot ihnen, sich einzumischen, ihre Angst lähmte jede Menschlichkeit.

Sie selbst verharrte in einer Art Schockzustand, unfähig sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Irgendetwas in ihr hielt sie an erst abzuwarten. Und für dieses Kalkül hasste sie sich selbst.

„Was hast du dort gefunden?“, wiederholte das Schwarze erneut und schüttelte die weinende Elena zum Nachdruck, so dass ihr Kopf gegen die Gitterstäbe prallte.

„I…ich…w…w…weih...eiß ni...hicht…“, schluchzte sie, „I...ich ha…habe es d…d…doch nur ansehen wollen.“

„Und wo hast du es dann hingelegt?“ Elena schüttelte den Kopf, woraufhin das Digimon sie abermals schlug. Ein Schreckensschrei entfuhr ihren Lippen, als sie sah, wie Elenas Kopf zur Seite kippte. Sie machte einen Schritt auf das Mädchen zu, das sich langsam aufrichtete.

„Ich hab’s zurück gelegt…“ Elenas wässrige Augen suchten sie, „Ich habe es ihr zurückgegeben. Es ist ihr Gerät.“

Uso tsukanaide!“, zischte der Junge. „

Lügen hilft dir nicht weiter…“, säuselte das Digimon. „Wir haben es bei ihr nicht finden können, also kannst nur du es noch haben.“ Elena schüttelte vehement den Kopf.

„Nein, nein, nein. Sie hat es. Ich habe es ihr zurückgegeben. Es ist ihres, sie ist es. Sie, sie, SIE!“ Röchelnd sackte Elena zusammen, währen ihr blutverschmierter Zeigefinger auf sie gerichtet war. Ihre Ketten drückten gegen ihre Haut, während sie versuchte, beruhigend die Hand nach dem weinenden Mädchen auszustrecken. Abwehrend hob Elena die Arme und ihre Augen blitzen sie feindselig an.

„Komm mir nicht zu nahe“, flüsterte sie mit blutüberströmten Lippen. „Ich will nichts von dir wissen.“ Blut tropfte vom Kinn auf den Holzboden.

„Nehmt sie mit!“ Ertönte die Stimme des schwarzen Dinosauriers, welcher mit zwei Gazimon sprach. „Sie soll euch das Versteck verraten und anschließend bringt uns das Vice, sonst nützt sie uns nichts…“ Die graufelligen Digimon marschierten auf sie zu…

An ihr vorbei…

Ihre Krallen schlugen sich Elenas Haut. Ihre Schmerzensschreie hallten durch den Raum.

„Nein!“, brüllte sie.

„Sie ist es. Ich habe es zurückgegeben…“ Elenas Ketten wurden gelöst.

„Nein“, flüsterte sie, ahnend, was ihr Schweigen angerichtet hatte. „Nein, bitte… sie hat es bestimmt nicht.“ Sie wandte sich an das schwarze Digimon.

„Sie hat doch nichts damit zu tun…“

„Warte nur ab Digiritter. Schmerzen sprechen ihre eigene Sprache…“ Es lachte hämisch.

„Und schon bald werden wir dein Digivice haben und es mit dir zusammen unserem Meister überreichen…“ Und mit diesen Worten verließen der Junge mit den schwarzen Augen und das schwarze Digimon – beide mit bleiernen schwarzen Seelen – den Käfig gefolgt von den Gazimon, die Elena hinter sich herzerrten. Sie stemmte sich auf – trotz der Schmerzen – und versuchte das Mädchen zu fassen zu kriegen, das wie am Spieß schrie, als es von seinen Peinigern zur Tür bugsiert wurde.

„Lasst sie los“, fluchte sie, während ihre Füße über den Holzboden preschten. „Haltet sie auf!“, rief sie den anderen Insassen zu, doch niemand rührte sich, alle verharrten in ihrer ehrfürchtigen, ängstigen Pose und beobachteten das Geschehen mit großen Augen und schweigenden Mündern.
 

Ein Ruck ging durch ihren Körper, die Tür fiel ins Schloss und die Ketten, die ihr die Freiheit nahmen, schleuderten sie zurück auf den Boden der Tatsachen. Ein salziger Geschmack breitete sich in ihrem Gaumen aus und sie spürte, wie die Tränen über ihre Wangen rollten und ein brennendes Ziehen auf den klaffenden Wunden zurück ließen. Um sie herum schienen sich die ersten wieder zu bewegen, langsam und bedacht darauf ihr nicht zu nahe zu kommen. Und mit einem Schwung setzte sich der Wagen wieder in Bewegung, ohne Elena. Die Landschaft flog an ihr vorbei, während ihr Herz wimmernd vor sich hin schlug und die Schuldgefühle durch die Adern pumpte, so dass jede Faser ihres Körpers schmerzte. Wann hatte sie sich das letzte Mal selbst gehasst, so sehr geschämt, dass sie nicht wagte in den Spiegel zu schauen?

Die Antwort darauf hatte sie heute gefunden…
 

Author’s Note:

Ich bin wieder da – ja es ist schrecklich lang her, aber es ist auch so schrecklich viel passiert. Und natürlich melde ich mich mit so einem Kapitel zurück, manchmal glaube ich meine kranke Seele ist noch viel bekloppter als ich es erahnen könnte ;D

Nun denn, das ist also das nächste traurig-schaurige Kapitel…

Im Übrigen habe ich während des Schreibens „Loneliest girl in the World“ von den Cary Brothers gehört, vielleicht erklärt das das eine oder andere…

Es bezieht sich auf beide Mädchen, auf Elena und „Sie“, ich werde wohl bald mal ihren Namen erwähnen müssen, nicht wahr.^^

Aber für den Moment reicht es einfach. Diese Kapitel erzählt nicht von Egoismus, auch wenn es an mancher Stelle so scheint, sondern von sehr viel Angst und Instinkt und Verrat, als Resultat von Angst. Deshalb versucht Elena alles, um die Schuld auf „Sie“ zu schieben, und vielleicht reagiert „Sie“ auch deshalb so spät, weil sie Angst hat, vielleicht, vielleicht auch nicht… Nur Schwarz oder Weiß bekommt ihr bei mir ja eh nicht, wie ihr wohl wisst. Und wer ist eigentlich dieser Junge… mmhhh, er ist Teil eines Quartetts, dass ich einbauen werde, aber mehr dazu später.

Jetzt möchte ich mich erst mal wieder etwas schöneren Dingen widmen. Vielleicht ein kleiner Witz? Mal sehen, was Steve dazu sagt ;)

Bis dahin

PenAmour



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-05-16T08:44:37+00:00 16.05.2010 10:44
;_;
Das nenn ich Mal ein Comeback!
Das war ja mal wahnsinnig traurig. :( Ich nehme Mal an, von Elena wird man nicht mehr viel hören... Außerdem finde ich den Kontrast von "ihr" und dem Jungen krass. Jeder kämpft für sich allein, aber dass sich ein kleiner Junge bewusst für das Böse entscheidet... Ich würde gerne wissen, ob er auch ein Ritter war/ist. ^^

Die Identität von dem geheimnissvollen Mädchen irritiert mich! Wenn sie neben Micheal gewohnt hat, ist sie nicht die, die ich dachte, die sie ist. x)


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