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The Mirror Of The Ancients

Miragia-Trilogie 2
von

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When The Night Comes

Das kleine Aufklärungsflugzeug der AVALANCHE mochte unsichtbar geworden sein – wenn auch nur von außen –; innen hatte es sich um keinen Quadratzentimeter vergrößert, und erneut mussten sich die Insassen dicht zusammendrängen, um alle Platz zu finden. Besonders vorsichtig ging man natürlich mit Cloud um, der ein wenig müde nahe des Bodenfensters saß.

Bis Midgar waren es gut einige Flugstunden. Über den Himmel legte sich längst der zwielichtige Schatten der Abenddämmerung, und die erleuchteten Häuser jagten wie kleine funkelnde Juwelen vorbei.

„Leute, es tut mir ja Leid, aber wenn es noch dunkler wird, muss ich die Beleuchtung einschalten – ob nun unsichtbar oder nicht“, ließ sich Cid aus dem Cockpit vernehmen.

Cloud starrte durch das Fenster in der Seite. Am blauschwarzen Himmel schimmerten die ersten Sterne mit unterschiedlicher Helligkeit hervor, das Land nahe der Küste war nur eine schwarze Masse. Die Szenerie stimme ihn sehr melancholisch; er hatte nun Zeit, sich erneut durch den Kopf gehen zu lassen, was in der letzten Zeit so schnell hintereinander geschehen war. Immerhin war er seinem Todesurteil entkommen – aber der Grund dafür war nicht unbedingt ein Segen. Wieder würden er und seine Freunde die Gejagten sein. Alle verließen sich auf ihn ... und nicht nur sie, auch die Cetra. Man setzte Hoffnungen in ihn, vielleicht falsche Hoffnungen. Wegen dieses Dinges im Keller und auch wegen Lukretia musste er etwas unternehmen. Sonst wären alle Bemühungen umsonst, wäre Vincents Tod umsonst ... wäre all das umsonst. Und dabei war er sich noch nicht einmal im Klaren darüber, womit er es eigentlich genau zu tun hatte.

Eine Hand berührte sacht seine Schläfe, und er drehte sich um.

„Cloud, du bist so still. Geht es dir gut?“ Es war Aeris, die sich wieder einmal rührend um ihn bemühte.

„Hm ... ja, ich glaube schon. Ich bin nur ein bisschen müde.“

„Das ist ja kein Wunder. Aber wir sind gleich in Midgar.“

Er seufzte. „Ich frage mich, warum wir nicht einfach nach Hause gehen können.“

„Weil sie wissen, wo wir wohnen“, antwortete Aeris schlicht. Wer ‚sie’ waren, brauchte gar nicht näher erläutert zu werden.

„Hmmm. Ja. Das leuchtet mir ein. Aber wer wird den Kater füttern ..?“

„Miss Nightley wird sich schon um ihn kümmern, wenn sie sieht, dass wir nicht mehr nach Hause kommen. Darum haben wir ihr ja den Schlüssel gegeben ...“

„Ja.“ Er starrte wieder in die Sterne, war aber zu beunruhigt, um sich auf sie zu konzentrieren. „Tifa, was ist das eigentlich für eine Person, bei der ich die Nacht verbringen muss?“

Tifa meldete sich von irgendwo hinten. „Die ist ganz lieb. Wird sich zauberhaft um dich kümmern. Sie ist eine ähnliche Glucke wie Ronven ... allerdings weniger nervig.“

Cloud nahm das mit einem leichten Stirnrunzeln zur Kenntnis.

Der Rest des Fluges verlief ruhig und zum Glück unbeobachtet, wie es schien. Schließlich landete Cid die kleine Bronco vor den Toren von Midgar.
 

„Der Wall Market ist noch fast genau so belebt wie früher“, sinnierte Aeris.

Alle zusammen gingen sie des späten Abends über den großen Platz, der sich im Laufe der Jahre allerhöchstens ins weniger Heruntergekommene verändert hatte, und Tifa führte sie auf kürzestem Wege durch den Sektor. Die Slums waren ausgebaut worden, die Armut fast gänzlich von den Straßen verschwunden. Es gab Bibliotheken, Blumenläden und Bäckereien; die Kirche stand noch an ihrem alteingesessenen Platz, niemand hatte Hand an sie gelegt, nicht einmal zu Restaurationszwecken.

Vor der Tür eines recht komfortabel aussehenden Reihenhauses blieb Tifa stehen und beugte sich herab, um das verwitterte Namensschild zu lesen. „Das ist wirklich nicht einfach, hier zurecht zu kommen, die Häuser sehen ja alle gleich aus ... hm, Moment ...“ Sie ging weiter zum nächsten Haus und blieb erneut vor der Tür stehen. „Hm ... ja, hier ist es.“ Triumphierend zeigte sie auf den Namen Clancy.

„Ah ja“, murmelte Cloud.

„Mach nicht so ein Gesicht, was soll denn Helen von dir denken?“

„Ich mache doch gar kein Gesicht.“

Tifa warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und drückte den Klingelknopf, während sich die Anderen hinter ihr versammelten.

Eine schmale Frau mit großen wachen Augen und schimmernd rotbraunen Locken öffnete die Tür einen Spalt breit und sah heraus. „Oh, guten Tag zusammen! Ihr müsst entschuldigen, man kann nie wissen, was sich so spät noch draußen rumtreibt. Kommt bitte rein.“

Nachdem die Tür nun ganz offen war, traten die Besucher der Reihe nach in den Flur.

Cloud sah sich um; ihm fiel als erstes eine Kuckucksuhr an der Wand neben den Kleiderständern auf, dann ein großer gerahmter Spiegel über dem Schuhregal. Zwar hatte er ansonsten noch keinen Raum gesehen, entschied sich aber bereits dafür, seine vorläufige Unterkunft zu mögen.

Während er noch den Blick umherschweifen ließ, wandte sich ihm Helen zu. „Du musst Cloud sein.“

„Ich – ja. Und Sie ...“

„Sag einfach Helen.“ Ihr Blick blieb ernst, obwohl sie wohl gern gelächelt hätte. „Mach dir keine Sorgen. Tifa hat mir gesagt, dass ich dich während der Nacht hier behalten soll, damit du dich von einer Operation erholen kannst. Ich versichere dir, dass, wer auch immer dich sucht, dich nicht bekommen wird.“ Sie reichte ihm die Hand.

Als Cloud das letzte Mal jemandem die Hand gegeben hatte, waren ihm Handschellen angelegt worden, darum dauerte es einige Sekunden, bis er sich durchrang, die ihre zu nehmen. „Äh ... danke.“

Sie führte ihn ins Wohnzimmer, welches klein, aber gemütlich war, mit Regalen und allerhand Krimskrams vollgestellt. Eigentlich wie Tifas Haus.

Am Tisch saßen seine Freunde und blickten noch immer neugierig um sich.

„Nette Bude“, kommentierte Yuffie. „Dass es so was in Midgar gibt, hätt’ ich nicht gedacht.“

„Midgar ist nicht mehr wie früher“, sagte Tifa. Ihre lackierten Fingernägel trommelten nervös auf die Hartholztischplatte.

Helen nickte. „Das stimmt.“ Anders als ihre Gäste setzte sie sich nicht, sondern umrundete einmal den Tisch, öffnete einen Schrank und holte etwas heraus. „So, jetzt gibt es etwas zum Aufwärmen, wer möchte.“ Sie förderte eine bauchige etikettlose Flasche mit trübem honigfarbenen Inhalt zutage. „Selbstgemachter Schlehenlikör.“

„Oh!“, kam es aus Reeves Mund, bevor er es verhindern konnte. „Verzeihung, aber – ist das Herstellen von Schlehenlikör nicht eine Heidenarbeit?“

„Oh, doch. Die Dinger müssen monatelang im Keller liegen und gepresst werden ... na ja.“ Endlich gelang es ihr, den Korken mit einem Plopp aus dem Flaschenhals zu entfernen. In einer Vitrine unmittelbar hinter Nanakis Schultern staubten Schnapsgläser vor sich hin, welche nun ihren ersten Einsatz seit scheinbar vielen Jahren erlebten.

Mit dem sehr eigentümlichen Geschmack des Schlehenlikörs beschäftigt, sprach niemand innerhalb der nächsten Viertelstunde ein Wort. Cloud schaute aus dem Fenster, aber inzwischen war dort nur noch finstere Nacht zu sehen.

„Wenn du willst“, unterbrach Helen Clancy so plötzlich die Stille, dass alle zusammenzuckten, „zeige ich dir dein Zimmer. Es steht schon seit ’ner Ewigkeit leer und ich benutze es nie – kann also sein, dass es ein bisschen runtergekommen aussieht.“

Cloud hatte sich fest vorgenommen, in allem höflich zu sein, und wie das Zimmer aussah, war ihm im Großen und Ganzen herzlich egal. „Schon okay, das stört mich überhaupt nicht.“

„Na, dann komm mit.“

Sie ging die schmale Holztreppe hinauf, und er folgte ihr, während die anderen unten blieben und nachdenklich hinterher sahen.

„Na?“, sagte Tifa, als ihre Freundin und Cloud außer Hörweite waren. „Ich hab’ ja gesagt, sie wird auf ihn aufpassen.“

„Ich glaub’, da haste auch Recht“, antwortete Barret, obwohl seine Stimme nach wie vor beunruhigt klang. „Morgen können wir ihn dann schon wieder mit uns rumschleifen, da wird’s ihm besser gehen.“

Cid schaute skeptisch drein. „Was macht eine alleinstehende Frau wie deine Freundin eigentlich alleine in diesem großen Haus? Vereinsamt man da nicht?“

Tifa zuckte die Schultern. „Sie hat das Haus geerbt. Den Keller benutzt sie, um Likör anzusetzen, ins obere Stockwerk steckt sie eigentlich nur Gäste. Sie hat oft welche. Aber nicht in dem Zimmer, das sie jetzt Cloud gegeben hat, wie mir scheint ... sonst wäre es ja nicht eingestaubt.“ Ihre Fingernägel klackten beständig gegen den Rand des Schnapsglases. „Die Frage ist, was wir jetzt machen.“

„Was wohl?“, knurrte Barret. „Wir halten den ERCOM-Schnösel auf.“

„Gute Idee, die kam mir auch schon ... und wie?“

Barret wandte sich an Aeris. „Wieso kann uns denn –“

Ehe er der Cetra seine Frage stellen konnte, klopfte etwas leise gegen die Fensterscheibe. Es war kaum zu hören, kaum lauter als das Ticken der Kuckucksuhr, aber Aeris hatte es gehört. „Sephiroth ist dort auf dem Fensterbrett, wir müssen ihn reinlassen, Tifa.“

„Oh, ja, warte.“ Tifa drehte sich zu betreffendem Fenster um und zog es auf, woraufhin der weiße Täubling hereingeflattert kam und einige Daunen auf dem Tisch verteile.

„Nach dem Kerl wollte ich gerade fragen“, stöhnte Barret. „Ich muss euch sagen, als Geflügel isser mir noch unheimlicher als vorher schon!“

Die Taube faltete ihr Gefieder zurecht und machte dann auf dem Tisch ein paar Schritte auf Barret zu.

„Boah, jetzt guck doch nicht so, du halbes Hähnchen! Wir haben eine Aufgabe für dich, hör ma: Wir müssen unbedingt dieses Teil aus dem Keller wegbringen, an dem euch allen so viel liegt.“

Sephiroth nickte.

„Kannste die ERCOM-Heinis irgendwie weglocken?“

Der Vogel blinzelte, dann schüttelte er den Kopf, fuhr jedoch mit weiteren undeutlichen Artikulationen fort.

Aeris starrte angestrengt hin, um übersetzen zu können. „Also ... er sagt, dass von euch sowieso niemand in die Nähe des SPECULUMS – so nennen wir es – gelangen kann ... ihr wisst schon, wegen Lukretia. Aber Cloud und ich könnten es schaffen. Mich wird sie in Frieden lassen, da ich vom Alten Volk bin. Cloud kann sie körperlich nichts antun, ihn wohl aber mit ihren Emotionen überschwemmen, wie ihr ja gesehen habt.“

„Nicht wieder der Quatsch.“ Cid stützte den Kopf in die Hände. „Und die nächsten Tage dürfen wir uns wieder fragen, wie du überhaupt an all dieses Wissen kommst.“

„Ich hab’ euch doch gesagt, dass die Cetra Kontakt zu mir halten und über die Sache genau Bescheid wissen“, erwiderte Aeris ungeduldig. „Wollt ihr den Plan jetzt hören oder nicht?“

„Jaah, nur zu. Erzähl uns, wie Cloud dahinkommen soll, ohne wieder wegzuknacken.“

„Ich werde einfach seine Hand halten.“

Bitte?“

„Körperkontakt. Sie kann es nicht ausstehen, nicht in sein Innerstes zu gelangen, und noch weniger schätzt sie es, wenn dann auch noch jemand ihn berührt. Versteht ihr?“

„Nein“, sagte Reeve.

Tifa hob die Hand. „Diskutieren wir später darüber, erst mal müssen wir das jetzt als Tatsache ansehen, okay? Also, du und Cloud, ihr geht dort runter, nachdem ihr auf eine Weise an den Bewachern vorbeigekommen seid, die wir noch ausarbeiten müssen ... Was macht ihr dann? Wie kriegt ihr das Speck– .., das Spuck– .., das Ding dort weg? Einfach unter den Arm klemmen ...?“

„Hm.“ Aeris runzelte ihre sonst furchenlose Stirn. „Gute Frage.“ Ihr Blick fiel auf Sephiroth, und dieser plapperte erneut Sätze in seiner wenig verständlichen Vogelsprache. Sie hörte ihm zu und schien zu verstehen. „Aha ... na gut. Also, das geht ... mit der Transfer-Substanz.“

„Quatsch“, sagte Yuffie prompt. „Damit kann man nur Lebewesen transportieren, und Dinge, die von ihnen ohne Bodenkontakt getragen werden. Schuhe irgendwie auch. Aber so große Dinge ...“

„Eben, ja. Mit einer Substanz allein ist es in dem Fall auch nicht getan. Wir brauchen zwei. Eine müssen wir zu Schmelze verarbeiten.“

„Dazu bräuchten wir einen Substanzbrenner“, murmelte Cid. „Und selbst wenn wir so ein Gerät finden, dann brauchen wir zunächst einmal zwei von diesen Substanzen! Die einzige, die wir haben, das ist ja die von Sephiroth ...“ Er deutete auf den Vogel auf der Tischplatte. „... und die befand sich schon auf dem MASTER-Level, als wir erfuhren, dass er so etwas überhaupt hat ...“

Aeris nickte und fuhr fort: „Ja, aber schau – Sephiroth weiß vermutlich, wo die Reproduktion sich befindet, und er sitzt hier vor uns auf dem Tisch, nicht wahr?“

„Wenn du das sagst, ja ... und wo hat er sie versteckt?“

Sephiroth machte einige Geräusche mit seinem Schnabel.

„In der Vergessenen Stadt“, übersetzte Aeris.

Auf der Treppe erklangen Schritte, und alle Köpfe wandten sich ihr zu.

„Da sind wir wieder“, verkündete Helen, gefolgt von Cloud, und sah fragend in die Runde. „Haben wir euch bei irgendwas überrascht? Ihr schaut alle so merkwürdig drein.“

„Ach wo.“ Tifa erhob sich von ihrem Stuhl. „Danke für den Likör, also, der war ja noch besser als letztes Jahr ... aber wir müssen uns nun langsam wieder auf den Weg machen.“

„Macht das mal. Wir erwarten euch dann irgendwann morgen, hm?“

„Äh, ja.“

Murmelnd versammelten sich alle wieder im Flur und sammelten ihre Jacken von den Haken. Cloud blieb, beide Hände in die Seitentaschen seiner Hose gesteckt, auf der Wohnzimmerschwelle stehen und beobachtete, wie sie einer nach dem anderen das Haus verließen.

„Noch mal danke, Helen“, verabschiedete sich Tifa. „Bist wirklich die Beste.“

„Kein Problem, Liebes. Seht nur zu, dass ihr alle heil bleibt, ja?“ Helen lächelte.

„Okay. Dann bis morgen.“

Die Tür schloss sich leise wie ein Portemonnaie.

Aeris sah sich um, ob sie irgendwo in der wenig erleuchteten Dunkelheit den schwachen Schemen einer Taube sehen konnte, aber augenscheinlich war Sephiroth nicht mit nach draußen geflogen, sondern hatte es vorgezogen, im Haus zu bleiben ... vielleicht, um Cloud Gesellschaft zu leisten.



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